| Neue IMK-PrognoseDuisburg, 
							22. Dezember 2022 - Der massive Anstieg der 
							Energiepreise als Folge des russischen 
							Angriffskriegs gegen die Ukraine, deutlich höhere 
							Kosten für Lebensmittel sowie Lieferengpässe, die 
							sich nur langsam auflösen, belasten die Konjunktur 
							in Deutschland so stark, dass sie im Winterhalbjahr 
							in die Rezession gerät. Doch gemessen an den enormen 
							Herausforderungen zeigt sich die deutsche Wirtschaft 
							robust – auch, weil die massive staatliche 
							Entlastungspolitik in der Bundesrepublik und anderen 
							EU-Ländern Wirkung zeigt.
 
 Vor allem die Energiepreisbremsen sind wesentliche 
							Gründe dafür, dass der private Konsum im kommenden 
							Jahr nicht so stark einbrechen wird wie noch im 
							Frühherbst erwartet. Daher setzt das Institut für 
							Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der 
							Hans-Böckler-Stiftung seine Prognose für die 
							wirtschaftliche Entwicklung in diesem und im 
							kommenden Jahr gegenüber seiner letzten Voraussage 
							vom September herauf.*
 
 Im Jahresdurchschnitt 2022 wird das 
							Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach der neuen 
							IMK-Prognose um 1,8 Prozent wachsen (September: 1,6 
							Prozent). Im kommenden Jahr wird die Wirtschaft zwar 
							um 0,3 Prozent im Jahresmittel schrumpfen – im 
							September waren die Düsseldorfer Forschenden 
							allerdings noch von einem BIP-Rückgang um 1,0 
							Prozent ausgegangen.
 
 Die Lage am Arbeitsmarkt bleibt trotz der leichten 
							Rezession im Winter und der eher zögerlichen 
							Erholung im weiteren Jahresverlauf relativ stabil. 
							Die Arbeitslosigkeit sinkt im Jahresdurchschnitt 
							2022 moderat und wird 2023 trotz eines leichten 
							Wiederanstiegs noch geringfügig unter dem Wert von 
							2021 bleiben (Detaildaten unten und in der Tabelle 
							im Anhang). Allerdings wird in diesem Winter die 
							Kurzarbeit wieder spürbar zunehmen. Die 
							Inflationsrate geht etwas zurück von 7,8 Prozent im 
							Mittel 2022 auf 5,1 Prozent 2023, sie bleibt damit 
							jedoch weiterhin auf hohem Niveau.
 „Die deutsche Wirtschaft erweist sich als 
							widerstandsfähig“ schreiben die 
							Konjunkturexpertinnen und -experten des IMK in ihrer 
							neuen Prognose. Allerdings zeigt sich dahinter ein 
							gemischtes Bild. Die weltwirtschaftlichen 
							Rahmenbedingungen sind verhalten positiv: Das 
							weltweite BIP dürfte 2023 um 2,7 Prozent wachsen, 
							nach 3,0 Prozent im ablaufenden Jahr. Die noch 
							bestehenden Lieferprobleme bei Vorprodukten dürften 
							sich Schritt für Schritt lösen, so dass wichtige 
							Industriezweige wie die Automobilindustrie ihren 
							nach wie vor hohen Auftragsbestand verstärkt 
							abarbeiten können. Positive Impulse kommen auch 
							daher, dass die Aufbau- und Resilienzpläne der 
							EU-Staaten zunehmend umgesetzt werden.
 
 In der Folge werden sich laut IMK die 
							Ausrüstungsinvestitionen auch 2023 solide entwickeln 
							und um 2,7 Prozent im Jahresdurchschnitt zunehmen. 
							Auf der anderen Seite leiden energieintensive 
							Wirtschaftszweige wie die Chemieindustrie weiter 
							unter den hohen Energiepreisen – auch wenn die 
							Forschenden von einer leichten Entspannung ausgehen. 
							Einen starken Einbruch verzeichnet der Bausektor, 
							weil neben den Kosten auch die Zinsen für 
							Immobilienkredite deutlich gestiegen sind: Das IMK 
							rechnet mit einem Rückgang der Bauinvestitionen um 
							5,2 Prozent im kommenden Jahr.
 
 Der wichtigste Faktor für den BIP-Verlust im 
							kommenden Jahr ist die Schwäche des privaten 
							Konsums; er wird 2023 real um 1,3 Prozent im 
							Jahresdurchschnitt abnehmen. „Der Rückgang würde 
							noch viel drastischer ausfallen, wenn nicht die 
							staatlichen Preisbremsen für diverse Energieträger 
							und vereinbarte Tariflohnerhöhungen einen Teil der 
							hohen Realeinkommenseinbußen der Konsumenten 
							ausgleichen würden“, analysieren die Forschenden.
 
 Kritik an den Kosten und dem Volumen der staatlichen 
							Entlastungsprogramme halten sie für unberechtigt: 
							Wenn man die Ausgaben ins Verhältnis zum jeweiligen 
							BIP setzt, fallen sie hierzulande ähnlich hoch aus 
							wie in Frankreich, Italien oder Spanien, ergibt ein 
							Vergleich mit den Maßnahmen in diesen Staaten. Auch 
							dass die Bundesregierung die Regelungen für einen 
							erleichterten Zugang und eine längere Bezugsdauer 
							von Kurzarbeitsgeld bis Juni 2023 verlängert hat, 
							halten die Ökonominnen und Ökonomen für richtig. Vor 
							allem in den Wintermonaten werde die Kurzarbeit zur 
							Beschäftigungssicherung an Bedeutung gewinnen.
 „Das Zusammenspiel von betrieblichen, tariflichen 
							und staatlichen Maßnahmen hat erneut – nach 
							Finanzkrise und Pandemie – einen härteren 
							Wirtschaftseinbruch abgewendet“, sagt Prof. Dr. 
							Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des 
							IMK. Skeptisch bewertet das IMK hingegen weitere 
							deutliche Zinserhöhungen durch die Europäische 
							Zentralbank (EZB). Dadurch könnte „die Rezession 
							merklich verschärft“ werden. Einen allzu forschen 
							Kurs der EZB zählen die Forschenden daher zu den 
							„Abwärtsrisiken“, die den leicht verbesserten 
							Wirtschaftsausblick wieder konterkarieren könnten – 
							ebenso wie eine Eskalation des Ukraine-Krieges oder 
							neue heftige Corona-Wellen.
 
 Arbeitsmarkt
 Die negativen Auswirkungen insbesondere des 
							Ukrainekrieges auf die Konjunktur beeinflussen auch 
							die Arbeitsmarktentwicklung. Der positive Trend bei 
							der Erwerbstätigkeit schwächt sich deutlich ab. So 
							legt die Zahl der Erwerbstätigen 2022 
							jahresdurchschnittlich noch um 1,2 Prozent zu. Für 
							2023 erwartet das IMK dann im Jahresmittel nur noch 
							einen Zuwachs um 0,3 Prozent.
 
 Bei den Arbeitslosenzahlen prognostiziert das IMK im 
							Jahresdurchschnitt 2022 einen Rückgang um gut 
							190.000 Personen, so dass im Jahresmittel rund 2,42 
							Millionen Menschen arbeitslos sein werden. Das 
							entspricht einer Quote von 5,3 Prozent. Für 2023 
							veranschlagen die Forschenden einen leichten 
							Wiederanstieg der Arbeitslosigkeit auf rund 2,58 
							Millionen Arbeitslose. Das entspricht einer Quote 
							von 5,7 Prozent – der gleiche Wert wie 2021. Auch 
							die Zahl der Kurzarbeitenden steigt, von knapp 
							467.000 im Jahresmittel 2022 auf durchschnittlich 
							472.000 im kommenden Jahr.
 
 Weltwirtschaft und Außenhandel
 Trotz nach wie vor hoher Auftragsbestände deutscher 
							Unternehmen entwickelt sich der Export 2023 schwach. 
							Von wichtigen Handelspartnern kommen nur wenig 
							Impulse. In den USA schwächt sich das Wachstum auf 
							1,9 Prozent im Jahresmittel 2022 und auf 0,7 Prozent 
							im kommenden Jahr ab. Für die Wirtschaft im Euroraum 
							veranschlagt das IMK 2022 ein Wachstum von 3,3 
							Prozent, 2023 hingegen nur von 0,5 Prozent. Das 
							hinterlässt Spuren im deutschen Außenhandel. 2022 
							legen die Exporte noch um 2,3 Prozent im 
							Jahresmittel zu. 2023 schrumpfen sie um 0,5 Prozent.
 
 Die Importe wachsen 2022 jahresdurchschnittlich noch 
							kräftig um 5,8 Prozent. 2023 sinken sie dann 
							ebenfalls um 0,5 Prozent. Investitionen Die 
							Ausrüstungsinvestitionen entwickeln sich laut 
							IMK-Prognose vergleichsweise robust: 2022 steigen 
							sie um 3,2 Prozent im Jahresmittel, 2023 um 2,7 
							Prozent. Die in den Vorjahren kräftigen 
							Bauinvestitionen brechen hingegen wegen der Kosten- 
							und Zinssteigerungen ein, vor allem 2023. Nach einem 
							Rückgang um 1,8 Prozent im Jahresmittel 2022 fallen 
							sie 2023 um jahresdurchschnittlich 5,2 Prozent 
							zurück.
 Privater Konsum
 Die starke Teuerung drückt auf die realen Einkommen. 
							Da die privaten Haushalte in Summe aber deutlich 
							weniger sparen, wirkt sich das 2022 noch nicht auf 
							die durchschnittliche Veränderungsrate des privaten 
							Konsums aus. Der wächst im Jahresmittel um 4,4 
							Prozent, wobei dieser Wert die Dynamik weit 
							überzeichnet (die Jahresverlaufsrate beträgt nur 1,3 
							Prozent). Im kommenden Jahr sinkt der private Konsum 
							real um 1,3 Prozent.
 
 Inflation und öffentliche Finanzen
 Der Ukraine-Krieg hat die Inflation in diesem Jahr 
							zeitweilig auf Rekordhöhen getrieben. Im 
							Jahresdurchschnitt 2022 rechnet das IMK mit 7,8 
							Prozent Inflation. 2023 geht die Teuerungsrate etwas 
							zurück, bleibt im Jahresmittel jedoch abermals weit 
							über dem Inflationsziel der EZB: Das IMK 
							prognostiziert 5,1 Prozent.
 
 Die Steuereinnahmen entwickeln sich etwas schwächer. 
							Zugleich setzt der Staat zur Krisenbekämpfung viel 
							Geld ein, unter anderem für Stützungsmaßnahmen für 
							Bürger und Unternehmen, zur Flüchtlingsaufnahme und 
							ab 2023 für höhere Verteidigungsausgaben. Das trägt 
							zur Stabilisierung der Konjunktur bei, führt aber 
							auch dazu, dass das Defizit im öffentlichen Budget 
							höher ist als nach dem Abklingen der akuten 
							Corona-Krise erwartet. Nach 3,7 Prozent 2021 ergibt 
							sich für 2022 ein Haushaltsdefizit von 1,8 Prozent 
							des BIP. Für 2023 prognostiziert das IMK ein Defizit 
							von 3,2 Prozent.
 
 
 
 
 
 
 
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