Westfälische Industriemuseum unterhält Textilmuseum in Bocholt

Wie Du kommst gegangen, so wirst Du auch empfangen. Berichtet der Volksmund. Das Westfälische Industriemuseum unterhält ein Textilmuseum in Bocholt. Wie erzählt damit von der Herstellung von Textilien.
Vor der Industrialisierung lebten die Menschen im Münsterlande weitgehend von der Landwirtschaft. Mit der Herstellung von Garn und Gewebe vor allem in den Wintermonaten erwarben sie ein karges Zubrot. Die Industrialisierung machte sie zu hauptberuflichen Textilarbeitern mit landwirtschaftlichem Nebenerwerb, die tagsüber in die Fabrik gingen und abends ihre Gärten und kleinen Äcker bestellten.
Ein nach alten Plänen erbautes und vollständig eingerichtetes Arbeiterhaus mit bewirtschaftetem Garten und Kleintierhaltung erinnert daran und führt die Besucher in die Lebenswelt münsterländischer Textilarbeiter vor dem ersten Weltkrieg.
Seit 150 Jahren gehört Bocholt zu den wichtigsten Standorten der westfälischen und deutschen Textilindustrie. Zeitweilig arbeiteten hier fast 10.000 Menschen in über 60 Betrieben als Spinner, Weber, Bleicher, Färber oder Drucker.
Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden zudem Tausende in der Bekleidungsindustrie Arbeit. Der erfolgreich bestandene Strukturwandel der letzten Jahrzehnte und die moderne Wirtschaftsstruktur lassen die textilindustrielle Prägung der Stadt noch erkennen, vor allem in den vielen Stadtvierteln mit den typischen Textilarbeiterhäusern.
Bei Gründung des Museums stand eine historische Textilfabrik nicht zur Verfügung. Der daher notwendige Neubau zeigt sich als eine kleine, nach historischen Vorbildern und unter Verwendung originaler Bauelemente gebaute Weberei mit Kessel- und Maschinenhaus, Werkstatt, Websaal, Meisterbude und Kontorhaus. Bis in die 50er Jahre waren solche Betriebe typisch für das Münsterland. Hier kann man den langen Weg vom Faden bis zum fertigen Stoff an laufenden Maschinen verfolgen. Die große Dampfmaschine von 1917 und viele zum Teil über hundert Jahre alte Webstühle mit ihren Transmissionen werden vorgeführt und erklärt. Und die bei solcher Schauproduktion nach historischen Muster hergestellten Stoffe, z. B. Küchentücher oder Tischdecken, können im Museum gekauft werden.
Das Textilmuseum in Bocholt ist noch nicht fertig. Die jetzt zu sehende Weberei benötigt als dringende Ergänzung die Darstellung der Spinnerei kein Stoff ohne Faden und der Veredlung niemand kleidet, bettet, schmückt sich mit einem Rohgewebe.
So berichtet es ein Museumsführer. Ein kleines, heimeliges Museum erwartet den Besucher im ländlich idyllischen Bocholt. Viele alte Maschinen erzählen von ihrer arbeitsreichen Geschichte. Noch funktionstüchtig, können sie leicht vom Museumspersonal in Bewegung gesetzt werden. Hinzu kommt noch ein Arbeitshaus, das ansatzweise von den Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung zu Beginn des 20. Jahrhunderts berichtet.
Sehr kinderfreundlich ist das Museum eingerichtet. Viele Erklärungen sind so geschrieben, dass die kleinen Besucher sie verstehen können. Der Rundgang ist so konzipiert, dass dem aufmerksamen jugendlichen Museumsgänger ein kleiner Preis winkt: ein kleines Bastelbuch, in dem verschiedene Stoffe und Garne vorgestellt werden.
Was lässt sich sonst noch zu dem Textilmuseum sagen? Ein wenig unfertig wirkt es. Was ist Baumwolle: Wo kommt sie her, wie wird sie hergestellt und wie kommt sie nach Bocholt? Welche Bedeutung hat die Textilindustrie für die Stadt? Gibt es Familien, die durch die Textilindustrie reich und bedeutend wurden? Fragen wie diese werden im Museum gar nicht erst gestellt. Und auch trotz aller liebevollen Gestaltung ging der Hauch der Geschichte an dem Museum vorbei. Überdeutlich vermittelt die Ausstellung den Eindruck, dass die Maschinen und Einrichtungsgegenstände eigens für dieses Museum gekauft und zusammengestellt wurden. Die Hektik der Arbeit, der Schweiß der Arbeiter, der Dreck, der Lärm, die beengten Lebensbedingungen der Menschen sie lassen sich hier nur erahnen.
Wenn man eine Reise tut, dann kann man was erzählen. So unvollständig es auch sein mag, bietet das Textilmuseum doch einen interessanten Blick in die eigene Industriegeschichte. Wanderer, kommst Du nach Bocholt, versäume nicht einen Besuch. Andreas Rüdig