Duisburg, 28. Mai 2017 - Es ist die große Geschichte von
Menschlichkeit, wo man sie im Leben nicht erwartet. In der
Theaterkomödie „Ziemlich beste Freunde“ nach dem
französischen Kinohit von Oliver Nakache und Eric Toledano
treffen Charaktere in der Homberger Glückaufhalle
aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Da
ist der Arbeitslose Driss (Felix Frenken) aus den Pariser
Banlieus , der auf vorgetäuschter Jobsuche ist, um möglichst
bald wieder Stütze vom Amt zu bekommen, und der wohlhabende
Tetraplegiker Philippé (Timothy Peach), der nach einem
Gleitschirmunfall ab dem Hals gelähmt in einem
Spezialrollstuhl sitzt – und einen Pfleger sucht.
Hartes Training für das „Hängenlassen“
Gerade sein Spiel überzeugt, seine ermatteten Glieder,
rauschen sofort gen Boden, sobald Driss als sein neuer
Pfleger versucht, ihn in irgendeiner Form aus dem Bett zu
holen und zu mobilisieren. Der Schauspieler Timothy Peach
hat die Rolle über Monate gezielt einstudiert, ist sogar in
einem Selbstversuch mit nur vom Kinn gesteuerten Rollstuhl
durch eine belebte Fußgängerzone gefahren, um zu schauen wie
die Leute reagieren. „Da gehört ungeheure Selbstdisziplin
zu“, weiß Hans-Peter Schubärth, selbst Dramaturg bei der
Konzertdirektion Landgraf.
So ergibt sich ein
anfangs sarkastisches Wechselspiel der beiden Protagonisten,
wobei Driss mit Afro-Look-Frisur den flippigen Part
übernimmt, zu James-Brown-Stücken, wie „I feel good“,
im sich drehenden Rollstuhl über die Bühne wirbelt, dabei
seinen bissigen Charme dem gelähmten Philippé mit Statements
wie „Keine Arme, keine Schokolade!“ um die Ohren haut. Oder
auch die Frage: „Na, sind Sie heute wieder mit dem falschen
Bein aufgestanden?“, zumindest ein Räuspern bei den mehr als
400 Zuschauern in der Glückaufhalle hervorruft.
Doch
davon lebt dieses auf wirklichen Tatsachen beruhende
Melodram. Nicht falsches Mitleid zu heucheln, wie es der
Krankenpfleger im Bewerbungsgespräch vor Driss tut: „Ich
möchte ja auch das körperlich Benachteiligte am Leben
teilhaben!“. Inklusion läuft hier ganz anders,
Behindertenwitze gehören irgendwann zum guten Ton und Driss
bringt Philippé das Kiffen bei, bis er konstatieren muss: „Ihh,
Sie haben den ja nass geraucht!“ - eben weil der ungehobelte
Charmeur vergessen hat den Joint aus Philippes Mund zu
nehmen. Und schließlich unternehmen die „ziemlich
besten Freunde“ wilde Spritzfahrten in Philippés Ferrari –
was natürlich in der gut komprimierten Theaterfassung von
Gunnar Dreßler nur klug angedeutet werden kann : am Ende ist
es das „Ja zum Leben wollen“, was die beiden scheinbar im
Leben gescheiterten Charaktere vereint. Auf die
Darstellung von Driss' prekären Familienverhältnissen
verzichtet die Bühnenfassung leider gänzlich, um das
Melodram Richtung Komödie zu entwickeln – dafür scherzt dann
Philippé über Driss irgendwann: „Sie könnten sich ja auch
ein Röckchen anziehen, wenn Sie mir die Stützstrümpfe
überstülpen.“ 400 Zuschauer lachten jedenfalls herzhaft in
der letzten Veranstaltung der Homberger Theaterspielzeit
16/17. (neues Programm folgt).
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