Duisburg, 21. April 2017 - Moral und Opportunismus –
das sind die Themen, die im Mittelpunkt des Theaterstückes
„Martin Luther und Thomas Münzer oder die Einführung der
Buchhaltung“ von Dieter Forte stehen. Fünf Jahre hat der
Autor innerhalb der 68er-Bewegung darüber recherchiert,
bevor er ein knapp dreistündiges Bühnenstück 1970 in Basel
uraufführte, das einen Martin Luther nicht als Helden,
sondern als einen in Geldnöten befindlichen Opportunisten
darstellt (Na, Martin, brauchst mal wieder eine neue
Kutte?“), dessen Moralvorstellungen und religiöse
Eingebungen von den Mächtigen je nach politischer Lage
missbraucht werden.
Die Zügel in den Händen hält in
der Rheinhausenhalle in der Inszenierung von Manfred Langner
vor mehr als 550 Zuschauern aber ein Jakob Fugger, brillant
berechnend gespielt von Jan Uplegger, der seine Gelder an
alle konkurrierenden Mächtigen des Reiches um 1520
zinsbringend verleiht: an den Kaisersanwärter Karl V., den
Papst Leo X - aber auch bei sämtlichen deutschen Fürsten als
Gläubiger deren politische Gebaren beeinflusst. Der mit der
Reichsacht versehene Martin Luther soll trotz seiner
kirchenfeindlichen Thesen zum Ablasshandel auf die Wartburg
gebracht werden – so bleibt er ein politischer Trumpf sowohl
des Papstes, aber auch des Kurfürsten von Sachsen – und
natürlich von Jakob Fugger, der sein Kapital mit
Waffengeschäften mehrt und natürlich an kriegerischen
Handlungen im Reich interessiert ist.
Nächster Auftritt des Kleinen Chor
Friemersheim mit „Luther-Liedern“ ist am
30. April im Rahmen der Reihe „Klein, aber
fein“ in der evangelischen Dorfkirche Baerl
ab 9.30 Uhr innerhalb eines Gottesdienstes mit
anschließender Konzert-Matinee (ca.11 Uhr)
„Mach uns den Martin Luther, Junker Jörg!“, zieht sein
'Freund' Georg Spallatin (Markus Vogelbacher) den die Bibel
übersetzenden und unter Pseudonym lebenden Reformator auf.
Sehr jähzornig und zerrissen wird Martin Luther („Ich habe
nicht widerrufen!“) dargestellt von Thomas Henniger von
Wallersbrunn, als er sich in Zwistigkeiten mit dem
Priester Karlstadt (Gregor Eckert) hineinsteigert und völlig
entwirrt schimpft: „Er darf die Messe nicht auf Deutsch
lesen!“ In diesen kleinen Scharmützeln vergehen die großen
Ideen des Reformators anscheinend – die Übermacht des
Kapitals gegenüber der Religion wird offenkundig.
Allein das Bühnenbild ähnelt mit seinen in die Tiefe
dringenden Holzaufbauten einem Schacht einer Kupfer- oder
Erzmiene – führt also symbolisch zu den materiellen Gütern,
die der Augsburger Kaufmann Jakob Fugger fördert und „zu
1000 Prozent gewinnbringend zu Kapital vermehrt“
schlussendlich. Die Szenerie wirkt aber im Kontrapunkt auch
wie der „Weg in die Hölle“ – denn am Ende wird der
aufständische Reformator Thomas Münzer, ursprünglich
befreundet mit Luther, als Aufwiegler der Bauernaufstände
ganz am Ende des Bühnenbilds hingerichtet, nachdem das
Kampflied „Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der
Edelmann?“ längst verhallt ist. Überhaupt ist die szenische
Darstellung der Ereignisse von 1514 bis 1525 sehr
schnelllebig modern, auch eine Journalistin wuselt als
Zeichen des Zeitenwandels zwischen den Akteuren umher und
Szenen gehen unmittelbar ineinander über ohne große
Umbaupausen. So weicht auch immer mehr der tiefe, noch
mittelalterliche religiöse Glaube dem Turbo-Kapitalismus der
Neuzeit und die elf Schauspieler spielen bis zu 30
Charaktere des Stückes – ein Job reicht in diesen
turbulenten Zeiten eben nicht mehr aus. Am Ende beten alle
im Stile des „Vater unsers“: „O Kapital, gib uns auch Zinsen
morgen noch..“.
Lediglich ein wenig Trost spendete
der Kleine Chor Friemersheim mit seinem Auftritt bei der
historischen Einführung zu dem Stück durch den Schauspieler
Gregor Eckert. Getreu der Maxime Luthers „Musica soll das
Seelchen erfreuen“ sangen die 15 Sängerinnen und Sänger
unter der Leitung von Udo van der Koelen Stücke aus ihrem
Tournee-Programm „Luthers Lieder“ wie „Ein feste Burg ist
unser Gott“ oder „Erhalt uns Herr bei deinem Wort“ im
vierstimmigen Chorsatz zur Begeisterung der Zuschauer.
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