Herr Oberbürgermeister, meine Damen und
Herren,
vorhin hat sich hier eine Mehrheit dazu entschlossen, einen Haushalt
zu beraten, von dem uns bereits vor einer Woche in diesem Saal
gesagt wurde, dass er nicht genehmigt wird. So ein Verhalten hat man
bei anderen Gelegenheiten auch schon mal als groben Unfug
bezeichnet!
Für den aktuellen Fall wäre die Bezeichnung Provokation wohl die
passende Bezeichnung. Meine Damen und Herren, noch während der
öffentlichen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses letzten Montag
entbrannte der Streit, ob man denn die Haushalts- Drucksachen
verabschieden könnte, obwohl erst hinterher der Regierungspräsident
zu uns sprechen würde.
Und wissen Sie, was der Herr Oberbürgermeister zu uns gesagt hat: Er
hat gesagt, der Regierungspräsident würde uns „nichts Neues“
mitteilen. Alles, was dieser sagen würde, wüssten wir bereits aus
Voijahren und würden wir alles schon kennen.
Etwa eine Stunde später hat Herr Büssow dann auch auf der
Pressekonferenz gesagt:
Die Stadt Duisburg hat keinen Kreditrahmen mehr, alle Kredite gibt
es nur auf Einzelentscheidung der Bezirksregierung, keine
Neueinstellung von Personal, keine Weiterführung (!) bestehender
freiwilliger Leistungen, keine Zustimmung mehr zur Annahme von
Fördermitteln, womit die Stadtentwicklung ja wohl beendet ist,
Kündigung von Verträgen für freiwillige Leistungen und die
Beanstandung aller Ratsbeschlüsse, die nicht haushaltsrechtlichen
Vorgaben entsprechen.
Herr Oberbürgermeister, nach diesen Ausführungen hätten Sie vor
Scham in den Boden versinken müssen, dem Hauptausschuss zuvor ein
solches Märchen aufgetischt zu haben. Das sind nicht nur
Neuigkeiten, das ist der Scherbenhaufen Ihrer gescheiterten
Finanzpolitik, die die Bürger jetzt ausbaden müssen.
Seit Montag ticken die Uhren in dieser Stadt anders. Und das zu
Recht.
Seit vier Jahren stehen wir hier und predigen, dass Sie sich mehr,
intensiver und vor allem erfolgreicher um die Stadtfinanzen kümmern
müssen. Ihre Verweigerungshaltung aus Oppositionszeiten, in denen
Sie nicht ein einziges Sparpaket mitgetragen haben, hätten Sie lange
aufgeben müssen. Meine Damen und Herren, die Situation ist so
schwierig wie noch nie in dieser Stadt, seit Montag ist nichts mehr
wievorher in der Kommunalpolitik, aber einige - wir haben es gerade
erlebt — ergötzen sich weiter an Legenden zur Vergangenheit. Ich
will dazu nur kurz antworten, weil es für die Bürgerinnen und Bürger
für die Zukunft völlig egal sein wird.
Ich habe bereits in der Haushaltsrede des letzten Jahres sauber
unter Verweis auf die jeweiligen Ratsprotokolle nachgewiesen, dass
seit vier Jahren hier der finanzpolitische Schnarchhahn das Zepter
übernommen hat. Die Sparkonzepte unter sozialdemokratischer
Verantwortung in den letzten zwanzig Jahren haben dafür gesorgt,
dass die Schulden dieser Stadt Anfang 2008 nicht bei 3,7 sondern bei
1,3 Milliarden Euro lagen. Das ist immer noch gewaltig, aber wenn es
nach Herrn Sauerland und Frau Vogt gegangen wäre, dann hätten wir
die 3,7 Milliarden problemlos erreicht. Keiner von beiden hat
nämlich auch nur an einem einzigen Sparpaket mitgewirkt.
Und damit, meine Damen und Herren, hätten wir in 2006 nicht 66
Millionen Zinsen für Altschulden aufwenden müssen, sondern 177
Millionen.
Wenn Sie über Altschulden und Verantwortung in der Vergangenheit
reden möchten, steht Ihnen die SPD jederzeit zur Verfügung. Es
bringt nur niemanden mehr voran in dieser Stadt.
In den letzten vier Jahren haben wir annähernd eine Explosion der
Steuereinnahmen in der Republik erlebt. Jn Duisburg haben wir auch
davon profitiert. Mehr als 100 Millionen mehr Steuereinnahmen von
2004 auf 2007 wurden in unsere Kassen gespült. Und wenn man diese
dem Defizit des Jahres 2004 in Höhe von 120 Millionen
entgegenstellt, dann hätte man den Haushaltsausgleich ja fast
geschallt. Aber trotz dieser Mehreinnahmen musste der
Oberbürgermeister für 2008 ein Defizit von 166 Millionen Euro
anmelden und damit das Einschreiten der Bezirksregierung auslösen.
Mehr als Hundert Millionen Mehreinnahmen und gleichzeitig fast 50
Millionen mehr Defizit: das ist ein Delta von 150 Millionen Euro im
Haushalt und daflir fragen Sie die Verantwortung!
Frau Vogt hat ja die Unzulänglichkeit des eigenen Handelns längst
erkannt. Sonst wäre sie ja nicht in die Öffentlichkeit gegangen und
hätte sich mit falschen Zahlen über den eigenen Sparerfolg
gerechtfertigt. Nein, Frau Vogt, Berger hat zwar viel Geld gekostet,
aber keinen sonderlichen Sparerfolg gebracht. In der
Haushaltsverfügung können Sie die 13,9 Millionen Kassenwirksamkeit
nochmals nachlesen.
Zu ihren Sparbemühungen hat doch der Oberbürgermeister in der
Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses klare Aussagen gemacht, als
er beklagte, er habe ja Sparkonzepte vorgelegt, aber die SPD habe
diese ja nicht machen wollen.
Herr Oberbürgermeister und Frau Vogt, das kann Ihnen doch völlig
egal sein!
Sie haben doch mit Hilfe des Republikaners eine Mehrheit hier im
Rat, dann hätten Sie es doch beschließen können! Sie wollten doch
die Verantwortung! Für Ihre eigene Verweigerungshaltung tragen doch
nicht andere Schuld! Machen Sie doch endlich mal was, anstatt zu
lamentieren! Meine Damen und Herren, man muss zur Kenntnis nehmen,
dass ohne eigenes Handeln andere über die Sparmaßnahmen in dieser
Stadt entscheiden werden. Das kann ernsthaft niemand wollen, obwohl
ich mir nach den Stellungnahmen der letzten Tage da nicht mehr so
ganz sicher bin.
Der Rat wird neu, wird anders und wirksamer mit vielen Dingen
umgehen müssen. Es reicht nicht mehr, den Sparwillen zu haben und in
Beschlüssen fest zu legen, wir müssen auch kontrollieren, ob wir zum
Erfolg kommen.
Wo beispielsweise kann ein interessierter Kommunalpolitiker
nachlesen, ob die Zusammenführung der Ämter Personalamt, Institut
fDr Fortbildung und Institut für Informatik wirklich zu dem
angekündigten Sparerfolg geführt hat? Bisher ist es nicht weiter als
eine Behauptung, die wohl begründet war und der man so folgen
konnte. Aber wo ist der Nachweis dafür, dass diese oder andere
Maßnahmen gegriffen haben? Wo bekommt man hier einmal aufgezeigt,
welche politischen Beschlüsse von Erfolg gekrönt waren und welche
nicht? Bis heute haben wir von der Verwaltungsspitze dazu nichts
gesehen.
Wenn man beispielsweise die Teilprivatisierung der Kliniken genauer
untersuchen würde, würde man genau feststellen können, dass die
Millionenbeiträge aus der Vergangenheit heute ganz einfach fehlen.
Ich will auch bereits jetzt auf zwei Drucksachen unter den
Tagesordnungspunkten 26 und 27 hinweisen, die unseren Ansprüchen
nicht mehr genügen können. Es mag ja sein, dass die Übertragung von
Aufgaben der Informationstechnologie und der Telekommunikation Sinn
machen kann und auch wirtschaftlicher für die Stadt wird. Aber es
reicht eben nicht mehr, in der Vorlage nur zu schreiben, dass „eine
Haushaltsverbesserung angestrebt“ wird. Und die Vorlagen enthalten
dann nicht eine einzige Zahl, keine Berechnung, keinen
Wirtschaftlichkeitsbeweis, keine kaufmännisch belegte
Kostenminimierung. Das kann nicht mehr der Standard sein, auf dem
hier gearbeitet wird.
Und man muss auch hier im Rat ansprechen, welche Auswirkungen denn
wirklich hinter dem einen oder anderen Projekt stehen.
Ich werde Ihnen das an einem Beispiel aufzeigen und mich dabei
ausschließlich auf Zeitungsartikel und Pressemitteilungen stützen,
weil selbst das ausreicht, um den Beweis der Kostenträchtigkeit zu
führen.
Wie die NRZ schon im Jahr 2007 berichtete, werden die Kosten Wir die
Unterbringung von VHS und Stadtbibliothek statt 1 Million Euro
zukünftig etwa 2 Millionen Euro betragen. Diese Zahlen wurden auch
im Kulturausschuss diskutiert. So was macht man eben aus städtischen
Mitteln, wenn man die Innenstadtentwicklung nicht anders in Gang
bekommt. Das Stadtfenster soll ja schließlich die
Innenstadtentwicklung fortführen und privates Geld will wohl keiner
investieren.
Deshalb musste diese städtische Haushaltsbelastung sozusagen noch
gekrönt werden. Und zwar indem ein städtisches Unternehmen darüber
hinaus noch mit mehr als 40 Millionen Euro in dieses Projekt
eingebunden wird, wie eine Pressemitteilung der DVV, die auf der
Seite der Stadt Duisburg im Internet veröffentlicht wurde, hergibt.
In dieser Verlautbarung kann man lesen, dass 23 Millionen hiervon
fremdfinanziert werden müssen. Als gelernter Kaufmann überschlage
ich jetzt eben kurz, dass die Fremdfinanzierung von 23 Millionen
Euro bei einem Zins- und Tilgungssatz von etwa 5 % - ich will da
ganz fair bleiben - in etwa 1 Millionen Euro an Kosten für das
Unternehmen ausmachen wird. Summa summarum muss man also die
Presseberichterstattung mittlerweile dahingehend korrigieren, dass
die Unterbringung von VHS und Stadtbibliothek, alles errechnet aus
öffentlichen Verlautbarungen, der Stadt im Minimum 3 Millionen Euro
kosten wird, weil auf den Ertrag von 1 Million Euro bei der DVV ja
aufgrund der Fremdfinanzierungskosten verzichtet werden muss.
Rechnet man aber weiter, weil die anderen 20 Millionen ja aus
Eigenmitteln der DVV kommen und nicht anzunehmen ist, dass die
ansonsten im Keller der DVV gelagert, sondern ordentlich angelegt
würden, dann ist man bei der vierten Million, die f dieses Projekt
mittlerweile pulverisiert wird. Denn die hätte ja sonst im
Überschuss der DVV gebucht werden müssen und den städtischen
Haushalt entlastet. Wer das noch für sparsames Haushalten und
sparsamen Umgang mit den wenigen Steuergeldern hält, der lässt zu
Hause vermutlich auch seinen Hund auf die Würstchen auf!
Aber ein Skandal ist eigentlich, dass man sich solche Entwicklungen
selber aus der Presse zusammen suchen muss, anstatt hier mal
ordentlich darüber informiert zu werden. Aber das ist ja nicht das
einzige Thema, über das hier im Rat weder informiert noch diskutiert
wird. Trotz all dieser Entwicklungen habe ich bereits eingangs
betont, dass die Bürgerinnen und Bürger von Duisburg einen Anspruch
darauf haben, dass sich der Rat der Situation konstruktiv stellt.
Schon alleine deshalb, um einen Kahlschlag in der öffentlichen
Infrastruktur zu vermeiden und wichtige, politische Schwerpunkte
nicht auf das Spiel zu setzen.
Einen Preis für besondere Dummheit muss man allerdings schon an jene
vergeben, die in dieser Situation denjenigen beschimpfen, der seine
Aufgabe als Aufsicht wahr nimmt. Ich werde mit dem
Regierungspräsidenten ganz sicherlich über viele seiner Ansichten
und Vorschläge lebhaft streiten und selbstbewusst auftreten, aber
ich werde ihn ganz sicher jetzt nicht mit abstrusen
Verschwörungstheorien öffentlich beschimpfen. Die Wirkung dieser
Worte werden notfalls die Bürgerinnen und Bürger ausbaden müssen.
Ich habe in den letzten Tagen gelernt, dass es ein Wort gibt, das
„Rumpf-Haushalt“ heißt. Ich habe mich dann gefragt, was das ist. Die
Erklärung war recht einfach. Ein Rumpf ist etwas ohne Kopf! So soll
hier also heute ein kopfloser Haushalt verabschiedet werden.
Ich zitiere aus der Verfügung des RP: „Vor diesem Hintergrund bitte
ich, mir zusammen mit dem Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2009 ein
grundlegend überarbeitetes Haushaltssicherungskonzept für die Jahre
2009 bis 2012 vorzulegen..“ usw.
Es macht also überhaupt keinen Sinn und entspricht gegenüber dieser
Bitte eher einer Provokation, wenn man heute diesen Haushalt
beschließt. Die Gemeindeordnung kennt nämlich keinen
„Rumpf-Haushalt“, die kennt nur einen Satzungsbeschluss, und der
soll hier gleich gemacht werden.
Die SPD hat die Hand zum konstruktiven Dialog ausgestreckt Wir
wollen hier keinen Haushalt verabschieden.
Wir wollen eine gemeinsame Initiative des Rates in Richtung von Bund
und Land, die beide in ausreichendem Maße für die nachhaltige
Verschuldung der Stadt Duisburg Sorge getragen haben.
Wir wollen ein Moratorium für alle Projekte in dieser Stadt, damit
man über die finanziellen Auswirkungen Klarheit bekommt.
Wir wollen das gleiche Moratorium für die städtischen Gesellschaften
und darüber hinaus kurzfristig deren Konzepte, wie sie zu einer
weiteren Entlastung der Stadt beitragen können. Und wir wollen einen
ständigen Ausschuss, in dem sich Verwaltung und Politik unter
Einbeziehung von Wirtschaft und Gewerkschaften über Wege
verständigen und diese — selbstverständlich über diesen Rat — an den
Regierungspräsidenten weiterleiten.
Weil wir davon überzeugt sind, dass wir für viele Dinge auch
bürgerschaftliche Akzeptanz schaffen müssen. Da können Partner nicht
verkehrt sein.
Das setzt dann einen Streit darüber voraus, welche Prioritäten wir
in dieser Stadt setzen und welche dann eben eher nicht, nur wird
niemand diesem Streit aus dem Wege gehen können.
In diesem Zusammenhang ist der neue Sozialbericht, meine Damen und
Herren, wirklich ein intensives Studium wert. Nur reicht es eben
nicht aus, wenn man ihn nur studiert, sondern man muss auch den Mut
haben, aus den Erkenntnissen die richtigen Schlüsse zu fassen. Klar
nachgewiesen ist durch diesen Bericht, dass sich in den letzten vier
Jahren die Lage sozial Benachteiligter in unserer Stadt deutlich
verschlechtert hat. Im Ubrigen beweist dieser Bericht auch, dass
hier fihischlicherweise frohe Botschaften zur wirtschaftlichen
Entwicklung in unserer Stadt in die Welt gesetzt werden. Denn im
Sozialbericht können sie nachlesen, dass die Zahl der
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in unserer
Stadt seit 2005 stagnieren, und nicht steigen wie es vielfach aus
dem Mund des Einen oder der Anderen behauptet wird.
Dass aber in diesem Zusammenhang gleichzeitig sämtliche politische
Initiativen anderer Parteien hier in diesem Rat abgewürgt werden,
wenn sie sich um die Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung
und vor allen Dingen der Zahl der Arbeitsplätze bemühen, und dies
dann auch noch alles mit der Stimme des Oberbürgermeisters
stattfindet, ist nicht nachvollziehbar. Mittlerweile haben Sie drei
Initiativen der SPD-Fraktion in diesem Rat niedergestimmt, die
allesamt zu mehr Erfolgen hätten führen können, als wir jetzt
beispielsweise in Walsum erleben dürfen. Es geschieht dort nicht nur
nichts, sondern es geschieht dort überhaupt nichts.
Statt solche konstruktiven Angebote aufzugreifen, ergötzen Sie sich
an Vergleichen unserer Partei mit der SED, erteilen Redeverbote für
Behördenkritiker in Ausschüssen und schicken kritischen
Journalisten, die wahrlich keinen Schaden angerichtet haben,
Staatsanwälte in die Redaktionen.Meine Damen und Herren, ich sage
Ihnen, die Abneigung gegenüber anderen reicht nicht aus als
Motivation, eine zukünftige, sozial tragfähige, integrierte und
erfolgreiche Stadtpolitik zu gestalten.
Die SPD-Fraktion lehnt den Haushalt ab.
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