Duisburg, 08. Juni 2020 - Die angekündigte Beinfreiheit war
jenseits des geforderten Mindestabstands: An den
Bistrotischen sitzend konnten die Besucher des
Kulturspielhauses ihre Fußspitzen gefühlt quasi in
unendlichen Weiten erahnen – anstatt am Stuhl ihres
Vordermannes zu spüren. Auch der Benutzer freundliche
Catering-Service bewahrheitete sich, an meinem Platz hatten
die jungen Helfer des Kulturspielhauses das gewünschte
Käsegebäck mit einem leckeren Fläschchen Merlot im
Kerzenschein drapiert. Und auch im mit nur 15 Bistrotischen,
also 30 Gästen, gefüllten Rund blickte man in zufriedene
Gesichter ob der Versorgung mit Getränken und Gebäck. Vor
der Bühne prangt eine sieben mal drei Meter große
Plexiglasscheibe an dicken Drähten, quasi als hängender
Virenschutz.
„Sonst hätten wir die erste Reihe nicht
besetzen können. Wir haben ein strenges, sechsseitiges
Sicherheitskonzept mit dem Gesundheitsamt erarbeitet, das
wollen wir auch erfüllen“, sagt Veranstalter Tim Pügner.
„Schließlich sollen die Leute mal wieder raus aus den
Wohnzimmern.“
Und das taten sie, zwar nicht in
der gewohnten Anzahl, aber es war die von Pügner gewünschte
schrittweise Öffnung: statt wie sonst 120 Gäste, kamen über
die Rotation insgesamt 46 Besucher, um das Duo Thekentratsch
aus Dinslaken zu sehen, es gab also zwei identische
Programme, die Kerstin Sierp und Heike Becker hintereinander
gaben.
Man merkte den beiden Frauen die Spielfreude an: „Wir
sind froh, dass der erste Druck jetzt mal raus ist“,
scherzte die Becker nach 90 Tagen Bühnenabstinenz, um dann
nachzulegen: „Sehe ich aus als wäre ich hormonell
gesteuert?– Ich bin rollig!“ Ja, vieles vom Tratsch geht
unter die Thekenhöhe, kommt aber dennoch witzig rüber, weil
Kerstin Sierp auf die wohlerzogene, feine Dame macht und
Heike Becker mit ihrer strubbeligen Frisur und ihrem
Plapperdrang nicht nur äußerlich an die Kölner Komödiantin
Gabi Köster erinnert. Da tut es denn teilweise weh, wenn die
Becker über Frau Sierp sagt: „Sie hat das gewisse Nix und
sieht dazu aus wie ‚Bottrop bei Nacht‘“. Aber es macht Spaß
den beiden beim gegenseitigen Foppen zuzuhören, zumal sich
Frau Sierp auch wehrt: „Schöne Grüße vom Niveau, ich hab
gehört ihr seht euch so selten!“
In dem Lied „Irgendwo ist jemand
dümmer“, ernten die beiden an der Textstelle „Ohne einen
Funken Hirn, dürfen manche sogar regiern“ besonderen Applaus
– ein gekonnter Seitenhieb an die Führung der USA. Und auch
mit Freudschen Versprechern hält die Becker nicht hinterm
Berg: „Die meisten Menschen würde ich für meine Hand ins
Feuer legen.“
Quasi wie mit einem Stock im
Hintern schlüpfen sie in die Rolle von Ü-50-Influenzern,
Krissy und Krassy, werben dabei mit einer Nasenklemme für
aufgespreizte Lippen oder für Voltaren – auch zum Gebrauch
bei der ersten Nacht mit neuem Partner. Genial wird es, als
beide über eine gemeinsame Bekannte tratschen, die an
Alzheimer erkrankt ist – am Ende aber sämtliche Namen
durcheinander werfen, und auch die Sachzusammenhänge ihrer
Bekanntschaft mit der Frau nicht mehr hinbekommen.
Hat man die zwei Sets des
Rotationskabaretts gesehen, so ist eigentlich nur ein Fehler
aufgefallen: den Freudschen Versprecher aus dem ersten Teil
hat die Becker in richtiger Weise korrigiert: „Für die
meisten Menschen würde ich meine Hand ins Feuer legen.“
Wahrscheinlich meinte sie das treue Publikum im
Kulturspielhaus, das trotz erschwerter Bedingungen kam. „Es
war ein schönes Programm, lediglich die Maskenpflicht beim
Eingang war nervig. Am Platz konnten wir die Masken ja eh
wieder abnehmen“, fanden Anna und Jürgen Aust. Ein Punkt,
den man sicherlich im Sicherheitskonzept noch mal kritisch
aufgreifen sollte.
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