Duisburg, 17. November 2019 – „Das THW
kennt ja keiner“, sagt Jürgen Tottleben vom THW Ortsverband
Duisburg und weiter: „Wenn ich sage, dass ich bei der
Feuerwehr und beim THW bin, wissen viele nicht, was das THW
ist.“
Dies ist das erste, was ich höre, als ich am Samstag morgen
um halb acht in die Zentrale des Ortsverbandes Duisburg
gehe. An diesem Morgen startet der OV Duisburg mit
Unterstützung aus weiteren vier Ortsverbänden in der Region
Düsseldorf und den Maltesern eine Übung im Trainingsbergwerk
Recklinghausen, um für den Notfall optimal vorbereitet zu
sein.
Doch an dieser Stelle kommt bei vielen Bürgerinnen und
Bürgern die Frage auf, was das THW ist und macht: Die
Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) ist mit rund
80.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern die
Einsatzorganisation des Bundes im Bevölkerungs- und
Katastrophenschutz. Sie ist - jederzeit einsatzbereit - im
In- und Ausland tätig und hat ein vielfältiges
Aufgabenspektrum, wie zum Beispiel: Bergung, Rettung,
Trinkwasserversorgung, Brückenbau, usw.
Viele von den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern sind an
diesem Samstagmorgen schon früh aufgestanden, um pünktlich
bei der Begrüßung des Ortsbeauftragten Peter Bunzeck zu
erscheinen.
„Glück auf!“ sagt Zugführer Sven Wagner und gibt letzte
Anweisungen für die Marschverbandsfahrt.
Rettungsdienste, Polizei und Bundeswehr sind oft im
Marschverband unterwegs. Dabei gilt, dass alle Fahrzeuge bis
auf das letzte auf der rechten Seite eine Flagge führen. Das
letzte Fahrzeug hingegen trägt eine grüne Flagge, es kann
zusätzlich mit gelbem Blinklicht oder einer Warntafel
ausgestattet sein. Das Blaulicht auf den Fahrzeugen darf
angeschaltet sein und als ein geschlossener Verband darf er
komplett bei Rot über die Ampel fahren, wenn das erste
Fahrzeug sie noch bei Grün geschafft hat.
„Im Stollen sind Personen, die gerettet, zu den Maltesern
gebracht und gemeldet werden müssen“, ist alles, was
Zugführer Sven Wagner der Übungsgruppe bei der Einweisung
preisgibt.
Dass zu diesem Zeitpunkt 15 Kinder der THW Schul-AG der
Herbert-Grillo-Gesamtschule Duisburg-Marxloh im Stollen
versteckt und als unterschiedlich schwer verletzt eingestuft
sind, wissen zu diesem Zeitpunkt nur die Übungsleiter und
-beobachter.
„Hilfe! Hilfe! Wir brauchen Hilfe!“, rufen die Schülerinnen
und Schüler mit verzweifelter Stimme und weiter, „Mein Bein
ist eingeklemmt! Aua!“ Dies ist das erste, was die
losgesandten Helferinnen und Helfer hören. Natürlich ist von
den Kindern alles gespielt, doch teils klingen sie so
verzweifelt und echt, dass die Retter sich nicht sicher sind
und der Übungsleiter Sven Wagner fragt: „ ,Real.’ Ist alles
gut?“, woraufhin die Schülerin nur loslacht und wieder in
ihre Rolle schlüpft.
Die Helferinnen und Helfer müssen die Kinder, teils in
größeren Röhren versteckt, finden, nach Verletzungsgrad in
eine Reihenfolge einordnen und nach dieser retten, wobei sie
darauf nur auf ihre eigene „Manpower“, wie Jürgen Tottleben
sagt, und auf Tragen zurückgreifen können.
Obwohl alles nur Übung ist und „ein realer Einsatz“ , laut
Markus Richmann (OV Düsseldorf) und anderen THWlern, „in
keinem Vergleich zur Übung steht“, berichtet ein anderer
Übungsteilnehmer: „Wenn ich in diesen Stollen komme und die
Rufe höre, dann blende ich alles andere aus, mein
Adrenalinspiegel steigt, fühle ich mich wie im realen
Einsatz und fange an, wie ich es gelernt habe zu arbeiten
und zu retten.“
„Alles ruhig geblieben, alles top, sehr entspannt und
Kommunikation war sehr kollegial, egal ob zwischen THWlern
oder zwischen THWlern und Maltesern. “, beschreibt
Übungsbeobachterin Yasmin Gündogden, Studentin und
Übungsbeobachterin aus dem OV Heiligenhaus/Wülfrath, das
Verhalten der ca. 20 Helferinnen und Helfer von THW und
Malteser bei der Abschlussbesprechung, nachdem alle Kinder
nach vier Stunden harter Arbeit gerettet worden sind.
Axel May, Übungsteilnehmer vom THW merkt an, dass „das
Ziehen der Schülerinnen und Schüler das Anstrengendste war“,
worüber sich auch alle anderen weitgehend einig sind. Dann
begeben sich alle nach Abbau und gemeinsamen Grillen auf die
Heimkehr wie auf der Hinfahrt in Marschverbandsfahrt.
Doch fragt man sich nicht, was die bei diesem Einsatz gut 20
und in ganz Deutschland 80.000 ehrenamtliche Helferinnen und
Helfer dazu bewegt, einen so großen Teil ihrer Freizeit für
das THW jede Woche aufs Neue freiwillig zu „opfern“?
Übungsleiter Sven Wagner sagt, dass er das THW damals „als
Alternative zur Bundeswehr“ gewählt habe, doch jetzt wo die
Wehrpflicht ausgesetzt ist, fällt dieser Grund weg.
Marcel Richter erklärt: „Ich wollte immer Leuten helfen.
Eigentlich wollte ich zur Feuerwehr, doch da ich Diabetes
habe, ging das nicht. Da habe in einem Video auf YouTube den
Spruch ,Egal was du hast, wir finden für jeden einen Platz!’
gehört und bin zum THW gegangen. Außerdem komme ich jetzt in
Orte - wie zum Beispiel dieses Bergwerk - wo sonst keiner
hinkommt. Zudem schätze ich hier die Kameradschaft sehr.“
Und das 13jährige THW-AG-Mitglied Miguel aus
Duisburg-Marxloh ruft stolz: „Ich möchte auf jeden Fall ins
THW!“
Jeder hat hier also seine eigene Geschichte, doch in einem
sind sich alle - wie auch der 19jährige Niklas - einig: „Das
THW ist für mich eine zweite Familie.“
„Durch das THW hat sich mein Leben sehr stark verändert. Ich
habe einen anderen Freundeskreis, ich bin mit anderen
,Leuten aus dem Blaulichtmilieu’ sofort auf einer
Wellenlänge und habe mehr Weitblick, einen anderen Blick auf
die Dinge. Zum Beispiel achte ich in meinem Beruf als
Leiterin einer Druckerei intensiver auf die Vorgaben zur
Arbeitssicherheit oder bilde im Stau sofort eine
Rettungsgasse, da ich ein anderes Verständnis für
Rettungskräfte habe. Ich bin stolz darauf beim THW zu
sein!“, so beschreibt Sylvia Kleinrensing, Pressesprecherin
des OV Duisburg, den Einfluss des THW in ihrem Leben.
Dass sie nicht auf dem Ponyhof sind, merken die „blauen
Heinzelmännchen“ stets aufs Neue: „Wir kriegen auch dumme
Sprüche. Das ist einfach so.“, merkt Sylvia Kleinrensing an
und bemängelt weiter: „ Gewalt und Kritik an Hilfskräften
nimmt zu. Viele Leute zeigen keinen Respekt. Bei
Rosenmontagszügen nehmen wir die Namensschilder von der
Jacke.“
„Beim Pfingststurm Ela 2014 gab es,“ so Marcel Richter, „bei
McDonalds für jeden Helfer ein Menü gratis. Und als die
Issel 2016 über die Ufer trat, haben uns die Anwohner Kaffee
und Plätzchen gebracht und als wir ankamen, machten sie eine
,La-Ola-Welle’"
Dem hängt Marcel Richter noch an: „Ein ,Danke!’
reicht - Dann ist der Tag für mich super!“ und zu
der Frage, welche Anforderungen man für das THW mitbringen
sollte sagt er nur: „Das THW ist ein großer Spielplatz für
Leute, die Spaß an Helfen und Technik haben.
Ansonsten gilt die Devise: ,Egal was du hast, wir finden für
jeden einen Platz!’
Das ist doch mal ein Satz zum Mut machen.
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