Duisburg, 11. November 2019 - Zu allen Zeiten und bei allen
Völkern haben die Eigenschaften der Schlange, sei es ihr
listiges Verhalten oder ihr Gift, Anlass dazu gegeben, sie
als dämonisches Wesen zu betrachten. In dem Psycho-Thriller
„Falsche Schlange“ von Alan Ayckbourn aus dem Jahr 2001 sind
es gleich drei Frauen, die ihren Dämonen auf der Bühne der
Rheinhausen-Halle freien Lauf lassen – und diese „falsche
Schlange“ mimen können. Dabei ist der Plot dieser
mitreißenden Kriminalgeschichte auf mehreren Ebenen
verwoben, und nichts ist für die etwa 650 Zuschauer so
einfach zu durchschauen, wie es anfangs scheint.
Zu
Beginn sieht es so aus, als habe Miriam Chester (Mackie
Heilmann) ihren alten Vater wegen seiner jahrelangen
Demütigungen, als sie ihn zuhause pflegte, umgebracht.
„Ja, ich habe zwei oder drei Glühbirnen im Treppenhaus
herausgedreht, und die Dosis der Medikamente ums dreifache
erhöht“, gesteht sie ihrer Schwester Annabel (Gerit Kling).
Die Ältere ist extra aus Australien wegen des plötzlichen
Todes des Vaters zum britischen Familiensitz angereist. „Als
das noch nicht gereicht hat, hast du ihn von hinten die
Treppe heruntergestoßen!“, sagt Annabel Chester darauf.
Somit ist der Mordfall eigentlich klar – doch geht es um das
Erbe des verstorbenen Patriarchen.
Immer wieder
zischen unheimliche Geräusche durch die Gemächer des
Landgutes, ein lautes Klirren hämmert durch das knorrige
Haus und unheimliche Schatten huschen im Blitzlichtgewitter
über die Mauern. Somit bekommt das Stück einen Touch von
Geistergeschichte.
Denn von „Geistern“ werden sowohl
Miriam als auch Annabel geplagt: Miriam, weil sie in der
Kindheit oft von ihrem Vater geschlagen wurde, Annabel, weil
sie von ihm beim Tennisspielen herabwürdigend mit den Bällen
beworfen wurde. Beide sind also schwerst traumatisiert. Doch
damit nicht genug, der „Geist“ der Krankenschwester Alice
Moody (Astrid Rashed) lastet noch dazu auf Miriam. Grund:
Die Pflegerin hat einen Brief, anscheinend in der
Handschrift des Vaters verfasst, gefunden, indem er
darstellt, dass Miriam ihn zu Tode pflegen wolle – und
erpresst natürlich jetzt die jüngere Schwester. 100 000
britische Pfund ist ein für sie unerschwingliches Sümmchen,
und so beschließen die Schwestern auch die ehemalige
Pflegerin des Vaters verschwinden zu lassen. Ein fünf Meter
tiefer Brunnen bietet beste Gelegenheit dafür – scheinbar
jedenfalls. Auch hier verwandelt sich das Bühnenbild in eine
unheimliche Gespensterszenerie, als die Krankenschwester in
die Tiefe fällt mit einem kurz aufheulendem Schrei.
Genau hier dreht sich der Plot vollends. Denn entgegen der
üblichen Krimitradition ist es nicht das Anliegen des
renommierten Autors, die Mörderin zu überführen, sondern die
„falsche Schlange“ zu entlarven. Und da legt der inzwischen
80-jährige Alan Ayckworn so viele Spuren, dass die 650
Zuschauer mit zunehmender Dramatik entsetzt aufatmen. Viel
Beifall gab es für die drei Darstellerinnen, wobei Gerit
Kling, die gleichzeitig Regie führte, den größten erntete.
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