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Juni 2023

EU-Kommission legt Maßnahmenpaket zu der Reduktion von Straßenverkehrstoten bis 2050 und der Einführung eines digitalen Führerscheins vor.
Brüssel/Berlin, 5. Juni 2023 - Sogenanntes Road Safety Package enthält Vorschläge zur Modernisierung der Führerscheinrichtlinie. TÜV-Verband und DEKRA verfassen gemeinsame Stellungnahme.  ie EU-Kommission hat mit dem Road Safety Package Vorschläge zur Modernisierung der Führerscheinvorschriften vorgelegt. Mit den neuen Vorschriften will die Kommission dem Ziel „Null Straßenverkehrstote“ bis 2050 näher kommen. Außerdem sollen Autofahrer:innen besser auf emissionsfreie Fahrzeuge und auf das Fahren in der Stadt vorbereitet werden. Darüber hinaus plant die Kommission die Einführung eines EU-weit gültigen digitalen Führerscheins.

Die Pläne der EU-Kommission kommentiert Marc-Philipp Waschke, Referent Verkehrssicherheit, Fahrerlaubnis und Fahreignung beim TÜV-Verband: „Grundsätzlich begrüßen wir die Vorschläge der Kommission zur Überarbeitung der EU-Führerscheinrichtlinie, einschließlich der Einführung eines unionsweit gültigen digitalen Führerscheins sehr. Das Road Safety Package hat das Potenzial, die Zahl der Verkehrstoten in Europa endlich nachhaltig im Sinne der Vision Zero zu reduzieren. Bei jährlich mehr als 20.000 Menschen auf europäischen Straßen sollte das oberste Priorität sein.“

„Viele der Maßnahmen, die nun EU-weit eingeführt werden sollen, sind in Deutschland bereits Praxis. Die Maßnahmen haben sich in Deutschland bewährt und konnten das Fahranfängerrisiko In den letzten zehn Jahren senken. Beispielsweise durch das Begleitete Fahren mit 17, die Optimierungen der theoretischen und praktischen Fahrerlaubnisprüfung und die Ausbildung im kompetenten Umgang mit Fahrerassistenzsystemen in der Fahrerlaubnisprüfung. Wir unterstützen die EU-Kommission bei den Plänen für eine europaweite Einführung.“

Einführung eines digitalen Führerscheins
„Erstrebenswert ist auch die schnelle Einführung eines EU-weit gültigen digitalen Führerschein. Die Bürger:innen sollen in ihrem täglichen Leben von den Vorteilen der europäischen Gemeinschaft profitieren. Eine digitale Lösung muss aber robust und im Blick auf Datenschutz und Datensicherheit belastbar sein. Als TÜV-Verband arbeiten wir mit unseren Mitgliedern bereits an einer Möglichkeit, nach bestandener Prüfung einen digitalen Nachweis der Fahrberechtigung zu erstellen. Diese könnte bereits im Vorgriff des EU-weiten digitalen Führerscheins zeitnah umgesetzt werden.“

„Essenziell bleibt, dass die Fahrerlaubnisprüfung nicht dem Wettbewerb preisgegeben wird, um das hohe Qualitätsniveau auch in Zukunft zu sichern. Die EU-Kommission geht hier mit. Für die Akzeptanz und das Vertrauen in die Prüfung bestätigt die EU-Kommission ebenfalls den Trennungsgrundsatz Ausbildung und Prüfung. Das heißt auch in Zukunft, wer ausbildet, prüft nicht und wer prüft, bildet nicht aus. Für den Erhalt und die weitere Verbesserung der Verkehrssicherheit sind dies wichtige Punkte.“

Fahrerlaubnisprüfung nicht am Wohnort
Der neue Vorschlag der Kommission ermöglicht es, die Fahrerlaubnisprüfung innerhalb der EU nicht im Land seines Wohnortes abzulegen, wenn die dortige Amtssprache nicht beherrscht wird. In Zukunft könnte der Führerschein von dem Mitgliedstaat ausgestellt werden, dessen Staatsangehörigkeit der Bewerber besitzt, wenn die Prüfung im Land des ordentlichen Wohnsitzes nicht in einer der Amtssprachen des Landes angeboten wird, dessen Staatsangehörigkeit der Prüfling besitzt. Marc-Philipp Waschke sagt dazu:  „Wir sehen die Pläne der EU-Kommission kritisch, die Fahrerlaubnisprüfung innerhalb der EU nicht im Land seines Wohnortes ablegen zu müssen.

Nach Ansicht des TÜV-Verbands sollten Fahrerlaubnisbewerber die Praktische Prüfung grundsätzlich wohnortnah ablegen. Damit wird gewährleistet, dass die Bewerber:innen ihre Fahrkompetenzen insbesondere im Straßenverkehrsgeschehen ihres Lebensumfeldes unter Beachtung regionaler Besonderheiten in Infrastruktur und Verkehrsdichte nachweisen. Dort werden sie in aller Regel auch ausgebildet. Die neue Möglichkeit umgeht dieses Prinzip und kann das ohnehin hohe Fahranfängerrisiko steigern. Ein solches Verfahren wäre aus unserer Sicht nur bei gegenseitiger Anerkennung zwischen den betroffenen Mitgliedsstaaten durchführbar.“

Feedbackfahrten für ältere Fahrerlaubnisinhaber:innen
„Ältere Fahrzeugführer spielen als Unfallverursacher in der Unfallstatistik bisher nur eine untergeordnete Rolle. Daher ist die von der EU-Kommission vorgesehene generelle verpflichtende Überprüfung der Fahreignung im Alter – ohne Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für Defizite zu Fahrkompetenz und Fahreignung – aus Sicht des TÜV-Verbandes nicht zwangsläufig erforderlich.“  

„Um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten, müssen ältere Menschen für eine sichere Teilnahme am Verkehrsgeschehen intensiv in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit hinsichtlich Fahrkompetenz und Fahreignung aufgeklärt werden. Gleichwohl muss der Blick auf die Entwicklung der Unfallzahlen gerichtet bleiben, denn in den Unfallstatistiken ist das Unfallgeschehen für Fahrzeugführer ab dem 75. Lebensjahr auffällig. Wir begrüßen und empfehlen daher, dass die EU-Mitgliedsstaaten für Fahrerlaubnisinhaber ab 75 Jahre geeignete Maßnahmen ergreifen und rechtliche Rahmen schaffen, um regelmäßige Feedbackfahrten anbieten zu können. Im Rahmen dieser Feedbackfahrten würden Experten die Fahrkompetenz der Senioren feststellen und notwendige Potenziale zur Wiederherstellung der Fahrfähigkeiten zurückmelden – im Bedarfsfall würde auch eine Rückmeldung zur individuellen Fahreignung erfolgen.“

Europäische Sorgfaltspflichtengesetz
+++ Auf EU-Ebene sollen mehr Unternehmen als im deutschen Gesetz in die Pflicht genommen und auch ökologische Sorgfaltspflichten berücksichtigt werden
+++ Unabhängige Prüfungen stärken Umsetzung
Berlin, 01. Juni 2023 – Zur heutigen Abstimmung des EU-Parlaments über das EU-Sorgfaltspflichtengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) sagt Juliane Petrich, Referentin Politik und Nachhaltigkeit des TÜV-Verbands: „Das EU-Sorgfaltspflichtengesetz kann ein echter Game-Changer werden, um Ungerechtigkeiten in den globalen Wertschöpfungsketten zu reduzieren, Menschenrechte in den Produktionsländern zu stärken und die Umwelt- und Klimakrise einzudämmen.

Auf EU-Ebene sollen mehr Unternehmen als im deutschen Gesetz in die Pflicht genommen und auch ökologische Sorgfaltspflichten berücksichtigt werden. Das sorgt für einheitliche Wettbewerbsbedingungen und schützt diejenigen Unternehmen, die schon heute hohe soziale und ökologische Standards einhalten.“ Unabhängige Prüfungen stärken Umsetzung Für eine erfolgreiche Umsetzung des EU-Sorgfaltspflichtengesetzes ist es wichtig, nicht nur umfassende Anforderungen festzulegen, sondern auch sicherzustellen, dass diese Anforderungen tatsächlich eingehalten werden.

„Wir begrüßen nachdrücklich, dass der Vorschlag unabhängigen Dritten, die die Einhaltung der Sorgfaltspflichten entlang der Wertschöpfungskette überprüfen, eine wichtige Rolle zuweist. Zertifizierungen und Vor-Ort-Audits durch unabhängige Konformitätsbewertungsstellen sind wichtige Instrumente, um die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards zu gewährleisten und für das notwendige Vertrauen in die Aussagen der einzelnen Glieder der Wertschöpfungskette zu sorgen. Das hilft den Unternehmen und schafft Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher. Immer mehr Menschen wollen wissen, woher die von ihnen gekauften Produkte stammen und unter welchen sozialen und ökologischen Bedingungen sie hergestellt wurden“, sagt Petrich.

Mit der heutigen Abstimmung ist der Weg für die gemeinsamen Verhandlungen mit dem EU-Ministerrat (Trilogverhandlungen) jetzt frei. Die beiden Co-Gesetzgeber sollten sich nun um ein schnelles Verfahren bemühen und keine Verwässerungen zulassen, um am Ende ein Sorgfaltspflichtengesetz auf den Weg zu bringen, das Menschen, Umwelt und Klima auch wirklich schützt.

Das Gesetz zum Hinweisgeberschutz (HinSchG)
Das Gesetz wurde wurde am 2. Juni im Bundesgesetzblatt verkündet und tritt somit am 2. Juli 2023 in Kraft. Das lange Hin und Her hat ein Ende: Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) tritt am 2. Juli 2023 in Kraft. Mitte Mai wurde das Gesetz vom Bundesrat verabschiedet, zuvor hatte es den Bundestag passiert. Nach etlichen Anläufen im Gesetzgebungsverfahren hat man sich mit rund eineinhalb Jahren Verspätung für den Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses entschieden.

Das HinSchG ist das nationale Umsetzungsgesetz der EU-Richtlinie zum Schutz hinweisgebender Personen, die Verstöße im beruflichen Kontext bei einer hierfür vorgesehenen internen oder externen Meldestelle melden. Wer Missstände oder Regelverstöße in Unternehmen oder Behörden angibt, wird künftig besser vor Repressalien und beruflichen Nachteilen wie Mobbing und Diskriminierung gesichert. Der umfassende Schutz von Whistleblowern soll für mehr Integrität in Wirtschaft und öffentlichem Sektor sorgen. 

Wer ist betroffen und was ist zu tun?  Für Unternehmen ab 250 Beschäftigten und Kommunen ab 10.000 Einwohnern gilt die Pflicht mit Inkrafttreten des Gesetzes, sie müssen interne Hinweisgebersysteme einrichten. Unternehmen ab 50 Beschäftigten haben bis Mitte Dezember 2023 etwas mehr Zeit für die Umsetzung.  Die Einrichtung eines internen Meldekanals zur Aufdeckung von Verstößen wird verpflichtend.  Bei Nichteinrichtung und Fehlern in der Umsetzung drohen hohe Bußgelder bis zu 50.000 Euro. 

Nun gibt es zahlreiche offene Fragen rund um den Hinweisgeberschutz:  Wie schaffen Wirtschaft und Verwaltung diese Herausforderung, kurzfristig ein sicheres Hinweisgebersystem zu implementieren?  Wie sieht ein leicht zugänglicher, datenschutzkonformer Meldekanal aus, über den Mitarbeiter oder andere Interessengruppen die Regelverstöße einbringen?  Wie gelingt es, die Hinweise gesetzeskonform von nachweislich fachkundigem Personal zu bearbeiten und wie können Ombudspersonen helfen? Wo sind die Stolperfallen – und wo liegen die Chancen?

 

 

Sonn- und Feiertagsöffnung von öffentlichen Bibliotheken zur Nutzung ihrer kulturellen Funktionen an Ort und Stelle rechtmäßig - Aktenzeichen: 4 D 94/20.NE


Münster, 1. Juni 2023 - Das Oberverwaltungsgericht hat mit heute verkündetem Urteil entschieden, dass die durch Landesverordnung vorgesehene Sonn- und Feiertagsöffnung von öffentlichen Bibliotheken rechtmäßig und damit wirksam ist. Ein hiergegen gerichteter Normenkontrollantrag der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatte keinen Erfolg.

Nach dem Arbeitszeitgesetz kann die Landesregierung Ausnahmen von dem Verbot einer Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe für Betriebe zulassen, in denen eine solche Beschäftigung zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist. § 1 Abs. 1 Nr. 11 Bedarfsgewerbeverordnung erlaubt die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen in öffentlichen Bibliotheken, soweit sie ihre Funktionen nach § 47 und § 48 Absätze 4 bis 6 des Kulturgesetzbuchs NRW vom 1.12.2021 erfüllen.

Die Einführung dieser Verordnungsbestimmung war damit begründet worden, dass öffentliche Bibliotheken als sog. Dritte Orte der Begegnung dienten, der Kommunikation, der gesellschaftlichen Integration, der Information, der (staatsbürgerlichen) Bildung, als Stätten der Familie sowie als kulturelle Veranstaltungsorte. Sie böten zu diesen Zwecken Menschen aus unterschiedlichen sozialen Kontexten auch im ländlichen Raum und in kleinen Städten einen zentralen, besonders niederschwellig zugänglichen, nichtkommerziellen Raum für nichtkonsumtive Freizeitgestaltung.

All diese Nutzungsbedürfnisse vor Ort könnten an Sonntagen nur durch eine Öffnung der Bibliotheken erfüllt werden. Insofern könne eine Sonntagsarbeit von Bibliotheksmitarbeitern durch zumutbare planerische Vorkehrungen der Bevölkerung nicht vermieden werden. Der Entwurf, mit dem die Sonntagsöffnung von Bibliotheken erstmals eingeführt werden sollte, war aus der Mitte des Parlaments in den Landtag NRW eingebracht und dort einstimmig angenommen worden.

Die antragstellende Gewerkschaft hatte im Jahr 2020 gegen die ursprünglich eingefügte Fassung von § 1 Abs. 1 Nr. 11 Bedarfsgewerbeverordnung den hiesigen Normenkontrollantrag gestellt und die im Jahr 2021 geänderte Fassung kürzlich auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts in das Verfahren einbezogen. Zur Begründung ihres Normenkontrollantrags führte die Antragstellerin aus, das Bundesverwaltungsgericht habe mit seinem Urteil vom 26.11.2014 - 6 CN 1.13 - zur hessischen Bedarfsgewerbeverordnung bereits entscheiden, dass die Voraussetzungen für eine sonnund feiertägliche Öffnung öffentlicher Bibliotheken grundsätzlich nicht vorlägen, weil Nutzer die in Bibliotheken vorgehaltenen Medien an Werktagen für das Wochenende ausleihen könnten.

Die angegriffene nordrhein-westfälische Regelung sei nicht anders zu bewerten, nur weil ihr Anwendungsbereich auf bestimmte Funktionen öffentlicher Bibliotheken beschränkt sei. Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts ist dieser Argumentation nicht gefolgt und hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Nach Einschätzung des zuständigen Landesgesetzgebers und den auf dieser Grundlage schlüssigen und vertretbaren Annahmen des Verordnungsgebers besteht angesichts der gewandelten kulturellen Funktionen öffentlicher Bibliotheken als niederschwellig zugängliche, nichtkommerzielle Orte der Kultur jedenfalls in Nordrhein-Westfalen an Sonn- und Feiertagen ein Bedürfnis für die Nutzung derartiger Bibliotheksräume an Ort und Stelle, welches eine Beschäftigung von Arbeitnehmern in solchen öffentlichen Bibliotheken an diesen Tagen als erforderlich erscheinen lässt.

Die im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren befragten Sachverständigen – mit Ausnahme der Antragstellerin – waren einhellig der Auffassung, dass gerade die Sonn- und Feiertagsöffnungen der öffentlichen Bibliotheken, die ihre gesetzlich in § 47 und § 48 Absätze 4 bis 6 des Kulturgesetzbuchs NRW beschriebenen kulturellen Funktionen erfüllen, für die (gemeinsame) Nutzung an Ort und Stelle einen erheblichen Besucherstrom aus verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen anziehen.

Dabei waren auch Erfahrungen mit sonntags geöffneten Bibliotheken ausgewertet worden. Diese Einschätzung des Verordnungsgebers ist schlüssig und vertretbar, weil der Kreis der von der angegriffenen Regelung erfassten öffentlichen Bibliotheken gerade auf solche Bibliotheken beschränkt ist, die die beschriebenen Funktionen in einem so nennenswerten Umfang anbieten, dass wegen der deswegen dort möglichen Erfüllung des zu erwartenden Nutzungsbedürfnisses an Ort und Stelle eine Öffnung an Sonnund Feiertagen gerechtfertigt erscheint.

Die Einschätzung des Verordnungsgebers über die Erforderlichkeit der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen ist gerichtlich nur eingeschränkt auf ihre Schlüssigkeit und Vertretbarkeit überprüfbar; insbesondere darf das Gericht keine eigene Einschätzung vornehmen. Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf die Frage zugelassen, ob für die nachträgliche Einbeziehung einer inhaltlich unteilbar geänderten Fassung einer Norm in ein Normenkontrollverfahren die einjährige Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu beachten ist.

Aktenzeichen: 4 D 94/20.NE

Weitere Informationen: § 1 Bedarfsgewerbeverordnung NRW (1) Abweichend von § 9 Arbeitszeitgesetz dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in den folgenden Bereichen beschäftigt werden, soweit die Arbeiten für den Betrieb unerläßlich sind und nicht an Werktagen durchgeführt werden können: […] 11. in öffentlichen Bibliotheken, soweit sie ihre Funktionen nach § 47 und § 48 Absätze 4 bis 6 des Kulturgesetzbuches vom 1. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1353) in der jeweils geltenden Fassung erfüllen, bis zu 6 Stunden.

§ 47 Kulturgesetzbuch NRW (Aufgaben der Bibliotheken)
(1) Bibliotheken sind zur Benutzung bestimmte und erschlossene Sammlungen von Büchern sowie anderen Medien- und Informationsangeboten, auch digitaler Art. Sie tragen in besonderer Weise zur Verwirklichung des Grundrechts aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes bei, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert unterrichten zu können.

(2) Als Bildungs- und Informationseinrichtungen unterstützen Bibliotheken das selbstbestimmte lebensbegleitende Lernen, die Leseförderung sowie die Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz

(3) Als Kultureinrichtungen stellen sie Räume für Begegnungen, Kommunikation, Integration und Kreativität zur Verfügung, gestalten diese aktiv und bieten ein vielfältiges Programm an. Sie haben auch die Funktion eines Dritten Orts im Sinne von § 14 Absatz 4 Satz 1. (4) Als Gedächtnisinstitutionen pflegen, bewahren und erschließen Bibliotheken wertvolle Altbestände und Sammlungen und machen sie der Öffentlichkeit in analoger oder digitaler Form zugänglich. § 48 Kulturgesetzbuch NRW (Öffentliche Bibliotheken) […]

(4) Öffentliche Bibliotheken leisten durch ein fachlich kuratiertes Informationsangebot einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Informationsfreiheit. Daher sind sie bei der Auswahl ihrer Medien unabhängig und an Weisungen nicht gebunden.

(5) Öffentliche Bibliotheken sind unter Beachtung des Hausrechts und im Rahmen der Benutzungsregelungen ihrer Träger frei zugänglich. Sie ermöglichen Nutzerinnen und Nutzern einen niedrigschwelligen und ungehinderten Zugang zu Informationen und tragen so wesentlich zur Vermittlung von allgemeiner, interkultureller und staatsbürgerlicher Bildung bei. Zudem ermöglichen und unterstützen sie die demokratische Willensbildung und gleichberechtigte Teilhabe sowie die gesellschaftliche Integration. Das Land unterstützt die Öffentlichen Bibliotheken bei der nutzerfreundlichen Ausweitung der Öffnungszeiten.

(6) Als Orte der Begegnung, der Kommunikation, des kulturellen Austausches und der gesellschaftlichen Integration können Bibliotheken zentrale Orte der Kultur und der außerschulischen Bildung sein und dazu beitragen, kulturelle Aktivitäten in der Region zu bündeln und zugänglich zu machen

 

 

Mai 2023

Sechswöchige Betriebsuntersagung für Frisörgeschäfte im Frühjahr 2020 ("erster Lockdown") verhältnismäßig – keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates zur Regelung von Ausgleichsansprüchen III ZR 41/22


Karsruhe. 11. Mai 2023 - Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute über die Frage entschieden, ob der Staat für Einnahmeausfälle haftet, die durch die vorübergehende landesweite Schließung von Frisörbetrieben im Frühjahr 2020 im Rahmen der Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus entstanden sind ("erster Lockdown").

Sachverhalt: Die Klägerin ist selbständig tätig und betreibt einen Frisörsalon in gemieteten Räumlichkeiten. Durch Verordnungen vom 17. und 20. März 2020 untersagte das beklagte Land Baden-Württemberg vorübergehend den Betrieb zahlreicher Einrichtungen. Dazu gehörten auch Frisörgeschäfte. Der Betrieb der Klägerin war in dem Zeitraum vom 23. März bis zum 4. Mai 2020 geschlossen, ohne dass die COVID-19-Krankheit zuvor dort aufgetreten war. Die Klägerin war auch nicht ansteckungsverdächtig.


Aus dem Soforthilfeprogramm des beklagten Landes erhielt sie 9.000 €, die sie allerdings zurückzahlen muss. Die Klägerin hat geltend gemacht, das beklagte Land schulde ihr eine Entschädigung in Höhe von 8.000 € für die mit der Betriebsschließung verbundenen erheblichen finanziellen Einbußen (Verdienstausfall, Betriebsausgaben). Die Maßnahme sei zum Schutz der Allgemeinheit nicht erforderlich gewesen.


Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist vor dem Oberlandesgericht erfolglos geblieben. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der III. Zivilsenat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Er hat seine Rechtsprechung (Urteil vom 17. März 2022- III ZR 79/21, BGHZ 233, 107) bestätigt, wonach Gewerbetreibenden, die im Rahmen der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie als infektionsschutzrechtliche Nichtstörer durch eine flächendeckende, rechtmäßig angeordnete Schutzmaßnahme, insbesondere eine Betriebsschließung oder Betriebsbeschränkung, wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, weder nach den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes noch nach dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht oder kraft Richterrechts Entschädigungsansprüche zustehen.

Die sechswöchige Betriebsuntersagung für Frisöre war auch unter Berücksichtigung der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Berufsfreiheit und des von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verhältnismäßig. Die landesrechtlichen Regelungen, die Betriebsschließungen anordneten, verfolgten das Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und die durch die Corona-Pandemie hervorgerufenen Gefahren, insbesondere auch die der Überlastung des Gesundheitssystems, zu bekämpfen.

Damit erfüllte der Staat seine Schutzpflicht für Leben und Gesundheit der Bürger und verfolgte mithin einen legitimen Zweck. Das Gewicht des Eingriffs in die vorgenannten Grundrechtspositionen wurde durch die verschiedenen und umfangreichen staatlichen Hilfsmaßnahmen für die von der Betriebsuntersagung betroffenen Unternehmen entscheidend relativiert. Allein die "Soforthilfe Corona", die ab dem 25. März 2020 zur Verfügung stand, und für Betriebe mit bis zu fünf Beschäftigen bis zu 9.000 € betragen konnte, führte in Baden-Württemberg zu 245.000 Bewilligungen mit einem Gesamtvolumen von 2,1 Milliarden Euro.

Der Verordnungsgeber hatte zudem von Anfang an eine "Ausstiegs-Strategie" im Blick und verfolgte ein schrittweises Öffnungskonzept. Der Umstand, dass die infektionsschutzrechtlichen Betriebsuntersagungen aus dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 nach dem geltenden Recht (§ 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 56, 65 IfSG) keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche begründen, ist auch im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG ebenfalls nicht zu beanstanden.

Der Gesetzgeber war verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, für Belastungen, wie sie für die Klägerin mit der in den Betriebsuntersagungen liegenden Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einhergingen, Ausgleichsansprüche zu regeln. Eine Betriebsschließung von sechs Wochen war angesichts der gesamten wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen Auswirkungen der Pandemie und unter Berücksichtigung des grundsätzlich von der Klägerin zu tragenden Unternehmerrisikos nicht unzumutbar.

Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Staates ist begrenzt. Dementsprechend muss der Staat in Pandemiezeiten sich gegebenenfalls auf seine Kardinalpflichten zum Schutz der Bevölkerung beschränken.

Vorinstanzen: Landgericht Heilbronn - Urteil vom 17. Dezember 2020 – I 4 O 83/20 Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 9. Februar 2022 – 4 U 28/21


Die maßgeblichen Vorschriften lauten: Art. 12 GG – Berufsfreiheit (1)
1 Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.
2 Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Art. 14 GG – Eigentum, Erbrecht und Enteignung 1 Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.

2 Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. § 28 IfSG - Schutzmaßnahmen (1) 1 Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 28a, 28b und 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

2 Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. § 32 IfSG – Erlass von Rechtsverordnungen 1 Die Landesregierungen werden ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 28b und 29 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen.

2 Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen. § 56 IfSG – Entschädigung (1) 1 Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. § 65 IfSG – Entschädigung bei behördlichen Maßnahmen (1)


1 Soweit auf Grund einer Maßnahme nach den §§ 16 und 17 Gegenstände vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in ihrem Wert gemindert werden oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird, ist eine Entschädigung in Geld zu leisten; eine Entschädigung erhält jedoch nicht derjenige, dessen Gegenstände mit Krankheitserregern oder mit Gesundheitsschädlingen als vermutlichen Überträgern solcher Krankheitserreger behaftet oder dessen verdächtig sind. 2 § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist entsprechend anzuwenden.


Bundesgerichtshof zur Endgerätewahlfreiheit bei einem Mobilfunkvertrag mit Internetnutzung


Karlsruhe, 4. Mai 2023 - III ZR 88/22 - Der für Rechtsstreitigkeiten über Dienstverhältnisse zuständige III. Zivilsenat hat entschieden, dass in einem Mobilfunkvertrag die Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Telekommunikationsunternehmens unwirksam ist, mit der der Gebrauch des Internetzugangs auf Endgeräte beschränkt wird, die eine mobile Nutzung unabhängig von einem permanenten kabelgebundenen Stromanschluss ermöglichen. Sachverhalt: Der Kläger ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.

Das beklagte Telekommunikationsunternehmen verwendet in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Mobilfunkverträge mit Internetnutzung u.a. die folgende Bestimmung: "Der mobile Internetzugang kann/darf nur mit Smartphones, Tablets oder sonstigen Geräten genutzt werden, die eine mobile Nutzung unabhängig von einem permanenten kabelgebundenen Stromanschluss ermöglichen (nicht z.B. in stationären LTE-Routern)."

Der Kläger nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, es zu unterlassen, in Bezug auf Telekommunikationsverträge mit Verbrauchern diese oder eine inhaltsgleiche Klausel zu verwenden. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die von der Beklagten verwendete Klausel hält einer Inhaltskontrolle nicht stand. Sie verstößt gegen die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union normierte Endgerätewahlfreiheit und ist daher gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Die gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV in allen ihren Teilen verbindliche und in jedem Mitgliedstaat unmittelbar geltende Verordnung (EU) 2015/2120 bestimmt in ihrem Art. 3 Abs. 1, dass Endnutzer eines Internetzugangsdienstes das Recht haben, den Internetzugang mit Endgeräten ihrer Wahl zu nutzen. Der Umfang dieser Endgerätewahlfreiheit richtet sich nicht danach, ob dem Internetzugangsdienst ein Mobilfunkvertrag, ein Festnetzvertrag oder ein anderer Vertragstyp zugrunde liegt. Anknüpfungspunkt für die Endgerätewahlfreiheit ist der Internetzugangsdienst und damit unabhängig von der verwendeten Netztechnologie und den verwendeten Endgeräten der durch den Dienst bereitgestellte Zugang zum Internet.

Bei der Nutzung dieses Zugangs kann der Endnutzer grundsätzlich frei unter den zur Verfügung stehenden Endgeräten wählen. Die Endgerätewahlfreiheit kann nicht wirksam abbedungen werden. Eine Regelung im Sinne der von der Beklagten verwendeten Klausel, die die Nutzung bestimmter Endgeräte ausschließt, obwohl sie technisch zur Herstellung einer Internetverbindung über das Mobilfunknetz geeignet sind, ist daher unwirksam.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 307 Abs. 1 und 2 BGB (1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.


(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung 1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder 2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) 2015/2120

Endnutzer haben das Recht, über ihren Internetzugangsdienst, unabhängig vom Standort des Endnutzers oder des Anbieters und unabhängig von Standort, Ursprung oder Bestimmungsort der Informationen, Inhalte, Anwendungen oder Dienste, Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten, Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen und Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen.

Vorinstanzen: LG München I - Urteil vom 28. Januar 2021 - 12 O 6343/20 OLG München - Urteil vom 17. Februar 2022 - 29 U 747/21

April 2023

Unfall oder Diebstahl – Pedelec richtig versichern
Wer braucht ein Versicherungskennzeichen? Hausratversicherung mit Zusatzbaustein
Coburg,  26.04.2023 - Vorbei die Zeiten, in denen allein Kondition entschied, wer mit wem Radfahren geht. Dem Pedelec sei Dank: Heute können Trainierte und Untrainierte ganz entspannt miteinander radeln. Wer nicht allein mit Muskelkraft fährt, sollte aber im Hinterkopf haben, dass es oft schwerfällt, ein normales Rad von der motorunterstützten Variante zu unterscheiden. Wenn Geschwindigkeiten falsch eingeschätzt werden, ist ein Unfall schnell passiert. Dann ist der richtige Versicherungsschutz wichtig.

Welche Variante die richtige ist, hängt von der Geschwindigkeit des jeweiligen Modells ab. Beim Großteil der Pedelecs handelt es sich um Räder mit elektrischer Tretunterstützung, die sich ab 25 Stundenkilometern abschaltet. Wie die HUK-COBURG mitteilt, sind diese Pedelecs den Fahrrädern gleichgestellt. Sie lassen sich ohne Zulassung, Führerschein und Versicherungskennzeichen fahren. Das Unfallrisiko ist oft – aber nicht immer – in einer bestehenden Privathaftpflicht-Versicherung kostenlos miteingeschlossen.

Ein Blick in die Bedingungen oder ein Gespräch mit dem Versicherer klärt, ob die kostenfreie Mitversicherung wirklich besteht. Andere Spielregeln gelten für Fahrer:innen schneller S-Pedelecs, deren Motorunterstützung erst bei 45 Kilometern pro Stunde endet. Wer sich auf den Sattel eines S-Pedelecs setzt, muss mindestens 16 Jahre alt sein, einen Führerschein der Klasse AM und eine Kfz-Haftpflichtversicherung besitzen, das dafür notwendige Versicherungskennzeichen gibt es direkt bei der Kfz-Versicherung. Diebstahl nicht ausgeschlossen Genau wie ihre allein mit Muskelkraft betriebenen Pendants, die Fahrräder, werden auch S-Pedelecs gerne gestohlen.

Um dagegen versichert zu sein, brauchen die S-Pedelec-Fahrer:innen neben der Kfz-Haftpflichtversicherung noch eine Teilkasko-Versicherung. Doch auch für Fahrer:innen der langsameren Varianten ist Diebstahlschutz ein Thema: Verschwinden solche Pedelecs nach einem Einbruch in den verschlossenen Keller oder die Einzelgarage, ist das in der Hausratversicherung kostenlos mitversichert. Anders sieht es beim einfachen Diebstahl aus: Wenn also ein abgeschlossenes Pedelec von der Straße weggestohlen wird. Hier kann in der Regel nur der auf seinen Hausratversicherer zählen, der den Zusatzbaustein Fahrraddiebstahl in seinen Vertrag miteingeschlossen hat.

Bis zu welcher Summe die Versicherung im Schadenfall leistet, hat jeder selbst in der Hand. Dieser Schutz greift im Allgemeinen nicht nur 24 Stunden am Tag, sondern im Rahmen der Außenversicherung auch weltweit und er bezieht alle, fest mit dem Fahrrad verbundenen Teile, wie beispielsweise Sattel oder Räder, mit ein. Lose verbundenes Zubehör, wie Anstecklampe oder Fahrradkorb, ist normalerweise nur mitversichert, wenn es zusammen mit dem Pedelec gestohlen wird. Allerdings können solche Regelungen von Versicherer zu Versicherer variieren. An dieser Stelle bringt ein Gespräch mit dem eigenen Hausratversicherer Sicherheit.

Organstreitverfahren und abstrakte Normenkontrollen im Zusammenhang mit dem NRW-Landeshaushalt eingegangen
Münster, 5. April 2023 - Am 5. April 2023 sind beim Verfassungsgerichtshof in Münster ein Organstreitverfahren sowie zwei Verfahren zur abstrakten Normenkontrolle im Zusammenhang mit dem nordrhein-westfälischen Landeshaushalt eingegangen.


Das von den Fraktionen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Freien Demokratischen Partei (FDP) im Landtag Nordrhein-Westfalen gegen das Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen und die Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen eingeleitete Organstreitverfahren richtet sich dagegen, dass der Landesfinanzminister auf der Grundlage des im März 2020 errichteten "Sondervermögens zur Finanzierung aller direkten und indirekten Folgen der Bewältigung der Corona-Krise" (NRW-Rettungsschirmgesetz) im Oktober und November 2022 Kredite aufgenommen hat.

Die Antragsteller sehen dadurch das Budgetrecht des Landtags aus Art. 81 und 83 der Landesverfassung verletzt. Darüber hinaus wenden sich die Mitglieder der Landtagsfraktionen der SPD und der FDP im Wege der abstrakten Normenkontrolle zum einen gegen die Errichtung des "Sondervermögens zur Bewältigung der Krisensituation in Folge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine" (NRW-Krisenbewältigungsgesetz) und zum anderen gegen die Kreditermächtigung im "Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2023" (Haushaltsgesetz 2023).

Sie machen eine Verletzung des Budgetrechts des Landtags bzw. einen Verstoß gegen die im Grundgesetz verankerte "Schuldenbremse" geltend.

VerfGH 32/23, VerfGH 33/23, VerfGH 34/23

Befugnis des Insolvenzverwalters zur Löschung eines Wohnungsrechts des Insolvenzschuldners am eigenen Grundstück

Karlsruhe, 5. April 2023 - BundesgerichtshofBeschluss vom 2. März 2023 – V ZB 64/21 Der unter anderem für Rechtsbeschwerden in Grundbuchsachen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Wohnungsrecht, das am eigenen Grundstück besteht, stets pfändbar ist und bei Insolvenz des wohnungsberechtigen Grundstückseigentümers von dem Insolvenzverwalter gelöscht werden kann.


Sachverhalt: Der Beteiligte zu 1 war eingetragener Eigentümer eines bebauten Grundstücks. An dem Grundstück bestellte er sich selbst ein auf das Gebäude bezogenes Wohnungsrecht mit der Bestimmung, dass die Ausübung des Wohnungsrechts dritten Personen nicht überlassen werden könne, und brachte das Grundstück in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Einlage ein. Die GbR wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen, ebenso erfolgte die Eintragung des Wohnungsrechts.

Über das Vermögen des Beteiligten zu 1 wurde einige Monate später das Insolvenzverfahren eröffnet; der Beteiligte zu 4 wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser nahm im Wege der Insolvenzanfechtung die GbR erfolgreich auf Rückgewähr in Anspruch und erklärte die Auflassung des Grundbesitzes an den Beteiligten zu 1. Er bewilligte und beantragte zudem die Löschung des Wohnungsrechts. Daraufhin wurde der Beteiligte zu 1 wieder als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen; das Wohnungsrecht wurde gelöscht.

Gegen die Löschung des Wohnungsrechts hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt mit dem Ziel der Eintragung eines Amtswiderspruchs. Das Kammergericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde: Das Beschwerdegericht lehnt es zu Recht ab, das Grundbuchamt zur Eintragung eines Widerspruchs gegen die Löschung des Wohnungsrechts anzuweisen, weil durch die Löschung des Wohnungsrechts keine gesetzlichen Vorschriften verletzt worden sind. Der Beteiligte zu 4 war als Insolvenzverwalter befugt, die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen.

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse auf den Insolvenzverwalter über. Dem Insolvenzschuldner wird, soweit die Insolvenzmasse betroffen ist, auch die Bewilligungsbefugnis entzogen; sie wird durch den Insolvenzverwalter ausgeübt. Die Bewilligungsbefugnis des Insolvenzverwalters umfasst dagegen nicht das Vermögen, das nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO).

Grundsätzlich gehören beschränkte persönliche Dienstbarkeiten und damit auch das Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) als Sonderfall der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit allerdings nicht zur Insolvenzmasse, weil sie gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht übertragbar und deshalb nicht pfändbar sind (§ 851 Abs. 1, § 857 Abs. 1 ZPO). Etwas anderes gilt gemäß § 857 Abs. 3 ZPO dann, wenn die Überlassung der Ausübung an einen anderen nach § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet ist. Daran fehlt es hier.

Gleichwohl ist das Wohnungsrecht des Beteiligten zu 1 pfändbar und fällt in die Insolvenzmasse, weil der Beteiligte zu 1 das Eigentum an dem Grundstück zurückerlangt hat und das Wohnungsrecht dadurch zum Eigentümerwohnungsrecht geworden ist. Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat bereits 1964 entschieden, dass eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit dann pfändbar ist, wenn der Eigentümer des Grundstücks und der Berechtigte personenidentisch sind. Er hält an dieser Ansicht, die auch für das Wohnungsrecht gilt, fest.

Das Gesetz geht in den §§ 1090 ff. BGB davon aus, dass die beschränkte persönliche Dienstbarkeit an einem fremden Grundstück besteht, Eigentümer und Berechtigter also personenverschieden sind. Für das Wohnungsrecht kommt das in § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausdruck. Nach dieser Vorschrift berechtigt das Wohnungsrecht zu einer Nutzung der umfassten Räume durch den Wohnungsberechtigten "unter Ausschluss des Eigentümers". Zwar erlaubt der Bundesgerichtshof die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und damit auch die Bestellung eines Wohnungsrechts am eigenen Grundstück.

Das hat seinen Grund darin, dass dafür im Zusammenhang mit der Vertragsgestaltung, insbesondere bei der Veräußerung des Grundstücks, ein praktisches Bedürfnis bestehen kann, ändert aber nichts daran, dass nach dem gesetzlichen Leitbild Grundstückseigentümer und Berechtigter personenverschieden sind. Dieses gesetzliche Leitbild liegt gerade auch der Vorschrift der § 1092 Abs. 1 BGB zugrunde, die zum Ausschluss der Pfändbarkeit führen kann. Auf ein Eigentümerwohnungsrecht kann sich der Ausschluss der Pfändbarkeit nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht erstrecken.


Die Vorschrift des § 1092 Abs. 1 BGB dient dem Schutz des Eigentümers. Sie trägt dem persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Eigentümer und Berechtigtem Rechnung und schließt es aus, dass der Berechtigte ohne Mitwirkung des Eigentümers ausgetauscht werden kann. Das zeigt, dass der Ausschluss der Pfändbarkeit ein Fremdrecht voraussetzt. Für die beschränkte persönliche Dienstbarkeit und insbesondere das Wohnungsrecht an eigenen Grundstücken ist § 1092 Abs. 1 BGB deshalb teleologisch einzuschränken.

Der Berechtigte, der zugleich Eigentümer ist, muss sich so behandeln lassen, als habe er es gemäß § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet, die Ausübung einem anderen zu überlassen. Infolgedessen ist ein Eigentümerwohnungsrecht stets – und damit auch hier –pfändbar. Hierfür spielt es keine Rolle, ob das Wohnungsrecht von Anfang an als Eigentümerwohnungsrecht bestellt wird oder ob es nachträglich zu einer Vereinigung von Wohnungsrecht und Eigentum in einer Person kommt.


Aufgrund der Pfändbarkeit fällt das Eigentümerwohnungsrecht bei Insolvenz des wohnungsberechtigten Grundstückseigentümers in die Insolvenzmasse und ist von dem Insolvenzverwalter zu verwerten. Der Insolvenzverwalter ist befugt, im Rahmen der Verwertung die Löschung des Wohnungsrechts zu bewilligen, etwa um das Grundstück lastenfrei veräußern zu können.


Vorinstanzen: Kammergericht – Beschluss vom 7. Oktober 2021 – 1 W 342/21 Amtsgericht Charlottenburg – Grundbuchamt – Beschluss vom 9. September 2021 – 40 BG-2329 Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 1092 BGB Unübertragbarkeit; Überlassung der Ausübung (1) Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist nicht übertragbar. Die Ausübung der Dienstbarkeit kann einem anderen nur überlassen werden, wenn die Überlassung gestattet ist. (…) § 1093 BGB Wohnungsrecht (1) Als beschränkte persönliche Dienstbarkeit kann auch das Recht bestellt werden, ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung zu benutzen. (…) (…)
§ 19 GBO [Bewilligungsgrundsatz] Eine Eintragung erfolgt, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird. § 53 GBO [Widerspruch und Löschung von Amts wegen] (1) Ergibt sich, daß das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist, so ist von Amts wegen ein Widerspruch einzutragen. (…) (…)
§ 851 ZPO Nicht übertragbare Forderungen (1) Eine Forderung ist in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung nur insoweit unterworfen, als sie übertragbar ist. (…)
§ 857 ZPO Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte (1) Für die Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen sind, gelten die vorstehenden Vorschriften entsprechend. (…) (3) Ein unveräußerliches Recht ist in Ermangelung besonderer Vorschriften der Pfändung insoweit unterworfen, als die Ausübung einem anderen überlassen werden kann. (…)
§ 35 InsO Begriff der Insolvenzmasse (1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). (…)
§ 36 InsO Unpfändbare Gegenstände (1) Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nicht zur Insolvenzmasse. (…) (…)
§ 80 InsO Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts (1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

März 2023

Organstreitverfahren wegen Nichtvorlage von Akten an den "PUA II - Hochwasserkatastrophe" eingegangen

Münster, 31. März 2023 - Drei Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses II der 18. Wahlperiode des Landtags Nordrhein-Westfalen ("PUA II – Hochwasserkatastrophe") haben am 29. März 2023 beim Verfassungsgerichtshof in Münster ein Organstreitverfahren gegen die Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung (Ina Scharrenberg) des Landes Nordrhein-Westfalen eingeleitet.


Der "PUA II – Hochwasserkatastrophe" soll mögliche Versäumnisse, Fehleinschätzungen und mögliches Fehlverhalten der damaligen Landesregierung, insbesondere der zuständigen Ministerien sowie der ihnen nachgeordneten Behörden während der Hochwasserkatastrophe untersuchen, die sich Mitte Juli 2021 ereignet hatte.


Die Antragsteller begehren die Feststellung, dass die Antragsgegnerin dadurch gegen Art. 41 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 3 der Landesverfassung verstoßen habe, dass sie dem "PUA II – Hochwasserkatastrophe" einen Teil der auf Grundlage des Beweisbeschlusses Nr. 13 vom 4. November 2022 angeforderten und in ihrem Geschäftsbereich geführten Akten nicht vorgelegt habe. VerfGH 31/23

 

Kinderehe
Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen mangels Regelungen zu den Folgen und zu Fortführungsmöglichkeiten nach inländischem Recht unwirksamer Auslandskinderehen mit dem Grundgesetz unvereinbar

Karlsruhe, 29. März 2023 -  Der Gesetzgeber ist grundsätzlich befugt, die inländische Wirksamkeit im Ausland wirksam geschlossener Ehen von einem Mindestalter der Beteiligten abhängig zu machen. Ihm ist es auch nicht von vornherein verwehrt, bei Unterschreiten dieses Alters im Zeitpunkt der Eheschließung ohne Einzelfallprüfung die Nichtigkeit der Ehe anzuordnen.

Allerdings bedarf es dann Regelungen über die Folgen der Unwirksamkeit, etwa über Unterhaltsansprüche, und über eine Möglichkeit, die betroffene Auslandsehe nach Erreichen der Volljährigkeit auch nach deutschem Recht als wirksame Ehe führen zu können.

Da das Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen derartige Regelungen nicht enthält, hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss den im Rahmen eines Vorlageverfahrens zur Überprüfung gestellten Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB für mit der Ehefreiheit des Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt.

Die Vorschrift bleibt jedoch zunächst mit vom Gericht näher festgelegten Maßgaben zu Unterhaltsansprüchen in Kraft. Der Gesetzgeber hat bis längstens 30. Juni 2024 Zeit, eine in jeder Hinsicht verfassungsgemäße Regelung zu schaffen.

 

 

EU: „Recht auf Reparatur“

Brüssel, 22. März 2023 - Entsorgte Produkte sind häufig noch gebrauchsfähige Waren, die repariert werden können, aber oft vorzeitig weggeworfen werden. Dies verursacht jährlich 35 Millionen Tonnen Abfall. Dagegen will die EU-Kommission vorgehen. Mit einem Vorschlag zum „Recht auf Reparatur“ soll es für Verbraucherinnen und Verbrauchern künftig einfacher und kostengünstiger werden, Waren zu reparieren, statt sie ersetzen zu lassen.

Frans Timmermans, Exekutiv-Vizepräsident für den europäischen Grünen Deal, sagte: „Reparatur ist ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, das Modell der Wegwerfgesellschaft ad acta zu legen, das für unseren Planeten, unsere Gesundheit und unsere Wirtschaft so schädlich ist. Ein fehlerhaftes Kabel oder ein beschädigter Ventilator muss nicht bedeuten, dass man ein ganz neues Produkt kaufen muss. Im vergangenen Jahr haben wir Vorschriften vorgeschlagen, um sicherzustellen, dass Produkte grundsätzlich reparierbar sind. Heute schlagen wir vor, die Reparatur zu einer einfachen und attraktiven Option für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu machen.“


Neue Maßnahmen zur Förderung und Erleichterung von Reparatur und Wiederverwendung

Der Vorschlag sieht ein „Recht auf Reparatur“ für Verbraucherinnen und Verbraucher sowohl innerhalb als auch außerhalb der gesetzlichen Garantie.

Im Rahmen der gesetzlichen Garantie werden Verkäufer Reparaturen anbieten müssen, es sei denn, diese sind teurer als der Ersatz.


Über die gesetzliche Garantie hinaus wird den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein neues Paket von Rechten und Instrumenten zur Verfügung stehen, um eine Reparatur zu einer einfachen und verfügbaren Option zu machen:
Anspruch der Verbraucher/innen gegenüber Herstellern auf Reparatur von Produkten, die nach EU-Recht technisch reparierbar sind, wie Waschmaschinen oder Fernsehgeräte. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich Verbraucher/innen jederzeit an jemanden wenden können, wenn sie sich für eine Reparatur ihres Produkts entscheiden. Auch soll es die Hersteller dazu anregen, nachhaltigere Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Verpflichtung der Hersteller zur Unterrichtung der Verbraucher/innen über die Produkte, die sie selbst reparieren müssen.


Eine Matchmaking-Reparaturplattform im Internet, um Verbraucherinnen und Verbrauchern die Kontaktaufnahme zu Reparaturbetrieben und Verkäufern instandgesetzter Waren in ihrer Region zu ermöglichen. Die Plattform soll die Suche nach Standorten und Qualitätsstandards ermöglichen, sie soll den Verbraucherinnen und Verbrauchern helfen, attraktive Angebote zu finden, und die Sichtbarkeit von Reparaturbetrieben erhöhen.


Ein europäisches Formular für Reparaturinformationen, das die Verbraucher/innen von jedem Reparaturbetrieb verlangen können. Das soll Transparenz in Bezug auf die Reparaturbedingungen und den Preis schaffen und den Verbraucherinnen und Verbrauchern der Vergleich von Reparaturangeboten erleichtern.

Ein europäischer Qualitätsstandard für Reparaturdienstleistungen wird entwickelt. Er soll den Verbraucherinnen und Verbrauchern dabei helfen, Reparaturbetriebe zu ermitteln, die sich zu einer höheren Qualität verpflichten. Dieser Standard für eine „einfache Reparatur“ steht allen Reparaturbetrieben in der gesamten EU offen. Sie müssen bereit sein, sich zu Mindestqualitätsstandards zu verpflichten, etwa in Bezug auf die Lebensdauer oder die Verfügbarkeit von Produkten.

 

Der Kommissionsvorschlag muss vom Europäischen Parlament und vom Rat angenommen werden.


Deutsche Umwelthilfe begrüßt Urteil des EuGH zu Abschalteinrichtungen bei Diesel-Pkw
21. März 2023 - Bestätigung der Illegalität von Temperaturabschaltungen der Abgasreinigung erfolgt in den von der Deutschen Umwelthilfe geführten Verfahren Europäischer Gerichtshof bestätigt: Durch illegale Abschalteinrichtungen betrogene Kunden können Anspruch auf Gewährleistung durch Automobilhersteller haben – von diesem Urteil sind bis zu 10 Millionen Besitzer von Diesel-Pkw betroffen Voraussetzung für die zivilrechtlichen Ansprüche ist nach der heutigen EuGH-Entscheidung, dass die Temperaturabschaltungen unzulässig waren.

Dies wird in den durch die Deutsche Umwelthilfe vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit geführten Verfahren entschieden. Die Musterentscheidung des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 20. Februar 2023 bestätigt die Unzulässigkeit.

DUH-BGF Resch: „Das Kraftfahrtbundesamt und das zuständige Bundesverkehrsministerium haben viele Jahre die Profite der Dieselkonzerne über das Wohl der Menschen gestellt – das heutige Urteil verpflichtet das Kraftfahrtbundesamt, nun eine Hardwarenachrüstung oder alternativ Stilllegung der Fahrzeuge anzuordnen!“

Nur einen Monat nach dem Grundsatzurteil des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 20. Februar 2023 folgt heute der nächste Paukenschlag in der um mehr als sieben Jahre verspäteten Dieselgate-Aufarbeitung. Der Europäische Gerichtshof hat die Hürden für eine Schadensersatzklage für bis zu 10 Millionen betroffene Dieselfahrer gegen die Autohersteller erheblich gesenkt (Aktenzeichen: C-100 / 21).

Während der Bundesgerichtshof (BGH) zuvor noch den Nachweis einer „vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung“ verlangte, ist jetzt nur noch der Nachweis einer fahrlässigen Pflichtverletzung notwendig. „Dieses Urteil ist ein großer Erfolg für den Verbraucherschutz. Entscheidend wird nun sein, dass die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtungen abschließend gerichtlich festgestellt wird. Dazu sind bereits Verfahren zu über 100 Typgenehmigungen gegen das KBA anhängig.

Alles spricht dafür, dass diese abschließend so ausgehen, wie das Verwaltungsgericht Schleswig zuletzt in dem Musterfall entschieden hat. Die Zivilgerichte müssen diese verwaltungsgerichtlichen Weichenstellungen übernehmen“, so Rechtsanwalt Remo Klinger, der die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in allen Dieselgate-Verfahren vertritt.

Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hatte diverse Betrugsdiesel durch Freigabebescheide nach einem Software-Update wieder auf die Straße gelassen. Die DUH hatte diesbezüglich geklagt und am 20. Februar 2023 in einem Musterverfahren an einem VW Golf mit dem Motor EA189 gewonnen: Der Freigabebescheid wurde aufgehoben, da nach wie vor unzulässige Abschalteinrichtungen vorhanden sind.

Insgesamt hat die DUH 119 Freigabebescheide für Betrugsdiesel verschiedener Hersteller beklagt. Mittelbar sind bis zu 10 Millionen Autos in Deutschland betroffen. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch kommentiert: „Das KBA und das zuständige Bundesverkehrsministerium haben viele Jahre die Profite der Dieselkonzerne über das Wohl der Menschen gestellt. Wir werden mit unseren weiteren Klageverfahren gegen das Kraftfahrtbundesamt sicherstellen, dass alle Betrugsdiesel entweder stillgelegt oder mit einer funktionierenden Abgasanlage nachgerüstet werden.“

Bundesgerichtshof bejaht "Beschlusszwang" für bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums nach neuem Wohnungseigentumsrecht Urteil vom 17. März 2023 - V ZR 140/22

Karlsruhe, 17. März 2023 - Der Bundesgerichtshof hat sich heute mit dem neuen Wohnungseigentumsrecht befasst und entschieden, dass ein Wohnungseigentümer, der eine in der Gemeinschaftsordnung nicht vorgesehene bauliche Veränderung vornehmen will, einen Gestattungsbeschluss notfalls im Wege der Beschlussersetzungsklage herbeiführen muss, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird.

Sachverhalt: Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit zwei Doppelhaushälften auf einem im Gemeinschaftseigentum stehenden Grundstück. Nach der Gemeinschaftsordnung von 1971 bestimmt sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nach dem Gesetz, wobei jedem Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht an dem an die jeweilige Haushälfte anschließenden Gartenteil zusteht. Ausweislich einer späteren Ergänzung der Teilungserklärung sind sie insoweit allein für Reparaturen und Instandhaltungen verantwortlich und kostenpflichtig.


Die Beklagten beabsichtigen gegen den Willen der Klägerin den Bau eines Swimmingpools in der von ihnen genutzten Hälfte des Gartens. Bisheriger Prozessverlauf: Nachdem die Beklagten mit dem Bau des Swimmingpools begonnen hatten, hat die Klägerin Unterlassungsklage erhoben, die bei Amts- und Landgericht Erfolg gehabt hat. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollten die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.


Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision zurückgewiesen. Das Landgericht hat der Unterlassungsklage zu Recht stattgegeben. Dabei ist es der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechend davon ausgegangen, dass die Prozessführungsbefugnis der Klägerin fortbesteht, da die Klage noch unter dem alten Recht erhoben worden ist.

Im Ausgangspunkt steht der Klägerin ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Bauliche Veränderungen müssen nämlich gemäß § 20 Abs. 1 WEG durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer gestattet werden. Daran fehlt es hier. Die Wohnungseigentümer haben das Beschlusserfordernis auch nicht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG abbedungen. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der Gemeinschaftsordnung nebst Ergänzung.

Zwar steht den Beklagten ein Sondernutzungsrecht an dem hälftigen Grundstück zu. Ein solches Sondernutzungsrecht berechtigt aber nicht zu grundlegenden Umgestaltungen der jeweiligen Sondernutzungsfläche, die wie der Bau eines Swimmingpools über die übliche Nutzung hinausgehen. Hierbei handelt es sich auch nicht um eine Reparatur oder Instandsetzung.


Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte für eine konkludente, von dem grundsätzlichen Beschlusserfordernis bei baulichen Veränderungen abweichende Vereinbarung. Dies lässt sich insbesondere nicht etwaigen baulichen Veränderungen entnehmen, die die Klägerin selbst ohne das Einverständnis der Beklagten vorgenommen haben soll. Diesem Unterlassungsanspruch können die Beklagten einen eventuellen Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderung gemäß § 20 Abs. 3 WEG nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenhalten.

Zwar kann gemäß § 20 Abs. 3 WEG jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind oder wenn kein anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigt wird.

Die fehlende Beeinträchtigung der Klägerin und damit einen Gestattungsanspruch der Beklagten musste der Bundesgerichtshof für die Revisionsinstanz unterstellen, weil das Landgericht diese Frage offengelassen und keine Feststellungen insbesondere zu der Grundstücksgröße und den baulichen Verhältnissen vor Ort getroffen hatte. Auch wenn ein bestehender Gestattungsanspruch unterstellt wird, muss die Gestattung durch Beschluss der Wohnungseigentümer erfolgen.

Die vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes zum 1. Dezember 2020 umstrittene Frage, ob bauliche Veränderungen eines Beschlusses bedürfen, hat der Gesetzgeber in Kenntnis dieses Streits nunmehr eindeutig entschieden, um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden und die vielfältigen Zweifelsfragen im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen zu beseitigen. Danach bedarf jede von einem einzelnen Wohnungseigentümer beabsichtigte bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eines legitimierenden Beschlusses, auch wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird.

So wird sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums informiert werden. Damit ist das Verfahren bei beabsichtigter baulicher Veränderung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer vorgezeichnet. Es ist Sache des bauwilligen Wohnungseigentümers, einen Gestattungsbeschluss gegebenenfalls im Wege der Beschlussersetzungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG) herbeizuführen, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird.

Handelt er dem zuwider, haben die übrigen Wohnungseigentümer einen Unterlassungsanspruch. Dass der bauwillige Wohnungseigentümer dem Unterlassungsanspruch seinen Gestattungsanspruch nicht unter Berufung auf Treu und Glauben entgegenhalten kann, ist keine bloße Förmelei. Es ist gerade Sache des bauwilligen Wohnungseigentümers, den gesetzlich geforderten Beschluss über die bauliche Veränderung herbeizuführen. Notfalls muss er Beschlussersetzungsklage erheben.

Demgegenüber sollen die übrigen Wohnungseigentümer nicht in die Rolle gedrängt werden, auf die Erhebung einer Klage durch die Gemeinschaft hinwirken zu müssen. Vorteil dieses nunmehr eindeutig geregelten Verfahrens ist außerdem, dass mit Bestandskraft eines gestattenden Beschlusses (bzw. Rechtskraft eines Urteils, das einen Gestattungsbeschluss ersetzt) zwischen den Wohnungseigentümern ebenso wie im Verhältnis zu deren Rechtsnachfolgern feststeht, dass die bauliche Veränderung zulässig ist.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 20 WEG: Abs. 1: "Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), können beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden".

Abs. 2 (…) Abs. 3: "Unbeschadet des Absatzes 2 kann jeder Wohnungseigentümer verlangen, dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden sind".


Eilantrag gegen die Auswahl der Abfertigungsdienstleister am Flughafen Düsseldorf abgelehnt
Münster, 3. März 2023 - Die Entscheidung vom 19. Dezember 2022, mit welcher das Verkehrsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen drei Anbieter zur Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten am Flughafen Düsseldorf für die Dauer von sieben Jahren beginnend ab dem 1. April 2023 ausgewählt hat, bleibt sofort vollziehbar.

Das hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 2. März 2023 entschieden.

Nach Ausschreibung der Konzessionen zur Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten am Flughafen Düsseldorf hat das Verkehrsministerium mit seiner Auswahlentscheidung drei Anbieter ausgewählt. Dagegen hat ein unterlegener Mitbewerber, der bisher die Leistungen am dortigen Flughafen erbracht hat, Klage erhoben und im Hinblick auf die behördlich angeordnete sofortige Vollziehung der Auswahlentscheidung Eilrechtsschutz beantragt.

Diesen Eilantrag, mit dem das Unternehmen (Antragstellerin) erreichen wollte, vorläufig bis zur Entscheidung über die Klage weiterhin am Flughafen Düsseldorf tätig sein zu dürfen, hat das Oberverwaltungsgericht mit seinem Beschluss abgelehnt. Zur Begründung hat der - erstinstanzlich zuständige - 20. Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind offen.

Die deshalb gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt zulasten der Antragstellerin aus. Ein öffentliches Vollziehungsinteresse resultiert unter Berücksichtigung der großen verkehrlichen Bedeutung des Flughafens in hohem Maße aus dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung seiner Betriebs- und Funktionsfähigkeit ab dem 1. April 2023, die rechtlich und tatsächlich durch die Vollziehbarkeit der Auswahlentscheidung gewährleistet wird.

Außerdem fällt insofern ins Gewicht, dass die sofortige Vollziehung der Auswahlentscheidung der vom Recht der Europäischen Union vorgesehenen Marktöffnung auf dem Gebiet der Bodenabfertigungsdienste Rechnung trägt. Gegenüber dem demnach erheblichen öffentlichen Vollziehungsinteresse sowie den Vollziehungsinteressen des Flughafenbetreibers und der ausgewählten Bewerber tritt das vordringlich wirtschaftlich begründete Interesse der Antragstellerin zurück, vorläufig weiterhin die Leistungen erbringen zu dürfen.

Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 20 B 71/23.AK

 

Januar 2023

Alkohol im Blut: Hände weg vom Steuer 
- Mitfahrt bei Betrunkenem kann Konsequenzen haben
- Promillegrenzen gelten auch beim Radfahren

Coburg/Duisburg im Januar 2023 - Nach zwei Jahren Pandemie können alle Narren und Jecken endlich wieder feiern. Die fünfte Jahreszeit hat begonnen und nähert sich langsam ihrem Höhepunkt. Für viele Narren gehört ein guter Schluck genauso zum Fasching wie die gute Laune. Doch schon geringe Alkoholmengen genügen, um die Reaktionsfähigkeit drastisch einzuschränken. Bei Fahrauffälligkeiten – wie dem Fahren von Schlangenlinien oder zu dichtem Auffahren – drohen bereits ab 0,3 Promille ein Fahrverbot, Punkte und ein Bußgeld.

Wer mit 0,5 Promille in eine Polizeikontrolle gerät, wird mit mindestens 500 Euro zur Kasse gebeten, darf sich mindestens einen Monat nicht ans Steuer setzen und kassiert zwei Punkte in Flensburg.  Sind Autofahrer:innen mit mehr als 1,1 Promille unterwegs, geht der Gesetzgeber automatisch von absoluter Fahruntüchtigkeit aus. Personen, die die Polizei so antrifft, müssen sich für mindestens sechs Monate von ihrem Führerschein verabschieden. Weitere Konsequenzen sind drei Punkte in Flensburg und eine Geldstrafe. Zudem wird bei solch einer Trunkenheitsfahrt der Führerschein entzogen. Seine Rückgabe muss bei der Straßenverkehrsbehörde beantragt werden. 

Alkohol im Blut: Hände weg vom Steuer Foto: HUK-Coburg

Fahranfänger:innen sollten berücksichtigen: Bis zum 21. Geburtstag beziehungsweise während der Probezeit ist Alkohol am Steuer tabu. Auch Radfahren und Alkohol passen nicht zusammen: Wer angetrunken einen Unfall verursacht, läuft ab 0,3 Promille ebenfalls Gefahr, seinen Führerschein verlieren. Ab 1,6 Promille müssen auch Radfahrer:innen mit einem Verfahren rechnen - unabhängig davon, ob sie einen Führerschein besitzen.

Nicht mit Versicherungsschutz spielen
Soweit die strafrechtliche Seite. War bei einem Unfall Alkohol im Spiel, kann sich das, wie die HUK-COBURG mitteilt, auch auf den Versicherungsschutz auswirken. Inwiefern hängt vom Blutalkoholspiegel und der individuellen Fahrtüchtigkeit ab. Also davon, ob Fahrer oder Fahrerin eine Situation erkannt und angemessen reagiert haben. Wer Schlangenlinien gefahren, von der Straße  Nach zwei Jahren Pandemie können alle Narren und Jecken endlich wieder feiern. Die fünfte Jahreszeit hat begonnen und nähert sich langsam ihrem Höhepunkt.

Für viele Narren gehört ein guter Schluck genauso zum Fasching wie die gute Laune. Doch schon geringe Alkoholmengen genügen, um die Reaktionsfähigkeit drastisch einzuschränken. Bei Fahrauffälligkeiten – wie dem Fahren von Schlangenlinien oder zu dichtem Auffahren – drohen bereits ab 0,3 Promille ein Fahrverbot, Punkte und ein Bußgeld. Wer mit 0,5 Promille in eine Polizeikontrolle gerät, wird mit mindestens 500 Euro zur Kasse gebeten, darf sich mindestens einen Monat nicht ans Steuer setzen und kassiert zwei Punkte in Flensburg. 

Sind Autofahrer:innen mit mehr als 1,1 Promille unterwegs, geht der Gesetzgeber automatisch von absoluter Fahruntüchtigkeit aus. Personen, die die Polizei so antrifft, müssen sich für mindestens sechs Monate von ihrem Führerschein verabschieden. Weitere Konsequenzen sind drei Punkte in Flensburg und eine Geldstrafe. Zudem wird bei solch einer Trunkenheitsfahrt der Führerschein entzogen. Seine Rückgabe muss bei der Straßenverkehrsbehörde beantragt werden.  Fahranfänger:innen sollten berücksichtigen: Bis zum 21. Geburtstag beziehungsweise während der Probezeit ist Alkohol am Steuer tabu.

Auch Radfahren und Alkohol passen nicht zusammen: Wer angetrunken einen Unfall verursacht, läuft ab 0,3 Promille ebenfalls Gefahr, seinen Führerschein verlieren. Ab 1,6 Promille müssen auch Radfahrer:innen mit einem Verfahren rechnen - unabhängig davon, ob sie einen Führerschein besitzen. Nicht mit Versicherungsschutz spielen Soweit die strafrechtliche Seite. War bei einem Unfall Alkohol im Spiel, kann sich das, wie die HUK-COBURG mitteilt, auch auf den Versicherungsschutz auswirken. Inwiefern hängt vom Blutalkoholspiegel und der individuellen Fahrtüchtigkeit ab. Also davon, ob Fahrer oder Fahrerin eine Situation erkannt und angemessen reagiert haben.

Wer Schlangenlinien gefahren, von der Straße abgekommen ist oder Autos gerammt hat, hat diese Grenze überschritten. Wie viel Alkohol zu Ausfallerscheinungen führt, ist bei jedem verschieden. Im Extremfall genügt ein Glas Sekt. Lässt sich der Unfall eindeutig auf Alkoholkonsum zurückführen, greift in der Kfz-Haftpflichtversicherung die Trunkenheitsklausel. Sie befreit den Versicherer von seiner Leistungspflicht. Das heißt: Die Versicherung reguliert den Schaden des Opfers, nimmt aber den Unfallverursacher in Regress.

Maximal 5.000 Euro kann sie sich vom Schädiger oder der Schädigerin zurückholen. In der Kasko-Versicherung kann sich der Versicherer auf Leistungsfreiheit berufen und nur einen Teil des Schadens oder gar nichts bezahlen. Bei 1,1 Promille gilt der Alkoholgenuss automatisch als unfallursächlich. Allerdings genügen auch geringere Mengen, um den Versicherungsschutz ins Wanken zu bringen. Die Gretchenfrage ist und bleibt, ob der Alkohol ursächlich für die Karambolage war. Beifahrer:innen mit in der Verantwortung Auch wer bei seinem alkoholisierten Trinkkumpan ins Auto steigt, muss bei einem Unfall mit Konsequenzen rechnen.

Werden Mitfahrende verletzt, können ihre Ansprüche gekürzt werden, die sie im Normalfall gegen den Verursacher gehabt hätten. Dies gilt zum Beispiel für das Schmerzensgeld. Die Rechtsprechung unterstellt hier, dass Mitfahrende, die sich zu einem Betrunkenen ins Auto setzen, sich selbst gefährden und die Verletzungsfolgen dadurch mit verursacht haben. Selbst am Morgen nach einer fröhlich durchzechten Nacht ist der Alkohol immer noch ein Thema. Schließlich dauert es um die zehn Stunden, bis ein Promille Alkohol im Körper abgebaut wird. Im Zweifelsfall empfiehlt sich der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel.


Zur wettbewerbsrechtlichen Haftung für Affiliate-Partner -  I ZR 27/22

Karlsruhe, 26. Januar 2023 - Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Betreiber eines Affiliate-Programms nicht für die irreführende Werbung eines Affiliate-Partners haftet, wenn dieser im Rahmen eines eigenen Produkt- oder Dienstleistungsangebots tätig geworden ist und es deshalb an einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs des Betreibers des Affiliate-Programms fehlt.


Sachverhalt: Die Klägerin ist eine Matratzenherstellerin. Die Beklagten sind Gesellschaften der Amazon-Gruppe und in unterschiedlichen Funktionen am Betrieb der Online-Verkaufsplattform "Amazon" beteiligt. Im Rahmen des von der Beklagten zu 1 betriebenen Amazon-Partnerprogramms steht es Dritten, sogenannten Affiliates, frei, auf der eigenen Webseite Links auf Angebote der Verkaufsplattform zu setzen.

Wird dadurch ein Verkauf vermittelt, erhält der Affiliate als Provision einen prozentualen Anteil am Kaufpreis. Im Jahr 2019 warb ein Affiliate auf seiner Webseite, die sich im weitesten Sinne mit den Themen Schlaf und Matratzen befasste und zumindest optisch einem redaktionellen Online-Magazin entsprach, unter anderem für Matratzen unter Verwendung von Links auf entsprechende Angebote auf der Verkaufsplattform.

Die Klägerin hält die Werbung des Affiliates für irreführend und hat die Beklagten, denen der Wettbewerbsverstoß ihres Affiliates gemäß § 8 Abs. 2 UWG zuzurechnen sei, auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die beanstandete Werbung sei zwar irreführend und daher wettbewerbswidrig. Die Beklagten hafteten für diesen Wettbewerbsverstoß des Affiliates aber nicht als Täter oder Teilnehmer. Auch die Voraussetzungen einer Haftung des Unternehmensinhabers für Beauftragte nach § 8 Abs. 2 UWG lägen nicht vor.


Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der innere Grund für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten gemäß § 8 Abs. 2 UWG liegt vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber.

Unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Amazon-Partnerprogramms sowie der beanstandeten Webseite des Affiliates fehlt es im Streitfall an einer solchen Erweiterung des Geschäftsbetriebs der Beklagten zu 1 und damit am inneren Grund der Zurechnung gemäß § 8 Abs. 2 UWG. Entwickeln Affiliates eigene Produkte oder Dienstleistungen - hier eine Internetseite mit redaktionell gestalteten Beiträgen zu den Themen Schlaf und Matratzen -, deren Inhalt sie nach eigenem Ermessen gestalten und zum Verdienst von Provisionen bei verschiedenen Anbietern einsetzen, ist die Werbung über den Affiliate-Link ein Teil des Produkts, das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse gestaltet wird.

Die Links werden von ihnen nur gesetzt, um damit zu ihren Gunsten Provisionen zu generieren. Ein solcher eigener Geschäftsbetrieb eines Affiliates stellt keine Erweiterung des Geschäftsbetriebs der Beklagten zu 1 dar. Es fehlt im Streitfall auch an der für eine Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG erforderlichen Beherrschung des Risikobereichs durch die Beklagte zu 1.

Der Affiliate wird bei der Verlinkung nicht in Erfüllung eines Auftrags beziehungsweise der mit Amazon geschlossenen Vereinbarung tätig, sondern im Rahmen des von ihm entwickelten Produkts und allein im eigenen Namen und im eigenen Interesse. Die Beklagte zu 1 musste sich einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss auch nicht sichern, weil sie mit dem Produkt des Affiliates ihren Geschäftsbetrieb nicht erweitert hat.

Vorinstanzen: LG Köln - Urteil vom 20. Mai 2021 - 81 O 62/20 OLG Köln - Urteil vom 11. Februar 2022 - 6 U 84/21

Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 3 Abs. 1 UWG Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UWG (1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. …

(2) Werden die Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unterlassungsanspruch und der Beseitigungsanspruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.


Körperschaftsteuerminderungspotenzial II

Karlsruhe, 26. Januar 2023 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Übergangsregelung des § 36 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der Fassung von § 34 Abs. 13f KStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 (im Folgenden: § 36 Abs. 4 KStG) mit Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) teilweise unvereinbar ist.

Sie führt bei einer bestimmten Eigenkapitalstruktur zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial. Dieses unterfällt, soweit es im Zeitpunkt des Systemwechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren realisierbar war, dem Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG. Der Eingriff in dieses Schutzgut ist nicht gerechtfertigt.

Nach dem bis Ende 2000 geltenden Anrechnungsverfahren wurden nicht ausgeschüttete steuerbare Gewinne von Körperschaften mit (zuletzt) 40 % Körperschaftsteuer belastet (Tarifbelastung). Kam es später zu Gewinnausschüttungen, reduzierte sich der Steuersatz auf (zuletzt) 30 % (Ausschüttungsbelastung). Für die Körperschaft entstand so ein Körperschaftsteuerminderungspotenzial in Höhe der Differenz zwischen Tarif- und Ausschüttungsbelastung, also in Höhe von zuletzt 10 Prozentpunkten.

Beim Anteilseigner erfolgte die Besteuerung der Ausschüttung mit dem individuellen Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen unter Anrechnung der von der Kapitalgesellschaft entrichteten Körperschaftsteuer. Nach dem Halbeinkünfteverfahren wird auf der Ebene der Körperschaft für Gewinne nur noch eine einheitliche und endgültige Körperschaftsteuer in Höhe von (seit 2008) 15 % erhoben. Auf der Ebene des Anteilseigners unterliegt der ausgeschüttete Kapitalertrag nur zur Hälfte (seit 2009 zu 60 %) der Einkommensteuer. § 36 KStG ist Teil der Übergangsvorschriften, die den Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren regeln.

Danach wurden die unter dem Anrechnungsverfahren gebildeten, unterschiedlich mit Körperschaftsteuer belasteten und die nicht belasteten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals in mehreren Schritten zusammengefasst und umgegliedert. Das in den verbleibenden belasteten Eigenkapitalteilen enthaltene Körperschaftsteuerminderungspotenzial wurde in ein Körperschaftsteuerguthaben umgewandelt, das während einer mehrjährigen Übergangszeit abgebaut werden konnte.

Bei der Verrechnung der nicht steuerbelasteten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals untereinander blieb der in § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 bezeichnete Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals (EK 04), in dem offene und verdeckte Einlagen der Gesellschafter erfasst waren, unberücksichtigt. Dies führt in bestimmten Fällen zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial. Die davon betroffene Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen auf § 36 Abs. 4 KStG beruhende finanzbehördliche und finanzgerichtliche Entscheidungen sowie mittelbar gegen die Vorschrift selbst.

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. § 36 Abs. 4 KStG ist mit Art. 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar, soweit die Regelung zu einem Verlust von Körperschaftsteuerminderungspotenzial führt, weil sie den in § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1999 bezeichneten Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals nicht in die Verrechnung der unbelasteten Teilbeträge einbezieht. Die Entscheidung ist mit 6:1 Stimmen ergangen.

 

Bundesgerichtshof entscheidet erneut über Revisionen im Musterfeststellungsverfahren zu Prämiensparverträgen - XI ZR 257/21

 

Karlsruhe, 24. Januar 2023 - Der u.a. für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 24. Januar 2023 erneut über Revisionen des Musterklägers, eines Verbraucherschutzverbands, und der Musterbeklagten, einer Sparkasse, gegen ein Musterfeststellungsurteil des Oberlandesgerichts Dresden über die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen entschieden.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf
Die beklagte Sparkasse schloss seit Anfang der 1990er-Jahre mit Verbrauchern sogenannte Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50% der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. In den Vertragsformularen heißt es u.a.: "Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit …% p.a. verzinst." oder "Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. ...%, am Ende eines Kalender-/Sparjahres […]."

In den in die Sparverträge einbezogenen "Bedingungen für den Sparverkehr" heißt es weiter: "Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist."


Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung der Spareinlagen für zu niedrig. Er verfolgt mit seiner Musterfeststellungsklage sieben Feststellungsziele. Mit diesen macht er die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel, die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und eines monatlichen Zinsanpassungsintervalls sowie die Verpflichtung der Beklagten geltend, die Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode vorzunehmen.


Vorsicht,  juristischer Schachtelsatz:

Darüber hinaus möchte er festgestellt wissen, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens ab der wirksamen Beendigung der Sparverträge fällig werden, dass mit der Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschriften im Sparbuch keine den Verjährungslauf in Gang setzende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen begründenden Umstände verbunden ist und dass die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschriften im Sparbuch nicht dazu führt, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung der Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen gegeben ist.

Das Oberlandesgericht hat der Musterfeststellungsklage teilweise stattgegeben. Der Musterkläger verfolgt seine Feststellungsziele mit der Revision weiter, soweit das Oberlandesgericht die Klage betreffend die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und die Vornahme der Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode abgewiesen hat.


Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage betreffend die Bestimmung eines Referenzzinssatzes weiter.


Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat seine - nach Erlass des hier angefochtenen Musterfeststellungsurteils des Oberlandesgerichts – mit Urteil vom 6. Oktober 2021 (XI ZR 234/20) ergangene Rechtsprechung in dem heute verkündeten Urteil bestätigt.

Dementsprechend hat er auf die Revision des Musterklägers das Musterfeststellungsurteil des Oberlandesgerichts aufgehoben, soweit dieses keinen für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenzzinssatz bestimmt hat. Insoweit hat er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Darüber hinaus hat er entschieden, dass die Zinsanpassungen von der Musterbeklagten unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz (Verhältnismethode) vorzunehmen sind. Das Oberlandesgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, es könne einen Referenzzinssatz deswegen nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen, weil im Verfahren über die Musterfeststellungsklage nicht auszuschließen sei, dass einzelne Sparverträge individuelle Vereinbarungen enthielten.

Solche Individualvereinbarungen sind nur in den Klageverfahren zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten zu berücksichtigen und schließen die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils nach § 613 Abs. 1 ZPO, nicht aber die Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung im Musterfeststellungsverfahren aus.

Da das Oberlandesgericht - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen zu einem geeigneten Referenzzinssatz getroffen hat, wird es dies nach Zurückverweisung des Musterverfahrens nachzuholen haben. Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge ist es interessengerecht, als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen einen Zinssatz oder eine Umlaufrendite mit langer Fristigkeit heranzuziehen.

Bei der Bestimmung des Referenzzinssatzes wird das Oberlandesgericht außerdem zu berücksichtigen haben, dass es sich bei den Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt. Nach der vom Senat vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung ist bei den Zinsanpassungen der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beizubehalten. Nur eine solche Auslegung gewährleistet, dass das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibt, so dass günstige Zinskonditionen günstig und ungünstige Zinskonditionen ungünstig bleiben.


Dass sich die absolute Zinsmarge der Musterbeklagten bei Anwendung der Verhältnismethode im Fall eines Anstiegs des Referenzzinssatzes erhöht und im Fall eines Absinkens des Referenzzinssatzes reduziert, verstößt nicht gegen die Grundsätze des Preisanpassungsrechts, weil die Musterbeklagte keinen Einfluss auf die Höhe der Zinsanpassungen hat.


Das Oberlandesgericht wird erneut über die in einem Eventualverhältnis stehenden Anträge des Musterklägers betreffend den Referenzzinssatz zu entscheiden und dabei mit sachverständiger Hilfe im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung einen Referenzzinssatz zu bestimmen haben.

Dabei wird es zu bedenken haben, dass zur Verfahrensbeschleunigung gemäß § 411a ZPO ein bereits erstelltes Sachverstän-digengutachten dann verwertet werden kann, wenn es in einem anderen Gerichtsverfahren eingeholt worden ist.

Vorinstanz: OLG Dresden - Musterfeststellungsurteil vom 31. März 2021 - 5 MK 2/20 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 411a ZPO Die schriftliche Begutachtung kann durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden.

§ 613 Abs. 1 Satz 1 ZPO (1) Das rechtskräftige Musterfeststellungsurteil bindet das zur Entscheidung eines Rechtsstreits zwischen einem angemeldeten Verbraucher und dem Beklagten berufene Gericht, soweit dessen Entscheidung die Feststellungsziele und den Lebenssachverhalt der Musterfeststellungsklage betrifft.


Anhebung der „absoluten Obergrenze“ für die staatliche Parteienfinanzierung ist verfassungswidrig

Karlsruhe, 24. Januar 2023 - Mit heute verkündetem Urteil hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Erhöhung des jährlichen Gesamtvolumens staatlicher Mittel für die Finanzierung politischer Parteien auf 190 Millionen Euro mit Art. 21 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar und damit nichtig ist.

Mit ihrem Normenkontrollantrag wenden sich 216 Mitglieder des 19. Deutschen Bundestages aus den Fraktionen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE gegen Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze vom 10. Juli 2018 (PartGuaÄndG 2018), durch den das jährliche Gesamtvolumen staatlicher Mittel, das allen politischen Parteien im Wege der staatlichen Teilfinanzierung höchstens ausgezahlt werden darf (sogenannte „absolute Obergrenze“), für die im Jahr 2019 vorzunehmende Festsetzung auf 190 Millionen Euro angehoben wurde.

Die angegriffene Norm verfehlt die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die staatliche Parteienfinanzierung. Sie verstößt gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien, weil der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren nicht ausreichend dargelegt hat, dass der zusätzliche, aus eigenen Mitteln nicht aufzubringende Finanzbedarf der politischen Parteien eine Anhebung der absoluten Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung um knapp 25 Millionen Euro erfordert.

Die Entscheidung ist mit Blick auf die letztlich offen gelassene Frage, ob die angegriffene Vorschrift formell ordnungsgemäß zustande gekommen ist, mit 6:1 Stimmen und im Übrigen einstimmig ergangen.

Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen das gesetzgeberische Unterlassen der Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Bundesautobahnen
Karlsruhe, 17. Januar 2023 - Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem Beschluss eine Verfassungsbeschwerde mangels ausreichender Begründung nicht zur Entscheidung angenommen, mit welcher sich die Beschwerdeführenden gegen die Klimaschutzgesetzgebung der Bundesrepublik und insbesondere gegen die Nichteinführung eines allgemeinen Tempolimits auf Bundesautobahnen richteten.

 

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde einer Zeitungsherausgeberin gegen die gerichtliche Untersagung einer Meinungsäußerung
Achtung: Gerichtliche Formulierung:
Bundesverfassungsgericht Karlsruhe, 13. Januar 2023 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Beschwerdeführerin – Herausgeberin einer Tageszeitung – in ihrer Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt ist, indem ihr die Äußerung „Den Staat lehne [der Antragsteller] (…) ab“ mit der Begründung gerichtlich untersagt wurde, dass für diese Meinung kein Mindestbestand an tatsächlichen Anknüpfungstatsachen festzustellen sei.

Die Berichterstattung betrifft einen Beitrag über eine aus Sicht ehemaliger Mitglieder sektenähnliche Gemeinschaft, der der Antragsteller des Ausgangsverfahrens vorstehe.

 

Eilverfahren gegen Allgemeinverfügung zur Räumung von Lützerath erfolglos
Oberverwaltungsgericht Münster, 09. Januar 2023 - Die Allgemeinverfügung des Landrats des Kreises Heinsberg zur Räumung der Ortslage Lützerath vom 20. Dezember 2022 hat weiterhin Bestand. Das darin ausgesprochene Aufenthalts- und Betretensverbot ist voraussichtlich rechtmäßig. Dies hat heute das Oberverwaltungsgericht entschieden und damit einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Aachen bestätigt.

Der Landrat des Kreises Heinsberg hat mit Allgemeinverfügung vom 20. Dezember 2022 für konkret bezeichnete Flächen der Ortschaft Lützerath den Aufenthalt, das Betreten und Befahren bis zum 13. Februar 2023 untersagt und darauf hingewiesen, dass ab dem 10. Januar 2023 mit Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung durch Ausübung von unmittelbarem Zwang zu rechnen sei.

Die Antragstellerin, die dort für das Bündnis „Die Kirche im Dorf lassen“ Mahnwachen veranstaltet, sieht sich hierdurch in ihren Rechten verletzt und beantragte beim Verwaltungsgericht Aachen vorläufigen Rechtsschutz. Die Antragstellerin machte im Wesentlichen geltend, der Landrat sei für den Erlass der Allgemeinverfügung nicht zuständig gewesen. Auch gebe es für einen mehrwöchigen Platzverweis keine Rechtsgrundlage.

Der Kreis Heinsberg habe zudem ermessensfehlerhaft gehandelt und die Rechtspositionen der vom Platzverweis betroffenen Personen nicht hinreichend berücksichtigt. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Die Allgemeinverfügung ist bei vorläufiger Prüfung rechtmäßig.


Der Landrat durfte sie erlassen, nachdem der Bürgermeister der Stadt Erkelenz ein Einschreiten endgültig abgelehnt hatte. Der Platzverweis ist vom nordrhein-westfälischen Polizeiund Ordnungsrecht gedeckt. Der unberechtigte Aufenthalt von Personen auf den betroffenen Flächen ist ohne Einwilligung der berechtigten RWE Power AG zivilrechtlich  rechtswidrig und stellt damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar.

Soweit die Antragstellerin mit der Beschwerde erstmals vertragliche (Betretens-) Rechte für Teilflächen auf dem Gelände behauptet, ist dies nicht glaubhaft gemacht. Die sich in Lützerath aufhaltenden Personen können sich außerdem nicht auf einen Rechtfertigungsgrund des „zivilen Ungehorsams“ berufen. Das staatliche Gewaltmonopol als Grundpfeiler moderner Staatlichkeit ist einer Relativierung durch jegliche Formen des zivilen Ungehorsams grundsätzlich nicht zugänglich.

Zur Beendigung des Rechtsverstoßes durfte der Platzverweis angeordnet werden; die zulässige Dauer eines Platzverweises nach dem nordrhein-westfälischen Polizeigesetz („vorübergehend“) ist von der im Einzelfall konkret in Rede stehenden Gefahr abhängig. Auf die Frage, ob die Allgemeinverfügung auch mit einer Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit gerechtfertigt werden kann, kommt es nicht an, weil bereits der Schutz der Rechtspositionen der im Verfahren beigeladenen RWE Power AG den Platzverweis trägt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.
 Aktenzeichen: 5 B 14/23 (I. Instanz: VG Aachen 6 L 2/23)

Verfassungsbeschwerden gegen Versammlungsgesetz NRW eingegangen Verfassungsgerichshoft Münster, 4. Januar 2023 - Mehrere Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer haben Verfassungsbeschwerde gegen das Versammlungsgesetz NRW (VersG NRW) eingelegt. Die Beschwerdeführer im Verfahren VerfGH 117/22.VB-2 sehen sich durch das Versammlungsverbot auf Autobahnen in ihrem Grundrecht der Versammlungsfreiheit verletzt.

Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer im Verfahren VerfGH 3/23.VB-1 beanstanden neben dem Versammlungsverbot auf Autobahnen auch das Störungsverbot, die Vorschrift über Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton, das Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot und das Gewalt- und Einschüchterungsverbot sowie daran anknüpfende Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitentatbestände.


Sie sehen sich in ihrem Grundrecht der Versammlungsfreiheit und auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer im Verfahren VerfGH 3/23.VB-1 haben zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt (VerfGH 4/23.VB-1).

VerfGH 117/22.VB-2  - VerfGH 3/23.  - VB-1 VerfGH 4/24.VB-1

 

Dezember 2022

Verjährung von Urlaubsansprüchen
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20 –

 Erfurt, 20. Dezember 2022 - Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Der Senat hat damit die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom 22. September 2022 (- C-120/21 -)umgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs tritt der Zweck der Verjährungsvorschriften, die Gewährleistung von Rechtssicherheit, in der vorliegenden Fallkonstellation hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen.

Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.

Der Beklagte hat die Klägerin nicht durch Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Die Ansprüche verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) noch konnte der Beklagte mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt. Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs hat die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 21. Februar 2020 – 10 Sa 180/19 –

 

Am Schneeschieben führt kein Weg vorbei
- Wann ist der Griff zu Schaufel und Besen nötig
- Wie oft muss geräumt werden
- Welche Streumittel sind richtig 

Coburg/Duisburg, 20.12.2022 „Endlich Schnee“, freuen sich die einen. „Wieder früher aufstehen und Schnee schaufeln“, murren die anderen. Richtig ist: Winterliche Straßenverhältnisse bringen Fußgänger leicht ins Rutschen. Ein Bein ist schnell gebrochen. Passiert das vor der eigenen Haustür, können Mieter oder Eigentümer eines Hauses eventuell zur Verantwortung gezogen werden. Warum? Das erklärt die HUK-COBURG. 


Beide sind im Winter verpflichtet, für einen eisfreien Fußweg zu sorgen. Mieter müssen immer dann zu Schneeschieber und Streumittel greifen, wenn ihnen per Mietvertrag die Räum- und Streupflicht übertragen wurde und das ist eher die Regel als die Ausnahme. Passiert ein Unfall, weil die Winterpflichten nur ungenügend erledigt oder gleich ganz vergessen wurden, kann der Säumige für die Folgen verantwortlich gemacht werden.

HUK-COBURG

Ohne private Haftpflichtversicherung ein teures Vergessen: Neben Behandlungskosten lassen sich vom Geschädigten auch Verdienstausfall oder Schmerzensgeld geltend machen.   Räum- und Streupflicht Wann und wie oft Schnee schieben oder Streuen angesagt sind? Auf diese Frage gibt es keine Auskunft von der Stange: Ausschlaggebend ist immer die jeweilige Satzung, mit der jede Kommune den Winterdienst regelt. Oftmals kann man sich auf den Websites von Städten und Gemeinden schlaumachen.

Ein anderer Weg ist ein Anruf beim örtlichen Bau- oder Ordnungsamt. Hier lässt sich erfragen, in welchem Zeitraum der Griff zum Schneeschieber erforderlich ist und wie breit der freie Gehweg sein muss. Die Häufigkeit des Räumens hängt letztlich von der Witterung und der Verkehrsbedeutung eines Weges ab. Bei extremem Schneefall oder heftiger Glatteisbildung ist gerade auf stark frequentierten Wegen außergewöhnlicher Einsatz gefordert.

Nur wenn Räumen und Streuen witterungsbedingt zwecklos sind, kann man warten, bis beispielsweise der Schneefall nachlässt oder ganz aufhört. Auch müssen Wege meist nicht in ihrer gesamten Breite geräumt werden. In der Regel genügt es, einen Streifen frei zu schaufeln oder auf einer bestimmten Breite zu streuen.

Eine Faustregel besagt: Zwei Fußgänger müssen auf dem geräumten Weg aneinander vorbeigehen können. Kommunen können diese Frage aber auch klar in ihrer Satzung regeln. Dort lässt sich auch nachlesen, zu welchen Streumitteln man greifen sollte. Salz ist oft gar nicht oder nur bei extremer Glätte zugelassen.  Allerdings kann niemand im Winter einen durchgängig eis- oder schneefreien Bürgersteig erwarten.


Wer in der kalten Jahreszeit unterwegs ist, muss mit winterlichen Straßenverhältnissen rechnen und sich entsprechend vorsichtig bewegen. Dazu gehört auch das Tragen von Winterschuhen, die ein entsprechend tiefes und rutschfestes Profil haben. 

Weitere Informationen unter 
https://www.huk.de/presse/nachrichten/verbrauchertipps/schneeraeumen.html  

November 2022 

Regeln für Rollerfahrer: Wann gibt es Bußgeld, Verwarnungsgeld oder Geldstrafe?

Eine zweite Person darf nur mit auf den Roller, wenn dieser mit zwei Sitzen dafür ausgelegt ist. Quelle: Peugeot Motocycle

Rüsselsheim/Duisburg, 30. November 2022 – Mal eben mit dem Roller auf dem Gehweg weiterfahren? Oder kurz zum Einkaufen den Helm weglassen? Wer im Straßenverkehr fahrlässig handelt, kann mit einem Verwarnungsgeld, einem Bußgeld oder einer Geldstrafe rechnen. Doch was ist der Unterschied?


Robert Schön, Country Manager Deutschland und Österreich bei Peugeot Motocycles, weiß: „Ein Verwarnungsgeld fällt an, wenn Rollerfahrende eine Ordnungswidrigkeit begehen, die mit bis zu 55 Euro belangt wird. Sobald die Summe darüber liegt, handelt es sich um ein Bußgeld. Eine Geldstrafe hingegen gibt es, wenn es sich um eine Straftat handelt, also zum Beispiel um das Fahren ohne Fahrerlaubnis.“


 Hierfür gibt es Verwarnungs- oder Bußgelder
Ein Verwarnungsgeld zahlt, wer auf seinem Roller einen Beifahrer mitnimmt, obwohl der Roller kein Zweisitzer ist – das kostet fünf Euro. Für das Fahren mit dem Roller unter 60 km/h auf der Autobahn werden 20 Euro fällig. Auch beim Rollerfahren ohne Helm fällt ein Verwarnungsgeld an, hier beträgt die Höhe 15 Euro.

Wer zusätzlich ein Kind ohne Helm auf dem Roller befördert, kann mit 60 Euro Bußgeld und einem Punkt in Flensburg rechnen. Beim Transport mehrerer Kinder ohne Helm erhöht sich das Bußgeld, zusätzlich zu dem Punkt in Flensburg, auf 70 Euro. Eine Regel, die in der Praxis in den seltensten Fällen angewendet wird: 55 Euro bezahlt laut Straßenverkehrsordnung, wer seinen Roller auf dem Bürgersteig ohne Beschilderung abstellt. Und wer sich für eine „Abkürzung“ über den Rad- oder Gehweg entscheidet, kann ebenfalls von einem Verwarnungsgeld in Höhe von mindestens 55 Euro ausgehen. 

Hierfür gibt es eine Geldstrafe Rollerfahren ohne Führerschein ist eine Straftat und kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr belangt werden. Ist die Fahrerlaubnis vorhanden, der Führerschein wurde jedoch lediglich nicht mitgeführt, ist ein Verwarnungsgeld von zehn Euro fällig. Das Rollerfahren ohne Versicherungsschutz kann teuer werden: Es droht eine Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.

Die Höhe der Strafe hängt von den Umständen ab: Erfolgte das Fahren ohne Versicherungsschutz fahrlässig, fällt die Strafe geringer aus als bei einer vorsätzlichen Tat. Ein Unfall oder Personenschaden beeinflusst das Strafmaß zusätzlich. Ist eine Versicherung für zulassungsfreie Roller jedoch abgeschlossen und nur das Kennzeichen fehlt, fällt ein Verwarnungsgeld in Höhe von 40 Euro an.

 


Klage eines Fußballfans gegen Twitter-Nachricht der Polizei erfolgreich
Münster, 28. November 2022 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute der Klage eines Fußballfans gegen eine Twitter-Nachricht des Polizeipräsidiums Duisburg stattgegeben, die anlässlich des Spiels des MSV Duisburg gegen den 1. FC Magdeburg im Februar 2017 veröffentlicht wurde.

Bei der als Risikospiel eingestuften Partie der 3. Fußball-Bundesliga zogen ungefähr 100 Gästefans vor der Einlasskontrolle Regencapes über. Der Anführer („Capo“) der Fangruppierung hatte sie per Megafon dazu aufgefordert und die Regencapes verteilen lassen. Laut der Ansage sollte dies Teil einer Fan-Choreographie im Stadion sein. Die Polizeikräfte verhinderten den Zutritt der mit Regencapes bekleideten Fans zum Station, weil sie das Einschmuggeln von verbotenen Gegenständen (insbesondere Feuerwerkskörpern) befürchteten.

In der Folge kam es zu einem Rückstau an der Einlasskontrolle. Die Polizei Duisburg veröffentlichte hierzu über ihren Twitter-Account die mit einem Foto versehene Meldung: „#MSVFCM Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern.“

Die in Brandenburg lebende Klägerin fühlte sich durch den Tweet nebst Foto in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte gegen die Polizei Duisburg. Diese war der Meinung, die Klägerin sei auf dem Foto schon nicht erkennbar. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil geändert und die Rechtswidrigkeit des Tweets festgestellt.

Zur Begründung hat der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Es muss davon ausgegangen werden, dass die Klägerin auf dem auf Twitter veröffentlichten Foto zu erkennen gewesen ist. Ein Abgleich der vorgelegten Ausdrucke des Tweets mit Fotos der Klägerin aus dem maßgeblichen Zeitraum spricht dafür. Ob die Ausdrucke der Original-Auflösung des Bildes bei Twitter entsprochen haben, ist nicht mehr aufzuklären.

Die verbleibende Unsicherheit geht aber zu Lasten der Polizeibehörde, weil diese nicht nur den Tweet nachträglich (wegen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit) gelöscht hat, sondern auch die Original-Fotodatei dort nicht mehr auffindbar ist. Unabhängig von der Frage, ob eine Verwaltungsbehörde für die in Rechte Dritter eingreifende Öffentlichkeitsarbeit eine gesetzliche Grundlage benötigt, genügt der Tweet nicht den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an Veröffentlichungen des Staates stellt, die Rechte Dritter beeinträchtigen.

Insbesondere müssen die mitgeteilten Tatsachen zutreffend sein. Zudem darf die Veröffentlichung nicht über den damit verfolgten Zweck hinausgehen. Dies ist beides nicht eingehalten. Dass die Fußballfans und damit auch die Klägerin ein Regencape zu dem Zweck übergezogen haben, die Durchsuchung zu verhindern, kann nicht belegt werden. Die von der Polizei selbst dokumentierte Aussage des „Capo“ deutet in eine andere Richtung, nämlich die Gestaltung einer Fanchoreografie.

Dass dies nur vorgeschoben gewesen ist, ist allenfalls eine polizeiliche Vermutung, die nicht belegt ist. Jedenfalls hätte die Polizei in einem solchen Fall die verbleibende Unsicherheit kenntlich machen müssen. Zudem hätte die Polizei den angeführten Zweck, die übrigen Fans über den Grund des Rückstaus zu informieren, auch mit dem Verweis auf Fans, die sich Regencapes anziehen, aber ohne die Angabe einer inneren Motivation, erreichen können.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen ist Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen: 5 A 2808/19 (I. Instanz: VG Düsseldorf 18 K 16606/17)


Schutz vor Diskriminierung bei intensiv-medizinischer Behandlung
Berlin/Duisburg, 25. November 2022 - Am 25. November 2022 hat der Bundesrat die vom Bundestag beschlossenen Änderungen am Infektionsschutzgesetz gebilligt, die Menschen mit Behinderung im Falle knapper intensiv-medizinischer Kapazitäten vor Benachteiligung bewahren sollen. Das Gesetz steht zur abschließenden Befassung auf der Tagesordnung der Plenarsitzung des Bundesrates am 25. November 2022.


Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Das Gesetz geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem letzten Jahr zurück. Dieses hatte vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie entschieden, dass sich aus Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes für den Staat ein Auftrag ergibt, Menschen wirksam vor einer Benachteiligung wegen ihrer Behinderung durch Dritte zu schützen. Besteht das Risiko, dass Menschen bei der Zuteilung knapper, überlebenswichtiger intensivmedizinischer Ressourcen wegen einer Behinderung benachteiligt werden, verdichtet sich der Schutzauftrag zu einer konkreten Schutzpflicht.


Entscheidend ist, dass eine gesetzliche Regelung hinreichend wirksamen Schutz vor einer Benachteiligung wegen der Behinderung bewirkt. Diskriminierungsfreie Zuteilungsentscheidung Nach dem Gesetzesbeschluss ist künftig bei der ärztlichen Entscheidung ausschließlich die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patientinnen und Patienten relevant. Niemand darf benachteiligt werden, insbesondere nicht wegen einer Behinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung.


Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, dass bereits zugeteilte überlebenswichtige intensivmedizinische Behandlungskapazitäten nicht mehr zur Disposition stehen, solange eine solche Behandlung noch indiziert ist und dem Patientenwillen entspricht. Erfahrene Fachkräfte Darüber hinaus enthält es Regelungen zum Verfahren, in dem die Zuteilungsentscheidung zu treffen ist.

 

Zuständig hierfür sind zwei mehrjährig intensivmedizinisch erfahrene und praktizierende Fachärztinnen und Fachärzte, die die Patientinnen oder Patienten unabhängig voneinander begutachtet haben. Zuteilungsentscheidung im Vorfeld vermeiden Bevor eine Zuteilungsentscheidung notwendig wird, sind alle Anstrengungen zu unternehmen, um den Engpass zu verhindern.


Die Neuregelung ist ausschließlich für den Fall gedacht, dass dies nicht gelingt. Sie scheidet aus, wenn betroffene Patientinnen oder Patienten regional oder überregional verlegt und intensivmedizinisch behandelt werden können. Durch organisatorische Maßnahmen kann das Risiko, Zuteilungsentscheidungen treffen zu müssen, reduziert werden - wie zum Beispiel durch Verschiebung planbarer, nicht zeitkritischer Operationen oder durch Verteilung betroffener Patientinnen oder Patienten in andere Krankenhäuser.


Zudem sind Krankenhäuser dazu verpflichtet, eine Zuteilungsentscheidung unverzüglich der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde anzuzeigen. Weitere Schritte Nach Abschluss des parlamentarischen Verfahrens kann das Gesetz nun vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden und dann wie geplant am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.

 

Starre Altersgrenze für Schiedsrichter wahrscheinlich nicht gerechtfertigt 
Landgericht Frankfurt/Main gibt erste Einschätzung zum Fall Manuel Gräfe ab  Düsseldorf/Frankfurt a.M., 16. Nov. 2022 - Im Gerichtsverfahren des Bundesliga-Schiedsrichters Manuel Gräfe gegen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) fand am heutigen 16. November die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt/Main statt. Manuel Gräfe wurde nach der Saison 2020/21 nach 289 Bundesligaeinsätzen nicht mehr vom DFB als Bundesligaschiedsrichter berufen. Zur Begründung war seinerzeit veröffentlicht worden, dass Gräfe eine Altersgrenze von 47 Jahren erreicht hatte.


Trotz einer Protestwelle von Spielern, Trainern und Funktionären, die Gräfe durchgehend als besten Schiedsrichter weiterhin gerne in der Bundesliga gesehen hätten, ließ sich der DFB nicht von seiner Haltung abbringen. Hiergegen richtet sich die Klage wegen Altersdiskriminierung, die von der Kanzlei baum reiter & collegen für Manuel Gräfe geführt wird. Gegenstand des Verfahrens sind zum einen die Feststellung der Altersdiskriminierung sowie zum anderen eine Entschädigung für das vorzeitige Karriereende. Der weitere aktive Einsatz als Schiedsrichter lässt sich jedoch rechtlich nicht einklagen.

Eine erste praktische Auswirkung zeigte dieses Gerichtsverfahren aber offensichtlich bereits Ende September: Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich hat Felix Brych, der ebenfalls die 47-Jahre-Grenze erreicht hat, in Aussicht gestellt, nach dem Ende der laufenden Saison weiter pfeifen zu dürfen. „Eine starre Altersgrenze für Schiedsrichter ergibt keinerlei Sinn und verstößt gegen geltendes Recht. Entscheidend darf neben der körperlichen Fitness allein die leistungsbezogene Auswahl sein, wie die aktuellen Diskussionen in der Bundesliga zeigen. Diesbezüglich scheint ja aufgrund unserer Klage beim DFB endlich ein Umdenken einzusetzen. Aber es muss auch klargestellt werden, dass es keine feste Altersgrenze gibt“, sagt Olaf Methner, Partner bei baum reiter & collegen, der Manuel Gräfe anwaltlich vertritt, vor Prozessbeginn.

Das Gericht ließ in der Verhandlung erkennen, dass es die Klage dem Grunde nach für begründet hält und die altersbedingte Nicht-Berücksichtigung Manuel Gräfes als nicht gerechtfertigt einschätzt. Nach vorläufiger Auffassung des Gerichts sei zumindest der Eindruck erweckt worden, dass hier nur das Erreichen einer Altersgrenze eine Rolle gespielt hat, auch wenn der DFB eine solche Altersgrenze nicht schriftlich fixiert hat. Beide Seiten haben aber noch die Möglichkeit, bis Ende des Jahres ihre Positionen schriftlich zu konkretisieren. Eine Entscheidung des Gerichts wurde für den 18.01.2023 angekündigt.   


Verteidigungsministerium muss Fragen zum Hubschrauber-Foto des Sohnes der Ministerin beantworten
Münster, 16. November 2022 - Das Bundesverteidigungsministerium muss der Presse Auskunft über Details zu Entstehung und Veröffentlichung eines Fotos erteilen, das den Sohn von Ministerin Lambrecht in einem Hubschrauber der Bundeswehr zeigt. Dies hat das Oberverwaltungsgericht mit gestern bekanntgegebenem Beschluss vom 14. November 2022 entschieden und damit den erstinstanzlichen Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt.

Das Foto entstand augenscheinlich in jenem Hubschrauber, der die Ministerin und ihren Sohn am 13. April 2022 von Berlin nach Ladelund beförderte. Die Ministerin besuchte sodann ein Bataillon in Stadum. Danach reiste sie mit ihrem Sohn in einem Auto zur nahegelegenen Insel Sylt, um dort den Osterurlaub zu verbringen. Der Sohn der Ministerin veröffentlichte das Foto auf seinem damals öffentlich einsehbaren Profil eines sozialen Netzwerks.


Das Verwaltungsgericht Köln gab dem Eilantrag eines Journalisten ganz überwiegend statt, soweit dieser vom Bundesverteidigungsministerium wissen wollte, welche Kenntnisse die Ministerin über die Entstehung des Fotos und seine Veröffentlichung habe, insbesondere, ob die Ministerin das Foto selbst angefertigt habe. Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde hat das Ministerium - wie schon erstinstanzlich - geltend gemacht, ein Auskunftsanspruch sei ausgeschlossen, weil die gestellten Fragen allein die Ministerin als Privatperson beträfen und zum Teil auf eine dem Familiengrundrecht unterfallende, besonders geschützte Kommunikation zielten.


Auch sei ein Bedürfnis für eine stattgebende Entscheidung gerade im Eilrechtsschutzverfahren nicht erkennbar. Der 15. Senat des Oberverwaltungsgerichts ist dieser Argumentation nicht gefolgt und hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die gestellten Fragen zur Entstehung des Fotos und zu dessen Veröffentlichung betreffen jedenfalls auch die dienstliche Sphäre der Ministerin. Das Foto steht in einem zeitlichen und räumlichen   Zusammenhang zum dienstlichen Hubschrauberflug. Auch ein inhaltlicher Zusammenhang ist insofern zu bejahen, als das Foto neben dem Sohn der Ministerin auch den Diensthubschrauber zeigt.

Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Abwägung zwischen dem Pressegrundrecht und berechtigten Interessen auf Seiten der Ministerin ist ebenfalls nicht zu beanstanden. In Anbetracht dessen, dass das Foto einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit der Ministerin hat, es nicht in einem besonders geschützten privaten Rahmen entstanden ist und die Ministerin selbst durch die Mitnahme ihres Sohnes auf einer Dienstreise ihre privaten Belange mit der Wahrnehmung ihrer Amtsgeschäfte verwoben hat, überwiegt das Auskunftsinteresse. Schließlich ist aufgrund des starken Gegenwartsbezugs der Fragen auch eine Eilbedürftigkeit zu bejahen.
Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 15 B 1029/22 (I. Instanz: VG Köln 6 L 978/22)

Wucherähnliches Rechtsgeschäfts bei einem kombinierten Kauf- und Mietvertrag im Rahmen eines sogenannten "sale and rent back"
Karlsruhe, 16. November 2022 - VIII ZR 221/21, VIII ZR 288/21, VIII ZR 290/21 und VIII ZR 436/21

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute über die Frage entschieden, ob ein nach § 34 Abs. 4 GewO i.V.m. § 134 BGB verbotenes Rückkaufsgeschäft beziehungsweise ein wucherähnliches Geschäft (§ 138 Abs. 1 BGB) vorliegt, wenn ein staatlich zugelassener Pfandleiher gewerblich Kraftfahrzeuge ankauft, diese an den Verkäufer zurückvermietet und nach dem Ende der vertraglich festgelegten Mietzeit durch öffentliche Versteigerung, an der der Verkäufer teilnehmen kann, verwertet.


Sachverhalt: Die Beklage betreibt bundesweit ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus. Im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit kauft sie Kraftfahrzeuge an und vermietet diese unmittelbar an die Verkäufer zurück ("sale and rent back"). Am Ende des Mietverhältnisses gibt sie die Kraftfahrzeuge zur öffentlichen Versteigerung. In allen vier Verfahren veräußerten die Kläger (Kunden) der Beklagten ihr Kraftfahrzeug.

Nach den vertraglichen Vereinbarungen soll das betroffene Kraftfahrzeug nach dem Ende der jeweils für 6 Monate vereinbarten Mietzeit im Wege der öffentlichen Versteigerung, an der die jeweiligen Kläger und auch die Beklagte teilnehmen dürfen, durch die Beklagte verwertet werden.

Der vertraglich vereinbarte Aufrufpreis setzt sich jeweils aus dem Ankaufspreis zuzüglich verschiedener weiterer Positionen, wie ausstehender Mieten, nicht ersetzter Schäden und den Kosten der Versteigerung zusammen. Ein in der Versteigerung erzielter Mehrerlös soll den Klägern nach dem Mietvertrag dann nicht zufließen, wenn sie das Kraftfahrzeug selbst erfolgreich im Wege der Versteigerung erwerben.


Bisheriger Prozessverlauf: In allen vier Verfahren haben die Berufungsgerichte angenommen, dass nach einer Gesamtbetrachtung von Kauf- und Mietvertrag ein gemäß § 34 Abs. 4 GewO verbotenes Rückkaufsgeschäft gegeben sei. Der Verstoß gegen § 34 Abs. 4 GewO führe gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit der geschlossenen (Kauf- und Miet-)Verträge. In drei der Verfahren (VIII ZR 221/21, VIII ZR 290/21, VIII ZR 436/21) sind die Berufungsgerichte ferner davon ausgegangen, dass sich die Nichtigkeit auch auf die jeweilige Übertragung des Eigentums an dem Kraftfahrzeug erstrecke.

In einem Verfahren (VIII ZR 436/21) hat das Berufungsgericht zusätzlich eine Nichtigkeit des Kauf- und Mietvertrags sowie der Übereignung des Kraftfahrzeugs wegen Vorliegens eines wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Abs. 1 BGB) angenommen. Im Verfahren VIII ZR 221/21 verkaufte die Klägerin ihr Kraftfahrzeug vom Typ Smart Fortwo MHD am 13. August 2018 für 1.500 € an die Beklagte. Das Kraftfahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt einen Marktwert von 4.500 €. Nach Unterzeichnung der Verträge erhielt die Beklagte von der Klägerin den Zweitschlüssel und die Zulassungsbescheinigung Teil II.

Der Klägerin wurde von der Beklagten ein Barscheck über 1.500 € ausgehändigt. Diesen löste sie jedoch nicht ein und zahlte an die Beklagte auch keine Miete. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Klägerin Eigentümerin des Kraftfahrzeugs geblieben sei, und hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Zulassungsbescheinigung Teil II und den Zweitschlüssel herauszugeben. Ferner hat es festgestellt, dass der Beklagten aus dem Mietvertrag keine Ansprüche gegen die Klägerin zustünden. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, 2 U 116/20) hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.


Im Verfahren VIII ZR 288/21 verkaufte der Kläger sein Kraftfahrzeug vom Typ Land Rover Defender am 9. Mai 2019 zum Preis von 15.000 € an die Beklagte. Das Kraftfahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt einen Händlereinkaufswert von wenigstens 19.500 €. Während der bis zum 9. November 2019 vereinbarten Mietzeit verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung einer monatlichen Miete in Höhe von 1.275 €. Er zahlte an die Beklagte für die gesamte Vertragslaufzeit Miete in Höhe von 7.650 € sowie eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 99 €, insgesamt also 7.749 €.


Die zuletzt auf Verurteilung der Beklagten zur Rückübereignung des Kraftfahrzeugs an den Kläger, Zug um Zug gegen Zahlung von 15.000 €, sowie zur Rückzahlung von 7.749 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat in beiden Instanzen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, 2 U 125/20) zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Im Verfahren VIII ZR 290/21 verkaufte die Klägerin ihr Kraftfahrzeug vom Typ Ford Focus am 7. Januar 2020 zum Preis von 3.000 € an die Beklagte.

 Das Kraftfahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt einen Verkehrswert von wenigstens 4.500 €. Während der bis zum 7. Juli 2020 vereinbarten Mietzeit verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung einer monatlichen Miete in Höhe von 297 €. Nach Unterzeichnung der Verträge überwies die Beklagte an die Klägerin 2.758,77 € und zahlte 241,23 € an deren Haftpflichtversicherer auf einen bereits fälligen Beitrag.

Die Beklagte erhielt von der Klägerin den Zweitschlüssel und die Zulassungsbescheinigung Teil II. Die Klägerin zahlte an die Beklagte außerdem für zwei Monate Miete sowie eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 99 €, insgesamt also 693 €. Mit Schreiben vom 19. April 2020 kündigte die Beklagte den Mietvertrag aufgrund ausstehender Zahlungen.

Das Landgericht hat - unter Abweisung der Klage im Übrigen - festgestellt, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge unwirksam seien und die Beklagte zur Zahlung von 693 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die Klägerin ihr Eigentum an dem Kraftfahrzeug nicht an die Beklagte verloren habe.


Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, 2 U 115/20) hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil im Wesentlichen zurückgewiesen und die Klägerin auf eine erst in der Berufungsinstanz erhobene und auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Hilfswiderklage der Beklagten verurteilt, an diese den Kaufpreis in Höhe von 3.000 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Zweitschlüssel und der Zulassungsbescheinigung Teil II, zu zahlen.

 Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Anschlussrevision gegen die Verurteilung zur Rückzahlung des Kaufpreises. Im Verfahren VIII ZR 436/21 verkaufte der Kläger sein Kraftfahrzeug vom Typ BMW M5 am 2. Januar 2018 für 5.000 € an die Beklagte.


Das Fahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt einen Händlereinkaufswert von 13.700 €. Während der zunächst bis zum 2. Juli 2018 vereinbarten und anschließend bis zum 1. April 2019 verlängerten Mietzeit verpflichtete er sich zur Zahlung einer monatlichen Miete in Höhe von 495 €. Bis September 2018 zahlte er an die Beklagte insgesamt 4.455 € Miete zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr in Höhe von 99 €. Nachdem er die Miete für Oktober 2018 nicht gezahlt hatte, kündigte die Beklagte den Mietvertrag und ließ das Kraftfahrzeug öffentlich versteigern. An der Versteigerung nahm sie selbst teil, erwarb das Kraftfahrzeug, das zu diesem Zeitpunkt einen Wiederbeschaffungswert von 16.000 € hatte, und veräußerte es anschließend weiter.

Das Berufungsgericht (OLG Hamm, I-18 U 105/20) hat der zuletzt noch auf Zahlung von insgesamt 16.445 € Schadensersatz nebst Zinsen gerichteten Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils in Höhe von 15.545 € nebst Zinsen stattgegeben. Es hat angenommen, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger die geleisteten Zahlungen zu erstatten und Schadensersatz für das veräußerte Kraftfahrzeug zu leisten.
Der Kläger müsse sich allerdings den von der Beklagten erhaltenen Kaufpreis auf seine Forderungen anrechnen lassen. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen der Kläger sein Zahlungsbegehren, soweit dieses erfolglos geblieben ist, und die Beklagte ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs: Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass zwar kein Verstoß gegen das in § 34 Abs. 4 GewO normierte Verbot des Rückkaufshandels vorliegt und die geschlossenen (Kauf- und Miet-)Verträge daher nicht gemäß § 134 BGB nichtig sind. Jedoch kann ein wucherähnliches Rechtsgeschäft (§ 138 Abs. 1 BGB) – mit der Folge der Nichtigkeit der Verträge - vorliegen. Hierauf wurde die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz sowie zur Rückzahlung vom Kläger geleisteter Miete in einem Fall (auch) gestützt (VIII ZR 436/21); diese Verurteilung der Beklagten hat Bestand.

In den weiteren Fällen wurde das allein auf das Vorliegen eines verbotenen Rückkaufshandels nach § 34 Abs. 4 GewO gestützte Urteil des Berufungsgerichts jeweils aufgehoben, damit dieses die – auch dort – seitens der Kläger aufgeworfene Frage des Vorliegens eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts sowie einer wirksamen Anfechtung der Verträge wegen arglistiger Täuschung der Kunden im weiteren Prozessverlauf klären kann.

1. Das von der Beklagten vorgegebene Vertragsmodell des (gewerblichen) Ankaufs von Kraftfahrzeugen unter anschließender Vermietung an die Kläger (Verkäufer) und späterer Verwertung durch öffentliche Versteigerung unterfällt nicht dem in § 34 Abs. 4 GewO normierten Verbot des Rückkaufshandels. Denn den Klägern wird, anders als es die Vorschrift verlangt, ein Rückkaufsrecht nicht eingeräumt. Um ein solches anzunehmen, genügt nicht allein die Wahl einer Vertragsgestaltung, mit der Pfandleihvorschriften umgangen werden.

Es bedarf vielmehr der Vereinbarung eines Rechts des Verkäufers (Kunden) zum Rückerwerb der Sache. Dies kann auch in Form eines Rücktrittsrechts des Kunden geschehen, da dieser es dann, vergleichbar einem Rückkaufsrecht, in der Hand hat, durch eine eigene Willenserklärung den Rückerwerb der Sache zumindest mittelbar zu vorab festgelegten Voraussetzungen – insbesondere zur Höhe des (zurück) zu zahlenden Kaufpreises – herbeizuführen. Ein solches Recht wurde den Klägern vorliegend nicht eingeräumt. Sie haben lediglich faktisch die Möglichkeit, das zuvor an die Beklagte veräußerte Fahrzeug im Wege der Teilnahme an der öffentlichen Versteigerung durch Zuschlag wieder zurück zu erwerben.

Bei einer am Wortsinn der Vorschrift orientierten Auslegung, welche auch die sich aus der historischen Entwicklung der Norm ergebende Zielsetzung des Gesetzgebers zu berücksichtigen hat, liegt in einem solchen Fall ein verbotener Rückkaufshandel nicht vor. Einer über diesen Wortsinn hinausgehenden Auslegung der Vorschrift des § 34 Abs. 4 GewO oder (gar) deren analoger Anwendung steht vorliegend das sich aus Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG folgende Bestimmtheits- und Analogieverbot entgegen.


Denn ein Verstoß gegen die Verbotsnorm des § 34 Abs. 4 GewO ist nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 GewO bußgeldbewehrt. Solche Normen dürfen, in gleicher Weise wie Straftatbestände, nicht über ihren Wortsinn hinausgehend ausgelegt und auch nicht analog angewandt werden. Dem Verbot einer analogen Anwendung steht vorliegend nicht entgegen, dass es nicht um die Verhängung eines Bußgelds, sondern um die Beurteilung der Nichtigkeit (§ 134 BGB) zivilrechtlicher Verträge geht. Denn der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung gebietet es, dass ein objektiv gleiches Verhalten nicht einerseits zivilrechtliche Folgen nach sich zieht, andererseits aber eine – grundsätzlich vorgesehene – Verhängung eines Bußgelds aufgrund des Analogieverbots (Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG) ausscheiden muss.

2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts im Fall VIII ZR 436/21, dass ein wucherähnliches Rechtsgeschäft (§ 138 Abs. 1 BGB) vorliegt, so dass der Kauf- und Mietvertrag sowie die sich anschließende Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte nichtig sind, hatte dagegen Bestand.

Der Bundesgerichtshof bestätigte die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz – in Höhe des Wiederbeschaffungswerts des von ihr versteigerten Fahrzeugs (16.000 €) – und zur Rückzahlung der erhaltenen Mieten sowie der Bearbeitungsgebühr (insgesamt 4.554 €), gekürzt um den vom Kläger selbst in Abzug gebrachten Kaufpreis (5.000 €). Aufgrund des besonders groben Missverhältnisses zwischen dem an den Kläger gezahlten Kaufpreis (5.000 €) und dem zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags bestehenden Händlereinkaufswerts (13.700 €) wird eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten vermutet.

Die angesichts dieser Umstände gegen die Beklagte sprechende tatsächliche Vermutung, dass sie bewusst oder grob fahrlässig einen den Kläger in dessen Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstand zu ihren Gunsten ausgenutzt hat, ist nicht widerlegt. Im Gegenteil sprechen weitere vertragliche Vereinbarung für eine Übervorteilung des Klägers. Denn dieser zahlte für die Nutzung seines ehemaligen Fahrzeugs eine monatliche Miete in Höhe von 495 € und musste zusätzlich sämtliche Unterhaltungskosten (Versicherung, Steuern, Wartung, Reparatur) tragen.

Die Miete stellt nicht allein die Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung des Fahrzeugs, sondern der Sache nach auch eine "Vergütung" für die Überlassung des dem Kläger durch die Kaufpreiszahlung zur Verfügung gestellten Kapitals dar. Denn in der vereinbarten Mietzeit von sechs Monaten hatte der Kläger bereits etwa 59 % des von ihm zuvor erhaltenen Kaufpreises als Miete aufzuwenden. Einen Mehrerlös nach der – nach Ablauf der Mietzeit erfolgten – Versteigerung erhält der Kläger nur, wenn das Fahrzeug durch einen Dritten ersteigert wird.

Demgegenüber stellt die Beklagte durch die Festlegung der Höhe des Aufrufpreises sicher, dass ihr sowohl der an den Kläger gezahlte Kaufpreis als auch sämtliche Unkosten wieder erstattet werden. Da der Kläger, wenn er das Fahrzeug nach Ablauf der Mietzeit wieder (zurück-)erwerben möchte, zumindest den erhaltenen Kaufpreis an die Beklagte (zurück-)zahlen müsste, trägt er auch den während der Mietzeit eingetretenen Wertverlust des Fahrzeugs.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten: Grundgesetz Art. 103 [Grundrechte vor Gericht] […] (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Bürgerliches Gesetzbuch § 134 Gesetzliches Verbot Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§ 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher (1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. (2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Gewerbeordnung § 34 Pfandleihgewerbe […] (4) Der gewerbsmäßige Ankauf beweglicher Sachen mit Gewährung des Rückkaufsrechts ist verboten.


Unwirksamkeit der Klausel zu einem Jahresentgelt in der Ansparphase von Bausparverträgen
Karlsruhe, 15. November 2022 - XI ZR 551/21 Der u.a. für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bausparkasse enthaltene Klausel, mit der die Bausparkasse von den Bausparern in der Ansparphase der Bausparverträge ein sogenanntes Jahresentgelt erhebt, unwirksam ist.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf: Der Kläger, ein eingetragener Verein, nimmt satzungsmäßig Verbraucherinteressen wahr und ist als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen. Die beklagte Bausparkasse verwendet in ihren Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge u.a. die folgende Bestimmung: "Die Bausparkasse berechnet während der Sparphase jeweils bei Jahresbeginn – bei nicht vollständigen Kalenderjahren anteilig – für jedes Konto des Bausparers ein Jahresentgelt von 12 EUR p.a."

Der Kläger hält die vorbezeichnete Klausel für unwirksam, da sie die Bausparer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Er nimmt die Beklagte darauf in Anspruch, es zu unterlassen, diese oder eine inhaltsgleiche Klausel gegenüber Verbrauchern in Bausparverträgen zu verwenden und sich bei der Abwicklung von Bausparverträgen auf die Klausel zu berufen. Die Vorinstanzen haben der Unterlassungsklage stattgegeben.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die angefochtene Klausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegt und dieser nicht standhält. Er hat deshalb die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die Entgeltklausel ist Gegenstand der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, weil sie eine Preisnebenabrede darstellt. Das in der Ansparphase eines Bausparvertrags erhobene Jahresentgelt ist weder Gegenleistung für eine vertragliche Hauptleistung noch Entgelt für eine Sonderleistung der Beklagten und damit keine kontrollfreie Preishauptabrede.

Die von der Bausparkasse in der Ansparphase geschuldete Hauptleistung besteht einerseits in der Zahlung der Zinsen auf das Bausparguthaben sowie andererseits darin, dem Bausparer nach der Leistung der Bauspareinlagen einen Anspruch auf Gewährung eines niedrig verzinslichen Bauspardarlehens aus der Zuteilungsmasse zu verschaffen.

Mit dem Jahresentgelt werden demgegenüber Verwaltungstätigkeiten der Beklagten in der Ansparphase bepreist, die sich mit der bauspartechnischen Verwaltung, Kollektivsteuerung und Führung einer Zuteilungsmasse umschreiben lassen. Hierbei handelt es sich lediglich um notwendige Vorleistungen, nicht aber um eine von der Beklagten in der Ansparphase geschuldete Hauptleistung.

Der danach eröffneten Inhaltskontrolle hält die streitige Klausel nicht stand. Sie ist vielmehr unwirksam, weil die Erhebung des Jahresentgelts in der Ansparphase eines Bausparvertrags mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und die Bausparer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Denn mit dem Jahresentgelt werden Kosten für Verwaltungstätigkeiten auf die Bausparer abgewälzt, welche die Bausparkasse aufgrund einer eigenen gesetzlichen Verpflichtung zu erbringen hat.

Die Abweichung der Entgeltklausel von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist auch bei der gebotenen pauschalisierenden Gesamtbetrachtung nicht durch bausparspezifische Individualvorteile der einzelnen Bausparer sachlich gerechtfertigt. Bausparer müssen in der Ansparphase bereits hinnehmen, dass ihre Spareinlagen bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Bausparvertrags nur vergleichsweise niedrig verzinst werden. Außerdem können Bausparkassen bei Abschluss des Bausparvertrags von den Bausparern eine Abschlussgebühr verlangen.

Mit dem Jahresentgelt wird auch kein Beitrag zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Bausparwesens geleistet, der geeignet wäre, die mit seiner Erhebung für den einzelnen Bausparer verbundenen Nachteile aufzuwiegen.

Vorinstanzen: LG Hannover - Urteil vom 29. Januar 2021 - 13 O 19/20 OLG Celle - Urteil vom 17. November 2021 - 3 U 39/21 (WM 2022, 659) Die maßgebliche Vorschrift lautet: § 307 BGB (1)

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. (2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung 1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder 2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.


(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und § 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

 

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen das ausnahmslose Verbot von Windenergieanlagen in Waldgebieten
Karlsruhe, 11.November 2022 Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Windenergieanlagen im Wald Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 10 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Waldgesetzes (ThürWaldG) mit dem Grundgesetz unvereinbar und damit nichtig ist. Diese Vorschrift verbietet ausnahmslos die Änderung der Nutzungsart von Waldgebieten zur Errichtung von Windenergieanlagen und verhindert damit jeden Bau von Windenergieanlagen in Waldgebieten.

Das greift in das von Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Eigentumsrecht der beschwerdeführenden Waldeigentümerin und Waldeigentümer ein. Der Eingriff ist nicht gerechtfertigt, weil das Gesetz formell verfassungswidrig ist. Dem Freistaat Thüringen fehlt für die angegriffene Regelung die Gesetzgebungskompetenz. § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG ist der Gesetzgebungszuständigkeit für das Bodenrecht zuzuordnen, von der der Bund insoweit insbesondere durch die bauplanungsrechtliche Privilegierung von Windenergieanlagen im Außenbereich abschließend Gebrauch gemacht hat. Die Landesgesetzgeber können Waldgebiete aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz für Naturschutz und Landschaftspflege unter Schutz stellen, sofern diese Gebiete aufgrund ihrer ökologischen Funktion, ihrer Lage oder auch wegen ihrer Schönheit schutzwürdig und -bedürftig sind.

In Thüringen hat der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit schon vor der Einführung von § 10 Abs. 1 Satz 2 ThürWaldG durch verschiedene Regelungen Gebrauch gemacht. Prägend für diese Regelungen ist aber ein über den generellen Bedarf nach unbebauter Natur und Landschaft hinaus gehender spezifischerer Bedarf, konkrete Teile von Natur und Landschaft wegen ihrer besonderen Funktion, Lage oder Schönheit zu erhalten oder auch zu entwickeln.

Prozessführungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Geltendmachung von Mängelrechten in Bezug auf das Gemeinschaftseigentum; Altlasten als Mangel Urteil vom 11. November 2022 – V ZR 213/21

Karlsruhe, 11. November 2022 - Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auch nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum weiterhin durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich ziehen kann. Darüber hinaus sind die Voraussetzungen für eine Haftung des Verkäufers eines Grundstücks wegen Altlasten bzw. eines Altlastenverdachts präzisiert worden.

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentumsanlage befindet sich auf einem in München belegenen Grundstück, das ursprünglich im Eigentum der Beklagten, einem Immobilienunternehmen, stand. Die Beklagte teilte das Grundstück mit dem bestehenden Gebäude im Jahr 2012 in Wohnungseigentum auf und begann mit dem Verkauf der Einheiten. Für den zunächst beabsichtigten Bau einer Tiefgarage ließ sie im Frühjahr 2013 die Böden des Innenhofs und der Außenflächen der Anlage untersuchen.


Dabei wurde eine ehemalige Kiesgrube aufgefunden, deren aufgefüllte Böden, wie weitere Untersuchungen zeigten, unterschiedlich mit Schadstoffen belastet sind. Die Beklagte stoppte daraufhin zunächst den Verkauf und informierte die Stadt München. Behördlich angeordnete Untersuchungen des Oberbodens auf Altlasten ergaben Belastungen u.a. mit Benzo(a)pyren (BaP).


In einer von der Beklagten in Auftrag gegebenen gutachterlichen Bewertung der Untersuchungsergebnisse wurde für den Innenhof ein Bodenaustausch bis zu einer Tiefe von 30 cm vorgeschlagen. Auf einen Austausch des tiefer liegenden Bodens könne wegen der geplanten Errichtung der Tiefgarage verzichtet werden. Maßnahmen im südlichen Außenbereich seien trotz der festgestellten Belastungen wegen einer möglichen Einzäunung der betroffenen Bereiche nicht erforderlich.


Ab dem 29. Mai 2013 setzte die Beklagte den Verkauf der Wohnungen fort. In den Kaufverträgen wies sie auf eine allein den Innenhof betreffende Altlastenauskunft der Stadt München hin und verpflichtete sich zur Durchführung der für den Innenhof vorgeschlagenen Sicherungsmaßnahmen. Die Haftung für eine Altlastenfreiheit des Grundstücks außerhalb des Innenhofs wurde ausgeschlossen. In der Folgezeit tauschte die Beklagte den Oberboden des Innenhofes in einer Tiefe von 20 cm aus.

Der Bau einer Tiefgarage erfolgte dagegen nicht. In zwei Eigentümerversammlungen im Mai 2014 und im Oktober 2015 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich die gerichtliche Geltendmachung möglicher Ansprüche wegen Altlasten im Innenhof und im südlichen Außenbereich. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat der mit dem Hauptantrag beanspruchten Feststellung des Bestehens von Mängelansprüchen teilweise stattgegeben.


In der Berufungsinstanz hat das Oberlandesgericht den Hauptantrag als unzulässig abgewiesen und auf den Hilfsantrag der Klägerin die Beklagte zur Beseitigung der vorhandenen Altlasten durch Sanierung des Innenhofs und des südlichen Außenbereichs verurteilt, jedoch nur, soweit jeweils der Wert von 0,5 mg/kg BaP überschritten wird. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision hat die beklagte Verkäuferin die vollständige Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin hat mit der Anschlussrevision ihr Klagebegehren weiterverfolgt, soweit dieses erfolglos geblieben ist.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat das Urteil auf die Revision der Beklagten aufgehoben, soweit die Beklagte zur Beseitigung verurteilt worden ist. Insoweit ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden. Die Anschlussrevision der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt.

Dem liegen folgende Erwägungen zu Grunde: Der Hilfsantrag ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin für die Geltendmachung des Nachbesserungsanspruchs prozessführungsbefugt. Dies beruht auf den im Mai 2014 und Oktober 2015 gefassten Beschlüssen der Wohnungseigentümer. Allerdings ist die Regelung zu der "Vergemeinschaftung durch Mehrheitsbeschluss" in § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG aF infolge der während des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen Reform des Wohnungseigentumsgesetzes ersatzlos entfallen.

Dieser Bestimmung zufolge konnte die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung die Ausübung der den einzelnen Erwerbern aus den jeweiligen Verträgen mit dem Veräußerer zustehenden Rechte auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen. Nunmehr regelt § 9a Abs. 2 WEG nur noch die sogenannte "geborene Ausübungsbefugnis"; danach kann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (ohne weiteres) die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer ausüben, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und sie nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr.

Gleichwohl können, wie der Bundesgerichtshof nun geklärt hat, Ansprüche aus den Erwerbsverträgen, die die Mängelbeseitigung betreffen, weiterhin durch Mehrheitsbeschluss "vergemeinschaftet" werden. Das hat hier zur Folge, dass die Prozessführungsbefugnis der Klägerin fortbesteht. § 9a Abs. 2 WEG nF erfasst jedenfalls nicht die primären Mängelrechte der Wohnungseigentümer. Diese Ansprüche ergeben sich nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum, sondern aus den individuellen Erwerbsverträgen, die die Wohnungseigentümer mit dem teilenden Eigentümer geschlossen haben.

Sie erfordern keine einheitliche Rechtsverfolgung. Denn der Wohnungseigentümer, der selbständig die Mängelbeseitigung gegen den Veräußerer verfolgt, handelt grundsätzlich auch im wohlverstandenen Interesse aller anderen Wohnungseigentümer, und er darf seine vertraglichen Rechte im Grundsatz selbst wahrnehmen. Eine Vergemeinschaftung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche der Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss wird durch § 9a Abs. 2 WEG andererseits nicht ausgeschlossen.

Die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ergibt sich in der Sache unverändert aufgrund der Verwaltungsbefugnis für das gemeinschaftliche Eigentum sowie der in § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG geregelten Pflicht zu dessen Erhaltung. Hierfür spricht auch die Gesetzesbegründung, der zufolge die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bauträgerrecht, nach der eine Vergemeinschaftung von werkvertraglichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen möglich war, fortgelten soll. Entsprechendes muss für die Vergemeinschaftung von kaufrechtlichen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüchen gelten.

Nur diese Sichtweise trägt der nach der Reform unveränderten Interessenlage der Wohnungseigentümer hinreichend Rechnung. Dass die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nunmehr der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt, hat nichts daran geändert, dass es Sache der Wohnungseigentümer ist, in der Eigentümerversammlung darüber zu befinden, auf welche Weise Mängel am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen sind.

Ordnungsmäßiger Verwaltung wird es auch weiterhin in aller Regel entsprechen, einen gemeinschaftlichen Willen darüber zu bilden, wie die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums zu bewirken ist und ggf. welche vertraglichen Ansprüche geltend gemacht werden sollen. In der Sache trägt die von dem Berufungsgericht gegebene Begründung die Verurteilung der Beklagten zur Nacherfüllung nach § 439 Abs. 1 BGB nicht.

Zwar ist die Annahme, dass das Grundstück wegen des Vorfindens einer aufgefüllten Kiesgrube und eines hierdurch begründeten Altlastenverdachts einen Mangel iSd § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB aF aufweist, nicht zu beanstanden. Die von dem Verkäufer wegen eines Altlastenverdachts geschuldete Nachbesserung umfasst aber zunächst nur die Ausräumung des Verdachts durch Aufklärungsmaßnahmen. Ein Altlastenverdacht rechtfertigt hingegen nicht die Sanierung des Grundstücks, zu der die Beklagte von dem Berufungsgericht verurteilt worden ist.

Die Beseitigung von Altlasten kann der Käufer erst dann verlangen, wenn sich der Verdacht bestätigt. Entscheidend ist deshalb, ob über den Altlastenverdacht hinaus eine tatsächliche Bodenbelastung in einem Umfang vorliegt, der die von dem Berufungsgericht ausgesprochene Verurteilung zur Sanierung trägt. Hiervon kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht ausgegangen werden.

Eine von der üblichen Beschaffenheit abweichende Belastung eines Grundstücks mit Schadstoffen und damit ein Mangel ist anzunehmen, wenn nach öffentlich-rechtlichen Kriterien eine schädliche Bodenveränderung oder eine Altlast im Sinne des Bundesbodenschutzgesetzes vorliegt (§ 2 Abs. 3 bzw. Abs. 5 BBodSchG). Für die Beurteilung, ob eine Belastung des Grundstücks mit Schadstoffen einen Sachmangel darstellt, können die zur behördlichen Gefährdungsabschätzung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BBodSchG maßgeblichen Prüf- und Maßnahmenwerte herangezogen werden.

Liegen der Gehalt oder die Konzentration eines Schadstoffes unterhalb des jeweiligen Prüfwertes, ist insoweit der Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BBodSchV ausgeräumt, und das Grundstück weist regelmäßig die übliche Beschaffenheit auf. Andererseits begründet allein die Überschreitung von Prüfwerten, von der das Berufungsgericht hier ohne Rechtsfehler ausgegangen ist, keinen über den Altlastenverdacht hinausgehenden Sachmangel, sondern erhärtet lediglich einen bereits bestehenden (allgemeinen) Verdacht.

Da das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen dazu getroffen hat, dass im Innenhof und im südlichen Außenbereich des Grundstücks auch Maßnahmenwerte nach § 8 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 BBodSchG überschritten werden, hat der Bundesgerichtshof die Verurteilung der Beklagten aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine abschließende Entscheidung über die Revision der Beklagten liegen nicht vor. Abweisungsreif ist der Hilfsantrag nicht. Auf den in den Kaufverträgen vereinbarten Haftungsausschluss kann sich die Beklagte nach § 444 BGB nicht berufen.

Verschweigt der Verkäufer arglistig einen ihm bekannten Altlastenverdacht und bestätigt sich später der Verdacht, handelt er in aller Regel auch im Hinblick auf die – hier zu Gunsten der Klägerin zu unterstellenden - tatsächlich vorhandenen Altlasten arglistig. Den in den ab dem 29. Mai 2013 geschlossenen Kaufverträgen enthaltenen Hinweis auf die Altlastenproblematik sieht das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als bagatellisierend und deshalb als unzureichend an.

Zutreffend ist schließlich, dass der Anspruch gemäß § 439 Abs. 1 BGB bei dem Kauf einer gebrauchten Eigentumswohnung und Mängeln des Gemeinschaftseigentums auf volle – hier von der Klägerin verlangte - Nacherfüllung gerichtet ist. Es besteht nicht lediglich ein auf die Quote des Miteigentumsanteils beschränkter Anspruch auf Freistellung von Mängelbeseitigungskosten. Schließlich kann der Hilfsantrag auch nicht deshalb abgewiesen werden, weil er auf ein zu weitreichendes Ziel, nämlich eine Sanierung, gerichtet ist, obwohl derzeit nur eine Gefahrerforschung verlangt werden kann.

Zu diesem erstmalig von dem Senat hervorgehobenen Gesichtspunkt muss den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und die Möglichkeit eingeräumt werden, ggf. die Anträge umzustellen sowie ergänzend Beweis anzubieten. Die Anschlussrevision der Klägerin ist unbegründet, weil der von ihr weiter verfolgte Feststellungsantrag mangels Bestimmtheit unzulässig ist. Vorinstanzen: LG München I – Urteil vom 27. April 2018 – 25 O 24162/14 OLG München – Urteil vom 2. September 2021 – 8 U 1796/18

Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 10 WEG Allgemeine Grundsätze in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung: […] (6) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen. Sie ist Inhaberin der als Gemeinschaft gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Rechte und Pflichten.

Sie übt die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. […]

BGH legt EuGH erneut eine Frage zur Klagebefugnis von Verbraucherschutzverbänden bei Datenschutzverstößen durch Facebook vor
Karlsruhe, 10. November 2022 - I ZR 186/17 - Der unter anderem für Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob ein Verstoß des Betreibers eines sozialen Netzwerks gegen die datenschutzrechtliche Verpflichtung, die Nutzer dieses Netzwerks über Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer Daten zu unterrichten, wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche begründet und von Verbraucherschutzbänden verfolgt werden kann.


Sachverhalt: Die in Irland ansässige Beklagte, die Meta Platform Ireland Limited (ehemals Facebook Ireland Limited), betreibt das soziale Netzwerk "Facebook". Auf der Internetplattform dieses Netzwerks befindet sich ein "App-Zentrum", in dem die Beklagte den Nutzern ihrer Plattform kostenlos Online-Spiele anderer Anbieter zugänglich macht. Im November 2012 wurden in diesem App-Zentrum mehrere Spiele angeboten, bei denen unter dem Button "Sofort spielen" folgende Hinweise zu lesen waren: "Durch das Anklicken von ‚Spiel spielen‚ oben erhält diese Anwendung: Deine allgemeinen Informationen, Deine-Mail-Adresse, Über Dich, Deine Statusmeldungen.


Diese Anwendung darf in deinem Namen posten, einschließlich dein Punktestand und mehr." Bei einem Spiel endeten die Hinweise mit dem Satz: "Diese Anwendung darf Statusmeldungen, Fotos und mehr in deinem Namen posten."


Der Kläger ist der in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer. Er beanstandet die Präsentation der unter dem Button "Sofort spielen" gegebenen Hinweise im App-Zentrum als unlauter unter anderem unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs wegen Verstoßes gegen gesetzliche Anforderungen an die Einholung einer wirksamen datenschutzrechtlichen Einwilligung des Nutzers. Ferner sieht er in dem abschließenden Hinweis bei einem Spiel eine den Nutzer unangemessen benachteiligende Allgemeine Geschäftsbedingung.

Er hält sich zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen im Wege der Klage vor den Zivilgerichten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG für befugt. Bisheriger Prozessverlauf: Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 28. Mai 2020 (I ZR 86/17, GRUR 2020, 896 = WRP 2020, 1182 - App-Zentrum I) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die in Kapitel VIII, insbesondere in Art. 80 Abs. 1 und 2 sowie Art. 84 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) getroffenen Bestimmungen nationalen Regelungen entgegenstehen, die - neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen - einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.


Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu mit Urteil vom 28. April 2022 C-319/20, GRUR 2022, 920 = WRP 2022, 684 - Meta Platforms Ireland) entschieden, dass Art. 80 Abs. 2 der VO (EU) 2016/679 einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat nach mündlicher Verhandlung vom 29. September 2022 das Verfahren erneut ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob eine Rechtsverletzung "infolge einer Verarbeitung" im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO geltend gemacht wird, wenn ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen seine Klage darauf stützt, die Rechte einer betroffenen Person seien verletzt, weil die Informationspflichten gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO über den Zweck der Datenverarbeitung und den Empfänger der personenbezogenen Daten nicht erfüllt worden seien.

Die Notwendigkeit einer erneuten Vorlage ergibt sich aus folgenden Umständen: Der Senat ist in seinem ersten Vorlagebeschluss vom 28. Mai 2020 davon ausgegangen, dass sich eine nach deutschem Recht gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG bestehende Klagebefugnis des Klägers wegen seines im Streitfall allein auf die objektiv-rechtliche Durchsetzung des Datenschutzrechts gerichteten Klagebegehrens nicht den die Rechtsbehelfe, die Haftung und Sanktionen regelnden Bestimmungen des Kapitels VIII der Datenschutz-Grundverordnung und insbesondere nicht den Art. 80 Abs. 1 und 2 DSGVO oder Art. 84 Abs. 1 DSGVO entnehmen lässt.


Er hat daher dem Gerichtshof der Europäischen Union mit seinem ersten Vorabentscheidungsersuchen die Frage vorgelegt, ob die Datenschutz-Grundverordnung in Bezug auf die Klagebefugnis eine abschließende Regelung trifft, die der Anwendbarkeit der § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG entgegensteht. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat - abweichend von der vom Senat im Vorlagebeschluss vertretenen Ansicht - entschieden, dass sich die Klagebefugnis des Klägers aus Art. 80 Abs. 2 DSGVO ergeben kann.

Die in Art. 80 Abs. 2 DSGVO den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, ein Verfahren einer Verbandsklage gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten vorzusehen, besteht allerdings nur für den Fall, dass der klagende Verband geltend macht, die Rechte einer betroffenen Person gemäß der Datenschutz-Grundverordnung seien "infolge einer Verarbeitung" verletzt worden. Es ist fraglich, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn - wie im Streitfall - die sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1, Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO ergebenden Informationspflichten verletzt worden sind. Die erneute Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union dient der Klärung dieser Frage.


Bundesgerichtshof zur Pflicht von Internethändlern, über Herstellergarantien zu informieren Urteil
Karlsruhe, 10. November 2022 - I ZR 241/19 - Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass Internethändler Verbraucher nicht näher über die Herstellergarantie für ein angebotenes Produkt informieren müssen, wenn die Garantie kein zentrales Merkmal ihres Angebots ist. Sachverhalt: Die Parteien vertreiben Taschenmesser im Wege des Internethandels.


Die Beklagte bot auf der Internetplattform Amazon ein Schweizer Offiziersmesser an. Die Angebotsseite enthielt unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" einen Link mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung". Nach dem Anklicken dieses Links öffnete sich ein Produktinformationsblatt, das folgenden Hinweis auf eine Garantie des Herstellers enthielt: "Die Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik zwei Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt."


Weitere Informationen zu der Garantie enthielt das Produktinformationsblatt nicht. Die Klägerin sieht darin einen Verstoß gegen die gesetzlichen Informationspflichten betreffend Garantien. Sie hat beantragt, der Beklagten zu verbieten, den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu bewerben, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf hinzuweisen, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben.


Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 11. Februar 2021 ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher zur Vorabentscheidung vorgelegt (dazu Pressemitteilung Nr. 31/2021 vom 11. Februar 2021).


Der Gerichtshof der Europäischen Union hat über die Fragen durch Urteil vom 5. Mai 2022 (C-179/21) entschieden. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts wiederhergestellt. Die Beklagte hat sich nicht unlauter verhalten, weil sie in ihrem Internetangebot keine näheren Angaben zu der im verlinkten Produktinformationsblatt erwähnten Herstellergarantie gemacht hat.


Die Beklagte hat sich nicht nach § 5a Abs. 2 und 4 UWG aF (nun § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG nF) unlauter verhalten, weil sie den Verbrauchern keine nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB aF (nun Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 EGBGB nF) vor Vertragsschluss zu erteilende Information über die Herstellergarantie vorenthalten hat.

Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung der vorgenannten Bestimmungen, die der Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU dienen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden, dass ein Unternehmer die Verbraucher vor Abschluss eines Kaufvertrags über die Bedingungen der Herstellergarantie informieren muss, wenn er die Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht und so als Verkaufsargument einsetzt.

Erwähnt er dagegen die Herstellergarantie nur beiläufig, so dass sie aus Sicht der Verbraucher kein Kaufargument darstellt, muss er keine Informationen über die Garantie zur Verfügung stellen. Im Streitfall stellt die Herstellergarantie kein wesentliches Merkmal des Angebots der Beklagten dar. Sie wird auf der Angebotsseite selbst nicht erwähnt, sondern findet sich an untergeordneter Stelle in einem Produktinformationsblatt.

Auf dieses Produktinformationsblatt gelangt der Verbraucher nur, wenn er einen Link anklickt, der unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" steht und mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung" versehen ist und daher eher auf eine technisch-funktionale Erläuterung hindeutet. Die Beklagte hat mangels eines Verstoßes gegen die Marktverhaltensregelung des § 479 Abs. 1 BGB auch keine nach § 3a UWG unlautere Handlung begangen.

Die in § 479 Abs. 1 BGB normierte Pflicht zur Information über den Gegenstand und den Inhalt einer (Hersteller-)Garantie greift erst ein, wenn der Unternehmer dem Verbraucher ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Garantievertrags unterbreitet. Im Streitfall enthielt der auf der Angebotsseite befindliche Link auf das Produktinformationsblatt mit der Herstellergarantie noch kein verbindliches Garantieversprechen.


Mit Balkonkraftwerk Energiekosten senken - Mieter dürfen Balkonkraftwerk installieren 
In der Hausratversicherung und Wohngebäudeversicherung eingeschlossen


Coburg/Duisburg, 03. November 2022 - Aktuell explodieren die Energiepreise. Laut den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes stiegen sie von August 2021 bis August 2022 um 35,6 Prozent. Lange Zeit hatten Mieter keine Möglichkeit, ihre Energiekosten durch den Einbau von Photovoltaik selbst zu reduzieren. Der Vermieter bestimmte, ob eine Photovoltaikanlage auf das Dach kam. Seit es Balkonkraftwerke gibt, sieht das anders aus. Mieter können diese Mini-Photovoltaikanlagen jederzeit auf ihrem Balkon oder ihrer Terrasse aufstellen.

Nachdem die Anlagen im Sommer oft nicht verfügbar waren, rüsten viele Menschen auch jetzt noch nach. Die Erlaubnis ihres Vermieters benötigen sie nicht. Nur bei Anlagen, die an der Balkonaußenseite oder der Fassade befestigt werden, sieht das anders aus. Hier kann der Vermieter mitreden.

Auf dem Balkon sind die Module Naturgewalten wie Sturm, Hagel und Blitzschlag ausgesetzt. Schäden, die dadurch entstehen am Kraftwerk entstehen, deckt – wie die HUK-COBURG mitteilt - die Hausratversicherung ab. Gerade im Herbst, wenn Stürme über das Land ziehen, ist der Versicherungsschutz wichtig. Aber auch im Winter bei Eis und Schnee können sie bedenkenlos draußen bleiben.


Eine andere Konstellation: Die Minisolaranlage brennt wegen eines technischen Defekts und schädigt einen Dritten. Solche Schäden reguliert die Privathaftpflichtversicherung. Voraussetzung ist, dass die Anlage zu einer selbst bewohnten Immobilie gehört. Dazu gehören nicht nur Eigentumshäuser und -wohnungen, sondern auch Mietimmobilien.


Art und Umfang des Versicherungsschutzes können variieren: Ein persönliches Gespräch mit dem eigenen Versicherer sorgt für Klarheit. Doch Balkonkraftwerke – an Außenwänden oder auf Garagendächern – sind auch für viele Immobilienbesitzer inzwischen eine Option. Hängen sie an der Außenwand, sind sie in der Wohngebäudeversicherung mitversichert. Ausschlaggebend für den Umfang des Versicherungsschutzes ist, welche Gefahren in der eigenen Police versichert wurden. Am besten bespricht man auch diese Frage mit seinem Versicherer.


Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobener personenbezogener Daten
Karlsruhe, 03. November 2022 - Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Übermittlungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden in Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes nach dem Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar sind.


Dies gilt, soweit sie zur Übermittlung personenbezogener Daten verpflichten, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden. Die betreffenden Vorschriften verstoßen gegen die Normenklarheit und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zudem fehlt es an einer spezifisch normierten Protokollierungspflicht. Die angegriffenen Normen gelten - mit Blick auf die betroffenen Grundrechte jedoch nach einschränkenden Maßgaben - bis zum 31. Dezember 2023 vorübergehend fort.

Haltung von Hängebauchschweinen im Wohngebiet bleibt untersagt
Münster, 02. November 2022 - Zwei Hängebauchschweine dürfen nicht weiter im Garten eines Wohngrundstücks in Recklinghausen gehalten werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht heute entschieden und damit einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen bestätigt. Die Stadt Recklinghausen ist gegen die Schweinehaltung unter anderem eingeschritten, weil insbesondere die Belästigung der Nachbarn durch Gerüche ein öffentliches Interesse an einer sofortigen Nutzungsuntersagung begründe.


Das Verwaltungsgericht hielt diese Verfügung für rechtmäßig, weil die Halterin der Schweine (Antragstellerin) nicht im Besitz einer Baugenehmigung für die Nutzung von Anlagen und Einrichtungen zur Tierhaltung auf ihrem Grundstück sei. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Grundstück der Antragstellerin liegt in einem Wohngebiet, in dem nur eine Kleintierhaltung als Annex zum Wohnen zulässig ist. Das setzt voraus, dass die Tierhaltung in dem betreffenden Baugebiet üblich und ungefährlich ist und den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nicht übersteigt.


Hobbymäßig gehaltene Hängebauchschweine sind keine Kleintiere in diesem Sinne, weil die Haltung von Schweinen typischerweise zu Geräusch- und Geruchsbelästigungen führt, die in Wohngebieten nicht üblich sind. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.


Zur Begründung hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Der Einwand der Antragstellerin, die zwingend zu prüfenden Belange des Wohls der beiden Tiere seien nicht hinreichend berücksichtigt worden, ist unzutreffend. Die Antragstellerin hat keine Gesichtspunkte dafür aufgezeigt, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die Haltung von Hängebauchschweinen bei typisierender Betrachtung eine in einem Wohngebiet zulässige Kleintierhaltung ist

Ob die Haltung der Schweine durch die Antragstellerin tatsächlich zu einer Belästigung der Nachbarn durch Gerüche führt, ist insoweit letztlich unerheblich. Die der Antragstellerin in der angefochtenen Ordnungsverfügung gesetzte Frist von circa drei Wochen ist in Würdigung der offensichtlichen Baurechtswidrigkeit verhältnismäßig, zumal die Antragstellerin etwa einen Monat vor Erlass der Verfügung dazu angehört worden ist und seitdem damit rechnen musste, die Schweine nicht länger in ihrem Garten halten zu können.


Der Senat hat keine Zweifel daran, dass es möglich war, die Schweine innerhalb dieses Zeitraums gegebenenfalls gegen Bezahlung anderweitig unterzubringen. Es bestehen allerdings Zweifel daran, dass sich die Antragstellerin ernsthaft um eine anderweitige Unterbringung der Tiere bemüht hat und bemüht. Denn sie hält die Schweine trotz der angeordneten und vollziehbaren Nutzungsuntersagung auch nach mehr als einem halben Jahr noch immer auf ihrem Grundstück.
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Aktenzeichen: 10 B 1092/22 (I. Instanz: VG Gelsenkirchen 9 L 608/22)

Oktober 2022

Herbst: Wer muss Bürgersteig vom Laub freihalten?
Reinigungspflicht kann übertragen werden. Wer haftet bei Unfällen? 

Coburg, Duisburg, 27.10.2022 Viele genießen den goldenen Herbst, wenn das Laub sich langsam verfärbt. Mit sinkenden Temperaturen verlieren Bäume aber auch ihre Blätter, Niederschläge nehmen zu. Beides zusammen verwandelt Bürgersteige in Rutschbahnen. Ohne Räumen ist ein Unfall schnell passiert. 


Wer zum Besen greifen muss, regeln die meisten Kommunen in ihren Satzungen. Hier schreiben sie fest, ob und in welchem Umfang sich Hauseigentümer um die Reinigung der Bürgersteige kümmern müssen. Wer sich der Reinigungspflicht dauerhaft entzieht, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Den Eigentümern eines Mietshauses steht es offen, die Reinigungspflicht über den Mietvertrag an die Mieter weiterzugeben.  Ereignet sich ein Unfall, hat der nicht nur eine strafrechtliche Seite.


Hier geht es, wie die HUK-COBURG mitteilt, auch um persönliche Haftung. Bricht sich ein Passant beispielsweise das Bein, weil vergessen wurde, die Blätter wegzufegen, muss der Verantwortliche für den Schaden aufkommen. Ohne Haftpflichtversicherung kann das teuer werden: Im geschilderten Fall können dem Geschädigten Schmerzensgeld und falls er arbeitet auch eine Entschädigung für seinen Verdienstausfall zustehen.


Bleiben nach einem Unfall dauerhafte Schäden zurück, können sogar lebenslange Rentenzahlungen fällig werden. Ob und in welchem Umfang ein säumiger Laubräumer haftet, hängt allen Regeln zum Trotz oft von den speziellen Umständen des Einzelfalls ab. Sollte der Geschädigte den Rechtsweg beschreiten, steht die Haftpflichtversicherung ihrem Kunden zur Seite.