Duisburg, 17. September 2022 -
Er wirkt wie ein ganz normaler junger Mann, mit
seinen kurzen nach oben gegelten Haaren und seinen lässigen
Outdoor-Klamotten. Welch schwierige Lebensgeschichte Lars
Schmitz durchlaufen hat, sieht man ihm nicht an. Er hat die
autistische Spektrumsstörung des Asperger-Syndroms, das bei
ihm lange nicht von der Gesellschaft erkannt wurde. Jetzt
hat Lars Schmitz ein Buch geschrieben mit dem Titel
„Verborgenene Intelligenz – auf der Suche nach Verständnis“,
das im Grunde autobiografisch ist und seine
Leidensgeschichte aufzeigt. „Ich möchte mit dem Buch gerade
anderen Betroffenen zeigen, dass man es auch als Autist von
der Förderschule bis zum Abitur schaffen kann.“ Denn vor
diesem Schritt steht Lars Schmitz gerade, bereitet sich auf
die Hochschulreife vor, in den Fächern Biologie, Deutsch,
Spanisch und Geschichte.
Trotz aller Widrigkeiten,
sein Lebensmut habe ihm Kraft gegeben. „Der Glaube an mich
selbst hat mir geholfen, dass ich jetzt hier stehe“, sagt
der junge Mann aus Obermeiderich. Dass er anders ist als
andere Schüler, fiel den Lehrern seiner Grundschule als
erstes auf. „Ich erinnere mich daran, dass ich plötzlich in
einer Klasse mit fast 30 Schülern Panikattacken bekommen
habe und heraus gestürmt bin“, sagt der 18-Jährige. „Enge
und zu viele Menschen in einem Raum konnte ich nicht
ertragen“, weiß er. Automatisch habe sich bei ihm ein
Fluchtreflex eingestellt. Arbeitsaufträge im Unterricht habe
er nicht mehr erfüllt, so dass die Lehrer dachten, er wäre
überfordert. „Dabei hab ich mich längst mit anderem Stoff
befasst, da das Geforderte für mich zu einfach und
langweilig war. Ich hätte damals eine besondere Förderung
gebraucht“, betont Lars Schmitz jetzt.
Als
Siebenjähriger wurde er in die Psychatrie gesteckt, nun
steht er kurz vor dem Abitur. Lars Schmitz aus Obermeiderich
hat das Asperger-Syndrom und seine Talente wurden lange
verkannt. Jetzt hat der Autist ein autobiografisches Buch
über seinen Leidensweg geschrieben.
Das
Asperger-Syndrom gehört zu den Formen des
Autismus. Es wird zu den Störungen der neuronalen und
mentalen Entwicklung gezählt. Merkmale sind Schwierigkeiten
bei sozialer Interaktion und Kommunikation und bei der
Fähigkeit, Gefühle zu äußern, sowie Überempfindlichkeiten
der Betroffenen bei der Reizwahrnehmung und -filterung.
Demgegenüber stehen außergewöhnliche Begabungen und
Interessen, die Asperger-Autisten aufweisen können. Laut
einer finnischen Studie tritt es mit etwa dreimal höherer
Wahrscheinlichkeit bei Jungen als bei Mädchen auf.
Aufgrund dieses Verhaltens wurde er aussortiert aus der
Grundschule, nach der 2. Klasse wurde er in die Psychatrie
verwiesen. Die Lehrer erkannten seine Beeinträchtigung, aber
auch sein Talent nicht. „Man kann sich gar nicht vorstellen,
wie man sich als Kind fühlt, wenn man sich in der Klapse
wiederfindet. Das war für mich die Hölle.“, meint er. Noch
heute wirkt er traumatisiert, wenn er an diese Zeit
zurückdenkt. „Es ist schlimm, als Siebenjähriger von der
Mutter getrennt zu werden.“ Unterschiedlichsten Tests musste
er sich unterziehen, die Psychatrieärzte konnten nichts
diagnostizieren – das Asperger-Syndrom lässt sich
nicht am Röntgenschirm bemerken. Nach fünf Wochen kam Lars
Schmitz wieder heraus.
Er wechselte zur Förderschule,
die Panikattacken blieben bestehen und er rannte immer noch
fluchtartig aus dem Klassenraum. Hinzu kam, dass ihm
sämtliche Lehrerwechsel oder Änderungen des Unterrichtsplans
übel aufstießen – Autisten benötigen eben einen streng
getakteten Tagesablauf. Die Fragen verschiedenster
Intelligenztests beantwortete er absichtlich falsch. „Da hab
ich richtig beschissen“, sagt Lars Schmitz mit einem Lächeln
rückblickend. Erst eine Lehrerin an einer Förderschule in
Neukirchen-Vluyn entdeckte sein Talent, sie sah, wie er sich
in ihrem Unterricht im sechsten Schuljahr mit höherer
Mathematik beschäftigte – Kurvendiskussionen und
e-Funktionen waren ihm wichtiger als die Bruchrechnung, die
als vorgegebener Lehrstoff auf dem Unterrichtsplan stand.
„Ich hätte das Zeug für die Realschule, so war die
Auffassung dieser Lehrerin“, erinnert sich der Mann mit der
besonderen Begabung. Als Berufswünsche schweben ihm Arzt
oder Lehrer vor: „Da könnte ich von meinen Erfahrungen etwas
an die Lernenden weiter geben.“ Gerade im Umgang mit den
„besonderen“ Schülern. Zu seinen Hobbies gehört die Musik,
er spielt Gitarre und Klavier und schreibt eigene Songs.
Während der ganzen Schulzeit habe er sehr viele Gedichte
verfasst. „Das Schreiben hat mir sehr geholfen, mit
Problemen klar zu kommen“, so Schmitz.
Ein Gedicht
lautet so: Löwenherz Es schlägt ein Löwenherz in meiner
Brust, es kämpft mit voller Kraft und Lebenslust. Ist
unermüdlich und auch stark, so bringt es mich durch jeden
Tag. Es schlägt ein Löwenherz in meiner Brust, hab es
selber nie gewusst, doch jetzt wird mir bewusst, es
weckt in mir die Lebenslust.
Das autobiografische
Buch von Lars Schmitz heißt „Verborgene Intelligenz
– auf der Suche nach Verständnis“ und trägt den
Untertitel „Ein Asperger-Autist kämpft sich vom
Förderschüler zum Abiturienten“. Es ist im Verlag Daniel
Funk erschienen und kostet 15 Euro, ISBN-Nr.
978-3-949831-10-2
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