Herr Oberbürgermeister, meine Damen und
Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Redaktionsschluss für den Haushaltsentwurf 2009 war letzten Juli.
Mit der seit über 10 Jahren erstmals wieder zeitgerechten Vorlage
zur Beratung glaubten Sie, Herr Oberbürgermeister, die
Verwaltungsspitze und die sie tragenden Parteien des Rates, die
Signale auf Grün gestellt zu haben. Daraus ist nichts geworden, Sie
stehen vor einem Halt zeigenden Signal.
Ich will nur am Rande erwähnen, dass NKF noch zahlreiche Fragen
aufwirft, deren Klärung in den wenigen zurückliegenden Wochen nicht
zufriedenstellend möglich war.
Nun aber zum Wesentlichen. Herr OB, die Herren Beigeordneten, meine
Damen und Herren von Schwarz-Grün, sie alle haben die Rechnung ohne
den Wirt gemacht. Die zwischenzeitlich eingetretene globale
Finanzmarktkrise und die Gefahr einer schweren Weltwirtschaftskrise
haben Ihre Kalkulationen mehr als je zuvor auf ganz dünnes Eis
gestellt. Bereits der Vorbericht ist hinsichtlich Konjunkturverlauf,
Steuerertrag, Zuweisungen durch das Land (unterstellt wird für diese
in den Planungsjahren ein Wachstum von 2 %!), Erwerbslosigkeit und
Transferleistungen viel zu positiv und bereits von der Wirklichkeit
überholt.
Der Entwurf liegt trotz weiterer Kürzungen – nach neuestem Ansatz -
mit über 149 Mio. im Minus. Hinzu kommen geschätzte 2,5 Mrd.
Altschulden im sog. Konzern Stadt. Die jährliche Zinslast dieser
Stadt läuft auf 100 Mio. Euro zu. Weitere umfangreiche Kürzungen auf
Basis des GPA-Gutachtens und eigener Überlegungen sollen in 2009 ff.
noch eingearbeitet werden. Die Gewerbesteuereinnahmen brechen nach
jüngsten Erhebungen schon wieder weg, sie liegen mit geschätzten 67
Mio. € weit unter Ansatz. Der für 2013 angepeilte Jahres bezogene
Ausgleich – immer noch ohne Abbau der erdrückenden Altschuldenlast –
war aus unserer Sicht auch diesmal wieder eine Fehlkalkulation.
Das noch unter SPD-Grün für NRW beschlossene NKF und die im Frühjahr
aufgestellte Eröffnungsbilanz haben die Finanzmisere unserer Stadt
verdeutlicht: Nach Deckung der Verluste aus 2008 und 2009 aus
Ausgleichs- und allgemeiner Rücklage wären die bilanziellen Reserven
aufgezehrt und die Stadt schon 2010 - nicht nur faktisch pleite wie
seit 15 Jahren, sondern auch technisch - überschuldet. Das war
bekannt und dazu brauchte es nicht die Kommunalaufsicht.
Sie, Herr OB, haben bei der Haushaltseinbringung, vor „neuen
Luftschlössern“ gewarnt. Die Quittung folgte auf dem Fuß: Als
gigantisches Luftschloss erwies sich nicht nur die globale
Finanzwelt und der real existierende Kapitalismus, sondern auch ihr
eigener Haushaltsentwurf. Spätestens seit der Intervention der
Kommunalaufsicht vor einer Woche stehen Sie vor einem
Scherbenhaufen. Diese hat schweres Geschütz aufgefahren. Ihre
Haushaltsverfügung verlangt jetzt ultimativ – weit über die
konkretisierten und noch unbestimmten Kürzungspakete hinaus –
dermaßen gravierende Einschnitte und ein so rigides
Haushaltssicherungskonzept, dass bis Ende 2012 ein Jahres bezogener
Haushaltsausgleich erreicht wird. Der Kreditrahmen für notwendige
Investitionen ist weg, stattdessen muss alles einzeln beantragt
werden. Die Liste der Vorgaben gleicht einer Zwangsjacke. Wir hätten
uns gewünscht, dass Herrn Büssow nicht nur von der LINKEN, sondern
auch von anderen Ratsparteien mutig gegengehalten worden wäre. Das
war leider kaum der Fall. Deswegen hier noch mal in aller
Deutlichkeit:
• Der zurückliegende Wirtschaftsaufschwung ist bei den meisten
Menschen nicht angekommen. Wir stehen erneut vor einer schweren
Wirtschaftskrise. Eine weitere Zurückhaltung der Kommunen bei
Investitionen und Ausgaben wirkt Krisen verschärfend.
• Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs liegt in DU bei
nur noch 148.000. Das entspricht einer Stadt mit halb soviel
Einwohnern. Davon Frauen mit nur knapp 37 %, Migranten mit nur 31 %.
Die Zahlen werden aller Voraussicht nach Ende 2009 abermals deutlich
schlechter, die Zugänge zur Arbeitsagentur, - auch
kurzarbeitsbedingt – und zur ARGE massiv steigen.
• Duisburg hat mit 31.000 überschuldeten Personen die Rote Laterne
in NRW.
• Fast 80.000 Menschen können nach arbeitsrechtlichem Status,
Einkommen und Lebensverhältnissen nur noch als Prekäre gelten. Sie
sind auf laufende Unterstützung angewiesen, um zu überleben.
• Viele Schulkinder haben keine Bücher und keine warme Mahlzeit. Die
Hartz-IV-EmpfängerInnen können am sozialen Leben kaum noch
teilnehmen. Schwimmbad, Fußballstadion, Kultureinrichtungen usw.
kommen für sie nicht mehr infrage. Mit der DVG fahren geht kaum noch
oder nur schwarz.
• Bereits 2007 wurde 8.300 Mal der Strom abgeschaltet und rd. 1.000
Mal das Gas, weil die Menschen nicht mehr zahlen können.
• Zahlreiche Straßen sind mit Löchern übersät, ein erheblicher Teil
der Brücken ist immer noch baufällig. Die Verslumung von
Straßenzügen und Stadtvierteln greift um sich.
• Die Notstandsliste ließe sich fast beliebig fortsetzen.
Seit langen Jahren erlebt, und erleidet die Mehrheit der
Stadtbevölkerung ein Kürzungspaket nach dem anderen. Zusammen mit
den Auswirkungen von Bundes- und Landespolitik haben wir die
erschütternde Quittung in den beiden Sozialberichten. Der von der
Kommunalaufsicht geforderte Haushaltsausgleich bis Ende 2012
bedeutet, dass noch rd. 100 Mio. Euro zusätzlich zu den vorgesehenen
Kürzungen heraus gequetscht werden müssten. Eine Verabschiedung des
Entwurfs unter Einbezug der Gremienberatungen scheidet nach diesen
Vorgaben der Kommunalaufsicht aus. Die von Ihnen heute beantragte
Verabschiedung des Planentwurfs ohne HSK und dieses unter
Einbeziehung der GPA-Vorschläge in Höhe von rd. 65 Mio. € zu
überarbeiten, ist jedenfalls keine Orientierung, sondern
Augenwischerei. Sie setzen doch damit keine verlässlichen Plandaten
fest, wenn bis auf die Punkte Elternbeiträge und Bezirksbibliotheken
alles unter Kürzungsvorbehalt steht.
Wir können die ohnehin überlasteten VerwaltungsmitarbeiterInnen nur
bedauern, die sich jetzt den Kopf zerbrechen müssen, wie die
geforderten Extra-Streichkonzerte zu schaffen sind – die sie auch
noch selber treffen sollen. Die Intervention der Kommunalaufsicht
stellt diese Stadt – ich sage bewusst nicht nur die Mehrheitspolitik
im Rathaus - vor eine neue, gewaltige Herausforderung.
Eine Stadt ist kein Konzern, sie hat nicht die Absicht der monetären
Gewinnerzielung. Kommunalpolitik hat soziale Gewinne für die gesamte
Bevölkerung zu organisieren, die Stadt lebens- und liebenswert zu
gestalten. Und das demokratisch und beteiligungsorientiert. Mit den
Haushaltstagen und den FNP-Beratungen haben wir zarte Pflänzchen,
die gehegt werden müssen. Für ihre Aufgaben im Rahmen der
Selbstverwaltung und der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen
braucht die kommunale Ebene ausreichende Ressourcen. Nichts gegen
Einsparungen – aber bitte nur da, wo sie sozial gerecht und
ökologisch erstrebenswert sind. Wir waren gegen eine Konzeption des
CityPalais, die der Stadt mit 6,5 Mio. jährlich für Jahrzehnte
Schulden aufbürden. Wir waren gegen Prestigeprojekte wie den
sündhaft teuren Parallelkanal. Nur zur Erinnerung, werte Kolleginnen
und Kollegen der SPD – Sie haben all dem zugestimmt und die
Behauptung Ihrer Propagandisten, die heute „brandtneu“ daher kommen
und ihre Verantwortung vertuschen, ist einfach unerträglich. Ihre
falschen Strategien und Fehlentscheidungen hatten auch böse Folgen
für die Finanzen der Stadt bis hin zum Gewerbesteueraufkommen.
DIE LINKE war gegen die - noch nicht einmal ernsthaft begründeten
fetten Erhöhungen der Fraktionspauschalen – vor und nach 2004,
während große Mehrheiten des Rates sich da schnell einig waren. Wir
begrüßen es ausdrücklich, dass die Kommunalaufsicht da reingrätscht.
Die Liste ließe sich auch hier stundenlang fortsetzen. Ich will es
mir ersparen. Wir sind auch bereit, über zeitgemäße, aber effektive
und bürgernahe Verwaltungs- und Gremienstrukturen mit Betroffenen
gemeinsam nachzudenken. Wir wollen auch die Einnahmeseite unserer
Stadt zu verbessern. Erneut legen wir Ihnen einen Antrag auf eine
moderate Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes von 470 auf 480
Prozentpunkte vor. Er könnte ab 2009 wirksam sein und viele
Millionen mehr in die Stadtkasse bringen. Oberhausen hat sich dazu
aufgerafft, tun Sie es auch!
Meine Damen und Herren,
Gegen die Selbstverwaltung ist nunmehr seit Jahrzehnten massiv
verstoßen worden. Duisburg sitzt zusammen mit fast 200 Kommunen
allein in NRW in der Schuldenfalle. Die Liquidität, um die laufenden
Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen, Entgelte zu zahlen, in hohem Masse
bundes- und landesgesetzlichen Verpflichtungen etwa bei den
Sozialausgaben nach zu kommen - kann hier und anderswo nur noch über
ausufernde Kassenkredite hergestellt werden.
Meine Damen und Herren, wir haben in Rat und Bezirken immer wieder
Kontroversen über Richtungsentscheidungen und Einzelfragen
ausgefochten. Wie oft haben Sie alles niedergestimmt, was von der
LINKEN kam. Bei alledem haben wir eines nie übersehen, nie aus
Gründen billiger politischer Effekthascherei weggelassen und immer
offen ausgesprochen: Die Haushaltsmisere von Duisburg und so vieler
weiterer Kommunen ist erstens Ausdruck der kommunalfeindlichen
Politik aller Bundesregierungen und aller NRW-Landesregierungen,
unabhängig von ihrer Farbkomposition. Diese Politik – die übrigens
von Ihren Parteitagsdelegierten immer mit getragen wurde - hat die
kommunale Selbstverwaltung massiv und strukturell geschwächt und
schwächt sie weiter. Sie ist zweitens Folge der
Unternehmerwirtschaft, die uns gerade im monostrukturierten Duisburg
gewaltige Sozial- und Umweltprobleme aufgebürdet hat. Wir bleiben
dabei: Das kann keine Kommunalpolitik alleine wieder gerade biegen.
Die kommende Wirtschaftskrise wird uns erneut Dialektik einpauken,
ob wir wollen oder nicht.
• Bund und Länder versuchen sich immer wieder auf Kosten der
kommunalen Ebene zu sanieren, sei es bei Hartz IV, der Auflösung der
Versorgungsämter, bei der Zerschlagung der Umweltbehörden, bei der
Krankenhausfinanzierung, um nur einige zu nennen.
• Die Mehrwertsteuererhöhung durch die CDU/SPD-Koalition in Berlin
hat auch die Kommunen schwer getroffen.
• Hinzu kommen gesetzliche Umlagen, wie die erhöhte
Kommunalsteuerumlage oder der sogenannte Solidarpakt, der die
Bedürftigkeit der Kommunen absurderweise nach der Himmelsrichtung
definiert. Umlagen, die den Kommunen ebenfalls die Luft zum Atmen
nehmen. Wir erwarten in diesem Zusammenhang vom Land, dass die
eingetretene und gerichtlich festgestellte Überzahlung zügig
zurückfließt.
• Öffentliches Eigentum und damit demokratische
Steuerungsinstrumente wurden über Jahre in großem Umfang und auf
allen Ebenen verscherbelt. Die Sozialsysteme mit der Agenda 2010 in
erheblichem Umfang teil privatisiert. Staat und Gesellschaft wurden
im neoliberalen Wahn den brutalen Marktmechanismen ausgesetzt. Ernst
zunehmende Warnungen gab es oft genug. Doch rund um den Globus soff
man buchstäblich den billigen Fusel des Neoliberalismus. Die Zahl
menschenunwürdiger Billigjobs – aber auch von Geschäftsaufgaben –
und die Sozialnot sind so groß wie lange nicht. Damit wurden
gleichzeitig die Einnahmeprobleme der Renten- und Krankenkassen
verschärft, Altersarmut vorprogrammiert. Und gerade die prekär
Beschäftigten werden als erste auf die Straße gesetzt und erneut den
Solidarkassen zugeschoben.
• Die wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der kommunalen Ebene
wurden nicht erweitert, sondern durch Schwarz-Gelb in NRW weiter
eingeschränkt.
Die große Mehrheit des Rates hat 2003 das dubiose CBL-Geschäft
entgegen unserer Warnungen und ohne genaue Vertragskenntnisse
beschlossen. Und Sie waren bereit, nach der Schieneninfrastruktur
mit dem öffentlichen Kanalnetz den Irrweg weiter zu gehen, wenn die
US-Finanzbehörden kein Stoppschild gesetzt hätten. Nun ist das
Kapitel CBL in den USA definitiv zu Ende. Werden die Verträge zum
Ende des Jahres nicht freiwillig aufgelöst, kommt die
Zwangsauflösung. NRW-Finanzministerium und Kommunalaufsicht haben
diesen Steuerbetrug – so qualifiziert das die US-Finanzbehörde -
hier immer gebilligt. Sie versprachen finanzielle Entlastung, weil
man die eigene Politik nicht ändern wollte. Unserer Kämmerer leugnet
immer noch den drohenden Schlamassel, obwohl Bochum, Troisdorf und
andere grüssen lassen und bereits hohe Verluste melden.
Und jetzt der doppelte Tsunami der globalen Finanzmarkt- und
Weltwirtschaftskrise. Welche zusätzliche Katastrophe sie für den
globalen Süden bedeuten, kann sich jeder ausmalen. Es wurde
deutlich, wie eng die globale Verflechtung ist, wie sehr auch die
Finanzlage der Kommunen in größere Zusammenhänge eingebettet ist,
die wir überhaupt nicht kontrollieren. Deswegen können wir uns in
der Haushaltsberatung auch nicht nur auf die örtliche Sicht
beschränken, - die gibt es so nicht und unsere Probleme sind mit
Bordmitteln allein nicht mehr zu lösen. Wer das nicht sehen will,
der will perspektivlos weiter machen, in der vagen Hoffnung, dass
der Orkan sich legt, um dann so weiter zu wursteln wie bisher. Das
wird nicht funktionieren und wäre auch politisch völlig
verantwortungslos.
Meine Damen und Herren, wir erleben mit einer gewissen Genugtuung
die Wiederentdeckung des Öffentlichen, der lenkenden Hand von
Politik und Staat im Wirtschaftsleben. Die Sparkassennovelle wurde
nach vielen Protesten entschärft, von der Privatisierung des
öffentlich-rechtlichen Sparkassenwesens wagt derzeit niemand mehr –
öffentlich - zu reden, der Börsengang der Bahn wurde trotz
millionenschwerer Prämien für Herrn Mehdorn und seine Vorständler
aufgeschoben usw. Die Propagandisten des Neoliberalismus haben in
ihrer Erklärungsnot über Nacht umgestellt und behaupten das
Gegenteil von dem, was gestern noch als Sünde wider den freien Markt
und als Sozialismus verteufelt wurde. Doch lassen wir uns nicht
täuschen. Dieser Opportunismus dient nur dazu, die Öffentlichkeit zu
beruhigen, den GAU des Marktradikalismus zu vertuschen, die Stütze
für Pleitebanken, Mega-Zocker und interessierte Konzerne zu
rechtfertigen und wieder „mehr Kapitalismus zu wagen“, wie
Anlageberater und Spekulationsfreund Merz empfiehlt. Seit über 10
Jahren warnen Globalisierungskritiker und ernsthafte
Wissenschaftler, dass die Finanzmärkte immer chaotischer werden und
wir bei Strafe wirtschaftlicher und sozialer Katastrophen einen
völlig neuen Ordnungsrahmen brauchen. Doch die Liberalisierung wurde
unverdrossen weiter betrieben.
Seit dem September-Crash hat Retten Konjunktur. Wer und was soll
gerettet werden, mit welchen Mitteln und auf wessen Kosten?
Für windige Finanzgeschäfte und Zockerbanken scheinen die
öffentlichen Mittel auf Zuruf zu fließen. Welch ein Kontrast zu den
ständigen Vorwürfen an DIE LINKE, sie betreibe eine „Wünsch-Dir-Was-Politik“!
Die gefeierten „Heldentaten“ bestätigen den Charakter der
Mainstream-Politik: Es kommt eben drauf an, wer sich was wünscht.
480 Mrd. € wurden durch den Bund an Bürgschaften und Zuschüssen
bereitgestellt. Schon werden neue Pakete für einzelne
Industrieunternehmen geschnürt. Nur zum Vergleich: der gesamte
Bundeshaushalt beträgt nur 290 Mrd. Euro. Motto: Je mehr einer in
den Sand setzt, desto weniger darf er im Regen stehen bleiben.
Finanzjongleure avancieren zu den engsten Beratern der Regierungen.
Der Bundestag wurde für alle weiteren Entscheidungen im Eilverfahren
ausgehebelt. Das Ausmaß der Krise wird aber überhaupt nicht
verstanden. Anstatt mit den öffentlichen Gehhilfen an Banken und
Konzerne endlich mit der notwendigen strukturellen Neuordnung zu
beginnen, verzichtet man auf harte Bedingungen und
Steuerungsinstrumente. DIE LINKE will den öffentlichen Einfluss
durch Beteiligungen und Übernahmen zu erweitern, einen Finanz-TÜV
für Finanzprodukte einführen, Steueroasen austrocknen,
verantwortliche Akteure und Institute in Haftung nehmen, eine
Vermögensabgabe für Reiche einführen. Das alles wird abgelehnt. Die
Bundestagsmehrheit verabschiedet ein sozial ungerechtes
Erbschaftssteuergesetz. Man lehnt das
50-Milliarden-Konjunkturprogramm für Infrastruktur, Bildung und
Umweltsanierung ab, wie es DIE LINKE vorgeschlagen hat, um dem
Absturz der Realwirtschaft gegenzusteuern. Man will keinen
gesetzlichen Mindestlohn und hält krampfhaft an Hartz IV fest,
obwohl alle Drangsalierungen nichts genützt haben und diese per
Gesetz verordnete Armut im Lauf der kommenden Krise grandios
scheitern wird. Stattdessen Halbheiten, Moralpredigten, Nichtstun
und Blockaden. Man will kein Entschuldungsprogramm zugunsten der
Kommunen, wie es geboten wäre und wir es für dringlich halten. Der
megapopulistische Vorschlag von ziellos und unabhängig von der
Bedürftigkeit verteilten Konsumschecks passt in diesen Zirkus kreuz
und quer.
Meine Damen und Herren,
Duisburg ist seit Generationen von industrieller Monostruktur
geprägt. Die negativen sozialen, städtebaulichen und Umweltfolgen
hatten und haben ganze Generationen zu tragen. Wir stecken seit den
neunziger Jahren in der Haushaltskrise, sind seit 2001 ohne
genehmigten Haushalt, kürzen, streichen zulasten der Bürgerinnen und
Bürger. Und kommen doch auf keinen grünen Zweig. Wenn jetzt die
Kommunalaufsicht als Gesandte des Innenministeriums kommt, die
„Duldung weiteren Schuldenmachens“ aufkündigt und weitere harte
Einschnitte verlangt, so ist dies auch ein weiterer massiver
Anschlag auf die kommunale Selbstverwaltung, wie sie die Verfassung
garantiert.
Herr Büssow hat hier im HFA in einer Replik auf den OB sinngemäß
erklärt, dass das souveräne Budgetrecht des Rates nicht mehr
bestehe. Der Rat könne nur noch im Rahmen seiner Vorgaben
entscheiden. Niemand werde der Stadt helfen, sie müsse die
Haushaltskrise aus eigener Kraft bewältigen.
Diese Aussage ist leider deckungsgleich mit Ihrer, Herr
Oberbürgermeister und mit der ihrer Vorgängerin. Damit akzeptieren
Sie im Grunde erneut – und im Einklang mit der Kommunalaufsicht -,
dass Duisburg die Schulden ausbaden soll, für die andere
verantwortlich sind. Wir lehnen das ab und wir wollen, dass
diejenigen endlich in die Verantwortung genommen werden, die dafür
zuständig sind, nämlich Bund und Land.
Herr Büssow hat den Rat eingeladen, mit seiner Behörde gemeinsam
über weitere Kürzungen nachzudenken. Schön formuliert. Die SPD
empfiehlt OB und Rat, diese „ausgestreckte Hand“ zu ergreifen. In
Wahrheit hat das alles nichts mit zwischenmenschlichen Nettigkeiten
zu tun: Die eine Hand wird ausgestreckt, die andere schwingt den
Knüppel des Sparkommissars. Besten Dank für diese Einladung, die
wird die Ratsfraktion der LINKEN jedenfalls nicht ergreifen. Herr
Büssow hat im HFA geäußert, mit der örtlichen Haushaltspolitik gelte
es auch die Schwachen zu schützen, und die Bessergestellten stärker
heranzuziehen. Auch hier muss bei ihm einiges völlig
durcheinandergeraten sein, wenn er ausgerechnet die
Praktikantenstellen kritisiert, für die man die Studiengebühren
übernommen hat, wenn er das Schulessen für sozial schwache Familien
mit unter 24.000 Euro Jahreseinkommen zusammenstreichen will. In
Oberhausen will er die berufliche Erstausbildung bei der Stadt –
sogar nach Einstellungszusagen – streichen. Alles Glanzpunkte
sozialer Einstellung und dem Volumen nach übrigens Ausgaben, deren
Streichung uns die Rettung bringt!
Ich finde es aufschlussreich, dass ausgerechnet die in der
Wahlpropaganda so sozial eingestellte SPD jetzt mit dem Vorwurf
kommt und erstmals sogar mit einem Anflug von Selbstkritik, es sei
noch nicht genug weggekürzt worden, das Berger-Gutachten müsse
konsequent umgesetzt werden. Es müsse ein überparteiliches
Haushaltskomitee unter Einschluss vieler Akteure und der Wirtschaft
gebildet werden. Ist ja nicht möglich! Wie lange fordern wir hier im
Rat eine breite Bürgerbeteiligung bei der Haushaltspolitik? Selbst
kleine Schritte waren unter Ihrer Ägide, werte KollegInnen der SPD,
nicht möglich. Aber jetzt soll „die Wirtschaft“ auch noch
institutionell Einfluss auf den Haushalt nehmen! Gewissermaßen die
Regierungskomitees mit Hartz und Co., aus der Schröder-Ära auf die
kommunale Ebene herunter gebrochen, die sich um die Agenda 2010 und
andere Sparschweinereien verdient gemacht haben. Mit uns ist das
nicht zu machen und wir können davor nur warnen. Bürgerbeteiligung
ja, aber keine Institutionalisierung von Profitinteressen in der
kommunalen Haushaltspolitik!
Die haben schon viel zu viel Einfluss und wir müssen die Folgen oft
genug ausbaden.
Berechtigte Forderungen an eine soziale Kommunalpolitik, legitime
Erwartungen auf allen Handlungsfeldern und eine solide
Personalpolitik in der Verwaltung sind mit uns jedenfalls nicht
wegzukürzen. Ein zukunftsfähiger Umbau Duisburgs hat erst in
Ansätzen begonnen. Er darf jetzt nicht durch eine Sparorgie
abgewürgt werden. Wir möchten uns an dieser Stelle ausdrücklich
solidarisch erklären mit der Kritik der Personalräte am Stellenplan.
Der nur in Ansätzen aufgelöste, demotivierende Beförderungsstau, die
unerhörte Leistungsverdichtung und der Überstundenberg verlangen
eine andere Personalpolitik. Erst recht eine andere als massiver
Einschnitte, wie sie jetzt die Kommunalaufsicht einfordert.
Meine Damen und Herren, wir wollen endlich eine kommunale
Entschuldung durch Bund und Land. Wer die Musik bestellt, hat, soll
sie gefälligst bezahlen, auch die Altschulden. Bund und Länder sind
die Hauptverursacher der kommunalen Finanzmisere. Eine erste
Maßnahme wäre der Wegfall der Gewerbesteuerumlage für arme Kommunen.
Meine Damen und Herren,
Armutsbekämpfung – vor allem unter Frauen, Migranten und Alten – hat
in Duisburg keine starke Lobby. Die Zahlen der Sozialberichte
vermitteln nur eine Ahnung der realen Misere. Die Ratsmehrheit lehnt
nach wie vor den Sozialpass mit Sozialticket ab. Der Skandal, dass
Hartz IV-Empfänger nur unzureichende Heizkostenpauschalen erhalten
und sie ihre tatsächlichen Kosten gerichtlich einklagen müssen,
besteht fort. Auch weiterhin orientiert sich die KdU-Erstattung
nicht mindestens am aktuellen Mietspiegel, mittlere Stufe, also 4,51
€ statt 3,94 € pro m². Dem Ombudsmann, der die zahlreichen Fehler
bei der ARGE aufdeckt, wird ein Maulkorb umgehängt.
Bedürftigen wird von den Stadtwerken weder ein günstiges
Stromkontingent gestellt, wie z. B. in Belgien, noch wurde ein
Sozialtarif eingeführt. Für Großabnehmer gelten aber rd. 50
Sondertarife. Das ist soziale Gerechtigkeit, nicht wahr Herr
Heidenreich und die CDU, die sie sich im VRR für die Streichung von
Firmentickets und die Blockade von Sozialtickets einsetzen?!
Gerechtigkeit muss sein, vor allem nach unten. Auch die Mittel für
die Integrationspolitik sind viel zu gering. Die Verwaltungseinheit
Integration muss personell und finanziell weiter ausgebaut werden,
um ihre Querschnittsaufgaben effektiv wahrnehmen zu können.
Alle Initiativen der LINKEN zur Bildungspolitik zielen darauf ab,
Kindern und Jugendlichen Chancengleichheit und eine gerechte
Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Bedürftige Kinder
brauchen kostenlose warme Mahlzeiten und Schulbücher. Zusätzliche
sozialpädagogische Fachkräfte sollten eingestellt und Stellen für
Sozialarbeit – je nach Schulform – ausgebaut werden.
SchulpsychologInnen werden schulformübergreifend gebraucht. Und
natürlich unsere Grundforderung nach einer Schule für Alle in den
Klassen 1 – 10. Gefolgt wurde unseren Anträgen bisher kaum. So kann
Prävention nicht funktionieren, obwohl etwa die GPA dies in ihrem
Bericht genau einfordert.
Meine Damen und Herren,
der Dauerskandal der kommunalen Unterfinanzierung muss beendet
werden. Was für Zockerbanken und Konzerne möglich ist, darf der
kommunalen Ebene nicht weiter vorenthalten werden. Prüfen Sie
ernsthaft eine Verfassungsklage zusammen mit den anderen
Krisenkommunen und dem Städtetag!
Fazit der Linksfraktion: Der Haushaltsentwurf 2009 entspricht nicht
unseren Vorstellungen von kommunaler Selbstverwaltung und neuer
Entwicklungslogik. Er setzt die falsche Politik auf Bundes- und
Landesebene fort. Das Vorgehen der Kommunalaufsicht, die langjährige
Finanzbelastung unserer Stadt und so vieler weiterer Kommunen mit
der Brechstange zu erzwingen, weisen wir als verfassungswidrig und
illegitim zurück.
Ich danke für die Aufmerksamkeit!
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