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Mobbing gegen Übergewichtige
Stephan 'Der Kult-Attaché' Sadowski

Duisburg, 19. Januar 2017 - Mobbing gegen Übergewichtige ist an der Tagesordnung im Internet-Alltag der Kabarettistin Nicole Jäger. Da geht es schon mal richtig unter die Gürtellinie und das Ausmaß der Phantasie scheint im Bereich der Internethetze gegen Dicke geradezu unbändig.

„Manche glauben sogar, dass ich mich auf jedem Buffet nackt suhle“, stichelt Nicole Jäger aberwitzig im Rahmen des Programms „Ich darf das, ich bin selber dick“ in der Rheinhausenhalle.

Und bricht mit allen Tabus, bestätigt zynisch die Vorurteile, die gegen Dicke bestehen. Als sie neulich eine Homestory mit einem Fotografen einer Frauenzeitschrift machen sollte, fiel ihr für das Foto sinnvollerweise im Vorhinein schon ein: „Äh, soll ich vielleicht in den vollen Kühlschrank gucken?“ Und damit nahm sie die Idee des Fotografen quasi vorweg. Im Supermarkt, ihrem „Dealer“, fühlt sie sich beobachtet, wenn sie vor der Obsttheke steht, und mutmaßt, was die Leute denken: „Jetzt holt sie sich das Alibiobst und danach geht es zur Schokolade und zu den Chips.“

Da kann einem schon mal das Lachen im Hals stecken bleiben. Vor allem, wenn sie Kommentare, die andere über sie gemacht haben, verliest und neben Nazi-Methoden (Vergasen, erschießen, etc.) im Umgang mit ihr, auch noch ein Zitat ihrer Oma kommt: „Du warst doch eigentlich so hübsch, warum hast du dich so verunstaltet?“

Da spätestens ist Stille in der Halle, die Nicole Jäger aber sofort in ein lachendes Pulverfass verwandeln kann. Mit diffiziler Selbstironie erreicht die Hamburgerin, die nahe dem „Lattemacchiato-Strich“ wohnt, aber auch herzhafte Seufzer: „Können die Modedesigner für Übergewichtigenmode auch daran denken, dass ich im Winter nicht an den Armen frieren möchte?“  Da zu viel Stoff des Kleides für die Körpermasse draufgehe, habe sie ständig Zweidrittel-Ärmel am Oberteil.

Es ist natürlich eine Eigentherapie-Stunde der Frau, die knapp die Hälfte ihres Körpergewichts abgenommen hat, aber immer noch bei 150 Kilo liegt.

„Wenn ich jetzt nur 100 Kilo gewogen hätte, würde ich gar nicht mehr existieren“, sagt die Mitdreißigerin. Und wird grotesk, als sie ihre Geschichte zum „Eisdielenstuhl“ verliest: „Das ist ein Grund, warum ich kein Spagetti-Eis mehr esse, man kann als Dicke einfach nicht auf den Stühlen sitzen – ohne dass man am Ende da raus operiert werden muss.“

Und ob sie als Übergewichtige überhaupt Sex habe? „Da kann ich Euch zu sagen, dass bringt mehr als jede Magenverkleinerung.“

Etwa 400 Zuschauer merkten, dass es Nicole Jäger sehr ernst um die Selbstbestimmung des Individuums ist, und sie zeigte auf, dass Übergewicht meist seelische Ursachen habe.

„Verkneift Euch einfach mal Eure blöden Tipps zur Gewichtsabnahme“, schickte Jäger in Richtung ihrer Follower und Kommentatoren auf Facebook. Viel Lachen blieb am Ende im Hals stecken, nachdenklicher, aber irgendwie bewundernder Beifall für diesen Seelenstriptease.