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Der Junge mit dem Löwenherz
Stephan 'Der Kult-Attaché' Sadowski

Duisburg, 17. September 2022 - Er wirkt wie ein ganz normaler junger Mann, mit seinen kurzen nach oben gegelten Haaren und seinen lässigen Outdoor-Klamotten. Welch schwierige Lebensgeschichte Lars Schmitz durchlaufen hat, sieht man ihm nicht an. Er hat die autistische Spektrumsstörung des Asperger-Syndroms, das bei ihm lange nicht von der Gesellschaft erkannt wurde. Jetzt hat Lars Schmitz ein Buch geschrieben mit dem Titel „Verborgenene Intelligenz – auf der Suche nach Verständnis“, das im Grunde autobiografisch ist und seine Leidensgeschichte aufzeigt. „Ich möchte mit dem Buch gerade anderen Betroffenen zeigen, dass man es auch als Autist von der Förderschule bis zum Abitur schaffen kann.“ Denn vor diesem Schritt steht Lars Schmitz gerade, bereitet sich auf die Hochschulreife vor, in den Fächern Biologie, Deutsch, Spanisch und Geschichte.

Trotz aller Widrigkeiten, sein Lebensmut habe ihm Kraft gegeben. „Der Glaube an mich selbst hat mir geholfen, dass ich jetzt hier stehe“, sagt der junge Mann aus Obermeiderich. Dass er anders ist als andere Schüler, fiel den Lehrern seiner Grundschule als erstes auf. „Ich erinnere mich daran, dass ich plötzlich in einer Klasse mit fast 30 Schülern Panikattacken bekommen habe und heraus gestürmt bin“, sagt der 18-Jährige. „Enge und zu viele Menschen in einem Raum konnte ich nicht ertragen“, weiß er. Automatisch habe sich bei ihm ein Fluchtreflex eingestellt. Arbeitsaufträge im Unterricht habe er nicht mehr erfüllt, so dass die Lehrer dachten, er wäre überfordert. „Dabei hab ich mich längst mit anderem Stoff befasst, da das Geforderte für mich zu einfach und langweilig war. Ich hätte damals eine besondere Förderung gebraucht“, betont Lars Schmitz jetzt.

Als Siebenjähriger wurde er in die Psychatrie gesteckt, nun steht er kurz vor dem Abitur. Lars Schmitz aus Obermeiderich hat das Asperger-Syndrom und seine Talente wurden lange verkannt. Jetzt hat der Autist ein autobiografisches Buch über seinen Leidensweg geschrieben.

Das Asperger-Syndrom gehört zu den Formen des Autismus. Es wird zu den Störungen der neuronalen und mentalen Entwicklung gezählt. Merkmale sind Schwierigkeiten bei sozialer Interaktion und Kommunikation und bei der Fähigkeit, Gefühle zu äußern, sowie Überempfindlichkeiten der Betroffenen bei der Reizwahrnehmung und -filterung. Demgegenüber stehen außergewöhnliche Begabungen und Interessen, die Asperger-Autisten aufweisen können. Laut einer finnischen Studie tritt es mit etwa dreimal höherer Wahrscheinlichkeit bei Jungen als bei Mädchen auf.

Aufgrund dieses Verhaltens wurde er aussortiert aus der Grundschule, nach der 2. Klasse wurde er in die Psychatrie verwiesen. Die Lehrer erkannten seine Beeinträchtigung, aber auch sein Talent nicht. „Man kann sich gar nicht vorstellen, wie man sich als Kind fühlt, wenn man sich in der Klapse wiederfindet. Das war für mich die Hölle.“, meint er. Noch heute wirkt er traumatisiert, wenn er an diese Zeit zurückdenkt. „Es ist schlimm, als Siebenjähriger von der Mutter getrennt zu werden.“ Unterschiedlichsten Tests musste er sich unterziehen, die Psychatrieärzte konnten nichts diagnostizieren –  das Asperger-Syndrom lässt sich nicht am Röntgenschirm bemerken. Nach fünf Wochen kam Lars Schmitz wieder heraus.

Er wechselte zur Förderschule, die Panikattacken blieben bestehen und er rannte immer noch fluchtartig aus dem Klassenraum. Hinzu kam, dass ihm sämtliche Lehrerwechsel oder Änderungen des Unterrichtsplans übel aufstießen – Autisten benötigen eben einen streng getakteten Tagesablauf.  Die Fragen verschiedenster Intelligenztests beantwortete er absichtlich falsch. „Da hab ich richtig beschissen“, sagt Lars Schmitz mit einem Lächeln rückblickend. Erst eine Lehrerin an einer Förderschule in Neukirchen-Vluyn entdeckte sein Talent, sie sah, wie er sich in ihrem Unterricht im sechsten Schuljahr mit höherer Mathematik beschäftigte – Kurvendiskussionen und e-Funktionen waren ihm wichtiger als die Bruchrechnung, die als vorgegebener Lehrstoff auf dem Unterrichtsplan stand. „Ich hätte das Zeug für die Realschule, so war die Auffassung dieser Lehrerin“, erinnert sich der Mann mit der besonderen Begabung. Als Berufswünsche schweben ihm Arzt oder Lehrer vor: „Da könnte ich von meinen Erfahrungen etwas an die Lernenden weiter geben.“ Gerade im Umgang mit den „besonderen“ Schülern. Zu seinen Hobbies gehört die Musik, er spielt Gitarre und Klavier und schreibt eigene Songs. Während der ganzen Schulzeit habe er sehr viele Gedichte verfasst. „Das Schreiben hat mir sehr geholfen, mit Problemen klar zu kommen“, so Schmitz.

Ein Gedicht lautet so: Löwenherz
Es schlägt ein Löwenherz in meiner Brust,
es kämpft mit voller Kraft und Lebenslust.
Ist unermüdlich und auch stark,
so bringt es mich durch jeden Tag.
Es schlägt ein Löwenherz in meiner Brust,
hab es selber nie gewusst,
doch jetzt wird mir bewusst,
es weckt in mir die Lebenslust.

Das autobiografische Buch von Lars Schmitz heißt „Verborgene Intelligenz – auf der Suche nach Verständnis“ und trägt den Untertitel „Ein Asperger-Autist kämpft sich vom Förderschüler zum Abiturienten“. Es ist im Verlag Daniel Funk erschienen und kostet 15 Euro, ISBN-Nr. 978-3-949831-10-2