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Neujahrskonzert in der Baerler Dorfkirche
Stephan 'Der Kult-Attaché' Sadowski

Duisburg, 08. Januar 2020 - Fast drei Stunden später, als der lettische Dirigent Andris Nelsons den Taktstock beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker niedergelegt hatte, ging es auch im Duisburger Westen mit der musikalischen Eröffnung von 2020 weiter.

Seit jeher findet in der evangelischen Dorfkirche in Baerl das zeitnahste Neujahrskonzert im Sektor statt. Pfarrer Andreas Klumb begrüßte die etwa 110 Gäste mit Worten des Kirchentheoretikers und Nazi-Gegners Dietrich Bonhoeffer, die dieser in seiner Gestapo-Gefangenschaft 1944 kurz vor seinem Tod verfasste: „Von wunderbaren Mächten treu und still umgeben,…,so will ich …mit euch gehen in ein Neues Jahr.“ Diese Grußformel besaß genau die Mystik, die das engelsgleiche Trio „33zwo“ in der Musik „La Lyra del Ciel“ im Verlauf aufnahm.

„Der Gesang des Himmels“: besser konnte der Titel des Konzerts in der Reihe „klein, aber fein“ nicht gewählt sein, denn es begann eine Reise in die Musik der Renaissance und des Frühbarocks aus dem Italien des 17. Jahrhunderts – jenseits aller irdischen Sphären. Mit ihrer engelhaften Stimme setzte Karolina Brachman, die aus der Nähe von Kattowitz stammt und in Wuppertal lebt, die Akzente. Sie vereinte darin höfischen Gesang mit religiösen Momenten, verzierte diesen aber auch mit der Lyrik der Liebe. Immer mit wohlkalkulierter Lautstärke und einem zurückhaltendem, sehr feinem Timbre, stach sie zeitweilig aus dem nach klirrenden Kristallen klingendem Zusammenspiel zwischen Harfinistin Johanna Seitz und ihrer Zwillingsschwester Elisabeth Seitz am Hackbrett heraus. Die beiden Schwestern bestachen durch ihre Synchronizität in oft eigenständigen Läufen ihrer Instrumente, die sie aber meisterhaft zusammenführten.

Gemeinhin verortet man das Hackbrett oder auch Psalterium wohl eher in der bayrischen Volksmusik, da es einer Zither ähnlich kommt, als in der Musik der Renaissance. Aber genau wie ein Solospiel am Violoncello legten sich die Töne des Psalteriums, das mit zwei Klöppeln von Elisabeth Seitz bedient wurde, oft über die sowohl basslastigen aber auch Sopran erfüllten Arpeggio-Passagen ihrer Schwester Johanna, die somit die Klangvielfalt einer Harfe offenlegte.

Scheinbar vergessene Lieder der Renaissance-Komponisten Giovanni Girolamo Kapsberger, Caterina Assandra oder Lucrezia Orsina Vizzana, die alle noch im auslaufenden 16. Jahrhundert geboren wurden, erweckten die drei Liebhaberinnen der Alten Musik in der wunderbaren Akustik der Baerler Dorfkirche zu neuem Leben. Mit im Programm waren Toccaten oder Sonaten enthalten. Das nachweihnachtliche Stück „O dulcis amor Jesu“, sowie das Wiegenlied „Figlio dormi“, das die Sopranistin sehr feinfühlig teils nur noch hauchte, versetzten das Publikum in freudige Stimmung. Alles vorherige übertreffend war aber Katarina Brachmans Gesang bei „Ciaconna di Paradiso e dell‘ inferno“ aus der Feder von Franceso Risi, wobei sie das Paradies geradezu schwebend interpretierte und kurzum laut schreiend in die Hölle, das Inferno, glitt. Versöhnlich stimmte  das zum italienischen Volkslied mutierte  romantische Lied  „Bambino divino“, dt. „göttliches Kind“, als Zugabe.