Notizen aus der Picardie (10) |
Amiens,
1. Mai - Verjüngung
einer Mannschaft ist etwas Wichtiges und Normales. Doch was die
israelitische Mannschaft gemacht hat, ist doch zuviel des Guten. So
weist beispielsweise der offizielle Mannschaftsbogen aus, dass
Cheftrainer Jean Perron am
1. Januar 2006
geboren wurde, was auch für Materialwart Klockars Kjellake und die
Physiotherapeutin Julie Bertrand gilt. Weiß der Henker, welcher
Druckfehler- oder andere Teufel hier im Spiel war. Und dass diese
dümmliche Regel bezüglich “Spielverzögerung” nur in unserer DEL gilt,
wurde wieder einmal unterstrichen. Kein einziger Schiedsrichter
überlegte auch nur eine Sekunde, ob er dem Spieler, der zufällig die
Scheibe aus dem Feld beförderte, eine Zweiminutenstrafe aufbrummen
sollte. |
Notizen aus der Picardie (9) |
Amiens,
30. April - Da
wunderte sich aber Schiedsrichterboss Halas aus der beschaulichen
mährischen Stadt Kremsier (dahin flüchtete sogar einmal die kaiserliche
österreichische Familie, weil es in Wien zu „feurig” wurde). Jener Mann,
der während des gesamten Turniers seine Adleraugen auf jedes
unparteiische Trio zu richten hatte, wurde im offiziellen Programmheft
als Slowake geführt. „Vielleicht hat sich ja während meiner Abwesenheit
eine politische Änderung ergeben”, grinste er schwejkhaft-ironisch.
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Apropos Tschechien... Wie bekannt, ziert ein „Steckbrief” von
DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke eines der vielen Fanplakate. Als
einigen Tschechien der Hintergrund dieses „Steckbriefes” mitgeteilt
wurde, berichteten diese, dass es in ihrem Land ebenfalls eine solche
Bestrebung gibt. Der sportliche Aufsteiger soll umgerechnet rund 250.000
Euro als Kaution entrichten, um in der Extraliga mitmachen zu dürfen.
Allerdings soll es keinen Absteiger mehr geben. Ausgegoren ist die Sache
noch nicht. Man erwartet in kürzester Zeit weitere Details bzw.
Absprachen. Erster Kautionzahler wäre Aussig als Meister der zweiten
Klasse (1. Liga).
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Nicht jeder ist der französischen Sprache mächtig, und deswegen lauschen
viele Zuschauer andächtig auf die englische Übersetzung. Doch manchmal
ist es gar nicht einfach, das Englisch der Dame zu verstehen, da es mit
deutlich französischem Akzent an die Ohren der Fans dringt. Ein Spötter:
„Ich wusste gar nicht, dass die französische Aussprache der englischen
so ähnlich ist.” |
Notizen aus der Picardie (8) |
Amiens,
30. April - Schöneres
Wetter hätte sich für den heutigen Tag wohl jeder in Amiens und Umgebung
gewünscht. Denn heute findet nicht nur das „Endspiel” zwischen Favorit
Deutschland und Gastgeber Frankreich statt. Auch der weit über die
Stadtgrenzen hinaus bekannte Antiquitätenmarkt hat seine Pforten
geöffnet. Bei rund sieben Grad sind die Parkplätze jedoch schon seit den
frühen Morgenstunden gerappelt voll. Auch die deutschen Fans halten sich
merklich zurück, sind kaum in der Stadt anzutreffen. „Heute wird es wohl
ruhig im Hotel bleiben”, hofft eine gestresste Mitarbeiterin, die sich
darüber wundert, was alles in die Fans hineingeht, „sie wollen morgen
bestimmt früh aufbrechen, um rechtzeitig nach Hause zu kommen.”
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Die gestrige Demonstration deutscher Konditions- und
Konzentrationsstärke im Spiel gegen die Ungarn hebt die Adlerträger dann
auch für heute Abend auf den Favoritenschild. Zwar warnt Torwart Robert
Müller, der auch gegen die Franzosen zwischen den Pfosten steht: „Wir
müssen, falls das Reglement nicht zwischenzeitlich geändert wurde,
mindestens ein Unentschieden gegen Frankreich machen. Das Turnier ist
noch nicht zu Ende.” Aber kaum einer denkt wirklich daran, dass die
Franzosen kurz nach 22 Uhr als Sieger das pappige und weiche Eis
verlassen werden. Nationalverteidiger Vincent Bachet vom heimischen
Verein Les Gothiques in der heutigen Regionalzeitung: „Normalerweise
sind die Deutschen in Bezug auf Technik und Kondition besser als wir.
Aber in nur einem Spiel kann alles anders sein.”
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Die Tage von Amiens haben uns Deutschen bis jetzt viel Freude bereitet,
nicht nur aus sportlicher Sicht. Die Menschen hier sind sehr freundlich,
im Pressezentrum ist der Ex-Akteur der „Goten” aus Amiens, Stürmer
Bernard Quique, stets hilfsbereit und hat stets ein Witzchen auf Lager.
Und wenn Richard Lauff aus der Slowakei, der sogar schon bei
A-Weltmeisterschaften eingesetzt wurde, nicht allzu nachsichtig und
„dankbar” gegenüber den Gastgebern gezeigt hätte und Monsieur
Franchterre als neuer und erster Generalsekretär des französischen
Eishockeyverbandes sich ein bisschen mehr wie ein Vertreter der
Gastgeber gezeigt hätte, könnte man bis jetzt von einer „rundherum
runden” Sache sprechen. Unter dem Strich: Das Positive überwog bei
weitem das Negative.
Auf geht´s also zum fünften und letzten Akt! |
Notizen aus der Picardie (7) |
Amiens, 29. April - Die
Reinemachefrauen scheinen sich zumindest im Coliseum in Hochform zu
befinden. Nachdem eine Fotografin schon zu Beginn des Turniers recht
unsanft mit einer Glasscheibe unfreiwillige Bekanntschaft schloss und
sich glücklicherweise vor dem Zusammenstoß noch leicht abfangen konnte,
hatte Krefelds Sportleiter Franz Fritzmeier ein anderes Tempo drauf.
Nachdem er einen deutschen Kollegen begrüßt hatte, wollte er geschwind
weiter, doch erneut war es eine blitzsaubere Scheibe, die dem Treiben
eines Deutschen Einhalt gebot. Der Isarwinkler knallte voll mit dem Kopf
gegen das Glas, konnte seine Brille jedoch vor einer Zerstörung
bewahren. Den recht nahen Boden brauchte Fritzmeier Gott sei Dank auch
nicht aufzusuchen. |
Notizen aus der Picardie (5) |
Amiens,
27. April - Wer
lange nicht mehr bei unserem westlichen Nachbarn zu Gast war, wundert
sich über einige Regeln bzw. Gewohnheiten im Straßenverkehr. So
existiert zum Beispiel bei einigen LZA (im Volksmund „Ampeln” genannt)
ein Zusatzpfeil. Ähnlich wie beim grünen Abbiegepfeil, der aus der
damaligen DDR importiert wurde, darf hier mit der nötigen Vorsicht
geradeaus gefahren werden, obgleich die „Hauptampel” rotes Licht zeigt.
Und, man lese und staune: Wenn die LZA von „Grün” auf „Gelb” umschaltet,
muss man aufpassen, keinen Auffahrunfall zu verursachen. Anders als in
unseren Gefilden, gehen unsere Nachbarn sofort in die Anker. Bei uns
versucht man eher, höflich geschrieben, die Kreuzung hinter sich zu
lassen. Apropos Ampeln... Frankreich scheint ein Land dieser wunderbaren
Einrichtungen zu sein, die nur selten „Grün”, meist jedoch dieses
unvorteilhafte „Rot” zeigen. Und wenn es bessere Feldwege sind (hier
häufig mit dem Namen „Boulevard” versehen), erscheint alle paar hundert
Meter ein Einrichtung mit Rotlicht. Grüne Welle, Fehlanzeige.
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Fans, mal so, mal so
Gestern, beim ersten „Fast-Ruhetag“ (Israel spielte erst am gestrigen
Mittwoch aus bekannten Gründen entgegen dem ursprünglichen Turnierplan
gegen Ungarn), nahmen viele Besucher die Gelegenheit wahr, sich Amiens
und ein bisschen von der Umgebung anzuschauen. Leider fielen einige
deutsche Fans, die generell seit dem ersten Tag einen sehr guten Ruf
genießen und über die sogar schon eigene Artikel in französischen
Zeitungen erschienen, negativ auf. In voller Fanmontur erschienen ein
paar unverbesserliche in der berühmten Kathedrale (übrigens die höchste
in der Welt), nahmen nach dem Betreten derselben nicht einmal ihre
verspeckten Kappen ab und begrüßten sich erst einmal lautstark. |
Ungarns Sieg im „Nachholspiel“ |
Amiens,
26. April - Die
Ungarn haben das „Nachholspiel“ gegen Israel klar gewonnen. Ungarn -
Israel 8:0 (3:0, 3:0, 2:0)
Von Anfang an hatten die krassen Außenseiter nichts zu bestellen. Die
Treffer für die haushoch überlegenen Magyaren fielen in regelmäßigen
Abständen, wobei sich die Paradereihe mit Gröschl, Ocskay und Palkovics
noch zurückhielt. Eine feine Geste nach Spielende, als sich die tapferen
Israelis von den rund 40 deutschen Fans verabschiedeten, die fast
pausenlos den Underdog anfeuerten. Ihnen nicht nachstehend, machten auch
die Sieger ihre Honneurs in Richtung der rot-weiß-grünen Anhängerschar.-
Tore: 1:0 (5;12) M. Vas, 2:0 (6;40) Kovacs (Majoross), 3:0 (13;43) M.
Vas (Tokaji, Lencses), 4:0 (25;11) M. Vas (Peterdi), 5:0 (27;35) Peterdi
(Horvath), 6:0 (34;54) Szelig (Ocskay), 7:0 (52;33) Palkovics (Szelig),
8:0 (55;39) Gröschl (Ocskay, Palkovics). - Zuschauer: 500. -
Strafminuten: Ungarn 18, Israel 20. - Schiedsrichter: Sewruk (UKR).
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Notizen aus der Picardie (4) |
Amiens,
26. April - Erst
im weiteren Verlauf der Pressekonferenz nach dem Spiel Deutschland gegen
Japan wurde aus der „Englischstunde” eine „Deutschstunde”. Denn beide
„Bandenchefs” Uwe Krupp und Marc Mahon gaben ihre Kommentare, wie es
normalerweise üblich ist, in englischer Sprache ab. Erst im Nachhinein
stellte der Kreis fest, dass ohnehin nur deutsche Journalisten zugegen
waren. Und da Marc Mahon fast sein ganzes Eishockeyleben in Deutschland
verbrachte und schon lange im Besitz eines „grünen” Reisepasses ist, war
man danach quasi unter sich.---
Unfrohe Kunde brachte Martin Ancicka aus seiner Heimatstadt Kladno.
Ex-Weltmeister Frantisek Kaberle, dessen Söhne Frantisek junior und
Tomas ebenfalls schon im Goldmedaillen-Besitz sind, hat dermaßen an
Gewicht zugelegt, dass ihm der Arzt eine dringende Gewichtsabnahme ans
Herz legte. „Wenn du nicht 30 kg abspeckst, kannst du nicht an der Hüfte
operiert werden”, soll der Doc dem Ex-Verteidiger geraten haben.
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Beim gestrigen Spiel Frankreich gegen Großbritannien tauchte nach dem
Spiel ein kleiner Junge im Pinguin-Trikot auf und umarmte glückstrahlend
die Nummer „7” der Équipe Tricolore. Offensichtlich war der langjährige
Krefelder Aufenthalt von Stéphane Barin (die ehemalige Arbeitsbiene
agiert neuerdings als Verteidiger) so prägend, dass die ganze Familie
noch stolz auf diese Zeit ist.
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Beim heutigen Training der deutschen Mannschaft war die Stimmung sehr
locker. Der Berliner Christoph Gawlik und der Kölner Philip Gogulla
beharkten sich so ausgelassen, das der Bundestrainer einen prüfenden
Blick auf das „kämpfende” Duo warf. War es jetzt die „Strafe” oder die
Tatsache, dass der Kleinste die Scheiben einsammeln muss? Jedenfalls
hatte der gebürtige Deggendorfer den Eimer zu füllen, während sich der
in Düsseldorf geborene „Hai” schon vorher Richtung Kabine aus dem Staub
machte. |
Notizen aus der Picardie (3) |
Amiens, 25. April - Offensichtlich
ist doch nicht alles Gold, was glänzt. Jedenfalls mussten einige Fans
gestern bis gegen Ende des ersten Drittels warten, um überhaupt in die
Halle zu kommen. Nicht gerade vorbildlich, auch wenn sich die Preise
wirklich im Rahmen halten. Für einen Sitzplatz (Stehplätze sind in der
sauberen Arena überhaupt nicht vorhanden) werden lediglich elf Euro
verlangt, bei Frankreichspielen erhöht sich der Preis auf 15 Euro. Gerd
aus Stuttgart: „Die wollten alle möglichen Daten von uns, fast hätten
sie uns auch noch nach der Schuhgröße gefragt.” Sein Landsmann Thorsten
ergänzt: „Für den Sonntag sehe ich schwarz. Ich weiß noch nicht, wie wir
überhaupt an Karten für das Frankreichspiel kommen. Vielleicht reisen
wir eher ab.” - Auf die DEL und hier besonders auf ihren Geschäftsführer
Gernot Tripcke ist der schwarz-rot-goldene Block nicht gerade gut zu
sprechen. Ein vergrößertes Foto, das an einen Steckbrief erinnert,
hielten die Fans während der ganzen Partie gegen die überforderten
Israelis hoch. „Ihr macht unseren Sport kaputt”, skandierten sie dazu.
Da sind die Redakteure des Programmheftes („Rendezvous der
Eishockeywelt”) wohl einigen Fehlinformationen aufgesessen. Dort ist zu
lesen, dass die Play-offs in der DEL im Viertelfinale sowie Halbfinale
über jeweils drei Gewinnspiele (best of five) gehen, das Finale nur über
zwei (best of three). Die Vorstellungen von Daniel Kreutzer und Marcel
waren in der Vorbereitungsphase “blass”. Wie bekannt, machte das Duo aus
verschiedenen Gründen die Vorbereitung gar nicht mit. - Die
gleichzeitige stattfindende “B-WM” der anderen Gruppe in Estlands
Hauptstadt Reval wird auch erwähnt. Allerdings kommt der Redakteur nur
auf fünf Mannschaften und versieht Team Nummer sechs mit einem
Fragezeichen. Ob sich Kroatien da irgendwie eingeschlichen hat? |
Notizen aus der Picardie (2) |
Amiens,
24. April - Am
25. April wird in Israel den Opfern des Holocausts gedacht. Wegen des
staatlichen Gedenktages beantragte die israelische Delegation gestern
bei der B-WM in Amiens, das für Dienstag um
13 Uhr
terminierte Spiel Israel gegen Ungarn auf den Mittwoch zu verschieben.
Mittlerweile hat der Weltverband IIHF zugestimmt, das Spiel wurde
offiziell verlegt. gab es gestern Abend noch nicht. Ungarns
Nationaltrainer Pat Cortina sagte schon vor der Bestätigung: „Wir werden
erst am Mittwoch gegen Israel spielen, auch wenn uns so ein Ruhetag vor
dem schweren Spiel gegen Frankreich am Donnerstag fehlt.” Der Termin für
das Spiel gegen Israel habe bereits seit Monaten festgestanden, er
wundere sich nur, warum der Antrag so spaet gekommen sei, sagte Cortina.
Die Zeit der in Nordamerika geborenen Spieler ist auf der britischen
Insel offensichtlich vorbei. Lediglich der für die Bracknell Bees
spielende 32-jährige Michael Ellis wurde in Kanada geboren. -
Interessant zu sehen, wie verschiedenartig die Temperamente sind.
Während die ungarischen Kollegen jede auch nur einigermaßen gefährliche
Aktion gestenreich verfolgten, blieben ihre „Kontrahenten” aus
Großbritannien zumindest äußerlich gelassen. |
Notizen aus der Picardie (1) |
Amiens, 24. April - Das
Coliseum, ein flatschneuer Bau, wie wir im Ruhrgebiet sagen. Und wenn
die Banner vor dem imposanten Gebäude mit den Flaggen der beteiligten
sechs Länder und der Ankündigung „Weltmeisterschaft Eishockey“ nicht
wären, dann würde einem unweigerlich ein Schwimmwettbewerb einfallen,
der in Amiens über die Bühne geht. Ein penetranter Chlorgeruch dringt
durch sämtliche Räume. Kein Wunder, denn nebenan gibt es diverse
Schwimmbecken, die ein wenig an die Emscher-Lippe-Halle in Gelsenkirchen
erinnern.
Gestern herrschte gähnende Leere im Pressezentrum. Lediglich zwei
israelische TV-Journalisten versuchten sich am Internet und ärgerten
sich über die für Nichtfranzosen ungewöhnliche Anordnung der Buchstaben.
Die deutschen Fans sind natürlich - wie könnte es auch anders sein -
zahlreich vertreten. Sinnigerweise kommt mir ein Trio entgegen, das auf
den Trikots die Namenszüge von Helmut de Raaf, Mark MacKay und Klaus
Kathan trägt. Zu jedem Namen fällt mir etwas ein, denn der lange
Düsseldorfer, jetzt Abonnementsmeister in der DNL mit den Jungadlern
Mannheim, zeigte großartige Partien im Nationaldress, der sympathische
Kleine mit dem Riesenkämpferherzen war der älteste Deutsche bei der B-WM
vor sieben Jahren in Dänemark und der torgefährliche Mann mit der
Rückennummer 49 wurde... na ja, lassen wir das fürs erste.
Ansonsten... angenehme Atmosphäre, übersichtliches Drumherum,
freundliches Personal, draußen macht das triste Grau endlich einem
freundlichen Blau Platz. Die B-WM kann beginnen... |
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