Duisburg, 25. November 2017 - Wie könnte es besser passen,
als eine Totenmesse kurz vor dem Totensonntag zu
veranstalten? In dem Konzert „Libera me, domine“ hatte
Kantor Bernd Hänschke ausschließlich Titel zusammengestellt,
die sich unmittelbar mit dem irdischen Ableben beschäftigen.
In der evangelischen Friedenskirche Oestrum an der
Lutherstraße zeigten etwa hundert Zuschauer Interesse für
dieses musikalische Totengedenken durch die Kantorei der
Friedenskirche, das als Höhepunkt die Aufführung des
romantischen Requiems von Gabriel Fauré hatte.
Ruhige, introvertierte eineinhalb Stunden des Zuhörens
entwickelten sich, zumal die 30-köpfige Kantorei direkt mit
der Motette „Selig sind die Toten“ von Heinrich Schütz
begann. Das Werk wurde vom Komponisten just 1648, also zum
Ende des Dreißigjährigen Krieges, veröffentlicht und soll
suggerieren, dass die Menschen, die „im Herrn sterben“ in
sicheren Händen Gottes aufgehoben seien. Dementsprechend
lyrisch verschlungen sich auch die vier Stimmen des Chores
synkopisch ineinander und gaben Licht in das Dunkel des
Todes, nur spärlich von der Orgel begleitet.
Das Konzert sollte genau vor einem Jahr stattfinden.
„Leider war unser Chorleiter jedoch zu dem Zeitpunkt
erkrankt und fiel lange aus“, sagt der 81-jährige Sänger
Gerhard Steinhoff. Er singt übrigens seit 1961 in der
Oestrumer Kantorei im Bass. „Sozusagen hatten wir fast
eineinhalb Jahre für das Konzert geübt.“
Einen Hauch von Renaissance verspürten die andächtig
lauschenden Besucher bei den Stücken von Josquin des Préz.
Über ihn soll Martin Luther gesagt haben: „Er ist der noten
meister, die habens müssen machen, wie er wollt.“ Und die
Kantorei liefert eine äußerst stimmhafte Abbildung der Werke
„La déploration sur la mort de Johannes Ockegham“ und dem „Agnus
Dei“ aus der Messe „L'homme armé“. Teilweise klingen die
Sänger wie Schalmeien und Trompeten, also für diese
Renaissance-Zeit übliche Instrumente, schaffen auch
schwierigste Harmonien eindrucksvoll acapella zu
interpretieren unter dem genauen Dirigat von Bernd Hänschke.
Vom Dirigenten selbst entstammt die Motette „Eli, eli
lama sabachtani“. Hänschke ist ja bekannt als Komponist
Neuer Musik, und genau in diese Stilrichtung entwickelt sich
auch der nah an Disharmonien grenzende Chorgesang.
Schwierige Septimakkorde durchziehen den Raum, wenn Verse
erschallen wie „Mein Gott warum hast du mich geopfert“, die
sich auf einen modernen Psalm von Matthias Buth beziehen.
Der Höhepunkt war aber sicherlich das komplette Requiem
von Gabriel Fauré. Schon der Einstieg ist gespenstisch, als
der Chor scheinbar unisono „Requiem aeternam“ intoniert,
dann aber schrille harmonische Verschiebungen diese Anrufung
gewaltig und supernatural erscheinen lassen. Ein gewaltiges
Fortissimo bereitet die Zuhörer auf göttliche Urgewalt vor,
die dann später in Sequenzen von „Dies Irae“ (Tag des Zorns)
angedeutet wird. Das „Pie Jesu“, sicherlich die
farbenprächtigste Melodie im Requiem, trägt die Sopranistin
Nadine Trefzer mit ihrem weichen Timbre versöhnlich vor. Im
Responsorium übernimmt Bassist Heiner Lüger den Solopart,
bevor die Kantorei im Gesang „Libera me“ fast
Verdichormäßige Züge annimmt und die 100 Seelen im
Kirchenraum mitnimmt. Das letzte Stück „In Paradisum“
erklingt normalerweise, wenn die Toten zum Grabe aus der
Friedhofskirche überführt wurden, und war somit neu in 1887
für die ursprüngliche Form des Requiems. Eine Seelen
reinigende, musikalische Wanderung wurde reichlich mit
Applaus bedacht.
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