BZ-Home Stephans Kult-pur Der Kult-Attaché



BZ-Sitemap

BZ-Kultur aktuell

 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 






 

'Terror' in der Rheinhausen-Halle
Stephan 'Der Kult-Attaché' Sadowski

Duisburg, 09. November 2017 - Kann sich ein einzelner über das Gesetz stellen, und ein vollbesetztes Flugzeug abschießen, wenn es dazu dient, einen größeren Anschlag auf ein mit 70000 Menschen gefülltes Stadion mit dieser Aktion zu vereiteln? Was ist in dem Moment mit der Würde der im Passagierflugzeug befindlichen und vom Kampfflieger getöteten Menschen? Kann man Menschenleben mit Menschenleben aufwiegen? Diese Fragen beschäftigten knapp 500 Zuschauer bei dem Theaterstück „Terror“ von Ferdinand von Schirach in der Rheinhausen-Halle.

Das Besondere: Das Publikum agierte als Schöffengericht und durfte in der Pause, nach der Beweisaufnahme quasi, abstimmen, ob der Kampffliegerpilot, der das Passagierflugzeug eigenmächtig abschoss, nach geltendem Recht zu verurteilen ist.

Nun, um es vorwegzunehmen: 273 Rheinhauser Schöffen stimmten für „unschuldig“, lediglich 76 der teilnehmenden Zuschauer plädierten für eine Verurteilung des Kampffliegerpiloten, Lars Koch, gespielt von Christian Meyer.
So ist das Urteil ähnlich wie bei der bundesweiten Abstimmung, nachdem das Kammerspiel „Terror“ mit Martina Gedeck als Richterin im Fernsehen gezeigt wurde – also erwartbar.

Dabei führt die Staatsanwältin Nelson, gespielt von Annett Kruschke, ein eingehendes Plädoyer für die Moral und die Prinzipien des Staates, die im Grundgesetz verankert sind. Eigentlich ethische Allgemeinplätze, die ein friedliches Miteinander erst ermöglichen. „Ist die Würde der Menschen im Stadion mehr wert, als die der Passagiere im Flugzeuge, die durch den Abschuss zu Tode kommen?“, fragt sie rhetorisch und ist damit nah an der zentralen Frage. Auch wenn diese nur noch wenige Minuten zu leben hätten, dürfte man „ihr Leben nicht noch durch den Abschuss verkürzen“.

Da geht es um die Autorität des Staates, der durch die unverrückbaren Prinzipien zum Spielball der Terroristen werden kann. Meint zumindest der nonchalante Verteidiger Biegler, gespielt von Christoph Schlemmer. Als er viel zu spät, mit Coffee to go in der Hand und  Hosenklammern  an den Beinen in den Gerichtssaal hastet, wird er vom vorsitzenden Richter ermahnt: „Jetzt ziehen Sie sich erst mal Ihre Robe an!“ So schafft man auch unterbewusst Sympathien im Publikum, die in eine bestimmte Richtung ausschlagen sollen - während gegen diesen Colombo artigen Verteidiger eine überkorrekte Staatsanwältin agiert.

Dabei sind die Verantwortlichen für diese Extremsituation, in der Lars Koch als prinzipientreuer Major der Luftwaffe das vollbesetzte Flugzeug abschießt, ganz woanders zu suchen. Das wird dem Publikum klar. Der Krisenstab, der zu einer Lagebesprechung in der Nato-Basis für die Luftraumüberwachung bei Uedem zusammenkommt, erscheint in der Verhandlung als zu zögerlich. „Hätten Sie das Stadion nicht räumen lassen können?“, fragt die Staatsanwältin den Zeugen Oberstleutnant Christian Lauterbach, zackig und durchs Militär verbrämt dargestellt von Peter Donath. Dieser hat als Vorgesetzter des jetzt Angeklagten auch im Kontakt unmittelbar mit dem Verteidigungsminister gestanden, der wiederum den Abschussbefehl verweigerte.

„Die Räumung der AlianzArena hätte 15 Minuten gedauert laut Katastrophenplan“, so Staatsanwältin Nelson. Doch darüber wurde vom Krisenstab nicht nachgedacht, und die Zuschauer erleben einen drucksenden Zeugen Lauterbach. So ist das Urteil für den Freispruch zu früh erwartbar – eine Zuschauerin fasste ihre Meinung in diplomatische Worte: „Der Pilot hätte verurteilt werden müssen für den Abschuss der 164 Flugzeugpassagiere – aber mildernde Umstände für die Rettung der 70000!“

Sicherlich nicht schlecht, jedoch die Zuschauer konnten nur mit ja und nein urteilen...