Duisburg, 19. Januar 2017 - Mobbing gegen Übergewichtige ist
an der Tagesordnung im Internet-Alltag der Kabarettistin
Nicole Jäger. Da geht es schon mal richtig unter die
Gürtellinie und das Ausmaß der Phantasie scheint im Bereich
der Internethetze gegen Dicke geradezu unbändig.
„Manche glauben sogar, dass ich mich auf jedem Buffet nackt
suhle“, stichelt Nicole Jäger aberwitzig im Rahmen des
Programms „Ich darf das, ich bin selber dick“ in der
Rheinhausenhalle.
Und bricht mit allen Tabus,
bestätigt zynisch die Vorurteile, die gegen Dicke bestehen.
Als sie neulich eine Homestory mit einem Fotografen einer
Frauenzeitschrift machen sollte, fiel ihr für das Foto
sinnvollerweise im Vorhinein schon ein: „Äh, soll ich
vielleicht in den vollen Kühlschrank gucken?“ Und damit nahm
sie die Idee des Fotografen quasi vorweg. Im Supermarkt,
ihrem „Dealer“, fühlt sie sich beobachtet, wenn sie vor der
Obsttheke steht, und mutmaßt, was die Leute denken: „Jetzt
holt sie sich das Alibiobst und danach geht es zur
Schokolade und zu den Chips.“
Da kann einem schon mal
das Lachen im Hals stecken bleiben. Vor allem, wenn sie
Kommentare, die andere über sie gemacht haben, verliest und
neben Nazi-Methoden (Vergasen, erschießen, etc.) im Umgang
mit ihr, auch noch ein Zitat ihrer Oma kommt: „Du warst doch
eigentlich so hübsch, warum hast du dich so verunstaltet?“
Da spätestens ist Stille in der Halle, die Nicole
Jäger aber sofort in ein lachendes Pulverfass verwandeln
kann. Mit diffiziler Selbstironie erreicht die Hamburgerin,
die nahe dem „Lattemacchiato-Strich“ wohnt, aber auch
herzhafte Seufzer: „Können die Modedesigner für
Übergewichtigenmode auch daran denken, dass ich im Winter
nicht an den Armen frieren möchte?“ Da zu viel Stoff
des Kleides für die Körpermasse draufgehe, habe sie ständig
Zweidrittel-Ärmel am Oberteil.
Es ist natürlich eine
Eigentherapie-Stunde der Frau, die knapp die Hälfte ihres
Körpergewichts abgenommen hat, aber immer noch bei 150 Kilo
liegt.
„Wenn ich jetzt nur 100 Kilo gewogen hätte,
würde ich gar nicht mehr existieren“, sagt die
Mitdreißigerin. Und wird grotesk, als sie ihre Geschichte
zum „Eisdielenstuhl“ verliest: „Das ist ein Grund, warum ich
kein Spagetti-Eis mehr esse, man kann als Dicke einfach
nicht auf den Stühlen sitzen – ohne dass man am Ende da raus
operiert werden muss.“
Und ob sie als Übergewichtige
überhaupt Sex habe? „Da kann ich Euch zu sagen, dass bringt
mehr als jede Magenverkleinerung.“
Etwa 400
Zuschauer merkten, dass es Nicole Jäger sehr ernst um die
Selbstbestimmung des Individuums ist, und sie zeigte auf,
dass Übergewicht meist seelische Ursachen habe.
„Verkneift Euch einfach mal Eure blöden Tipps zur
Gewichtsabnahme“, schickte Jäger in Richtung ihrer Follower
und Kommentatoren auf Facebook. Viel Lachen blieb am Ende im
Hals stecken, nachdenklicher, aber irgendwie bewundernder
Beifall für diesen Seelenstriptease.
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