Duisburg, 30. September 2019 - Eigentlich müsste man als
Kritiker Oden an ihn schreiben. Wenn nicht, zumindest
Elegien. Irgendeine dem Jetzt entrückte journalistische
Stilform jenseits der profanen Rezension jedenfalls. Denn so
antiquiert sprachverliebt und aber auch sprachbewußt wie der
Kabarettist Jochen Malmsheimer sich in seinem Programm
„Dogensuppe Herzogin – ein Austopf mit Einlage“ gibt, so
könnte es auch von der Journaille „aus dem Wald zurück
schallen“ für diesen selbstverliebten Meister des Wortes –
zumindest also in Jambusform, wenn schon nicht als Hexameter
oder Daktylus. Doch dafür fehlt mir als Rezensent dieses
Abends in der Rheinhausenhalle so ganz die Fähigkeit, zu
dichten. Und manches metaphorische Bild und manche
stilistische Blüte sowieso, mit denen Malmsheimer allerdings
zuhauf um sich wirft – oder wenigstens wirkungsvoll wedelt.
Gerade wenn er sich in einen sprachlichen Fluss, also
einen Flow schneller als ein Rapper, nur mit „gehaltvoll
ziselierten“ Adjektiven und nicht zensierten Hauptwörtern,
redet – da streift er nicht nur „Kopf und Kragen“ - nein,
vielmehr macht er aus einer Busfahrt von Herne nach Venedig,
ein Helden-Epos, Marke „Ilias“ von Homer. Dabei lässt der
58-Jährige alle seine frühkindlichen literarischen Helden
von WinneOne, über WinneTwo, bis WinneThree in einer
Traumsequenz auftauchen. „Für sie ist das eine klassische
Win-Win-Win-Situation“, scherzt Jochen Malmsheimer über die
fiktiven Drillings-Häuptlinge der Apachen. Lederstrumpf,
Robin Hood und der Sherriff von Nottingham kommen auch drin
vor.
Dann aber Spannung: „Capitän James Cook, nein
nicht der insolvente Reiseveranstalter, der von der
Endeavour, beugte sich im Kerzenschein über die von Hand
gemalte Karte – sollte dies etwa Lüdenscheid sein?“, liest
Malmsheimer sinntragend. Ja, und man merkt ihm ein
innerliches Hadern mit eben seinem Selbst an, denn als Kind
des Ruhrgebiets bleibt für ihn nach fast eineinhalb Stunden
aufwühlender Reiseerzählung die Sinnsuche als Frage: Sollte
sein Lyrisches-Ich es gerade mal von Bochum in den
Märkischen Kreis geschafft haben? Und etwa 460 Gäste liegen
in ihren Stühlen, als es zum Schluss doch noch „Dogen-Suppe
Herzogin“ beim Fürsten von Venedig eben im Dogenpalast gibt.
Apropos Doge: Zum Thema Konservendose fällt dem Ex-Tresenleser
folgendes ein: „Sie ist um 1815 erfunden worden. 1870 kam
endlich der Dosenöffner auf den Markt: da mussten die
Menschen also 55 Jahre warten, bis sie das Zeug, das darin
verplombt war, endlich essen konnten?“, poltert der
Kabarettist mit einer Frage – aufrührerisch mit dem Heben
und Senken seiner Stimme gesprochen, doch rhetorisch
zugleich. Danach redet er von „weißem Erbrochenem.“
Zum Schluss gibt es doch noch eine Ode an alle „Kleinode“,
an denen Malmsheimer vielleicht schon aufgetreten ist, indem
er die heimeligen Orte zu Verben verändert. Ein kleiner
Auszug: „Sie hörten auf zu Xanten. Nach dem Rinteln, begann
sie zu Aachen, denn er konnte nicht Cochem, dafür wollte er
umso lieber Essen.“ Wobei Rinteln, eine Gemeinde im
Weserbergland, in der gerundialen Form eher zweideutig rüber
kommt.
Egal, stattdessen muss sich der gebürtige
Essener oft mit Slogans aus der Whatsapp-Sprache
herumschlagen: „Ey, was für Beschiss is das?“ Und auch 460
Zuschauer äußerten ihren Unmut über solch merkwürdige, aber
inzwischen gängige Grammatik. Für das Auseinandernehmen
derartiger linguistischer Absonderlichkeiten und für den
grandiosen fließenden Vortrag spendeten sie Jochen
Malmsheimer aber tosenden Applaus.
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