Duisburg, 07. Februar 2018 - Er ist wie Robbie Williams bei
Take That derjenige, der aus dem
A-cappella-Boygroup-Kollektiv „Basta“ nun mit einer
Solokarriere durchstarten will. William Wahl weiß zwar noch
nicht, wie man einen „roten Faden“ durch ein Soloprogramm
spinnt. Aber: „Kollegen haben mir geraten mit dem besten
Song anzufangen, das heißt jetzt nimmt die Qualität des
Materials stetig ab“, sagt der Klavierkabarettist nach dem
Einstiegssong seines nigel-nagelneuen Programms
“Wahlgesänge“ im Rumelner Kulturspielhaus. Nur, wer jetzt
gedacht hat, er nehme politisch Stellung zu den aktuellen
Geschehnissen, der sieht sich getäuscht, denn es bleibt
scheinbar planlos.
Dafür ist seine Bandbreite auf dem
Klavier groß: so kann William Wahl wahlweise von
klassischen Stücken – manches klingt von Beethoven, Satie
und Rachmaninov geklaut – in jazzige Rhythmusgefilde
wechseln. Da streift er im Stück „In flagranti“ den
Ragtimeblues, und endet, nachdem er erkannt hat, das
„Flagranti“ wohl die Hauptstadt aller Ehebrecher ist, in der
Pointe: „Da geh ich lieber mit den andern – wandern.“
Nachdenkliche, aber gezielt mit Sarkasmus pointierte Songs
unterhalten die etwa 110 Zuschauer in der alten Rumelner
Dorfschule.
Irgendwo zwischen Songwritern
(„die sind so nachdenklich, versoffen“) und Liedermachern
(„die sind zu pädagogisch, verkniffen“) muss man den Kölner
Klavierkabarettisten einordnen. Selbst bezeichnet er sich
als „aus der Zeit gefallen“, vielleicht weil einige Songs
noch aus der Zeit mit seiner Gruppe „Basta“ stammen. „Der
Zirkus“ ist ein alter Song. Einer, nachdem eine Zuschauerin
einmal über sein Programm urteilte, es sei ihr zu düster.
Doch bei diesem Lied haut William Wahl so richtig in
die Tasten, als gebe er ein Klavierkonzert – und reißt die
Zuschauer zu tosendem Beifall mit. Darunter sind auch Titel
wie „Shitstorm für mich“ und „Pfad der Misere“, wie sie von
der Hamburger Intellektuellen-Band Tocotronic stammen
könnten, jedoch treiben sie oft in den Bereich des Chansons.
Der schönste Song ist vielleicht William Wahls fast
wortgetreue Übertragung des 90er-Jahre-Titels „Picture
Postcard from L.A“ von Joshua Kadison, die er geschickt nach
Brandenburg und Berlin verlegt. Am Ende schickt „Angie aus
dem Bundestag, ne Ansichtskarte in die Uckermark“.
In
dem Song „Glücklich“ wünscht er seiner verflossenen Liebe,
dass sie glücklich mit ihrem Neuen werde, dabei singt
William Wahl schlussendlich: „Auf dein neues Glück, nehm ich
mir jetzt den Strick.“ Gerade mit seinen pointierten
Wendungen seiner Lieder zum Ende hin, bringt er die Gäste
oft zum Lachen, besonders stark, als er den Abba-Hit „Chiquitita“
in „Schicke KITA“ umdichtet und das Publikum noch einen Song
mitsingen ließ, in dem die Vornamen sinnvoll ergänzt werden
mussten. William Wahl bot den Gästen spitzfindigen und
feinfühligen Humor, der gänzlich ohne Politik, also ohne
„Wahl“ in seinen „Gesängen“ auskam.
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