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Tine Wittler im Kulturspielhaus
Stephan 'Der Kult-Attaché' Sadowski

Duisburg, 25. Mai 2017 - Den gewohnten Marmortresen hat die Hamburgerin vielleicht vermisst in Rumeln – stattdessen steht sie hinter einem improvisierten runden Tisch und das Mikro hängt viel zu hoch: „Oha, bin ich geschrumpft!“, begrüßt die aus der Hafenstadt angereiste Tine Wittler die etwa 80 Gäste im Kulturspielhaus, die an Bistrotischen einen entspannten Abend erwarten. Tine Wittler merkt schnell: Rumeln ist nicht Hamburg, und hier in „West-Westfalen“, wie sie die Niederrheiner bezeichnet, weht nun mal eine andere Brise und so versucht die 44-Jährige mit ihren Gästen auf Tuchfühlung zu gehen.

Das kann die gelernte Wirtin, die seit 14 Jahren die Kulturkneipe „Parallelwelt“ in der Hansestadt betreibt, allerdings gut: „Leute, ihr müsst mehr trinken, dann wird das ein entspannter Abend hier!“
Nüchtern sei ihr Programm nicht zu ertragen – das schrieb einmal eine große Sonntagszeitung über ihren Chansonabend – jetzt hat sie sich das als Motto auf ihre Souvenir-T-Shirts geschrieben. In ihrem Programm „Lokalrunde - Tresenlieder schlückchenweise“ begibt sich Tine Wittler genau in diese Parallelwelt und erzählt sozusagen „vor dem Tresen“, also hier Tisch, die Geschichten die sie „hinter dem Marmortresen meiner Kneipe“ erlebt hat.
„Als Wirtin ist man Trösterin, Kupplerin und Therapeutin zugleich“, spricht sie aus Erfahrung. Begleitet wird Tine Wittler, die aus dem RTL-Format „Einsatz in 4 Wänden“ bekannt wurde, von dem sehr guten Pianisten Graig Baker, der ihre Ansagen mit leisen Intermezzi untermalt.

Viele ihrer Songs sind Lobpreisungen an die verschwindende Kneipenkultur, deren man sich in einer Großstadt mit einem Kulturprogramm erwehren kann. „Wo geht man hier hin?“, fragt sie in die trinkende Menge. „Hier ist nix“, tönt diese zurück und prostet ihr zu. „Leute, ihr braucht Schnaps!“, ist ihre Antwort. Und so lassen sich die Zuhörer in einem fast romantischen Song gerne mitnehmen in die  „kleine Bar voll Dunst und Rauch“ (in Hamburg gibt es nur bedingtes Rauchverbot!) und Tine Wittler beschließt den Song: „Kleine Bar, du treue Seele, dir gehört mein Säuferherz!“

Die Texte hat Wittler selbst geschrieben, meist im Dunkeln: „Ich bin eine Nachtschwärmerin“, sagt sie. Mit ihrer tiefen Altstimme klingt sie in manchen Momenten wie Zarah Leander – manchmal vergisst sie auch einfach den Text und singt die Strophe danach noch mal richtig. Man merkt, da ist viel Improvisation in ihrem Programm und genau das macht den Reiz aus, keine vorgefertigten Abläufe von Witzen, sondern sie entstehen einfach – aus der Situation wie eben an dem Marmortresen ihrer Kneipe – oder eben nicht.

Tine Wittler betreibt Typ-Studien ihrer Gäste in den Songs, oder suhlt sich in dem Lied „Liebeskummer“ im Selbstmitleid.

 „Ihr müsst das richtig auskosten, bis eure Tränen mit dem Regen verschmelzen, in dem ihr seit drei Tagen sinnlos herumlauft“, raunzt sie ins Publikum.  Auch leidige Themen wie „Hausverbot“ werden angegangen: „In Hamburch wird das Hausverbot nich ausgesprochen, sondern gesungen“, lacht Tine Wittler – und 80 Gäste singen stehend ihren Song mit dem kalauernden, aber effektiven Refrain: „Es musste schließl soweit kommen, er hat sich ja wieder nicht benommen.“

Zum Schluss gibt sie die Zugabe „Alkoholallergie“ mit einem Hauch von Rauch, Dunst und marmornem Tresen im Rumelner Kulturspielhaus.