Duisburg, 30. April 2019 - Menschen mit einer
Autismusspektrumsstörung sind besondere Menschen. Das weiß
Tobias Schüppen zur genüge. Der Mitarbeiter des
Autismustherapiezentrums Mülheim-Duisburg-Wesel kennt die
Eigenarten seines Klientels sehr gut: „Menschen, die das
Asperger-Syndrom haben, können überdurchschnittlich
intelligent sein, dafür haben sie gerne einmal
Schwierigkeiten im normalen Alltag beim sozialen
Miteinander“, sagt der 41-jährige Sozialarbeiter.
Aufgefallen ist ihm auch, dass viele seiner Klienten
Schwierigkeiten mit der Bildhaftigkeit der deutschen Sprache
haben. „Einmal habe ich einem Autisten beim gemeinsamen
Essen geraten, die Flasche auf den Kopf zu stellen, damit
der Ketchup besser heraus laufen kann. Er ist dann
tatsächlich mit der Ketchup-Flasche auf dem Kopf durch den
Raum balanciert. Wir mussten alle herzhaft lachen.“
Was für „Neurotypen“, sogenannte normale Menschen, dann
lustig und ungewöhnlich erscheint, ist für den Autisten
hingegen normal, weil ihm die Abstraktionsfähigkeit im
Hinblick auf sprachliche Bilder fehlt. „Da merkte ich auch,
welche wichtige Funktion ich als Dolmetscher zwischen den
Neurotypen und meinen Klienten habe“, sagt der
Autismus-Therapeut, der als Vermittler zwischen den
unterschiedlichen Typen agiert.
Und Tobias Schüppen
kam eine Idee. Wie wäre es, wenn seine Therapiegruppe sich
einmal mit deutschen Sprichwörtern oder sprachlichen Bildern
genauer beschäftigt und sie sprachlich durchleuchtet. Wie
wirkt denn eine Redewendung wie „himmelhoch jauchzend“, „das
Zeitliche Segnen“ oder „auf der Kippe stehen“ auf seine
Klienten. Gesagt, getan. Heraus gekommen sind dabei zwei
Bücher mit kleinen Gedichten, die in acht Zeilen mit einem
einfachen Reimschema umschreiben, wie man das Sprichwort
oder sprachlich Bild richtig oder falsch verstehen kann.
Seine Klienten Ben und Robin, zwei Jugendliche im Alter von
14 und 17 Jahren, hatten dabei die meisten Ideen für die
Gedichte, die auch gleichzeitig illustriert worden sind.
„Besonders lustig, ist dann die Illustration zu „ein
Auge auf jemanden werfen“ geworden“, sagt Tobias Schüppen
und lächelt. „Ziel war es auch, dass die Jugendlichen
merken, wie besonders sie sind. Und das ihr
Selbstbewusstsein gestärkt wird, weil ihnen klar wurde, dass
sie etwas bewegen können, indem sie selbst Bücher
schreiben“, freut sich Tobias Schüppen für seine Klienten.
Denn die Bücher könnten gerade auch für Menschen, die
Deutsch als Fremdsprache erlernen, als Lehrmaterial
verwendet werden – die Illustration vereinfacht das
Verständnis.
Elf Gedichte sind in jedem Band
enthalten, der erste Band beschäftigt sich mit alltäglichen
Sprichwörtern und Redewendungen, der zweite Band nur mit
sprachlichen Bildern zum Thema „Sterben“. Erschienen sind
die Bücher in einer Auflage von 2000 Exemplaren beim
Schweizer Autismusverlag und kosten zehn Euro. Geplant ist
auch eine Ausstellung zu den Gedichten mit den
Illustrationen im Autismustherapiezentrum
Mülheim-Duisburg-Wesel. Die Bücher sind zu beziehen über
das Internet:
www.autismusverlag.ch.
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