Duisburg, 10. April 2018 - Manchmal ist Literatur wie Musik.
Spätestens dann, wenn eine ehemalige Folkwangprofessorin für
Alte Musik Geschichten schreibt und ihre sprachlich schön
verzierten Erzählungen einem breiteren Publikum vorträgt.
Manchmal erscheint es, als wenn musikalische Koloraturen
oder Arpeggien ihre detailliert genaue Sprache liedhaft
untermalen. Auf Einladung der Bürgerinitiative „Miteinander
– Füreinander“ liest die ehemalige Dozentin Gudrun Heyens
aus ihrem neuen Buch „Scheitern“ im kleinen Saal des
evangelischen Gemeindezentrums in Baerl.
In der
Geschichte „Die Toccata“ erzählt die Autorin von einem
ehemaligen fast 80-jährigen Chirurgen, der als Hobby schon
lange das Cembalo spielt und jetzt ein Hauskonzert zusammen
mit einer Querflötistin geben will. Dr. Klostermeier, so
sein Name, hat nur ein Problem: aus unerfindlichen Gründen
will seine linke Hand, die die Bassläufe auf dem alten
Instrument spielt, aus Krankheitsgründen nicht mehr so
funktionieren, wie sie soll. Etwa 30 interessierte Zuhörer
lauschen gebannt. Am Ende lässt Dr. Klostermeier den Deckel
eines Flügels auf seine Hand knallen, damit er nicht
auftreten muss. Die allwissende Erzählerin liefert ein
witziges Psychogramm der Hauptpersonen, lässt die
Querflötistin darüber im Plot sinnieren, inwiefern „die
vertäfelte Holzdecke des Konzertraums ihre Obertonskala
dezimiert“.
Der Seniorenstammtisch findet
dienstags von 9 – 11.30 Uhr im Cafe Gerhards in Baerl statt.
Infos zu Miteinander – Füreinander im Gemeindebüro,
Schulstraße 5, unter 02841 – 8205 oder email:
mifue@ev-kirche-baerl.de.
Auf die
nach oben offene Tonskala der beiden Flötistinnen, Valerie
Pöllen und Anne-Katrin Sandmann, hat die Saaldecke im
Gemeindezentrum jedenfalls keinen Einfluss. Als Duo
„Atem-Zeichen“ spielen sie dazu das schöne „Duetto II“ BWV
803, von Johann Sebastian Bach. Valerie Pöllen intoniert die
mit zahlreichen aufwühlenden Arpeggien verzierten
Melodieverläufe auf der Sopranflöte, während Anne-Katrin
Sandmann dazu im Kontrapunkt tiefere Töne mit der Bassflöte
setzt. Die jungen Musikerinnen, die jetzt in den Schuldienst
eingetreten sind, sind ehemalige Studenten der Autorin.
Später zeigt Valerie Pöllen ihre ausgegorene Spielfertigkeit
im Stück „Weaver of fictions“. Es ist fast Jazz und
dabei erzeugt sie sogenannte Multi-Phonics, die, ähnlich
einem Flageolett-Ton bei der Gitarre, durch spezielle
Atemtechnik Obertöne dazu mitschwingen lassen.
Nicht
nur das Scheitern behandelt Gudrun Heyens. In ihrem Roman
„Die Saite aus Stahl“ geht es um den Neid zwischen
Musikerkollegen. Spätestens, als die Hauptperson, eine
Harfinistin, auf einem Instrument mit Stahlsaiten spielen
soll – sie ist nur welche aus Nylon oder Darm gewohnt – ist
ihr der Spott ihrer Begleitmusiker sicher. „Ich habe die
Missgunst unter Musikern selbst erlebt, als ich noch in
verschiedenen Ensembles spielte“, so die 68-jährige
Professorin, die auch bei „Musica Antiqua Köln“ aktiv war
und jetzt in Duissern lebt.
Ins Leben gerufen wurde
diese musikalische Lesung durch die Initiative von Baerler
Bürgern „Miteinander – Füreinander“. „Wir machen alternative
Seniorenarbeit und sind seit 2014 hier in Baerl aktiv“,
erklärt Petra Brück-van Hauten. Unter dem Dach der
evangelischen Kirche in Baerl bietet die Initiative solche
Lesungen, Konzerte, aber auch Sportangebote wie Yoga oder
Wandern an. Ihr Kollege Heinz Gestmann ergänzt: „Wir
organisieren auch Ausflüge und haben einen gut besuchten
Seniorenstammtisch.“ Es gab viel Applaus für diese
musikalisch literarische Idee.
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