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Thekentratsch mit Abstand
Stephan 'Der Kult-Attaché' Sadowski

Duisburg, 08. Juni 2020 - Die angekündigte Beinfreiheit war jenseits des geforderten Mindestabstands: An den Bistrotischen sitzend konnten die Besucher des Kulturspielhauses ihre Fußspitzen gefühlt quasi in unendlichen Weiten erahnen – anstatt am Stuhl ihres Vordermannes zu spüren. Auch der Benutzer freundliche Catering-Service bewahrheitete sich, an meinem Platz hatten die jungen Helfer des Kulturspielhauses das gewünschte Käsegebäck mit einem leckeren Fläschchen Merlot im Kerzenschein drapiert. Und auch im mit nur 15 Bistrotischen, also 30 Gästen, gefüllten Rund blickte man in zufriedene Gesichter ob der Versorgung mit Getränken und Gebäck. Vor der Bühne prangt eine sieben mal drei Meter große Plexiglasscheibe an dicken Drähten, quasi als hängender Virenschutz.

„Sonst hätten wir die erste Reihe nicht besetzen können. Wir haben ein strenges, sechsseitiges Sicherheitskonzept mit dem Gesundheitsamt erarbeitet, das wollen wir auch erfüllen“, sagt Veranstalter Tim Pügner. „Schließlich sollen die Leute mal wieder raus aus den Wohnzimmern.“

Und das taten sie, zwar nicht in der gewohnten Anzahl, aber es war die von Pügner gewünschte schrittweise Öffnung: statt wie sonst 120 Gäste, kamen über die Rotation insgesamt 46 Besucher, um das Duo Thekentratsch aus Dinslaken zu sehen, es gab also zwei identische Programme, die Kerstin Sierp und Heike Becker hintereinander gaben.

Man merkte den beiden Frauen die Spielfreude an: „Wir sind froh, dass der erste Druck jetzt mal raus ist“, scherzte die Becker nach 90 Tagen Bühnenabstinenz, um dann nachzulegen: „Sehe ich aus als wäre ich hormonell gesteuert?– Ich bin rollig!“ Ja, vieles vom Tratsch geht unter die Thekenhöhe, kommt aber dennoch witzig rüber, weil Kerstin Sierp auf die wohlerzogene, feine Dame macht und Heike Becker mit ihrer strubbeligen Frisur und ihrem Plapperdrang nicht nur äußerlich an die Kölner Komödiantin Gabi Köster erinnert. Da tut es denn teilweise weh, wenn die Becker über Frau Sierp sagt: „Sie hat das gewisse Nix und sieht dazu aus wie ‚Bottrop bei Nacht‘“. Aber es macht Spaß den beiden beim gegenseitigen Foppen zuzuhören, zumal sich Frau Sierp auch wehrt: „Schöne Grüße vom Niveau, ich hab gehört ihr seht euch so selten!“

In dem Lied „Irgendwo ist jemand dümmer“, ernten die beiden an der Textstelle „Ohne einen Funken Hirn, dürfen manche sogar regiern“ besonderen Applaus – ein gekonnter Seitenhieb an die Führung der USA. Und auch mit Freudschen Versprechern hält die Becker nicht hinterm Berg: „Die meisten Menschen würde ich für meine Hand ins Feuer legen.“

Quasi wie mit einem Stock im Hintern schlüpfen sie in die Rolle von Ü-50-Influenzern, Krissy und Krassy, werben dabei mit einer Nasenklemme für aufgespreizte Lippen oder für Voltaren – auch zum Gebrauch bei der ersten Nacht mit neuem Partner. Genial wird es, als beide über eine gemeinsame Bekannte tratschen, die an Alzheimer erkrankt ist – am Ende aber sämtliche Namen durcheinander werfen, und auch die Sachzusammenhänge ihrer Bekanntschaft mit der Frau nicht mehr hinbekommen.

Hat man die zwei Sets des Rotationskabaretts gesehen, so ist eigentlich nur ein Fehler aufgefallen: den Freudschen Versprecher aus dem ersten Teil hat die Becker in richtiger Weise korrigiert: „Für die meisten Menschen würde ich meine Hand ins Feuer legen.“ Wahrscheinlich meinte sie das treue Publikum im Kulturspielhaus, das trotz erschwerter Bedingungen kam. „Es war ein schönes Programm, lediglich die Maskenpflicht beim Eingang war nervig. Am Platz konnten wir die Masken ja eh wieder abnehmen“, fanden Anna und Jürgen Aust. Ein Punkt, den man sicherlich im Sicherheitskonzept noch mal kritisch aufgreifen sollte.