Konstanz/Duisburg,
21. Juli
2023 -
Mit großem Unverständnis reagiert die Anlaufstelle
"Beratung mit Handicap" auf die Forderungen der
Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes zu einer
Veränderung des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes. Der ehrenamtliche Leiter
des Angebots, Dennis Riehle, äußert sich hierzu in
einer aktuellen Stellungnahme – und übt massive
Kritik am jetzigen Amtsverständnis der einstigen
Journalistin: "Ataman erweist den Anliegen von
Menschen mit Behinderungen und anderen persönlichen
Merkmalen, aufgrund derer sie eine Ausgrenzung
erfahren können, mit ihrem Vorstoß einen
Bärendienst. Denn niemand, der bei uns benachteiligt
wird, möchte die wesentlichen Grundpfeiler unseres
Rechtsstaates infrage stellen. Doch genau dies tut
die Beauftragte in ihren Ausführungen. Wenn sie
zukünftig eine Strafverfolgung ermöglichen will, die
ausschließlich auf der Basis einer empfundenen
Diskriminierung fußt und damit durch alleinige
Behauptung untermauert wird, ist dies ein
Paradebeispiel für eine Beweislastumkehr, die in
solchen Fällen mit unserer Verfassung nicht
vereinbar ist. Denn wir müssen in unserem
Rechtsstaat darauf vertrauen können, dass wir nicht
beliebig wegen einer wahrgenommenen Benachteiligung
vor den Kadi gezerrt werden. Dies kann auch nicht im
Sinne von ausgegrenzten Menschen sein, die gerade
keine Sonderbehandlung wünschen, sondern lediglich
einen niederschwelligen und barrierefreien Zugang
zur Judikative. Wenn ihnen nun eine vereinfachte
Möglichkeit zur Erwirkung einer Klage eingestanden
wird, entspricht das eben nicht dem Wunsch nach
Gleichbehandlung, sondern führt deren Ansinnen ad
absurdum. Gegen sie entstünde weitere Abgrenzung und
Voreingenommeheit, weil sie mit Befugnissen
ausgestattet wären, die andere Menschen nicht haben.
Es käme dann zu einer wahrhaftigen Ungleichheit.
Es kann nicht genügen, eine wahrgenommene
Diskriminierung als Ausgangspunkt für ein Verfahren
anzusehen. Damit würde Beliebigkeit Tür und Tor
geöffnet. Die Überzeugung des Betroffenen, dass ein
Verstoß gegen die geltenden Gesetze mit großer
Wahrscheinlichkeit stattgefunden hat und diese
Annahme und Befund hinlänglich für das Ingangsetzen
einer Strafverfolgung sind, führt unser System in
die Willkürlichkeit und trägt zu gegenseitigem
Misstrauen in der Gesellschaft bei. Einen
Sachverhalt glaubhaft zu machen, ohne diesen
allerdings mit konkreten Belegen flankieren zu
müssen, kann in einer Demokratie nicht ausreichend
sein. Schlussendlich muss bei den Behörden eine
Überzeugung hergestellt werden, die nicht allein auf
den subjektiven Schilderungen des potenziellen
Opfers beruht. Andernfalls würden perspektivisch
gerade Menschen, die wirkliche Benachteiligung
erlebt haben, dem Vorwurf des Denunziantentums
ausgesetzt. Ein Generalverdacht gegen jeden zu
hegen, der möglicherweise eine Diskriminierung
begangen haben könnte, würde letztlich zu einer
massiven Verunsicherung in der Bevölkerung
beitragen. Denn das Herabsenken von Hürden zur
Strafverfolgung bedeutet in der Konsequenz auch,
dass niemand mehr davor gefeit wäre, in Ungnade von
Anderen zu fallen und sich bei völlig legalem
Verhalten trotzdem nahezu vogelfrei einer möglichen
Anschwärzung ausgesetzt zu sehen.
Zwischen
einer gefühlsmäßig stattgehabten Benachteiligung und
einer tatsächlich rechtlich relevanten
Diskriminierung können Welten liegen. Es ist daher
auch im Interesse von Menschen mit einer Behinderung
oder anderen Eigenschaften, durch die sie
grundsätzlich schlechtergestellt werden könnten,
dass es klare Vorgaben zur Beweisführung oder
konkludenten, nachvollziehbaren Indizienkette gibt,
welche schlussendlich ein abschließendes Urteil
nicht nur im Raum der Mutmaßungen erlauben. Atamans
Vorstellungen für ein altruistisches Klagerecht sind
ebenfalls ungeeignet, mehr Gerechtigkeit
herzustellen. Immerhin muss eine Anzeige in Fällen,
bei denen es um eine höchstpersönliche Angelegenheit
der individuellen Freiheitsrechte geht, stets vom
Opfer ausgehen und darf nicht von einer dritten
Person initiiert werden, deren vornehmliches
Ansinnen es offenbar ist, die Augen überall zu haben
und nach eventuellen Diskriminierungen im Rahmen des
Selbstzwecks Ausschau zu halten. Ein Zugeständnis an
Ataman, selbst tätig zu werden, wenn sie eine
Benachteiligung annimmt, würde die Betroffenen
übergehen. Sie allein müssen und dürfen proaktiv die
rechtliche Behandlung einer tatsächlich erlebten
Ausgrenzung oder Schlechterstellung in Gang setzen.
Ein Freifahrtschein für die Beauftragte, nach
Belieben im Berufs- und öffentlichen Leben der
Menschen nach scheinbarer Diskriminierung zu
schnüffeln, befördert Unliebsamkeit und macht unser
Miteinander zunehmend anfällig für ein gegenseitiges
Brandmarken. Deshalb muss sich jeder auf die
Unschuldsvermutung und den verbindlichen Rechtsweg
verlassen können, nicht allein durch Emotionen von
Opfern zum Täter gemacht zu werden. Daher lehnen wir
die Überlegungen von Ataman ab und fordern das
Bundesjustizministerium zu einer klaren Ablehnung
des Reformpapiers zum AGG auf".
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