Duisburg, 30. November 2017 - Führende Soziologen forderten
unlängst, die Gottesdienste zu verkürzen – wahrscheinlich,
um die Jugendlichen nicht zu verlieren, die mit
schnelllebigen Formaten in Zeiten des Internets aufwachsen,
und diese kontemplative Konzentration auf ein höheres
Wesen gar nicht mehr aufbringen können. Der Evensong, den
Jürgen Kuns vor zwei Jahren an der Christuskirche einführte,
könnte dieses verloren geglaubte Klientel wieder auffangen.
Denn in genau 45 Minuten waren die Handelnden mit ihrem
Programm in der evangelischen Christuskirche durch: Organist
Jürgen Kuns spielte den Introitus und den Auszug, und die
eingeladene 25-köpfige Weseler Domkantorei, die extra mit
einem Reisebus angereist war, übernahm das für einen
Evensong unerlässliche „Magnificat“ und „Nunc dimittis“.
Dazu gab es zwei Lesungen, die von Sandra Buchholz und
Andreas Prumbaum-Bidovsky vorgetragen wurden, ein
Glaubensbekenntnis, ein paar Fürbitten, ein Vaterunser
– und fertig - nach einer Dreiviertelstunde gab es zum Segen
ein modernes „Verleih uns Frieden“ aus der Feder von Colin
Mawby, einem noch lebenden britischen Komponisten.
Freitag, 15. Dezember, um 20 Uhr gibt es ein Konzert
mit dem CHOR 5'91 „Advent und Weihnacht – nicht nur mit
Luther“, Lieder zum Hören und Mitsingen, Orgelbegleitung
Jürgen Kuns.
So kompakt wie sich dieser
anglikanische Abendgottesdienst vom Ablauf gestaltete, so
blumig und farbenprächtig entwickelten sich aber auch die
musikalischen Stücke. Der dem Psalm 100 nachempfundene
Choral „O be joyful in the Lord“ war eine freudige Anrufung
an den Herrn, der vor allem auch die Strahlkraft der gut
ausgebildeten Sopranistinnen der Weseler Domkantorei in den
Vordergrund rückte. Das für einen Evensong unerlässliche „Magnificat“
und „Nunc dimittis“ stammte dieses Mal von Frank Henry Shera,
der auch Musikprofessor war. Das Magnificat ist eine
Lobpreisung und Verkündigung von Marias Empfängnis, also der
Beginn allen Lebens, das Nunc dimittis handelt vom Tod und
ist bezogen auf den Lobgesang des Simeon, der im hohen Alter
noch Jesus begegnet und daraufhin beruhigt sterben kann.
Erst von der Orgel begleitet, driftete die Weseler
Domkantorei unter Leitung von Ansgar Schlei in acappella-Passagen,
wo vor allem die zahlenmäßig schwach besetzten Bässe gut
gegen die Überzahl der Frauen vom Volumen her mithielten.
Punktgenaue Landungen, zum Beispiel beim gemeinsamen „Amen“,
nach langen teilweise synkopischen Phrasierungen über die
Stücke waren ein Hörgenuss für jeden Musikliebhaber. Das
klar ersichtliche Dirigat von Ansgar Schlei lenkte souverän
den Chor.
Auf Deutsch sang die Kantorei noch „O Herr,
mein Gott, jetzt vor der Nacht“ von Thomas Tallis aus dem
Frühbarock. Hatte der englische Komponist vorwiegend vokaler
Musik zuerst katholische Motetten komponiert, so widmete er
später seine Lieder der englischen Reformation und dem
evangelischen Gottesdienst, auch wenn sie teilweise noch in
lateinischer Sprache komponiert waren. Zum Schluss gab es
das moderne „Verleih uns Frieden“ von Colin Melby, das zu
Beginn an das von Felix Mendelssohn-Bartholdy komponierte
Werk erinnert. 50 Zuschauer waren Zeuge dieses kompakten
Gottesdienst, der bereits zum vierten Mal von Jürgen Kuns in
der Christuskirche initiiert wurde.
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