Heinrich von Kleist: Der zerbrochene Krug; Philipp Reclam Verlag
Stuttgart 1983; 96 Seiten; ISBN: 3-15-000091-2
"Der zerbrochne Krug ist ein Lustspiel aus dem Jahre 1806
von Heinrich von Kleist. Die Uraufführung 1808 in Weimar durch
Goethe war nicht von Erfolg gekrönt.
Es geht um das Zerbrechen eines wertvollen Kruges aus dem Besitz
der Marthe Rull. Marthe Rull hat den Bauernsohn Ruprecht Tümpel
am Vorabend im Zimmer ihrer Tochter Eve ertappt. Die Scherben
des Kruges liegen in Eves Zimmer. Ruprecht hat aber einen
Fremden beobachtet, der Eves Zimmer durch das Fenster verlassen
und dabei den Krug vom Kaminsims geworfen hat. Weder Marthe noch
Ruprecht ahnen, dass es sich bei diesem Fremden um Dorfrichter
Adam handelt. Es geht Marthe Rull nicht um den Krug. Der hat
zwar einen hohen persönlichen Wert für sie, indes ihr
eigentliches Ziel ist es, Eves Ruf zu retten. Sollte sich
herausstellen, dass nicht Ruprecht der Täter gewesen ist,
sondern ein anderer Mann sie in ihrem Zimmer besucht hat, würde
Eve schließlich als Dirne (Metze) gelten.
Im Lauf des Stückes versucht Adam, die Aufklärung des Falles
möglichst unauffällig zu verhindern, zumal an diesem Tag der
Gerichtsrat Walter aus Utrecht anwesend ist. Jedoch ist
Dorfrichter Adam gezwungen, die Zeugin Brigitte vorladen zu
lassen. Brigitte schildert, wie sie eine Spur von Marthes Haus
bis zur Hintertür des Gerichtshauses verfolgt hat. Angesichts
dieser eindeutigen Indizien bleibt Adam nur noch die Flucht.
Eve, die als einzige Anwesende neben Adam die Wahrheit kennt,
erklärt zum Abschluss ihr Verhalten: Adam hat, falls Eve ihm
gefügig sei, dafür sorgen wollen, dass Ruprechts angeblich
drohender Militäreinsatz in der Kolonie Niederländisch-Indien
verhindert wird.
In der Literaturwissenschaft stellt sich das Problem der
Gattungszuordnung, da Der zerbrochne Krug eigentlich wenig
Kennzeichen eines Lustspiels aufweist. Kleist bezeichnet es
jedoch wörtlich so, und verschiedene theoretische Ansätze haben
dieses Problem zu lösen versucht. Es wird in die Epoche der
Hochromantik eingestuft.
In der zunächst ungedruckt gebliebenen Vorrede von Kleist weist
dieser darauf hin, dass er durch den Kupferstich La cruche
cassée von Jean-Baptiste Greuze, den er in Bern gesehen hatte,
zu diesem Werk angeregt wurde. Daraufhin hatte Kleist folgenden
Einfall: Und der Gerichtsschreiber sah (er hatte vielleicht kurz
vorher das Mädchen angesehen) jetzt den Richter misstrauisch zur
Seite an, wie Kreon bei einer ähnlichen Gelegenheit den Ödip,
als die Frage war, wer den Lajus erschlagen [2]. Im
Schulunterricht wird das Stück wegen starker Analogien im Ablauf
des Aufdeckungsprozesses - typisches Kennzeichen für ein
Analytisches Drama - und wegen ähnlich tragischer Konsequenzen
gerne mit König Ödipus und König Lear besprochen, wobei die
Unterschiede herausgearbeitet werden.
Ein Dichterwettstreit zwischen Heinrich von Kleist, Ludwig
Wieland, Heinrich Zschokke und Heinrich Geßner zu eigentlich
drei Bildnissen eines zerbrochnen Kruges, führte zu
unterschiedlichen Ergebnissen, und Zschokke meinte, Kleist habe
den Preis gewonnen. Im Verlauf der Komödie treten diverse
zwischenmenschliche Konflikte und Beziehungskrisen zutage. Für
sich alleine wirken die Konflikte nicht erheiternd, eine
ständige Nähe zur Tragik ist spürbar.
Konflikt Eve Ruprecht: Die beiden sind verlobt. Sie scheren sich
nicht allzu sehr um den Krug, für sie geht es in diesem Prozess
stattdessen um ihr Verlöbnis und die geplante Eheschließung.
Ruprecht verhält sich ziemlich undiplomatisch und engstirnig,
was kennzeichnend ist für sein einfaches Gemüt. Er - wie auch
Marthe Rull - repräsentieren die strengen
Sittlichkeitsvorstellungen des Dorfes. Die Tatsache, dass Eve
einen fremden Mann in ihr Schlafzimmer gelassen hat, legt den
Verdacht der vorehelichen Sexualität nahe, was für Ruprecht eine
untragbare Vorstellung ist. Dass Eve ihn nun noch vor allen
Leuten anklagt, den Krug zerschlagen zu haben, ist zu viel für
ihn. Auffallend ist, wie wenig Ruprecht Eve vertraut. In seinem
einfachen Denken ist Eve bereits abgestempelt als Hure, ihrer
Tugend und Keuschheit verlustig geworden. Er verweigert ein
klärendes Gespräch mit Eve und stürzt die Beziehung so in eine
schwere Krise. Ebenfalls auffallend ist seine begrenzte
Vorstellung von Ehe. Der Entschluss, Eve heiraten zu wollen,
fiel aufgrund ihrer offensichtlichen Tüchtigkeit. Doch Ruprecht
hat Eve mit einem fremden Mann in ihrem Zimmer gesehen und dies
genügt ihm als Beweis für ihren Treuebruch. Er kann nur glauben,
was er gesehen hat, und weigert sich, weiter zu denken. Eve hat
eine völlig andere Auffassung von einer Beziehung. Für sie ist
Beziehung Opferbereitschaft: sie geht das Risiko ein, ihren
guten Ruf zu verlieren, um damit Ruprecht vor dem Armeedienst,
der angeblich im Ausland stattfindet, zu retten. Dass sie das
Spiel von Adam mitspielt, zeugt jedoch auch von einiger
Naivität.
Konflikt Marthe Eve: Auch Marthe verweigert Eve ein klärendes
Gespräch; stattdessen zerrt sie den Fall in riskanter Weise an
die Öffentlichkeit. Dies zeugt von einer starken Bevormundung
und einer mangelnden Zubilligung des Selbstbestimmungsrechts. In
dieser hierarchischen Situation untersteht Eve auch den strengen
Moral- und Sittenvorstellungen der Mutter, welche Eve eher vor
die Türe stellen würde, als ihr einen Fehltritt zu verzeihen.
Außerdem scheinen beide Ruprecht und Marthe eine Art
Besitzanspruch an Eve geltend zu machen.
Konflikt Veit Ruprecht: Auch hier liegt wie bei Marthe-Eve ein
gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Vater und Sohn vor. Zwar
scheint sich Veit anfänglich voll und ganz hinter Ruprecht zu
stellen, doch als Marthe den Verdacht äußert, Eve und Ruprecht
hätten gemeinsame Sache gemacht, um dem Armeedienst zu
entkommen, belastet ausgerechnet er seinen Sohn mit schwerem
Misstrauen. Der Glaube an die Rechtschaffenheit seines Sohnes
ist nur Fassade. In Wirklichkeit ist auch er dazu bereit, ihm
schon im Verdachtsfall das Vertrauen zu entziehen.
Konflikt Adam Eve: Hier besteht zwar keine Beziehungskrise im
eigentlichen Sinn, da Adam und Eve lediglich eine oberflächliche
Bekanntschaft pflegten - bis zur vorhergehenden Nacht. Dadurch
jedoch, dass Eve Adam von ihren Heiratsplänen erzählt und ihn
wenn auch mit harmloser Absicht in ihr Zimmer lässt, eröffnet
sie ihm zweimal einen Einblick in ihre Intimsphäre. Adam
wiederum hat Eve sexuell genötigt und unter Druck gesetzt.
Verheerend für Eve ist an der Sache neben ihrer Jugend vor allem
der Standesunterschied, welcher sie Adam gegenüber wehrlos
macht.
Konflikt Adam Licht: Neben den familiären und
partnerschaftlichen Krisen ist dies die dritte Form, nämlich die
berufliche. Die Basis ist allerdings dieselbe wie bei den
meisten anderen: der Mangel an Vertrauen und Aufrichtigkeit.
Trotz wiederholtem Beteuern sind sich Adam und Licht alles
andere als kollegial gesinnt. Licht würde gerne endlich zum
Richter befördert werden, was nach seinem langjährigen Dienst
überfällig scheint. Bald durchschaut er das falsche Spiel von
Adam, kann jedoch nicht offen gegen ihn auftreten, da er sich
seinerseits ebenfalls vergangen hat durch illegales Abzweigen
von Geldern zu seinen Gunsten. Adam besitzt darüber
Informationen, deren Offenlegung er Licht androht, sollte dieser
ihm in den Rücken fallen. So tritt Licht erst dann ganz
offensichtlich gegen Adam auf, als mit dem Auftauchen seiner
Perücke die Beweislast gegen Adam erdrückend wird. Aufgrund
seiner Hinterhältigkeit und Falschheit kann Licht jedoch nicht
als positive Gegenfigur zu Adam gesehen werden, und so gehört es
auch zum versöhnlichen Schluss, dass Licht nicht definitiv sein
Ziel erreicht, sondern nur bis auf weiteres als Richter in
Huisum walten darf.
Konflikt Adam Walter: Der Gerichtsrat Walter visitiert das
Gericht des Richters Adam, und der Konflikt besteht darin, dass
ziemlich viel im Argen liegt. Adam ist körperlich übel verletzt
und erfindet vor Walters Augen und Ohren dazu Ausreden. Auch die
Ablage der Akten und die Kassen sind verwahrlost. Verstörung
auch, dass Adam, obwohl Amtstag, nicht verhandeln will, da ihm
seine Perücke fehlt. Wenn er aber schon verhandeln soll, dann
will er nach seinem Hausbrauch verhandeln und nicht nach dem
Gesetz. Wenn er aber nach dem Gesetz verhandeln soll, dann nicht
gegen sich selbst. Adam zeigt keine richterliche Distanz zu Eve
oder den anderen Parteien und wird deshalb von Walter des
Öfteren gerügt. Letztlich will er den Ruprecht ohne Befragung
verurteilen. Die ohnmächtige Drängelei von Walter, um Adam zum
richtigen richterlichen Handeln zu führen, dieses sich notwendig
aufs neue berichtigend einmischen müssen, bringt Walter
letztlich in eine resignative emotionale Kapitulation, so dass
er auch ein Fehlurteil des Richters in Kauf nimmt. Hauptsache,
das Gerichtsverfahren kommt zu einer Entscheidung, zu einem
Urteil, und der ganze Wahnsinn findet ein Ende. Die entsetzt
Betroffenen informiert er insofern, dass in Berufung, in
Revision gegangen werden kann.
Der Krug steht für Eves Jungfräulichkeit: Für Eve (und ihre
verwitwete Mutter) ein wertvoller Besitz, den sie jedoch guten
Glaubens für ihren Verlobten Ruprecht opfert. Der Krug steht
aber auch für die (scheinbar) heile Welt, die auf einmal
auseinanderbricht: Er stellt die menschlichen Beziehungen dar,
die während der Verhandlung auseinanderbrechen. Die Namen Adam
und Eve weisen auf den Sündenfall in der Bibel hin. Der
Schreiber Licht ("ein Licht aufgehen") ist intelligent. Er weiß
früh, dass an der Geschichte Adams etwas faul ist, rettet ihn
aber immer wieder aus misslichen Situationen, weil er als
Untergebener nicht wagt, einen direkten Hinweis zu geben. Der
Gerichtsrat Walter erweist sich als unbeirrbarer Walter seines
Amtes. Er bringt das Gerichtsverfahren formal ins Laufen und
auch zu einem Ende. Inhaltlich ist ihm das Fehlurteil klar, und
er rät zur Berufung," stellt die Internetenzyklopädie Wikipedia
den Klassiker der deutschen Theaterliteratur vor. Nach einer
kurze Vorrde (sprich: Einleitung) des Autoren gibt es das
eigentliche Theaterstück. Die sehr umfangreichen Anmerkungen
helfen, die Formulierungen Kleist`s besser zu verstehen. Das
eigentliche Nachwort beschreibt Entstehungsgeschichte und
Aufnahme durch das Publikum.
Wolfgang Amadeus Mozart: Die
Entführung aus dem Serail; Philipp Reclam Verlag Stuttgart
1949; 64 Seiten; ISBN: 3-15-002667-9
"Die Entführung aus dem Serail (KV 384) ist eine komische Oper
in drei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart. Dem Genre nach
handelt es sich um ein Singspiel. Die Uraufführung fand am 16.
Juli 1782 im Burgtheater in Wien unter der Leitung des
Komponisten statt. Das Stück dauert ca. 2,5 Stunden und spielt
Mitte des 16. Jahrhunderts auf dem Landgut des Bassa Selim in
der Türkei.
Die Oper handelt vom Versuch des Helden Belmonte, seine Geliebte
Konstanze und deren Zofe Blondchen aus dem Serail des Bassa
Selim (Pascha) zu befreien. Unterstützt wird Belmonte dabei von
seinem Diener Pedrillo, Blondchens Geliebten. Bassa Selims
Aufseher Osmin bewacht den Serail.
Die zugrunde liegende Geschichte fußt auf dem Libretto für die
Operette Belmont und Constanze von Christoph Friedrich Bretzner,
Componiert v. Johann André; sie wurde von Johann Gottlieb
Stephanie dem Jüngeren und Mozart stark umgearbeitet und
erweitert, nach heutiger Auffassung wohl widerrechtlich. Mozart
konnte damit zum ersten Mal weitestgehend seine Vorstellungen
von einem Opernlibretto umsetzen.
Das Werk ist zunächst als unterhaltsames Stück angelegt,
erreicht aber in vielen Szenen große emotionale Tiefe und
Komplexität. Die Charaktere treten durch die differenzierte
Zeichnung in den Arien und Ensemble von Osmin, dem
komisch-finsteren Aufseher des Paschas, der seine vielfältigen
Drohungen im Koloratur-Bass zum Ausdruck bringt die stereotype
Singspielhaftigkeit weit hinter sich. Mozart hat mit dieser Oper
die Reihe seiner reifen Meisterwerke eröffnet und damit auch von
der privaten Lebenssituation her endgültig den Schritt zur
erträumten Existenz als unabhängiger Künstler geschafft. Nicht
zufällig trägt die weibliche Hauptfigur den Namen seiner
späteren Frau Konstanze, die er kurz darauf gegen den Willen
seines Vaters in Wien heiratete.
Der Stoff spielt mit dem zeitgenössischen Enthusiasmus für die
exotische Kultur der Türkei, einem Land, das noch kurze Zeit
zuvor eine militärische Bedrohung für Österreich dargestellt
hatte und somit für die Wiener von pikantem Interesse war. Das
Osmanische Reich umfasste damals allerdings nicht nur
Kleinasien, sondern auch den größten Teil der arabischen Welt
bis nach Nordafrika und stand sinnbildlich für die Welt des
Orient. Die Komposition enthält in der Ouvertüre und einigen
weiteren Nummern Anklänge an Janitscharenmusik, die mit den
Mitteln der westlichen Kunstmusik hergestellt werden, in der
Instrumentierung aber durchaus originale Instrumente benutzten
und das Martialische in der Musik der türkischen Janitscharen
betonen. Mozart hatte sie bereits in früheren Werken eingesetzt,
zum Beispiel im Türkischen Marsch (Allegretto Rondo alla Turca),
dem dritten Satz der Klaviersonate Nr. 11 A-Dur KV 331.
Die Tatsache, dass der Bassa Selim (eine Sprechrolle) am Ende
selbstlos auf die Ausübung seiner Macht verzichtet und seine
Ansprüche auf Konstanze aufgibt, hat zu Interpretationen im
Sinne des Lessingschen Nathan geführt. Der türkische Herrscher
wird jedoch im Text als Renegat bezeichnet; er wurde erst durch
die Intrigen von Belmontes Vater, von denen man im letzten
Aufzug erfährt, aus seiner aufgeklärt-westlichen Existenz
vertrieben und ins Exil eines fremden Kulturkreises gezwungen.
Die Oper wurde im Auftrag des Kaisers Joseph II. geschrieben,
der damit ein Nationalsingspiel als Gegenstück zur italienisch
geprägten Hofoper schaffen wollte. Sie war von Anfang an ein
großer Erfolg und etablierte den ein Jahr zuvor aus Salzburg
zugezogenen Mozart in Wien. Die Entführung gilt als die erste
echte deutsche Oper, nachdem frühere Arbeiten fast durchweg
Nachahmungen und Übersetzungen fremdsprachiger Produktionen
waren. Sie wurde zum Vorbild für spätere deutsche Komponisten
wie zum Beispiel Weber.
Konstanze, eine junge Spanierin, ihre englische Zofe Blonde und
deren Freund, der Diener Pedrillo, sind nach einem
Seeräuberüberfall von Konstanzes Verlobtem, dem spanischen
Edelmann Belmonte, getrennt und auf einen Sklavenmarkt
verschleppt worden. Glücklicherweise kauft sie Bassa Selim, ein
gebürtiger Spanier, einst Christ und jetzt Moslem, und sorgt
dafür, dass sie in seinem am Meer gelegenen Palast unter
halbwegs erträglichen Bedingungen leben können. Belmonte hat
nach Monaten einen Brief seines Dieners Pedrillo erhalten und
kennt nun den Aufenthaltsort der Vermissten. Er segelt zu der
von Pedrillo bezeichneten Küste, entschlossen, die Entführten zu
retten.
Erster Akt Belmonte sucht seine Verlobte Konstanze (Arie: ?Hier
soll ich dich denn sehen, Konstanze, dich mein Glück!). Osmin,
Selims Diener, betritt den Garten, um Feigen zu pflücken. Obwohl
er von Belmonte mehrfach angesprochen wird, ignoriert er ihn
vollständig (Arie: ?Wer ein Liebchen hat gefunden). Belmonte
bedrängt ihn wegen Informationen (Duett: ?Verwünsch seist du
samt deinem Liede!). Osmin ist verärgert (Arie: Solche
hergelaufne Laffen). Nachdem Osmin gegangen ist, trifft Belmonte
auf Pedrillo und sie planen, die beiden Frauen zu befreien
(Arie: ?Konstanze, dich wiederzusehen, dich!).
Von einem Janitscharenchor begleitet (Singt dem großen Bassa
Lieder) tritt Selim mit Konstanze auf, um deren Liebe er
vergebens wirbt; sie eröffnet ihm, dass ihr Herz bereits
vergeben ist (Arie der Konstanze: ?Ach ich liebte, war so
glücklich). Auf Pedrillos Anraten stellt Selim Belmonte als
Baumeister ein, aber Osmin verweigert ihm den Zutritt zum Palast
immer noch (Terzett: ?Marsch! Trollt euch fort!).
Zweiter Akt Blonde weist die rüden Annäherungsversuche Osmins
zurück (Arie: Durch Zärtlichkeit und Schmeicheln.). Nach einem
Duett (?Ich gehe, doch rate ich dir, den Schurken Pedrillo zu
meiden) lässt Osmin schließlich von ihr ab. Blonde versucht,
Konstanze in ihrem Kummer zu trösten (Rezitativ und Arie:
?Welcher Wechsel herrscht in meiner Seele Traurigkeit ward mir
zum Lose). Als Bassa Selim ihre Liebe einfordert und ihr Gewalt
androht, trotzt sie ihm und wünscht sich den Tod (Arie: ?Martern
aller Arten).
Pedrillo informiert Blonde, die seine Geliebte ist, dass
Belmonte in der Nähe und alles für die Flucht vorbereitet sei.
Blonde ist voller Freude (Arie: ?Welche Wonne, welche Lust).
Pedrillo lädt Osmin zu einer Flasche Wein ein in der Hoffnung,
ihn betrunken machen zu können (Arie: ?Frisch zum Kampfe, frisch
zum Streite und Duett: Vivat Bacchus! Bacchus lebe!). Mit diesem
Plan gelingt es ihm, Osmin aus dem Weg zu räumen, so dass
Belmonte seine geliebte Konstanze treffen kann (Quartett,
Belmonte, Konstanze, Pedrillo, Blonde: Ach, Belmonte! Ach, mein
Leben.). Die beiden Paare finden wieder zueinander und planen
die Flucht.
Dritter Akt Belmonte und Pedrillo wollen die Befreiungsaktion
starten (Arie, Belmonte: Ich baue ganz auf deine Stärke;
Romanze, Pedrillo: ?In Mohrenland gefangen war ein Mädel hübsch
und fein). Belmonte kann zunächst mit Konstanze fliehen, doch
als Pedrillo und Blonde ihnen folgen wollen, werden sie von
Osmin gefasst (Arie: ?Ha, wie will ich triumphieren), Belmonte
und Konstanze werden ebenfalls zurück in den Garten gebracht.
Bassa Selim, der in Belmonte den Sohn seines Todfeindes erkennt,
will sie zum Tode verurteilen. Konstanze und Belmonte nehmen
Abschied vom Leben (Duett: Welch ein Geschick! O Qual der
Seele.). Der Bassa zeigt sich aber großmütig und schenkt den
Liebenden mit der Begründung es wäre ein weit größer Vergnügen
eine erlittene Ungerechtigkeit durch Wohltaten zu vergelten, als
Laster mit Lastern zu tilgen die Freiheit zur Bestürzung von
Osmin, der eine grausame Hinrichtung vorgezogen hätte (Finale:
?Nie werd' ich deine Huld verkennen; darin: Erst geköpft, dann
gehangen, dann gespießt auf heiße Stangen).
Der finnische Komponist Aulis Sallinen schrieb mit Der Palast
eine Oper, die viele Charaktere aus der Entführung enthält, und
die Handlung aus Mozarts Oper zum Ausgangspunkt eines bizarren
Phantasiespiels macht. Auch Gioachino Rossinis Oper Die
Italienerin in Algier (1813) handelt von der Befreiung einer
schönen Frau aus der Macht eines orientalischen Fürsten," stellt
die Internetenzyklopädie Wikipedia das Reclam-Heft, naja,
genauser gesagt seinen Inhalt vor.
Hinsichtlich des Aufbaus ist das Reclam-Heft schon ein wenig
außergewöhnlich. Zuerst gibt es eine Einleitung. Wilhelm Zentner
beschreibt darin das geistige Umfeld und die Lebensumstände
Mozarts zu der Zeit, als die Oper entstand. Im zweiten Drittel
folgt der Text der Oper; ein Nachwort ist das letzte Drittel. In
dem Nachwort äußert sich der Komponist über sein eigenes Werk.
Theodor Fontane: Effi Briest: Philipp Reclam Verlag Stuttgart
1969; 352 Seiten; ISBN: 3-15-006961-0
"Effi Briest ist ein Roman von Theodor Fontane, der erstmals
18941895 in der Deutschen Rundschau und daraufhin 1895 in
Buchform erschienen ist. Als Erscheinungsjahr wurde auf dem
Titelblatt 1896 angegeben. Der Gesellschaftsroman wird dem
poetischen Realismus zugeordnet und spielt vor dem Hintergrund
des durch strenge Normen festgelegten Lebens im Kaiserreich
unter Reichskanzler Otto von Bismarck.
Der Roman behandelt das Leben der Effi von Briest, einer jungen
Frau mit kindlichem Wesen, die an den gesellschaftlichen
Konventionen im Preußen des späten 19. Jahrhunderts zerbricht,
weil ihr Mann, Geert Freiherr von Innstetten, sie sechs Jahre
nach ihrer Affäre mit Major von Crampas verstößt und zur
Wiederherstellung seiner Ehre ihren ehemaligen Liebhaber im
Duell erschießt. Auch von ihren Eltern wird Effi zunächst
verstoßen.
Der 38-jährige Baron von Innstetten, ein früherer Verehrer von
Effis Mutter, hält zu Beginn des Romans um die Hand des damals
17-jährigen Mädchens an und zieht mit Effi nach der Heirat und
anschließender Hochzeitsreise durch Italien nach Kessin in
Hinterpommern. Der literarische Ort ist dabei nicht mit dem
tatsächlichen Kessin identisch, Fontane orientierte sich
vielmehr an Swinemünde. Effi wird dort nie richtig glücklich und
leidet unter ihrer Angst vor einem angeblichen Spuk im
geräumigen landrätlichen Haus: Sie ist davon überzeugt, dass in
manchen Nächten ein Chinese erscheine, der einst in Kessin
gelebt und ein sonderbares Ende gefunden haben soll. In dieser
Angst wird Effi bestärkt von Johanna, der von Innstetten
ausgesuchten Haushälterin.
Freundschaft schließt Effi nur mit dem Apotheker Alonzo
Gieshübler, der ihr Halt gibt. Sie erhält von ihm zudem täglich
sorgsam präparierte Zeitungen und nimmt mit Innstetten an
kulturellen Veranstaltungen teil.
Neun Monate nach der Hochzeit bekommt Effi eine Tochter, die auf
den Namen Annie getauft wird. Während ihrer Schwangerschaft
hatte Effi auf einem ihrer Spaziergänge das katholische
Hausmädchen Roswitha getroffen, das sie als Kindermädchen
einstellt. Major von Crampas taucht in Kessin auf. Er hat
zusammen mit Innstetten beim Militär gedient. Crampas ist
emotionaler und leichtlebiger als der steife, förmliche
Innstetten. Er ermuntert Effi zu Abwechslung und Leichtsinn.
Anfangs widersteht Effi dem Verführer, doch dann kommt es zu
einer heimlichen Affäre.
Einige Wochen später wird Innstetten nach Berlin berufen, um
dort im Ministerium zu arbeiten. Effi empfindet das Leben in der
Großstadt im Vergleich zum ländlichen Kessin als Befreiung und
ist relativ glücklich.
Nach sechs Jahren, während Effi zur Kur in Bad Ems weilt, findet
Innstetten Crampas Briefe in Effis Nähkasten, die die Affäre der
beiden enthüllen. Aufgrund des - aus Innstettens Sicht
allerdings kritisch, aber doch noch als gesellschaftlich
verbindlich betrachteten Ehrenkodexes beschließt dieser
daraufhin, den Major zu einem Duell herauszufordern. Dabei wird
Effis einstiger Liebhaber tödlich getroffen.
Effis Eltern senden ihrer Tochter einen Brief, in dem sie
erfährt, dass sie aufgrund der gesellschaftlichen Konventionen
nicht mehr nach Hohen-Cremmen, ihrem Heimatort und Sitz des
elterlichen Anwesens, zurückkehren könne. Verstoßen von Ehemann
und Eltern, zieht sie in eine kleine Wohnung in Berlin und lebt
dort drei Jahre lang einsam zusammen mit der ihr mittlerweile
freundschaftlich verbundenen Haushälterin Roswitha. Nach einem
Besuch ihrer Tochter, die sie lange Zeit nicht sehen durfte,
erleidet Effi einen Zusammenbruch. Ihre Eltern beschließen auf
Anraten eines Arztes, ihre Tochter doch wieder zu sich zu
nehmen. Effis gesundheitlicher Zustand verbessert sich zunächst
zwar, doch kommt sie über den Schmerz, der sich in ihr Herz
bohrte, als sie ihre kühle, vom Vater instruierte Tochter
erleben musste, nicht hinweg. Angesichts des nahenden Todes
spricht sie ihren früheren Gatten von jeglicher Schuld frei.
Effi Briest stirbt mit 29 Jahren in ihrem Elternhaus an
?gebrochenem Herzen. Effis Mutter glaubt, eine Mitschuld am Tod
ihrer Tochter zu tragen, weil sie Effis früh eingegangener Ehe
mit einem 20 Jahre älteren Mann zugestimmt hatte. Herr von
Briest unterbindet jedoch die weitere Diskussion mit den Worten
Ach, Luise, laß - das ist ein zu weites Feld.
Der Bezug zum Leben der Elisabeth von Plotho liegt nahe. Fontane
veränderte allerdings viele Details, nicht nur um die
Privatsphäre der Beteiligten zu wahren, sondern auch um den
Effekt dramaturgisch zu verstärken: Elisabeth von Plotho, die
spätere Baronin von Ardenne, heiratete ihren Mann nicht mit 17,
sondern erst mit 19 Jahren, und er war auch nur fünf und nicht
zwanzig Jahre älter als sie. Zudem hatte sie ihr Verhältnis
nicht nach einem, sondern nach zwölf Jahren Ehe, und ihr Mann
erschoss den Liebhaber nicht sehr viel später, sondern als das
Verhältnis noch andauerte. Nach der Scheidung zog sich die Frau,
wie Fontane auch wusste, keineswegs aus dem Leben zurück,
sondern wurde berufstätig. Sie starb erst 1952, im Alter von 98
Jahren," berichtet die Internetenzyklopädie Wikipedia.
Das Buch gehört zu den Klassikern der deutschen Literatur. Das
vorliegende Reclam-Heft bietet nicht nur den eigentlichen Roman
- Text. In einem Nachwort beschreibt Kurt Wölfel die
Entstehungsgeschichte des Romans. Er bietet auch erste
Interpretationsansätze. Hinsichtlich einer Textinterpretation
bietet Wölfel auf jeden Fall mehr, als ich hier an dieser Stelle
leisten könnte und wollte. Auch wenn ich selbst ein Krimi-Fan
bin, so kann ich dem Buch das Kompliment machen, dass es gut
lesbar ist. Wer Gesellschaftsromane mag, wird sicherlich seine
helle Freude daran haben.
Georg Büchner: Dantons Tod;
Philipp Reclam Verlag Stuttgart 1991; 80 Seiten; ISBN:
3-15-006060-5
"Dantons Tod ist ein Drama in vier Akten von Georg Büchner. Es
wurde von Mitte Januar bis Mitte Februar 1835 geschrieben. Im
gleichen Jahr erschien eine von Karl Gutzkow herausgegebene
Fassung im Literatur-Blatt von Eduard Dullers Phönix.
Frühlings-Zeitung für Deutschland und eine Buchfassung mit dem
von Duller zur Beschwichtigung der Zensur erdachten Untertitel
Dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft beim
Phönix-Verlag Johann David Sauerländers. Das Stück ist damit das
einzige noch zu Lebzeiten Büchners veröffentlichte Drama wenn
auch in stark zensierter Fassung. Die Uraufführung fand erst am
5. Januar 1902 im Berliner Belle-Alliance-Theater als Produktion
des Vereins Neue Freie Volksbühne statt, da das Stück lange Zeit
als unspielbar galt. Außerdem gibt es eine von Gottfried von
Einem komponierte Opernfassung.
Den historischen Hintergrund des Stückes bildet die Französische
Revolution, so dass zumindest eine grobe Übersicht über den
Verlauf der Revolution und ein Verständnis der darin handelnden
politischen Gruppierungen und der zwischen ihnen auftretenden
Konflikte für das Verständnis des Dramas entscheidend sind. Der
eigentliche Handlungsrahmen des Dramas umfasst allerdings nur
eine kurze Zeitspanne vom 24. März bis zum 5. April 1794, mithin
einen Höhepunkt der so genannten Schreckensherrschaft (Terreur),
in welche die Revolution gemündet war.
Wichtig zum Verständnis des Dramas ist der Konflikt zwischen den
verschiedenen politischen Fraktionen, die sich im Verlauf der
Revolution immer mehr verfeindet hatten. In der
Nationalversammlung hielten zunächst die eher gemäßigten
Girondisten, auch ?Talpartei genannt, die Mehrheit. Sie waren
zur Kooperation mit dem König bereit. Eine andere Fraktion, die
Jakobiner, auch ?Bergpartei genannt, strebte eine weitaus
radikalere Veränderung der Gesellschaft an und forderte die
Einführung der Republik. Führer der Jakobiner waren vor allem
Robespierre, Marat und Danton, wobei letzterer im Gegensatz zu
Robespierre der jakobinischen Sektion der Cordeliers angehörte,
zu deren führenden Köpfen auch Chaumette, Desmoulins und Hébert
zählten. Letzterer wiederum stand einer radikal linken Fraktion
(den Hébertisten) vor, die eine Abschaffung des Eigentums und
der Religion forderten und damit weit über das Ziel der anderen
Jakobiner hinausschossen. Trotz ihrer Überzahl konnten sich die
girondistischen Abgeordneten nicht gegen Jakobiner und
öffentliche Meinung durchsetzen; sie konnten weder die
Verhaftung des Königs noch das Einsetzen eines ?provisorischen
Vollzugsrats zur Entmachtung der Versammlung verhindern und auch
nicht die von Marat angetriebenen und von Danton als
Justizminister geduldeten Septembermorde an über tausend
politischen Gefangenen (insbesondere Royalisten) aufhalten. Nach
der Hinrichtung Ludwigs XVI. am 21. Januar 1793 auf Veranlassung
des Nationalkonvents war auf Antrag Dantons am 6. April der so
genannte Wohlfahrtsausschuss eingerichtet worden, der fortan die
Exekutivgewalt im Staat ausübte. Ein Revolutionstribunal, das am
10. März 1793 eingerichtet worden war, übernahm die
Gerichtsbarkeit insbesondere im Hinblick auf die ?politischen
Vergehen der Beschuldigten. Freispruch oder Tod waren die
einzigen Urteilsmöglichkeiten; allein in Paris wurden in diesem
Zusammenhang schätzungsweise 40.000 Menschen hingerichtet.
Im Frühjahr des Jahres 1793 kam es zu Aufständen der Girondisten
in den Départements, die niedergeschlagen wurden und denen eine
Verhaftung und Hinrichtung von 32 führenden girondistischen
Konventsmitgliedern folgte. Innere und äußere Bedrohungen
(gravierende wirtschaftliche Probleme, Hungersnöte, Aufstände
der Royalisten und Girondisten, innere Zerstrittenheit der
revolutionären Kräfte, Krieg gegen Österreich und Preußen)
verschärften die Lage der Republik. Die zunächst als
provisorisch gegründete Regierung aus Nationalkonvent und
Wohlfahrtsausschuss blieb, nach einer Weigerung des Konvents
eine demokratische Verfassung zu verabschieden, an der Macht. Im
Juli 1793 wurde der Jakobiner Marat von Charlotte Corday
ermordet. Im selben Monat war Danton aus dem Wohlfahrtsausschuss
abberufen worden, andererseits waren Robespierre und später auch
Collot dHerbois und Billaud-Varenne in den Ausschuss gewählt
worden. Wohlfahrtsausschuss und Nationalkonvent bekannten sich
nun öffentlich zur ?Schreckensherrschaft, die Welle von
Hinrichtungen (unter anderem weiterer Girondisten, aber auch der
ehemaligen Königin Marie Antoinette) dauerte an.
Im Zusammenhang mit einer Korruptionsaffäre fiel der Verdacht
auf mehrere Anhänger Dantons und auch auf ihn selbst. Im
November 1793 forderten Danton und der Vieux Cordelier die
Zeitschrift Camille Desmoulins ein Ende der
Schreckensherrschaft, was Robespierre aber entschieden ablehnte.
Statt dessen ließ Robespierre am 24. März 1794 Hébert und seine
Anhänger verhaften und hinrichten. Hier setzt nun die Handlung
von Büchners Drama ein. Nachdem sowohl die gemäßigten
Girondisten als auch die radikalen Hébertisten beseitigt sind,
stehen die in der neuen politischen Landschaft als gemäßigter zu
betrachtenden Dantonisten mit ihrem Ruf nach einem Ende der
Schreckensherrschaft Robespierre im Weg. Die Konfrontation
zwischen den beiden Gruppierungen der Jakobiner konnte auch
durch eine Unterredung zwischen Danton und Robespierre am 19.
März 1794 nicht mehr beseitigt werden; mit der Zustimmung des
Konvents ließ Robespierre in der Nacht vom 30. auf den 31. März
Danton und seine Vertrauten (Desmoulins, Lacroix, Philippeau und
andere) verhaften und vor das Revolutionstribunal bringen; am 5.
April wurden sie hingerichtet. Den weiteren Verlauf der
Revolution zeigt Büchner nicht mehr; der anschließende Sturz
Robespierres und seine am 28. Juli 1794 erfolgte Guillotinierung
werden nur in Vorausahnungen Dantons angedeutet.
In weiten Teilen des Dramas hält Büchner sich an historische
Vorlagen und Quellen, geschätzt ein Sechstel des Textes besteht
aus wörtlichen oder nur leicht veränderten Zitaten, die
allerdings durch die Montage in das Drama oft aus dem Kontext
gerissen sind: ?Insgesamt ist es aber die selektive, kritische
Adaption der Quellen und historischen Diskurselemente, die dem
Text den Wirklichkeitsanspruch eines ?geschichtlichen Gemäldes
und zugleich seinen Rang als Kontrafaktur der Historiographie
verleiht. Auffälligste Abweichungen von den tatsächlichen
historischen Gegebenheiten betreffen die Figuren der Julie (im
Drama Dantons Gattin) und Lucile (Camille Desmoulins Frau),
deren Schicksal Büchner aus Gründen der Dramaturgie,
insbesondere im Fall von Julie, radikal umschreibt. Die reale
Gattin Dantons (Sebastienne-Louise Gely) beging keinen
Selbstmord, sondern überlebte ihren Mann um Jahrzehnte (und auch
Georg Büchner selbst) und heiratete 1797 erneut.
Da Georg Büchner von 1813 bis 1837 lebte, schrieb er seine Werke
in der Zeit zwischen Romantik und Realismus in der so genannten
Epoche des ?Vormärz. Das Ziel der politisch liberal orientierten
Dichter in dieser Zeit war es, die Literatur von einer
wirklichkeitsabgewandten Scheinexistenz wieder zu einem
wirksamen Organ des gesellschaftlichen Lebens zu machen, das vor
allem der politischen und sozialen Erneuerung zu dienen habe.
Sie waren Gegner der Romantik und politischen Restauration. Sie
kämpften gegen Konvention, Feudalismus und Absolutismus, traten
ein für die Freiheit des Wortes, für die Emanzipation des
Individuums, der Frau, der Juden und für eine demokratische
Verfassung. Sie schufen eine Tendenz- und Zeitdichtung, das
heißt eine Dichtung, die sich mit den Problemen der damaligen
Zeit auseinandersetzt und für bestimmte politische Ideen
begeistern und überreden will.
Bekannte Schriftsteller dieser Zeit:
* Heinrich Heine (17971856): ?Deutschland. Ein Wintermärchen,
?Atta Troll. Ein Sommernachtstraum
* Johann Wolfgang von Goethe (17491832): ?Faust, ?Erlkönig
* Franz Grillparzer (17911872): ?Weh dem, der lügt
1. Akt
Im ersten Akt des Dramas werden drei Interessengruppen innerhalb
der Revolution vorgestellt, deren Ziele und Visionen
unterschiedlich, oft sogar gegenläufig sind (Dantonisten,
Robespierristen und das Volk). Die zwei Revolutionsführer Danton
und Robespierre haben verschiedene Ansichten über den Fortgang
der Revolution. Danton der als neureicher und einflussreicher
Bürger zu den Gewinnern der Revolution zählt wird bereits in der
ersten Szene als dekadenter Lebemann dargestellt, der seine Zeit
mit Kartenspiel und in Bordellen verbringt. Die politischen
Vorstellungen der Dantonisten aber sind liberal und tolerant,
sie fordern nicht nur ein Ende der Terreur sondern auch einen
liberalen Staat. Hérault fordert:
?Die Revolution muß aufhören und die Republik muß anfangen. In
unsern Staatsgrundsätzen muß das Recht an die Stelle der
Pflicht, das Wohlbefinden an die der Tugend und die Notwehr an
die der Strafe treten. Jeder muß sich geltend machen und seine
Natur durchsetzen können. Er mag nun vernünftig oder
unvernünftig, gebildet oder ungebildet, gut oder böse sein, das
geht den Staat nichts an. (Akt 1, Szene 1)
Allerdings wird schon in der darauffolgenden Szene klar, wie
utopisch diese Forderungen sind. Der Leser oder Zuschauer wird
Zeuge einer tragikomischen Szene, in der ein betrunkener Bürger
in Wut und Verzweiflung beklagt, dass sich seine Tochter
prostituieren muss, um ihre Familie unterstützen zu können. Hier
wird die Lage des einfachen Volkes deutlich, das weit von der
?Selbstverwirklichung und dem ?Genussleben der dekadenten
Dantonisten entfernt ist, und wie eh und je Hunger leidet. In
diese Szene tritt die dritte Partei in Form von Robespierre, der
vom Volk die bewundernden Beinamen ?der Tugendhafte und ?der
Unbestechliche verliehen bekommt. Anders als die Dantonisten
sieht er die Not des Volkes, ohne ihr aber abhelfen zu können,
und propagiert die revolutionäre Tugend, das heißt die völlige
persönliche Uneigennützigkeit und Hingabe an die Sache der
Revolution. Dementsprechend wird bereits in seiner ersten Rede
ein beängstigender Fanatismus offenbar; seine Antwort auf den
Hunger des Volkes ist der Aufruf nach mehr Gewalt, härteren
Maßnahmen; er will mit der Guillotine und dem Schrecken einen
?tugendhaften Staat errichten. Notwendig scheint bereits jetzt
eine Kollision zwischen den unvereinbaren Positionen der
Anhänger von Danton und der Anhänger Robespierres. In gewisser
Weise stoßen hier nicht nur zwei Staatsentwürfe, sondern auch
zwei revolutionäre Forderungen aufeinander: Wie viel Freiheit
darf der Gleichheit, wie viel Gleichheit der Freiheit geopfert
werden? Nach einer aufpeitschenden Rede Robespierres, durch die
er den Nationalkonvent für eine Fortsetzung, gar Verschärfung
der ?terreur gewinnt, fürchten die Dantonisten um ihre
Sicherheit. Danton willigt auf das Bitten seiner Freunde in ein
Treffen mit Robespierre ein, das nach außen hin ergebnislos
verläuft. Robespierre jedoch, durch Danton moralisch aus der
Fassung gebracht, beschließt daraufhin den Tod Dantons und
seiner Anhänger, indem er sich glauben macht, dass nur so die
Revolution gerettet werden kann.
2. Akt
Dantons Verbündete drängen ihn zum Handeln oder zumindest zur
Flucht vor den Jakobinern. Danton ist aber von Weltmüdigkeit,
Fatalismus und Resignation zerfressen und kann sich zu keinem
Handeln motivieren; zudem will er Frankreich nicht verlassen [S.
31 / ?Nimmt man das Vaterland an den Schuhsohlen mit?]. Hinter
all seiner Resignation besteht darüber hinaus auch der Glaube an
seinen Einfluss und seine Popularität; der Glaube, dass der
Konvent es nicht wagen würde, Maßnahmen gegen ihn und seine
Fraktion zu treffen [?Sie werdens nicht wagen]. Danton vertraut
seiner Frau Julie seine Gewissensbisse wegen der von ihm
befohlenen Septembermorde an, die ihn aber von der Notwendigkeit
seines Handelns zumindest oberflächlich überzeugen kann er
verfällt erneut in einen Geschichtsfatalismus; klar tritt in
dieser Szene auch eine Parallele zu den Gewissenskonflikten
Robespierres zu Tage. Währenddessen plant Robespierre bereits
die Verhaftung Dantons; diesmal ist es eine radikale Rede von
Saint-Just, der rechten Hand Robespierres, die den
Nationalkonvent mitreißt und ihn die Verhaftung Dantons billigen
lässt. Der 2. Akt endet in einer turbulenten Szene im Konvent,
in dem dieser enthusiastisch Saint-Just feiert und die
Marseillaise anstimmt.
Im zweiten Akt fließt auch die Kunstkritik Büchners mit in das
Drama ein; in einem Dialog zwischen Camille Desmoulins und
Danton lässt er die Figuren bespötteln, dass die Leute die
flachen, eindimensionalen und hoch artifiziellen Theaterstücke
bewundern, während sie die Realität, die meisterliche Schöpfung,
in ihrer Komplexität verachten. Diese Sicht der Kunst ist
durchaus programmatisch für Büchners Schaffen, in dem er immer
wieder bemüht ist, die Welt in all ihrer Vielseitigkeit und all
ihren Facetten den schönen wie den unschönen darzustellen. Dies
zeigt sich unter anderem in der in den Dramen verwendeten
Sprache; schon in Dantons Tod lässt er seine Figuren in einer
damals als sexuell zu anstößig und moralisch zu unanständig
empfundenen Sprache sprechen, die Büchner jedoch als realistisch
verteidigt.
3. Akt
In scheinbarem Gegensatz dazu steht die erste Szene des 3.
Aktes, die im Kerker des Palais Luxembourg spielt, wo die
Gefangenen angesichts ihrer bevorstehenden Hinrichtung über
Leben, Tod und Unsterblichkeit philosophieren. Letztlich
allerdings drehen sich ihre Gespräche nur im Kreise und
karikieren so lediglich die Absurdität einiger damals gängiger
Gottesbeweise [S. 4650]. Danton ist inzwischen verhaftet und
wird dem Revolutionstribunal vorgeführt. Die Stimmung ist
zunächst geteilt, doch Danton erinnert, rhetorisch geschickt,
den Konvent und das anwesende Volk an seine revolutionären
Verdienste und gewinnt so neue Sympathien (4. Szene).
Unterdessen beschließen die Vorsitzenden des
Revolutionstribunals die Geschworenenbank für Dantons nächsten
Auftritt nur mit linientreuen Männern zu besetzen. Als Danton
dann (9. Szene) in einem letzten leidenschaftlichen Appell für
mehr Wahrheit und Gerechtigkeit und gegen Robespierre und sein
blutiges Treiben plädiert, kippt die Stimmung zu Dantons
Gunsten, sodass man, um seinen Einfluss nicht noch stärker
werden zu lassen, die Sitzung kurzerhand auflöst. Die Mitglieder
des Wohlfahrtsausschusses beraten sich über den Verlauf der
Verhandlung. Durch die Denunziation eines Gefangenen wird Danton
in Zusammenhang mit einem angeblichen Komplott gebracht, was
Grund zur raschen Durchführung des Prozesses gibt, ohne Danton
weiter anhören zu müssen. Nicht nur Robespierres Beredtheit,
sondern auch ein korruptes Tribunal besiegeln also schließlich
das Schicksal der Dantonisten.
Bezeichnenderweise fügt Büchner auch hier wieder eine
?Volksszene in die Handlung ein, die zeigt, wie schwankend die
Gunst der Masse ist. Obwohl seine Reden viele überzeugen,
spricht doch seine luxuriöse und dekadente Lebensweise eine
andere Sprache, die sowohl zu der Armut des Volkes wie auch zu
der bescheidenen und (scheinbar) moralischen Lebensweise
Robespierres in starkem Kontrast steht. So endet der 3. Akt mit
Hochrufen auf Robespierre und Forderungen nach der Hinrichtung
Dantons.
4. Akt
Danton und seine Anhänger werden zum Tode verurteilt. Danton und
sein Freund Camille Desmoulins tauschen Gedanken über Leben und
Tod aus [S. 7678]. Dantons Frau Julie vergiftet sich in ihrem
Haus, da sie ihrem Mann ihre Verbundenheit über den Tod
versprochen hat. Das Volk ist schaulustig und spöttisch, als die
Verurteilten zum Schafott geführt werden. Als die durch die
Stadt irrende Lucile Desmoulins von der Hinrichtung ihres Mannes
hört, bricht sie zur Guillotine auf dem Revolutionsplatz auf.
Dort angekommen, fasst sie einen verzweifelten Entschluss. Um im
Tode bei ihrem Mann zu verbleiben, ruft sie: ?Es lebe der König!
und spricht somit ihr eigenes Todesurteil: Eine herannahende
Patrouille der Bürgerwehr nimmt sie fest. Gerade in diesem Akt
weicht Büchner am deutlichsten von seinen Quellen ab;
Anlehnungen an Shakespeare werden deutlich.
Georg Danton wird als Mann dargestellt, der sich seinem
Wohlleben, seiner angeborenen Genusssucht ergibt, da er an den
bisherigen Erfolgen der französischen Revolution und deren
weiteren Zielen zweifelt. Die Atmosphäre in Dantons Nähe ist
geprägt durch Wein, Spiel und leicht zu habenden Frauen. Dies
steht im Widerspruch zur Revolutionswirklichkeit, welche durch
Armut, Bettelei, Trunksucht und Prostitution gekennzeichnet ist
(Akt 1, Szene 5). Danton selbst war einst arm, seinen jetzigen
Reichtum verdankt er einem Geschenk des Herzogs von Orléans, der
versuchte sich die Krone durch Bestechungen zu sichern und durch
ein Geschenk, welches mit der Forderung, dass Danton das
Königtum erhalte, einherging. (Einfach Deutsch; S. 74, Z. 113)
Danton wird als Held dargestellt, der gegen das unnötige Töten
von Robespierre Einspruch erhebt (Einfach Deutsch; S. 73, Z.
912): Ihr wollt Brot und sie werfen euch Köpfe hin. Ihr durstet
und sie machen euch das Blut der Guillotine zu lecken. Des
Weiteren nimmt er seinen baldigen Tod als unausweichlich hin,
eine gewisse Todessehnsucht wird erkennbar: Das Leben ist mir
zur Last, man mag es mir entreißen, ich sehne mich danach, es
abzuschütteln. (S. 60, Z. 1314) Danton verbindet eine starke
Liebe mit seiner Gattin Julie, ohne die er nicht sterben will:
Oh, Julie! Wenn sie mich einsam ließe! Und wenn ich ganz
zerfiele, mich ganz auflöste, ich wäre eine Handvoll gemarterten
Staubes, jedes meiner Atome könnte nur Ruhe finden bei ihr. (S.
71,Z. 48) Sie ist der Grund für sein letztes Aufbäumen vor dem
Tod. Danton präsentiert Klugheit, er reagiert nicht auf die
Kampfansagen (Szene I,2 ff) von Robespierre, es kommt lediglich
zu einer Unterhaltung (I,6).
Robespierre erkennt die Not des Volkes, wird vom Volk bewundert
und als der ?Tugendhafte und der ?Unbestechliche bezeichnet.
Selbst handelt er jedoch nicht immer tugendhaft, dies wird schon
zu Anfang des Dramas in der Unterhaltung zwischen Robespierre
und Danton sichtbar. Robespierre wird vorgeworfen, dass er
Menschen tötet, um von der bestehenden Not abzulenken. Er stellt
sich als Mann mit sozialem Gewissen dar und stellt gleichzeitig
Dantons Genusssucht an den Pranger, damit kann er das Volk von
sich überzeugen. Andere Revolutionäre bezeichnen die Politik
Robespierres als Terror.
Am Beispiel der Jakobinerdiktatur der Jahre 1793/94 demonstriert
Georg Büchner das Umschlagen ursprünglich freiheitlicher Ideale
in zynische Mittel einer Willkürherrschaft und hinterfragt
angesichts einer sich verselbstständigen zerstörerischen
Geschichtsdynamik die Handlungsmöglichkeiten des Subjekts
(Geschichtsfatalismus). Während der Arbeit an diesem Werk
befürchtet er immer wieder seine Verhaftung. Nur stark gekürzt
und von sexuellen Anspielungen bereinigt, kann das Stück 1835 im
Druck erscheinen. Auch findet sich lange kein Theater, das es
wagt, Büchners Drama auf die Bühne zu bringen. Erst 1902 kommt
es in Berlin zur Uraufführung. Durch Verwendung von zahlreichen
historischen Quellen und umfangreichen Zitaten aus originalen
politischen Reden ist Dantons Drama auch als ein Vorläufer des
Dokumentartheaters zu sehen. Bislang wurde seitens der
Büchnerforschung der innere Zusammenhang von Eros und Gewalt,
der in allen Werken Georg Büchners thematisiert wird, nicht
systematisch beleuchtet. Darauf hat der Literaturwissenschaftler
Reinhold Grimm erstmalig 1979 in "text und kritik, Georg
Büchner" aufmerksam gemacht. Eine Weiterführung dieses Diskurses
findet sich im aktuellen Georg Büchner Jahrbuch 11 (20052008),"
stellt die Internetenzyklopädie Wikipedia einen Klassiker der
deutschen Literatur vor. Zuerst gibt es den Text des Dramas.
Dann folgt ein kurzes, als "Nachbemerkung" bezeichnetes
Nachwort, in dem die Entstehungsgeschichte des Textes
beschrieben wird.
Dieses ist das politischte aller Theaterstücke, das ich bisher
kennengelernt habe. Wie groß ist das Wissen um die Französische
Revolution in der breiten Öffentlichkeit? In der Schule lernen
die Kinder zwar die Ereignisse der Jahre 1789ff vordergründig
kennen. Der geistesgeschichtliche Aspekt (und bei uns in
Nordrhein-Westfalen auch der regionalkundliche Bereich, wie etwa
die Besetzung der Rheinlande durch revolutionäre französische
Truppen) wird in der Regel aber nicht vermittelt.
Daher bleibt die Frage, wie verständlich heute ein solches Stück
überhaupt ist. Wie aktuell Büchners Aussagen heute noch sind,
kann ja jeder Leser selbt entscheiden. Wer gerne Theater sieht,
hält hier auf jeden Fall einen guten Text in den Händen. Ein
Interese an politischen und gesellschaftlichen Fragestellungen
und Sprachwitz sollte schon vorhanden sein |