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Mitten aus dem Leben - Urteile und Tipps zu §§
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Archiv 2021
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Dezember 2021 |
Der Gesetzgeber muss Vorkehrungen zum Schutz
behinderter Menschen für den Fall einer
pandemiebedingt auftretenden Triage treffen
Karlsruhe, 28. Dezember 2021 - Das
Bundesverfassungsgericht hat eine neue
Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der
Kurztext: Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat
der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts
entschieden, dass der Gesetzgeber Art. 3 Abs. 3
Satz 2 GG verletzt hat, weil er es unterlassen hat,
Vorkehrungen zu treffen, damit niemand wegen einer
Behinderung bei der Zuteilung überlebenswichtiger,
nicht für alle zur Verfügung stehenden
intensivmedizinischer Behandlungsressourcen
benachteiligt wird. Die Beschwerdeführenden sind
schwer und teilweise schwerst behindert und
überwiegend auf Assistenz angewiesen.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde begehren sie einen
wirksamen Schutz vor Benachteiligung von Menschen
mit einer Behinderung bei der Entscheidung über die
Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen, die im
Laufe der Coronavirus-Pandemie nicht für alle
Behandlungsbedürftigen ausreichen können, also in
einem Fall einer Triage. Sie sind der Auffassung,
der Gesetzgeber schütze sie in diesem Fall nicht vor
einer Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung.
Der Erste Senat hatte hier einzig zu entscheiden, ob
der Gesetzgeber verpflichtet ist, wirksame
Vorkehrungen zu treffen, dass niemand in einem Fall
einer Triage aufgrund einer Behinderung
benachteiligt wird. Da der Gesetzgeber solche
Vorkehrungen bislang nicht getroffen hat, hat er die
aus dem Schutzauftrag des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG
hier wegen des Risikos für das höchstrangige
Rechtsgut Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) folgende
konkrete Handlungspflicht verletzt.
Der Gesetzgeber muss - auch im Lichte der
Behindertenrechtskonvention - dafür Sorge tragen,
dass jede Benachteiligung wegen einer Behinderung
bei der Verteilung pandemiebedingt knapper
intensivmedizinischer Behandlungsressourcen
hinreichend wirksam verhindert wird. Er ist
gehalten, dieser Handlungspflicht unverzüglich durch
geeignete Vorkehrungen nachzukommen. Bei der
konkreten Ausgestaltung kommt ihm ein
Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum
zu.
Eilantrag gegen 2G-Regelung im Einzelhandel ohne
Erfolg
Münster, 22. Dezember 2021 - Das
Oberverwaltungsgericht hat heute einen Eilantrag der
Woolworth GmbH gegen die 2G-Regelung im
nordrhein-westfälischen Einzelhandel abgelehnt. Nach der
geltenden Coronaschutzverordnung des Landes dürfen
Ladengeschäfte und Märkte nur von Geimpften oder Genesenen
aufgesucht werden. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel
sowie Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte,
Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörakustiker,
Tankstellen, Stellen des Zeitungsverkaufs, Buchhandlungen,
Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte,
Gartenmärkte und der Großhandel.
Die Antragstellerin, die in ihren Filialen ein
Mischsortiment aus Textilien und Haushaltsbedarf aller Art
anbietet, hat geltend gemacht, die 2G-Regelung sei
unverhältnismäßig. Im Einzelhandel bestünden keine
signifikanten Infektionsgefahren, denen nicht im Rahmen der
vorhandenen Hygienekonzepte begegnet werden könne. Zudem
liege im Hinblick auf die von der 2G-Regelung ausgenommenen
Einzelhandelssparten eine nicht gerechtfertigte
Ungleichbehandlung vor. Dem ist das Oberverwaltungsgericht
nicht gefolgt.
Zur Begründung hat der 13. Senat ausgeführt: Die
angegriffene Zugangsbeschränkung zu den Verkaufsstellen des
Einzelhandels verstößt nicht offensichtlich gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Verordnungsgeber kann
voraussichtlich davon ausgehen, dass die 2G-Regelung im
Einzelhandel dazu beiträgt, Leben und Gesundheit der
Bevölkerung zu schützen und eine Überlastung der
(intensiv-)medizinischen Behandlungskapazitäten zu
vermeiden. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist das Risiko
immunisierter Personen, sich mit dem Coronavirus zu
infizieren und dieses an andere Personen weiterzugeben, im
Hinblick auf die bislang vorherrschende Delta-Variante in
erheblichem Maße reduziert.
Dies gilt zwar nicht in gleicher Weise auch für die nunmehr
im Vordringen befindliche Omikron-Variante. Allerdings
spricht nach den bisherigen Erkenntnissen viel dafür, dass
die Impfungen weiterhin einen Schutz vor schweren
Krankheitsverläufen bieten und damit auch bei einer
zunehmenden Verbreitung der Omikron-Variante zu einer
Schonung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten
beitragen. Testpflichten oder das Verwenden von
FFP2-Schutzmasken stellen kein ebenso geeignetes Mittel dar,
dieses Ziel zu erreichen.
Die mit der Maßnahme verbundenen wirtschaftlichen Einbußen
stehen in der aktuellen pandemischen Lage auch nicht außer
Verhältnis zu dem Regelungszweck. Dabei ist insbesondere zu
berücksichtigen, dass auch nichtprivilegierte Einzelhändler
wie die Antragstellerin ihre Waren noch einer Vielzahl von
Kunden anbieten können. Denn inzwischen sind in
Nordrhein-Westfalen allein 73,5 % der Bevölkerung
vollständig geimpft und damit von den angegriffenen
Zugangsbeschränkungen nicht erfasst.
In der Privilegierung der von den Zugangsbeschränkungen
ausgenommenen Ladengeschäfte liegt voraussichtlich kein
Gleichheitsverstoß. Dass der Verordnungsgeber deren
Warenangebot dem täglichen Grundbedarf zugeordnet und
deswegen von den Zugangsbeschränkungen ausgenommen hat, ist
sachlich vertretbar.
Der Beschluss ist unanfechtbar Aktenzeichen: 13 B 1858/21.NE
Eilanträge gegen die Schließung von Diskotheken
bleiben ohne Erfolg
Münster, 22. Dezember 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat
heute zwei Eilanträge abgelehnt, die sich gegen die
Schließung von Diskotheken richten. Nach der derzeit
geltenden Coronaschutzverordnung des Landes sind der Betrieb
von Clubs, Diskotheken und vergleichbaren Einrichtungen
sowie vergleichbare Veranstaltungen (öffentliche
Tanzveranstaltungen, private Tanz- und Diskopartys und
ähnliches) untersagt.
Die Antragstellerinnen, die jeweils Großraumdiskotheken in
Hagen bzw. Rheine betreiben, haben geltend gemacht, die
Schließung sei unverhältnismäßig und verletzte das
allgemeine Gleichbehandlungsgebot. Im Hinblick auf die
zuletzt noch zulässige Betriebsöffnung unter
2G-Plus-Bedingungen hätten sie Personal eingestellt, Ware
eingekauft, Künstler gebucht und Tickets für zukünftige
Wochenenden verkauft. Bei einer anhaltenden Schließung drohe
ein erheblicher Schaden. Dem ist das Oberverwaltungsgericht
nicht gefolgt.
Zur Begründung hat der 13. Senat ausgeführt: Die Untersagung
des Betriebs von Clubs, Diskotheken und vergleichbaren
Einrichtungen verletzt deren Betreiber nicht offensichtlich
in ihren grundgesetzlich geschützten Rechten. Clubs und
Diskotheken werden typischerweise unter besonders
infektionsträchtigen Umständen betrieben. Ein Offenhalten
unter 2G- oder 2G-Plus-Bedigungen stellt daher kein gleich
wirksames Mittel zur Eindämmung der Infektionstätigkeit dar.
Die Untersagung steht unter Berücksichtigung der derzeitigen
pandemischen Lage auch nicht außer Verhältnis zu dem
Regelungsziel, Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu
schützen und eine Überlastung der (intensiv-)medizinischen
Behandlungskapazitäten zu vermeiden.
Die Betreiber von Clubs und Diskotheken sind zwar durch die
langen Schließungen bereits in früheren Phasen der Pandemie
wirtschaftlich ganz erheblich betroffen. Dennoch müssen ihre
Interessen zum gegenwärtigen Zeitpunkt erneut vorübergehend
hinter den mit der Betriebsuntersagung verfolgten Interessen
zurücktreten. Das Robert Koch-Institut bewertet die aktuelle
Entwicklung als sehr besorgniserregend. Danach sinken
die Infektionszahlen derzeit im Hinblick auf die bereits
bestehende hohe Belastung der Intensivstationen und die
bevorstehende zusätzliche Belastung durch die zu erwartende
Omikron-Welle nicht schnell genug.
Eine Intensivierung der kontaktbeschränkenden Maßnahmen sei
dringend erforderlich, um Zeit zu gewinnen und die
Behandlungskapazitäten vor Beginn einer zu erwartenden
Omikron-Welle so weit möglich zu entlasten. Vor diesem
Hintergrund überschreitet das Land seinen
Einschätzungsspielraum voraussichtlich nicht, wenn es Clubs
und Diskotheken bereits jetzt schließt, auch wenn es in
NordrheinWestfalen noch nicht - wie in anderen Bundesländern
- zu regionalen Überschreitungen der Intensivkapazitäten
gekommen ist und zuletzt auch kein Anstieg der
tagesaktuellen 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz zu
beobachten war.
Der Verordnungsgeber darf mit seinen Maßnahmen auch dem
Eintritt solcher Verhältnisse vorbeugen. Ein
Gleichheitsverstoß drängt sich schließlich nicht auf,
nachdem der Verordnungsgeber nunmehr nicht nur den Betrieb
von Clubs, Diskotheken und vergleichbaren Einrichtungen,
sondern auch öffentliche Tanzveranstaltungen, private Tanz-
und Diskopartys und ähnliche Veranstaltungen untersagt hat.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B
1867/21.NE und 13 B 1907/21.NE
Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzansprüche
gegen die AUDI AG im Zusammenhang mit einem "verbrieften
Rückgaberecht" - VII ZR 389/21
Karlsruhe, 16. Dezember 2021 - Der unter anderem für
Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den
Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem
Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben,
zuständige VII. Zivilsenat hat über Schadensersatzansprüche
im Zusammenhang mit dem Einbau eines Motors des Typs EA 897
in ein von der AUDI AG hergestelltes Fahrzeug vor dem
Hintergrund der Nichtausübung eines darlehensvertraglich
verbrieften Rückgaberechts entschieden.
In dem ursprünglich ebenfalls zur Verhandlung anstehenden
Verfahren VII ZR 256/21, das die Haftung der AUDI AG und der
Volkswagen AG für die sog. Aufheizstrategie betraf (vgl.
Pressemitteilung Nr. 207/2021), ist die Revision der
beiden beklagten Motor- bzw. Fahrzeugherstellerinnen
zurückgenommen worden.
Sachverhalt: Der Kläger nahm die beklagte Motor- und
Fahrzeugherstellerin - die AUDI AG - auf Schadensersatz wegen
Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die
Abgasreinigung in Anspruch. Der Kläger erwarb im Februar 2017
einen von der AUDI AG hergestellten Pkw Audi A6 Avant 3.0 TDI
(Euro 6) als Gebrauchtwagen zum Preis von 46.800 €. Das
Fahrzeug ist mit einem von der AUDI AG hergestellten
Dieselmotor der Baureihe EA 897 ausgestattet. Der Kaufpreis
wurde finanziert über ein Darlehen der AUDI Bank. Der
Darlehensvertrag verbriefte ein Rückgaberecht des Klägers
dergestalt, dass er das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Fälligkeit
der Schlussrate in der 9. Kalenderwoche 2021 an die
Verkäuferin zu einem bereits festgelegten Kaufpreis
zurückübertragen konnte.
Der Kläger hat davon keinen Gebrauch gemacht. Das Fahrzeug
unterlag einem im Jahr 2018 erlassenen verpflichtenden
Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wegen einer
unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. der unzulässigen
Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Der
Kläger ließ ein vom KBA freigegebenes Software-Update im
Januar 2019 auf sein Fahrzeug aufspielen.
Bisheriger Prozessverlauf: Die in der Hauptsache auf
Erstattung des Kaufpreises und der Finanzierungskosten unter
Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe
und Übereignung des Fahrzeugs gerichtete Klage war in den
Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der
Bundesgerichtshof hat mit dem heute verkündeten Urteil auf
die Revision des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und
die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückverwiesen. Hinsichtlich des
verbrieften Rückgaberechts, das dem Kläger bei der
Finanzierung des Fahrzeugkaufpreises eingeräumt worden war,
hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Schaden des
Klägers nicht dadurch nachträglich entfallen ist, dass er
dieses Recht nicht ausgeübt, sondern das
Finanzierungsdarlehen vollständig abgelöst hat.
Nach der allgemeinen Lebenserfahrung hätte der Kläger den
Kaufvertrag in Kenntnis der - revisionsrechtlich zu
unterstellenden - unzulässigen Abschalteinrichtung und wegen
des daraus resultierenden Stilllegungsrisikos nicht
abgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR
252/19 Rn. 19, 49 ff., BGHZ 225, 316; Urteil vom 30. Juli
2020 - VI ZR 397/19 Rn. 16, WM 2020, 1642).
Der Schaden liegt in der Eingehung einer ungewollten
Verpflichtung (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR
252/19 Rn. 47 f., BGHZ 225, 316). Dass der Kläger das
Darlehen vollständig ablöste, anstatt das Fahrzeug zu den
beim Erwerb festgelegten Konditionen an die Verkäuferin
zurückzugeben, macht diese Verletzung seines wirtschaftlichen
Selbstbestimmungsrechts nicht ungeschehen. Der Nichtausübung
des Rückgaberechts ist keine Zustimmung zu dem ursprünglich
ungewollten Vertragsschluss zu entnehmen.
Allein der Fortführung des ursprünglich geschlossenen
Finanzierungsvertrages durch Zahlung der Schlussrate kommt
kein Bestätigungswille im Hinblick auf den Kaufvertrag zu.
Dem Kläger ist auch keine Verletzung einer
Obliegenheit zur Schadensminderung anzulasten. Das
Risiko, bei Ausübung des Rückgaberechts wirtschaftlich
schlechter zu stehen als bei einem Vorgehen - wie hier - im
Wege des Schadensersatzes gemäß § 249 Abs. 1 BGB, musste der
Kläger nicht eingehen. Die Rechtsprechung des Senats zur
Berechnung des Nutzungsersatzes im Rahmen von
Leasingverträgen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 -
VII ZR 192/20 Rn. 40 ff., WM 2021, 2056) ist auf den
finanzierten Eigentumserwerb unter Einräumung eines
Rückgaberechts nicht übertragbar.
Die Darlehensraten sind keine Gegenleistung für die
Einräumung der Nutzungsmöglichkeit. Ein Leasingnehmer erwirbt
nur die Möglichkeit zur Nutzung für einen begrenzten, vorher
festgelegten Zeitraum zu bestimmten, mit dem Leasinggeber
vereinbarten Bedingungen. Dagegen beruht der fremdfinanzierte
Kauf trotz der Rückgabeoption auf einer
Investitionsentscheidung, die von vornherein auf den
Eigentumserwerb gerichtet ist und dem Erwerber erst die
Möglichkeit verschafft, das Fahrzeug dem Finanzierungsgeber
zur Sicherung zu übereignen.
Ein widersprüchliches, womöglich den Anspruch gemäß § 242 BGB
ausschließendes Verhalten des jeweiligen Klägers ist vor
diesem Hintergrund nicht erkennbar. Da das Berufungsgericht -
von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine
Feststellungen zu den übrigen Anspruchsvoraussetzungen des §
826 BGB getroffen hat, war die Sache nicht zur
Endentscheidung reif. Die maßgeblichen Vorschriften lauten: §
31 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Der Verein ist für
den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied
des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener
Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden
Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende
Handlung einem Dritten zufügt. § 242 des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB):
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken,
wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die
Verkehrssitte es erfordern. § 249 des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB):
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand
herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz
verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung
einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger
statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag
verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach
Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein,
wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Wer in einer gegen
die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich
Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens
verpflichtet. Vorinstanzen: VII ZR 389/21 Landgericht
Hildesheim – Urteil vom 27. November 2019 – 2 O 40/19
Oberlandesgericht Celle – Urteil vom 31. März 2021 – 7 U
27/20 (S.7a)
Bundesgerichtshof zur Werbung für ärztliche
Fernbehandlungen
Karlsruhe, 9. Dezember 2021 - I ZR
146/20 - Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht
zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
entschieden, unter welchen Voraussetzungen für ärztliche
Fernbehandlungen geworben werden darf. Sachverhalt: Die
Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren
Wettbewerbs. Die Beklagte warb auf ihrer Internetseite mit
der Aussage "Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen,
Therapieempfehlung und Krankschreibung per App." für die von
einer privaten Krankenversicherung angebotene Leistung eines
"digitalen Arztbesuchs" mittels einer App bei in der Schweiz
ansässigen Ärzten.
Die Klägerin sieht in dieser Werbung einen Verstoß gegen das
Verbot der Werbung für Fernbehandlungen nach § 9 HWG. Sie
nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Bisheriger
Prozessverlauf: Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt.
Im Laufe des Berufungsverfahrens ist § 9 HWG mit Wirkung zum
19. Dezember 2019 durch einen Satz 2 ergänzt worden. Danach
gilt das nun in Satz 1 geregelte Werbeverbot für
Fernbehandlungen nicht, wenn für die Behandlung nach
allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher
ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht
erforderlich ist.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten
zurückgewiesen. Mit ihrer Revision hat die Beklagte ihren
Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt. Entscheidung
des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat
entschieden, dass die beanstandete Werbung gegen § 9 HWG in
seiner alten und in seiner neuen Fassung verstößt. Da es sich
bei dieser Vorschrift um eine - dem Gesundheitsschutz
dienende - Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG
handelt, ist die Beklagte nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG zur
Unterlassung der Werbung verpflichtet.
Die Beklagte hat unter Verstoß gegen § 9 HWG in seiner alten
Fassung für die Erkennung und Behandlung von Krankheiten
geworben, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu
behandelnden Menschen beruht. Eine eigene Wahrnehmung im
Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Arzt den
Patienten nicht nur sehen und hören, sondern auch - etwa
durch Abtasten, Abklopfen oder Abhören oder mit
medizinisch-technischen Hilfsmitteln wie beispielsweise
Ultraschall - untersuchen kann. Das erfordert die
gleichzeitige physische Präsenz von Arzt und Patient und ist
im Rahmen einer Videosprechstunde nicht möglich.
Nach § 9 Satz 2 HWG in seiner neuen Fassung ist das in Satz 1
geregelte Verbot zwar nicht auf die Werbung für
Fernbehandlungen anzuwenden, die unter Verwendung von
Kommunikationsmedien erfolgen. Zu diesen Kommunikationsmedien
gehören auch Apps. Das gilt aber nur, wenn nach allgemein
anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher
Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich
ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Mit den
allgemein anerkannten fachlichen Standards sind - entgegen
der Ansicht der Beklagten - nicht die Regelungen des für den
behandelnden Arzt geltenden Berufsrechts gemeint.
Es kommt daher nicht darauf an, ob die beworbene
Fernbehandlung den Ärzten in der Schweiz schon seit Jahren
erlaubt ist. Der Begriff der allgemein anerkannten fachlichen
Standards ist vielmehr unter Rückgriff auf den entsprechenden
Begriff in § 630a Abs. 2 BGB, der die Pflichten aus einem
medizinischen Behandlungsvertrag regelt, und die dazu von der
Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auszulegen. Danach
können sich solche Standards auch erst im Laufe der Zeit
entwickeln und etwa aus den Leitlinien medizinischer
Fachgesellschaften oder den Richtlinien des Gemeinsamen
Bundesausschusses gemäß §§ 92, 136 SGB V ergeben.
Die Beklagte hat für eine umfassende, nicht auf bestimmte
Krankheiten oder Beschwerden beschränkte ärztliche
Primärversorgung (Diagnose, Therapieempfehlung,
Krankschreibung) im Wege der Fernbehandlung geworben. Das
Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass eine solche
umfassende Fernbehandlung den zum Zeitpunkt der Behandlung
bestehenden, allgemeinen fachlichen Standards entspricht. Da
die Beklagte dies auch nicht behauptet hatte und insoweit
kein weiterer Sachvortrag zu erwarten war, konnte der
Bundesgerichtshof abschließend entscheiden, dass die
beanstandete Werbung unzulässig ist.
Vorinstanzen: LG München I - Urteil vom 16. Juli 2019 - 33 O
4026/18 OLG München - Urteil vom 9. Juli 2020 - 6 U 5180/19
Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 3 Abs. 1 UWG
Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. § 3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift
zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der
Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß
geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen
Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu
beeinträchtigen.
§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG Wer eine nach
§ 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt,
kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf
Unterlassung in Anspruch genommen werden. § 9 HWG in der bis
zum 18. Dezember 2019 geltenden Fassung Unzulässig ist eine
Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten,
Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht
auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder
Tier beruht (Fernbehandlung).
§ 9 HWG seit dem 19. Dezember 2019 geltenden Fassung
Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung
von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften
Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu
behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). Satz
1 ist nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen,
die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn
nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein
persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden
Menschen nicht erforderlich ist. § 630a BGB
(1) Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die
medizinische Behandlung eines Patienten zusagt
(Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung,
der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten
Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung
verpflichtet ist. (2) Die Behandlung hat nach den zum
Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten
fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes
vereinbart ist.
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November 2021 |
Bezirksregierung darf unangekündigt
überwachen Münster/Düsseldorf, 07. Dezember
2021 - Die Bezirksregierung darf im Rahmen der gesetzlich
vorgeschriebenen Anlagenüberwachung auch Kontrollen ohne
vorherige Ankündigung durchführen. Das hat das
Oberverwaltungsgericht NRW in Münster jetzt in einem
Berufungsverfahren entschieden. Das Dezernat Abfallwirtschaft
der Bezirksregierung Düsseldorf hatte im Juli 2018 die Anlage
eines Unternehmens kontrolliert, ohne dies vorher
anzukündigen. Dagegen hatte das Unternehmen geklagt und vor
dem Verwaltungsgericht Düsseldorf Recht bekommen. Die
Bezirksregierung ging darauf in Berufung.
Das
Oberverwaltungsgericht legte dar, dass eine unangekündigte
Überwachung durch die Behörde unter Wahrung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von der Rechtsgrundlage des
Bundes-Immissionschutzgesetzes (§ 52 Abs. 2 BImSchG) gedeckt
sei. Die im Ermessen der Überwachungsbehörde stehende
Entscheidung, die Durchführung einer Kontrolle im Rahmen der
gesetzlich vorgeschriebenen Anlagenüberwachung nicht vorher
anzukündigen, sei im Regelfall verhältnismäßig. Entgegen der
Ansicht im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts
Düsseldorf vom 17.01.2019 bedürfe es nach dem Sinn und Zweck
der Kontrolle keiner einzelfallbezogenen Begründung durch die
Behörde.
Damit bestätigt das Oberverwaltungsgericht
die Überwachungspraxis, so wie sie in Nordrhein-Westfalen
ausgeübt wird. Ein Erlass des NRW-Umweltministeriums (MULNV)
aus dem Mai 2018 sieht ausdrücklich vor, dass im Rahmen von
Umweltinspektionen Anlagen auch ohne vorherige Ankündigung
überwacht werden sollen. Das Gericht hat die Revision
zugelassen.
Lkw-Maut verstößt teilweise gegen
Unionsrecht Münster, 30. November 2021 - Die
Erhebung der Lkw-Maut war in den Jahren 2010 und 2011
teilweise unions- rechtswidrig, weil bei der Berechnung der
Mautsätze die Kapitalkosten der Autobahn- grundstücke
fehlerhaft kalkuliert worden sind. Das hat das
Oberverwaltungsgericht heute entschieden und die
Bundesrepublik Deutschland zu einer teilweisen Rückerstattung
von Mautgebühren an die Kläger verpflichtet.
Die
Kläger, die ein Speditionsunternehmen mit Sitz in Polen
betrieben, verlangten die Rückerstattung der im Zeitraum vom
1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 gezahlten Lkw-Maut in
Höhe von rund 12.000 Euro. Das Verwaltungsgericht Köln hatte
die Klage abgewiesen. Auf Vorlage des Oberverwaltungsgerichts
hatte der EuGH am 28. Oktober 2020 entschieden, dass nach der
EU-Wegekostenrichtlinie die Kosten für die Verkehrspolizei
bei der Kalkulation der Lkw-Maut nicht berücksichtigt werden
dürfen. Dies war nicht mehr Gegenstand des heutigen Urteils,
nachdem die Bundesrepublik den Klägern insoweit die Mautge-
bühren (rund 424 Euro) zwischenzeitlich erstattet hatte.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Bundesrepublik
verpflichtet, den Klägern weitere 565 Euro an Mautgebühren zu
erstatten. Außerdem müssen beide Rückerstattungs- beträge für
die Zeit ab Zahlung der Maut bis zum Tag der Erstattung
verzinst werden. Zur Begründung des Urteils hat die
Vorsitzende des 9. Senats ausgeführt: Die Mautgebühren dürfen
nach den Vorgaben der EU-Wegekostenrichtlinie die
Infrastruktur- kosten nicht überschreiten. Damit ist es nicht
vereinbar, wenn bei den Kapitalkosten der Autobahngrundstücke
statt mit ihrem Anschaffungswert mit ihrem aktuellen Wie-
derbeschaffungswert kalkuliert wird.
Anders als
andere Anlagegüter erleiden Grund- stücke keinen
Substanzverlust und müssen nicht nach einer gewissen Zeit
erneut beschafft werden. Die per Gesetz festgelegten
Mautsätze beruhen damit insoweit auf einer fehlerhaften
Kalkulation, mit der den Mautzahlern Kosten angelastet
werden, die über die Infrastrukturkosten hinausgehen.
Den weiteren unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen
Rügen der Kläger in dem als Musterklage geltenden
Mauterstattungsverfahren ist der Senat hingegen nicht
gefolgt. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen
ist Nichtzulassungsbe- schwerde möglich, über die das
Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheidet.
Aktenzeichen: 9 A 118/16 (I. Instanz: VG Köln 14 K 7974/13)
Schulschließungen waren nach der
im April 2021 bestehenden Erkenntnis- und Sachlage zulässig
Karlsruhe, 30. November 2021 - Mit heute
veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts mehrere Verfassungsbeschwerden
zurückgewiesen, die sich gegen das vollständige oder
teilweise Verbot von Präsenzunterricht an allgemeinbildenden
Schulen zum Infektionsschutz („Schulschließungen“) nach der
vom 22. April bis zum 30. Juni 2021 geltenden „Bundesnotbremse“
richten.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit dieser
Entscheidung erstmals ein Recht der Kinder und Jugendlichen
gegenüber dem Staat auf schulische Bildung anerkannt. In
dieses Recht griffen die seit Beginn der Pandemie in
Deutschland erfolgten Schulschließungen in schwerwiegender
Weise ein, wie die in den sachkundigen Stellungnahmen
dargelegten tatsächlichen Folgen dieser Maßnahmen deutlich
zeigen. Diesem Eingriff standen infolge des dynamischen
Infektionsgeschehens zum Zeitpunkt der Verabschiedung der
„Bundesnotbremse“ Ende April 2021, zu dem
die Impfkampagne erst begonnen hatte, überragende
Gemeinwohlbelange in Gestalt der Abwehr von Gefahren für
Leben und Gesundheit und für die Funktionsfähigkeit des
Gesundheitssystems gegenüber, denen nach der seinerzeit
vertretbaren Einschätzung des Gesetzgebers auch durch
Schulschließungen begegnet werden konnte.
Dafür,
dass der Gesetzgeber in dieser Situation den Schülerinnen und
Schülern den Wegfall von Unterricht in der Schule trotz der
damit verbundenen schwerwiegenden Belastungen zumuten konnte,
waren unter anderem folgende Faktoren von Bedeutung: Zu
vollständigen Schulschließungen kam es - anders als bei den
sonstigen Beschränkungen zwischenmenschlicher Kontakte -
nicht bereits bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 im
jeweiligen Landkreis oder der jeweiligen kreisfreien Stadt,
sondern erst bei einem weit höheren Wert von 165. Die Länder
waren verfassungsrechtlich verpflichtet, wegfallenden
Präsenzunterricht auch während der Geltung der
„Bundesnotbremse“ nach Möglichkeit durch Distanzunterricht zu
ersetzen.
Die Schulschließungen waren auf einen
kurzen Zeitraum von gut zwei Monaten befristet; damit war
gewährleistet, dass die schwerwiegenden Belastungen nicht
über einen Zeitpunkt hinaus gelten, zu dem der Schutz von
Leben und Gesundheit etwa infolge des Impffortschritts seine
Dringlichkeit verlieren könnte. Schließlich hatte der Bund
bereits vor Verabschiedung der Bundesnotbremse Vorkehrungen
mit dem Ziel getroffen, dass etwaige künftige, auch die
Schulen betreffende Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie die
Schülerinnen und Schüler möglichst nicht mehr derart
schwerwiegend belasten. Dazu zählen unter anderem eine
vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Studie zur
Erforschung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen
(„StopptCOVID-Studie“) sowie Finanzhilfen des Bundes an die
Länder im Rahmen des „DigitalPaktSchule“ von insgesamt 1,5
Milliarden Euro zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für
die Durchführung digitalen Distanzunterrichts.
Verfassungsbeschwerden
betreffend Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zum Schutz der
Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler
Tragweite („Bundesnotbremse“)
erfolglos Karlsruhe, 30. November 2021 - Mit
heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts in mehreren Hauptsacheverfahren
Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, die sich unter anderem
gegen die durch das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung
bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom
22. April 2021 in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG für einen
Zeitraum von gut zwei Monaten eingefügten bußgeldbewehrten
Ausgangsbeschränkungen sowie bußgeldbewehrten
Kontaktbeschränkungen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG zur
Eindämmung der Corona-Pandemie richteten.
Die
beanstandeten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen waren
Bestandteile eines Schutzkonzepts des Gesetzgebers. Dieses
diente in seiner Gesamtheit dem Lebens- und Gesundheitsschutz
sowie der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen
Gesundheitssystems als überragend wichtigen
Gemeinwohlbelangen. Die Maßnahmen griffen allerdings in
erheblicher Weise in verschiedene Grundrechte ein.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Maßnahmen anhand der
allgemein für sämtliche mit Grundrechtseingriffen verbundenen
Gesetze geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen
geprüft. Danach waren die hier zu beurteilenden Kontakt- und
selbst die Ausgangsbeschränkungen in der äußersten
Gefahrenlage der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar;
insbesondere waren sie trotz des Eingriffsgewichts
verhältnismäßig. Soweit in diesem Verfahren weitere
Maßnahmen des Gesetzes zur Eindämmung der Pandemie
angegriffen wurden, wie etwa die Beschränkungen von Freizeit-
und Kultureinrichtungen, Ladengeschäften, Sport und
Gaststätten, war die entsprechende Verfassungsbeschwerde
nicht zulässig erhoben.
Urteile - VII ZR 238/20, VII
ZR 243/20, VII ZR 257/20 und VII ZR 38/21
Schadensersatzansprüche: Vorwurf einer unzulässigen
Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor
Karlsruhe, 25. November 2021 - Der unter
anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten
Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen
Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor
zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat in vier
gleichzeitig verhandelten Sachen über Schadensersatzansprüche
gegen die AUDI AG im Zusammenhang mit der sogenannten
"Umschaltlogik" beim Motortyp EA 189 entschieden und hierbei
die stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen jeweils
bestätigt.
Sachverhalt: In den vier Verfahren nahmen
die jeweiligen Klageparteien die beklagte
Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung
einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung
in Anspruch. Der Kläger im Verfahren VII ZR 238/20 erwarb im
April 2014 einen von der Beklagten hergestellten Pkw Audi Q5
2.0 TDI als Gebrauchtwagen zum Preis von 20.500 €. Die
Klägerin im Verfahren VII ZR 243/20 erwarb im März 2014 einen
von der Beklagten hergestellten Pkw Audi A3 1.6 TDI als
Gebrauchtwagen zum Preis von 12.000 €.
Der Kläger im
Verfahren VII ZR 257/20 erwarb im November 2014 einen von der
Beklagten hergestellten Pkw Audi A5 Sportback 2.0 TDI als
Gebrauchtwagen zum Preis von 29.970 €. Der Kläger im
Verfahren VII ZR 38/21 erwarb im Juni 2009 ein von der
Beklagten hergestelltes Neufahrzeug Audi A4 2.0 TDI zum Preis
von 30.526,80 €. Die vier Fahrzeuge sind jeweils mit einem
von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe
EA 189 ausgestattet. Dieser verfügte über eine Software, die
den Stickoxidausstoß im Prüfstand verringerte. Die
Motorsteuerung war so programmiert, dass bei Messung der
Schadstoffemissionen auf einem Prüfstand diese Situation
erkannt wird.
Nach Bekanntwerden der
"Umschaltlogik" verpflichtete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA)
die Beklagte zur Entfernung der als unzulässige
Abschalteinrichtung qualifizierten Software und dazu,
geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der
Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Daraufhin wurde ein
Software-Update entwickelt, welches auf das Fahrzeug der
jeweiligen Klagepartei aufgespielt wurde.
Bisheriger
Prozessverlauf: Die in der Hauptsache zuletzt jeweils auf
Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer
Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und
Übereignung des Fahrzeugs gerichteten Klagen hatten in den
Vorinstanzen überwiegend Erfolg. Entscheidung des
Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat mit seinen vier
heute verkündeten Urteilen die Revisionen der Beklagten
zurückgewiesen.
Das Berufungsgericht hat im
Ergebnis in allen vier Fällen einen Schadensersatzanspruch
der jeweiligen Klagepartei aus § 826 BGB zu Recht angenommen.
Es hat in tatrichterlicher Würdigung rechtsfehlerfrei
festgestellt, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter
der Beklagten im Sinne von § 31 BGB die objektiven und
subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB
verwirklicht hat. Die Beklagte handelte sittenwidrig, indem
sie Fahrzeuge mit dem von der Volkswagen AG gelieferten Motor
EA 189, darunter die streitgegenständlichen Fahrzeuge, in den
Verkehr brachte, obwohl nach den tatrichterlichen
Feststellungen wenigstens eine verantwortlich für sie
handelnde Person wusste, dass der Motor mit einer auf
arglistige Täuschung des KBA abzielenden
Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet war.
Zwar
kann das sittenwidrige Verhalten eines verfassungsmäßig
berufenen Vertreters einer juristischen Person entgegen der
Annahme des Berufungsgerichts nicht mittels einer Zurechnung
fremden Wissens entsprechend § 166 BGB begründet werden
(Anschluss an BGH, Urteil vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19,
NJW 2021, 1669; Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, NJW
2017, 250). Auch scheidet vorliegend die vom Berufungsgericht
angenommene Haftung wegen einer angeblich unzulässigen
Organisation des Typgenehmigungsverfahrens aus. Ebenso wenig
tragfähig sind die berufungsgerichtlichen Erwägungen, die
Beklagte sei verpflichtet und in der Lage gewesen, den Motor
EA 189 eigenständig auf Gesetzesverstöße zu überprüfen und zu
diesem Zweck Auskünfte der Volkswagen AG einzuholen.
Etwaige Versäumnisse der Beklagten in dieser Hinsicht könnten
grundsätzlich nicht den für eine Haftung aus § 826 BGB
erforderlichen Vorsatz, sondern lediglich einen
Fahrlässigkeitsvorwurf begründen. Das
Berufungsgericht hat jedoch in revisionsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise selbständig tragend die freie
tatrichterliche Überzeugung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO
gewonnen, dass wenigstens ein an der Entscheidung über den
Einsatz des Motors EA 189 in Fahrzeugen der Beklagten
beteiligter Repräsentant der Beklagten im Sinne des § 31 BGB
von der - evident unzulässigen (BGH, Beschluss vom 19. Januar
2021 - VI ZR 433/19 Rn. 17, VersR 2021, 388) -
"Umschaltlogik" gewusst habe.
Gemäß § 286 Abs. 1
Satz 1 ZPO ist es grundsätzlich Sache des Tatrichters, unter
Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und
des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier
Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung
für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Das
Revisionsgericht kann insoweit nur prüfen, ob sich der
Tatrichter mit dem Prozessstoff umfassend und
widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also
vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen
Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehler in
diesem Sinne hat die Revision jeweils nicht aufgezeigt.
Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 31 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Der Verein ist für den Schaden
verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands
oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch
eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen
begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem
Dritten zufügt. § 166 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):
(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung
durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das
Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt
nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters
in Betracht. (2) […] § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches
(BGB): Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden
Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem
anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. § 286 der
Zivilprozessordnung (ZPO): Freie Beweiswürdigung (1) Das
Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der
Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen
Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob
eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu
erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die
für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2)
[…]
Artikel 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr.
715/2007: Im Sinne dieser Verordnung und ihrer
Durchführungsmaßnahmen bezeichnet der Ausdruck: [...]
"Abschalteinrichtung" ein Konstruktionsteil, das die
Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl
(UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im
Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die
Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems
zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu
deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des
Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem
Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind,
verringert wird; [...] Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung (EG)
Nr. 715/2007: Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die
die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist
unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn: a) die Einrichtung
notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu
schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu
gewährleisten; [...]
Vorinstanzen: VII ZR 238/20 Landgericht
Ingolstadt – Urteil vom 21. Mai 2019 – 21 O 1939/17
Oberlandesgericht München – Urteil vom 30. November 2020 – 21
U 3457/19 und VII ZR 243/20 Landgericht Ingolstadt – Urteil
vom 17. Januar 2019 – 44 O 379/18 Oberlandesgericht München –
Urteil vom 30. November 2020 – 21 U 972/19 und VII ZR 257/20
Landgericht Ingolstadt – Urteil vom 22. November 2019 – 41 O
2463/18 Oberlandesgericht München – Urteil vom 30. November
2020 – 21 U 7307/19 und VII ZR 38/21 Landgericht Ingolstadt –
Urteil vom 26. Juli 2019 – 51 O 1424/18 Oberlandesgericht
München – Urteil vom 14. Dezember 2020 – 21 U 5181/19
Zeitlich unbegrenzte Erhebung von
Erschließungsbeiträgen nach Eintritt der Vorteilslage mit dem
Grundgesetz unvereinbar
Karlsruhe, 24. November 2021 - Mit heute veröffentlichtem
Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts
entschieden, dass § 3 Abs. 1 Nr. 4 des
Kommunalabgabengesetzes Rheinland-Pfalz (KAG RP) mit Art. 2
Abs. 1 GG in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen
Grundsatz der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG) insoweit
unvereinbar ist, als danach Erschließungsbeiträge nach dem
Eintritt der Vorteilslage zeitlich unbegrenzt erhoben werden
können. Die Beitragspflichten verjähren in Rheinland-Pfalz
zwar vier Jahre nach Entstehung des Abgabeanspruchs.
Der Beginn der Festsetzungsfrist knüpft damit allerdings
nicht an den Eintritt der Vorteilslage an, weil die
Entstehung des Abgabeanspruchs von zusätzlichen
Voraussetzungen abhängt. So bedarf es unter anderem einer
öffentlichen Widmung der Erschließungsanlage, die erst nach
tatsächlicher Fertigstellung der Anlage erfolgen kann. Die
tatsächliche Vorteilslage und die Beitragserhebung können
somit zeitlich weit auseinanderfallen. Dies verstößt gegen
das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der
Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und
‑vorhersehbarkeit. Der Landesgesetzgeber ist verpflichtet,
bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Regelung zu
treffen.
Auswahlverfahren für
Beigeordnetenstelle in Duisburg muss wiederholt werden
Münster, 17. November 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat
mit heute bekannt gegebenem Beschluss vom 16. November 2021
der Stadt Duisburg vorläufig untersagt, die von ihr
ausgeschriebene Stelle einer Beigeordneten/eines
Beigeordneten für das Dezernat für Umwelt und Klimaschutz,
Gesundheit, Verbraucherschutz und Kultur mit dem vom Rat
gewählten Bewerber zu besetzen. Es hat damit der Beschwerde
einer im Auswahlverfahren unterlegenen Bewerberin
stattgegeben, die mit ihrem Eilantrag vor dem
Verwaltungsgericht Düsseldorf noch erfolglos geblieben war.
Der Rat der Stadt Duisburg muss nun eine erneute
Auswahlentscheidung treffen. Zur Begründung seines
Beschlusses hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts
ausgeführt: Das Auswahlverfahren zur Besetzung der in
Duisburg ausgeschriebenen Beigeordnetenstelle verletzt den
Grundsatz der Bestenauslese. Danach hat jeder Deutsche nach
seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen
Zugang zu jedem öffentlichen Amt.
Die Wahl eines Beigeordneten durch den
Rat ist zwar als freie und nur den Bindungen des Gesetzes und
des Gewissens unterworfene Entscheidung der Ratsmitglieder
einer inhaltlichen gerichtlichen Kontrolle entzogen. Das zur
Wahl führende Verfahren muss aber dem Grundsatz der
Bestenauslese genügen und der Rat darf die
Auswahlentscheidung auch nicht in Teilen Dritten überlassen.
Hier hat der Rat der Stadt Duisburg sich durch das von ihm
beauftragte externe Personalberatungsunternehmen nicht
lediglich - was zulässig gewesen wäre - organisatorisch
unterstützen und fachlich beraten lassen. Vielmehr hat er
diesem eine Vorauswahl der Bewerber überlassen, ohne selbst
hierfür objektiv überprüfbare Kriterien festzulegen.
Hierdurch hat er die allein ihm
obliegende Auswahlentscheidung in unzulässiger Weise aus der
Hand gegeben. Das durch das beauftragte
Personalberatungsunternehmen durchgeführte
Vorauswahlverfahren hat zudem die Chancengleichheit der
Kandidaten verletzt. Denn der Rat wurde durch die
Personalberater über die Qualifikation der Bewerber nicht
objektiv informiert und ging daher bei der Wahl des
vorgeschlagenen Kandidaten zum Beigeordneten von einem
verzerrt dargestellten Sachverhalt aus. Auch aus diesem Grund
war dem Rat eine eigene Eignungsbeurteilung und
eigenverantwortliche (Vor-)Auswahlentscheidung nicht möglich.
Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen 6 B 1176/21
(I. Instanz: VG Düsseldorf 26 L 999/21)
Zur Haftung der Fußballvereine für
das Verhalten ihrer Anhänger
Karlsruhe, 4. November 2021 - Der unter
anderem für Rechtsstreitigkeiten über Schiedssprüche
zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
entschieden, dass ein Schiedsspruch des "Ständigen
Schiedsgerichts für die dritte Liga beim Deutschen
Fußballbund" (Ständiges Schiedsgericht), mit dem eine gegen
einen Ligateilnehmer für das Verhalten seiner Anhänger bei
Heim- und bei Auswärtsspielen verhängte
verschuldensunabhängige Geldstrafe bestätigt wurde, nicht
gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstößt.
Sachverhalt: Die Antragstellerin ist die
ausgegliederte Fußball-Profiabteilung des FC Carl Zeiss Jena
e.V. Ihre erste (Männer-)Mannschaft spielte in der vom
Antragsgegner, dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), als
Profiliga ausgerichteten dritten Liga. Die Parteien schlossen
Anfang 2018 einen Schiedsgerichtsvertrag, in dem für
Streitigkeiten über Sanktionen die Zuständigkeit des
Ständigen Schiedsgerichts vereinbart wurde. Bei einem
Auswärtsspiel und zwei Heimspielen im Jahr 2018 brannten
Personen im Fanblock der Antragstellerin pyrotechnische
Gegenstände ab oder warfen Gegenstände in Richtung Spielfeld.
Bisheriger Prozessverlauf: Das
Sportgericht des Antragsgegners belegte die Antragstellerin
aufgrund dieser Vorfälle gemäß § 9a Nr. 1 und 2 der
DFB-Rechts- und Verfahrensordnung (DFB-RuVO) mit einer
Geldstrafe in Höhe von 24.900 €. Ihr wurde nachgelassen,
hiervon einen Betrag in Höhe von bis zu 8.000 € für
sicherheitstechnische, infrastrukturelle und gewaltpräventive
Maßnahmen zu verwenden. Die Berufung der Antragstellerin wies
das Bundesgericht des Antragsgegners zurück. Die dagegen
erhobene Klage der Antragstellerin vor dem Ständigen
Schiedsgericht blieb ohne Erfolg. Den Antrag, diesen
Schiedsspruch aufzuheben, hat das Oberlandesgericht als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Anwendung der in § 9a
DFB-RuVO geregelten Verbandsstrafenhaftung im Sinne einer
objektiven Kausalhaftung für ein Fehlverhalten Dritter
verstoße nicht gegen den ordre public im
Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Dagegen richtet
sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin. Entscheidung
des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat die
Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Oberlandesgerichts zurückgewiesen. Der Schiedsspruch verstößt
nicht wegen einer Verletzung des mit Verfassungsrang
ausgestatteten Schuldgrundsatzes gegen den ordre public.
Die "Geldstrafe", die gegen die
Antragstellerin für das Verhalten ihrer Anhänger verhängt und
vom Schiedsgericht bestätigt worden ist, stellt keine
strafähnliche Sanktion dar, die diesem Grundsatz
unterliegen könnte. Sie dient nicht der Ahndung und
Sühne vorangegangenen Fehlverhaltens der Antragstellerin,
sondern soll den künftigen ordnungsgemäßen Spielbetrieb
sichern. Die Sanktion ist nicht verhängt worden, weil die
Antragstellerin Vorgaben des Antragsgegners zu
Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten hätte, sondern weil
die von der Antragstellerin ergriffenen Maßnahmen nicht
ausgereicht haben, um Ausschreitungen ihrer Anhänger zu
verhindern.
Die "Geldstrafe" soll die
Antragstellerin dazu anhalten, zukünftig alle ihr zur
Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um mäßigend auf ihre
Anhänger einzuwirken und so künftige Zuschauerausschreitungen
zu verhindern. Sie soll die Antragstellerin dazu
veranlassen, in ständiger Kommunikation mit und in Kontakt zu
ihren Fans befriedend auf diese einzuwirken,
situationsabhängig geeignete präventive Maßnahmen zu
ergreifen und dadurch die von ihren Anhängern ausgehenden
Gefahren für den Wettkampfbetrieb bestmöglich zu unterbinden.
Die Einordnung der "Geldstrafe" als
präventive Maßnahme entspricht der Rechtsprechung des
Internationalen Sportgerichtshofs (CAS), der das Ziel der
verschuldensunabhängigen Haftung gleichfalls nicht in der
Bestrafung des Vereins, sondern in der Prävention und
Abschreckung sieht. Der Schiedsspruch verstößt
auch nicht wegen einer eklatanten Verletzung des Grundsatzes
der Verhältnismäßigkeit oder wegen einer Verletzung des
Bestimmtheitsgrundsatzes gegen den ordre public. I
ZB 54/20
Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main -
Beschluss vom 23. Juni 2020 - 26 Sch 1/20 Die maßgeblichen
Vorschriften lauten: § 9a DFB-RuVO Verantwortung der Vereine
1. Vereine und Tochtergesellschaften sind für das Verhalten
ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen,
Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiterer Personen, die im
Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben,
verantwortlich. 2. Der gastgebende Verein und der Gastverein
bzw. ihre Tochtergesellschaften haften im Stadionbereich vor,
während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art. §
1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO Aufhebungsantrag (2) Ein
Schiedsspruch kann nur aufgehoben werden, […] 2. wenn das
Gericht feststellt, dass […] b) die Anerkennung oder
Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das
der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.
Kein Betreuungsanspruch ohne
Nachweis einer Masernschutzimpfung oder einer
Kontraindikation Münster, 02. November 2021 -
Einem dreijährigen Kind kann der Zugang zu einer
Kindertageseinrichtung verwehrt werden, wenn die nach dem
Infektionsschutzgesetz für den Besuch von
Gemeinschaftseinrichtungen erforderliche Masernschutzimpfung
oder eine entsprechende Kontraindikation nicht hinreichend
nachgewiesen ist. Das hat das Oberverwaltungsgericht mit
Eilbeschluss vom 29. Oktober 2021 entschieden und damit eine
Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen bestätigt.
Dem antragstellenden dreijährigen Jungen war trotz eines
wirksamen Betreuungsvertrags der Besuch einer
Kindertageseinrichtung in der Stadt Erkelenz verwehrt worden,
weil seine Eltern für ihn weder einen Nachweis über
ausreichenden Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern
noch ein ärztliches Zeugnis über eine medizinische
Kontraindikation hinsichtlich der Impfung vorgelegt hatten.
Die Eltern beriefen sich darauf, dass eine Impfung wegen
diverser Allergien, unter anderem gegen verschiedene
Inhaltsstoffe der Masernschutzimpfung, nicht in Betracht
komme und legten ein entsprechendes Attest des behandelnden
Arztes vor.
Zur Begründung hat der 12. Senat im
Wesentlichen ausgeführt: Der erforderliche Nachweis über eine
Kontraindikation ist trotz Vorlage des Attestes nicht
erbracht, da erhebliche Zweifel am Beweiswert des -
jedenfalls auf Plausibilität nachprüfbaren - ärztlichen
Zeugnisses bestehen. Aus einer nachfolgenden ärztlichen
Bescheinigung ergibt sich, dass der Feststellung der
Impfunverträglichkeit keine medizinisch anerkannte Testung
bzw. Diagnostik zugrunde lag, sondern sie lediglich auf den
Angaben der Eltern beruhte. Dass es in der Vergangenheit bei
dem Kind zu teilweise erheblichen allergischen Reaktionen auf
andere Stoffe wie Birken- oder Haselpollen gekommen ist und
damit möglicherweise auch ein erhöhtes Risiko für eine
allergische Impfreaktion besteht, reicht auch für einen
Erfolg im Eilverfahren nicht aus, zumal nach ärztlichen
Angaben eine nähere allergologische Abklärung mittels eines
Prick-Tests möglich ist.
Die maßgebliche Regelung des
Infektionsschutzgesetzes ist auch nicht in einer Weise
offensichtlich verfassungswidrig, dass ihre Nichtanwendung im
Eilverfahren in Betracht kommt. Das Bundesverfassungsgericht
hat zudem in seinem Beschluss vom 11. Mai 2020 - 1 BvR 469/20
-, betreffend die Verfassungsmäßigkeit des Nachweises über
eine Masernschutzimpfung bzw. Kontraindikation das Interesse
der Eltern und Kinder auf Betreuung in einer
Gemeinschaftseinrichtung gegenüber dem öffentlichen
Interesse, infektionsbedingte Risiken für Leib und Leben
einer Vielzahl von Personen abzuwehren, zurücktreten lassen.
Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 12 B
1277/21 (I. Instanz VG Aachen 2 L 400/21)
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Oktober 2021 |
Eilantrag zu 3G erfolglos Münster, 29. Oktober
2021 -
Das Oberverwaltungsgericht hat heute einen Eilantrag
abgelehnt, der sich gegen die Pflicht für nicht geimpfte oder
genesene Personen richtete, einen negativen Coronatest
nachzuweisen. Nach der aktuellen nordrhein-westfälischen
Coronaschutzverordnung dürfen zahlreiche Einrichtungen,
Angebote und Tätigkeiten nur noch von - durch vollständige
Impfung oder überstandene Infektion - immunisierten oder
getesteten Personen in Anspruch genommen, besucht oder
ausgeübt werden.
Die weder geimpfte noch genesene
Antragstellerin aus Dortmund ist Studentin und nimmt nach
eigenen Angaben rege am gesellschaftlichen Leben teil. Zur
Begründung ihres Antrags hat sie geltend gemacht, eine
Testpflicht sei zur weiteren Gewährleistung ausreichender
medizinischer Versorgungskapazitäten weder geeignet noch
angemessen. Sie grenze Ungeimpfte aus und setze diese wegen
der damit verbundenen erheblichen Kosten massiv unter Druck,
sich impfen zu lassen. Darüber hinaus verstoße sie gegen das
Gleichbehandlungsgebot, da immunisierte Personen sich nicht
testen lassen müssten.
Dem ist das
Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt. Zur Begründung seines
Eilbeschlusses hat der 13. Senat ausgeführt: Die
Testnachweispflicht für nicht immunisierte Personen ist
grundsätzlich geeignet, um nicht erkannte Infektionen mit dem
Coronavirus SARS-CoV-2 zu entdecken, einem Infizierten den
Zutritt zu der jeweiligen Einrichtung zu verwehren und damit
die übrigen Besucher vor einer Infektion zu schützen. Auf
diese Weise wird die Ansteckung mit einer potentiell tödlich
verlaufenden Krankheit vermieden und werden medizinische
Versorgungskapazitäten geschont.
Die
Testnachweispflicht ist auch nicht erkennbar unangemessen.
Aufgrund der kurzen Dauer und niedrigschwelligen Intensität
führt ein Test selbst bei regelmäßiger Wiederholung nur zu
einer geringfügigen körperlichen Beeinträchtigung, die mit
Blick auf den damit bezweckten Schutz von Leben und
Gesundheit einer Vielzahl von Personen gerechtfertigt
erscheint. Der Verordnungsgeber beschränkt im Wesentlichen
nur den Zugang zu bestimmten Einrichtungen und
Veranstaltungen im öffentlichen Raum mit
infektionsbegünstigenden Umständen.
Zahlreiche
elementare Angebote wie das Aufsuchen von
Einzelhandelseinrichtungen, Arztbesuche oder die Nutzung des
öffentlichen Personennah- und -fernverkehrs können weiterhin
ohne negativen Testnachweis wahrgenommen werden. Gleiches
gilt etwa für Sport im Freien oder die Außengastronomie. Dass
die Tests für die meisten Bürger inzwischen kostenpflichtig
sind, dürfte nicht zur Unzumutbarkeit des Testerfordernisses
führen. Für die betroffenen Bürger besteht die Möglichkeit,
sich alternativ zur Testung entsprechend der Empfehlung der
Ständigen Impfkommission gegen COVID-19 impfen zu lassen.
Vor diesem Hintergrund ist es voraussichtlich nicht
unangemessen, dass Personen in der Konsequenz ihrer freien
Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, die hierfür
entstehenden Kosten selbst zu tragen haben und diese nicht
der Allgemeinheit auferlegt werden. Für die geltend gemachte
Ungleichbehandlung gegenüber immunisierten Personen liegen
rechtfertigende Sachgründe vor. Diese Personen tragen nach
aktuellem Erkenntnisstand weniger zum Infektionsgeschehen
bei, da bei ihnen das Risiko einer Virusübertragung stark
vermindert ist. Auch weisen vollständig Geimpfte nach
Schätzungen des Robert Koch-Instituts einen sehr hohen Schutz
vor Hospitalisierung sowie vor Behandlung auf einer
Intensivstation auf.
Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 1393/21.NE
Bei finanziell leistungsfähigen Großeltern keine gesteigerte
Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder - Beschluss vom
27. Oktober 2021 - XII ZB 123/21
Karlsruhe, 28. Oktober 2021 -
Der unter anderem für das Familienrecht zuständige
XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte zu klären, ob
die sog. gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber
ihren minderjährigen Kindern auch dann besteht, wenn
finanziell leistungsfähige Großeltern vorhanden sind. Diese
Frage ist u.a. dafür von Bedeutung, ob ein erwerbstätiger
Elternteil für den Kindesunterhalt sein oberhalb des sog.
notwendigen Selbstbehalts (derzeit 1.160 €) liegendes
Einkommen einzusetzen hat oder lediglich das Einkommen
oberhalb seines sog. angemessenen Selbstbehalts (derzeit
1.400 €). Im zugrundeliegenden Fall hat ein Bundesland als
Träger der Unterhaltsvorschusskasse Kindesunterhalt aus
übergegangenem Recht für den Zeitraum von Juni 2016 bis
einschließlich Dezember 2017 verlangt.
Der
Antragsgegner ist der Vater der im August 2010 geborenen M.,
die aus seiner inzwischen geschiedenen Ehe mit der
Kindesmutter hervorgegangen ist, sowie eines Sohnes, dem er
ebenfalls unterhaltspflichtig ist. Er verfügte über ein
Nettoeinkommen von rund 1.400 € und zahlte an die
Kindesmutter, deren Nettoeinkommen aus einer
Teilzeittätigkeit rund 1.000 € betrug, monatlichen Unterhalt
für M. in Höhe von 100 €. Seine Eltern - die Großeltern
von M. - hatten monatliche Nettoeinkünfte von fast 3.500 €
bzw. gut 2.200 €. Die Unterhaltsvorschusskasse leistete für
M. Unterhaltsvorschuss und nahm den Vater von auf sie
übergegangenen Unterhalt in Höhe von insgesamt 758,29 € in
Regress. Der Antragsgegner wandte ein, er hafte angesichts
der leistungsfähigen Großeltern nur bis zur Höhe des
angemessenen Selbstbehalts und sei deswegen nicht
leistungsfähig.
Das Amtsgericht hat dem
Zahlungsantrag in vollem Umfang entsprochen. Auf die
Beschwerde des Vaters hat das Oberlandesgericht diese
Entscheidung abgeändert und den Antrag abgewiesen. Der
Bundesgerichtshof hat die dagegen vom Land eingelegte
Rechtsbeschwerde zurückgewiesen, weil der Vater nicht über
die von ihm erbrachten Unterhaltszahlungen hinaus
leistungsfähig im Sinne des § 1603 BGB war. Verwandte in
gerader Linie haben einander nach § 1601 BGB Unterhalt zu
gewähren, wobei die Unterhaltspflicht der Eltern für ihre
Kinder derjenigen der Großeltern für ihre Enkel vorgeht (§
1606 Abs. 2 BGB).
Unterhaltspflichtig ist nach § 1603
Abs. 1 BGB nicht, wer seinen angemessenen Unterhalt gefährden
würde; der daraus abgeleitete angemessene Selbstbehalt eines
Elternteils gegenüber seinem Kind betrug seinerzeit 1.300 €.
Allerdings trifft Eltern minderjähriger Kinder gemäß § 1603
Abs. 2 Satz 1 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weshalb
ihnen insoweit nur der notwendige Selbstbehalt von seinerzeit
1.080 € zusteht. Diese sog. gesteigerte Verpflichtung tritt
nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BGB nicht ein, wenn ein
anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist.
Wie der Bundesgerichtshof nun entschieden hat, führt
das Vorhandensein von für den Enkelunterhalt leistungsfähigen
Großeltern dazu, dass die gesteigerte Unterhaltspflicht der
Eltern für ihre minderjährigen Kinder entfällt. Dies folgt
nicht nur aus dem Gesetzeswortlaut, der nicht nach dem
Verwandtschaftsgrad differenziert. Es entspricht auch dem
Willen des Gesetzgebers, der diese Regelung seit
Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Vorstellung
getroffen hatte, die Erweiterung der Unterhaltspflicht sei
wegen der für die Eltern damit verbundenen Härte nicht
gerechtfertigt, so lange andere zur Gewährung des Unterhalts
verpflichtete Verwandte wie etwa Großeltern vorhanden sind.
An dieser gesetzgeberischen Konzeption, die sich in die
Konstruktion des Verwandtenunterhalts als Ausdruck der
generationenübergreifenden Solidarität einfügt, hat sich bis
heute nichts geändert.
Werden Großeltern für den
Unterhalt ihrer Enkel herangezogen, stellt dies auch keine
verdeckte Unterhaltsgewährung an die Kindeseltern dar.
Vielmehr haften sie gemäß § 1607 Abs. 1 BGB originär nur auf
Unterhalt gegenüber ihren Enkelkindern. Die Kindeseltern
müssen ihren eigenen angemessenen Unterhalt selbst
sicherstellen. Durch dieses Gesetzesverständnis wird das
gesetzliche Rangverhältnis nicht in Frage gestellt. Zudem
bleibt gewährleistet, dass die Ersatzhaftung der Großeltern
die Ausnahme darstellt.
Dafür sorgt nicht nur die
Anordnung des Vorrangs der elterlichen Unterhaltspflicht,
sondern auch, dass Großeltern gegenüber ihren Enkeln ein
deutlich höherer angemessener Selbstbehalt zusteht (derzeit
2.000 € zzgl. der Hälfte des über 2.000 € liegenden
Einkommens) als den Eltern gegenüber ihren Kindern. Dass der
Staat für Unterhaltsvorschusszahlungen keinen Regress (§ 7
Abs. 1 Satz 1 UVG) bei Großeltern nehmen kann, ist wiederum
eine ganz bewusste gesetzgeberische Entscheidung, kann jedoch
nicht dafür maßgeblich sein, welchen Umfang die
zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern hat. Schließlich
geben auch Praktikabilitätserwägungen keine Veranlassung zu
einer abweichenden Gesetzesauslegung.
Bereits die
Anzahl der Fälle, in denen intensivere Nachforschungen zu den
Einkommensverhältnissen der Großeltern erforderlich sind,
dürfte begrenzt sein. Vor allem aber muss ein auf Unterhalt
in Anspruch genommener Elternteil in solchen Fällen nicht nur
darlegen und beweisen, dass bei Unterhaltszahlung sein
angemessener Selbstbehalt nicht gewahrt wäre, sondern auch,
dass andere leistungsfähige Verwandte vorhanden sind. Danach
traf den Vater hier keine gesteigerte Unterhaltspflicht, weil
jedenfalls der Großvater ohne weiteres leistungsfähig für den
Kindesunterhalt war. Unter Berücksichtigung des angemessenen
Selbstbehalts musste der Vater daher über die bereits
gezahlten 100 € hinaus keinen weiteren Kindesunterhalt
leisten.
Vorinstanzen: AG Leipzig - Beschluss vom 27. Mai 2020 - 340 F
3031/19 OLG Dresden - Beschluss vom 8. Februar 2021 - 23 UF
474/20 § 1601 BGB Unterhaltsverpflichtete Verwandte in
gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu
gewähren. § 1603 BGB Leistungsfähigkeit (1)
Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung
seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne
Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu
gewähren.
(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so
sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet,
alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt
gleichmäßig zu verwenden. (…) Diese Verpflichtung tritt
nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter
vorhanden ist; (). § 1606 BGB Rangverhältnisse mehrerer
Pflichtiger (1) (…) (2) Unter den Abkömmlingen und unter den
Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den
entfernteren. (…) § 1607 Ersatzhaftung und gesetzlicher
Forderungsübergang (1) Soweit ein Verwandter auf Grund des §
1603 nicht unterhaltspflichtig ist, hat der nach ihm haftende
Verwandte den Unterhalt zu gewähren. (…) § 7 UVG Übergang von
Ansprüchen des Berechtigten (1) Hat der Berechtigte für die
Zeit, für die ihm die Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz
gezahlt wird, einen Unterhaltsanspruch gegen den Elternteil,
bei dem er nicht lebt, (…) so geht dieser Anspruch in Höhe
der Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz (…) auf das Land
über. (…)
Herbst: Wer muss Bürgersteig vom Laub freihalten? -
Reinigungspflicht kann übertragen werden - Wer haftet bei
Unfällen
Coburg/Duisburg, 26. Oktober 2021 -
Viele genießen den goldenen Herbst, wenn das Laub sich
langsam verfärbt. Mit sinkenden Temperaturen verlieren Bäume
aber auch ihre Blätter, Niederschläge nehmen zu. Beides
zusammen verwandelt Bürgersteige in Rutschbahnen. Ohne Räumen
ist ein Unfall schnell passiert. Wer zum Besen greifen
muss, regeln die meisten Kommunen in ihren Satzungen. Hier
schreiben sie fest, ob und in welchem Umfang sich
Hauseigentümer um die Reinigung der Bürgersteige kümmern
müssen.
Gefährlich:
Nasses Herbstlaub kann Bürgersteige schnell in rutschige
Flächen verwandeln. Räumen ist deshalb für Hauseigentümer
oder Mieter in vielen Kommunen Pflicht. Foto: HUK-COUBURG
Ereignet sich ein Unfall, hat der nicht nur eine
strafrechtliche Seite. Hier geht es, wie die HUK-COBURG
mitteilt, auch um persönliche Haftung. Bricht sich ein
Passant beispielsweise das Bein, weil vergessen wurde, die
Blätter wegzufegen, muss der Verantwortliche für den Schaden
aufkommen. Ohne Haftpflichtversicherung kann das teuer
werden: Im geschilderten Fall können dem Geschädigten
Schmerzensgeld und falls er arbeitet auch eine Entschädigung
für seinen Verdienstausfall zustehen.
Bleiben nach einem Unfall dauerhafte Schäden zurück, können
sogar lebenslange Rentenzahlungen fällig werden. Ob und in
welchem Umfang ein säumiger Laubräumer haftet, hängt allen
Regeln zum Trotz oft von den speziellen Umständen des
Einzelfalls ab. Sollte der Geschädigte den Rechtsweg
beschreiten, steht die Haftpflichtversicherung ihrem Kunden
zur Seite.
Dauerhaftes Nutzungsverbot durch Mehrheitsbeschluss der
Wohnungseigentümer ist rechtswidrig
Karlsruhe, 15.
Oktober 2021 - Urteil V ZR 225/20 Gegenstand der
heute verkündeten Entscheidung des für das
Wohnungseigentums-recht zuständigen V. Zivilsenats des
Bundesgerichtshofs ist die Frage, ob Wohnungseigentümer die
Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums mit einem
Mehrheitsbeschluss aus Gründen der Verkehrssicherheit
dauerhaft verbieten können, wenn auch das Sondereigentum
infolge des Verbots nicht mehr genutzt werden kann.
Sachverhalt: Das Verfahren betrifft ein nach dem
Wohnungseigentumsgesetz aufgeteiltes, über 40 Jahre altes und
stark sanierungsbedürftiges Parkhaus. Drei der insgesamt elf
Ebenen des Parkhauses stehen als eigene Teileigentumseinheit
im Sondereigentum der Klägerin. Sie vermietet ihre Einheit an
ein benachbartes Hotel. Die übrigen Ebenen mit den Einheiten
der Beklagten sind seit Jahren außer Betrieb.
Nachdem das Bauordnungsamt Nachweise für die Einhaltung der
brandschutztechnischen Mindestanforderungen angefordert
hatte, beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, dass
die Ebenen, die zu der Einheit der Klägerin gehören, nicht
mehr genutzt werden dürfen. Vor dem Hintergrund, dass die
Gemeinschaft eine Sanierung bereits zu einem früheren
Zeitpunkt abgelehnt hatte, wurde der Klägerin gestattet, die
brandschutztechnischen Mängel selbst und auf eigene Kosten zu
beseitigen; erst nach Vorlage entsprechender Nachweise sollte
sie die Nutzung wieder aufnehmen dürfen.
Bisheriger Prozessverlauf: Die Beschlussmängelklage der
Klägerin hat das Amtsgericht abgewiesen. Ihre Berufung war
erfolglos. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision
wollte die Klägerin erreichen, dass der Beschluss für
ungültig erklärt wird. Die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs: Die Revision hat Erfolg gehabt.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat der
Beschlussmängelklage stattgegeben und den Beschluss für
ungültig erklärt. Dabei hat sich der Bundesgerichtshof von
folgenden Erwägungen leiten lassen: Im Grundsatz können die
Wohnungseigentümer im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung
ein auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogenes
Nutzungsverbot zum Zwecke der Gefahrenabwehr beschließen. Das
kommt aber jedenfalls dann nur aus zwingenden Gründen und in
engen Grenzen in Betracht, wenn dadurch die
zweckentsprechende Nutzung des Sondereigentums eingeschränkt
oder - wie hier - sogar vollständig ausgeschlossen wird.
Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind
die Wohnungseigentümer verpflichtet, die Behebung
gravierender baulicher Mängel des gemeinschaftlichen
Eigentums zu veranlassen, die eine Nutzung des
Sondereigentums zu dem vereinbarten Zweck erheblich
beeinträchtigen oder sogar ausschließen. Sie können sich
nicht darauf berufen, dass ihnen die damit einhergehenden
Kosten nicht zuzumuten seien. Dieser Verpflichtung zur
Vornahme zwingend erforderlicher Maßnahmen können sich die
Wohnungseigentümer auch nicht durch ein mehrheitlich
verhängtes dauerhaftes Nutzungsverbot entziehen.
Als
solches wirkt sich der angefochtene Beschluss faktisch aus,
weil die Beseitigung der Brandschutzmängel der Klägerin
überantwortet wurde. Ein dauerhaftes Nutzungsverbot könnte
nur dann rechtmäßig sein, wenn, wie es das Berufungsgericht
für richtig hält, eine Sanierungspflicht der
Wohnungs-eigentümergemeinschaft gemäß § 22 Abs. 4 WEG aF
(nunmehr § 22 WEG) ausgeschlossen wäre; dann müsste die
Gefahrenabwehr durch Stilllegung des Gemeinschaftseigentums
erfolgen.
Der Bundesgerichtshof hat nun geklärt,
dass die Sanierungspflichten der Wohnungseigentümer, die aus
der Überalterung bzw. der mangelnden Instandhaltung des
Gebäudes herrühren, durch die genannte Vorschrift nicht
begrenzt werden. Zerstört im Sinne von § 22 Abs. 4 WEG aF
(nunmehr § 22 WEG) ist ein Gebäude nur dann, wenn seine
Nutzbarkeit durch punktuelle Ereignisse (wie Brand,
Überflutung oder Explosion) wesentlich beeinträchtigt oder
aufgehoben ist. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der
Norm mit dem Zusammenhang von Zerstörung, Wiederaufbau und
Versicherungsleistung.
Nach dem normalen Sprachgebrauch ist ein Gebäude nur dann
zerstört, wenn seine Nutzbarkeit ganz oder teilweise
aufgehoben ist, nicht hingegen deshalb, weil eine Sanierung
hohe Kosten verursacht. Bestätigt wird diese Sichtweise
dadurch, dass das Gebäude "zu mehr als der Hälfte seines
Werts" zerstört sein muss, damit der Anspruch auf
Wiederaufbau ausgeschlossen ist. Bei einem punktuellen
Ereignis wie einem Flutschaden bezieht sich der Wertvergleich
auf den realen Gebäudewert vor und nach der Zerstörung.
Bei einem Sanierungsstau fehlt es schon an einem
konkreten Zeitpunkt, auf den ein "Vorher-Nachher-Vergleich"
realer Werte bezogen werden könnte. Auch wenn die
Gesetzesmaterialien unergiebig sind, dürften dem Gesetzgeber
bei Abfassung der Norm kurz nach Kriegsende im Jahre 1951
Verschlechterungen von Gebäuden durch Bombenangriffe und
damit durch punktuelle Ereignisse vor Augen gestanden haben.
Eine analoge Anwendung der Norm scheidet ebenfalls aus.
Das Gesetz enthält schon keine planwidrige
Regelungslücke. Der in § 22 Abs. 4 WEG aF geregelte
Ausschluss des Wiederaufbaus steht in engem Zusammenhang mit
der Aufhebung der Gemeinschaft, die das Gesetz grundsätzlich
ausschließt (§ 11 WEG aF). Eine erleichterte Aufhebung der
Gemeinschaft bei Überalterung des Gebäudes oder
Unrentabilität der Sanierung ist im jüngsten
Gesetzgebungsverfahren ausgiebig diskutiert worden, ohne dass
dies in der zum 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen
Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes aufgegriffen worden
wäre.
Die begrenzte Lebensdauer von Gebäuden könnte
zwar auf rechtspolitischen Handlungsbedarf schließen lassen;
eine planwidrige Regelungslücke ist aber nicht erkennbar,
nachdem der Gesetzgeber in Kenntnis des Problems von einer
Neuregelung abgesehen hat. Zudem lässt sich die Zerstörung
eines Gebäudes auch nicht - wie es eine Analogie weiter
voraussetzte - mit einem Sanierungsstau vergleichen. Gerade
Brandschutzmängel, marode Leitungen oder energetische
Defizite lassen sich bei älteren Gebäuden häufig nur mit sehr
hohem Sanierungsaufwand beheben; trotzdem kann sich eine
Sanierung als rentabel erweisen.
Erst recht lässt
sich die Angemessenheit der Rechtsfolge des § 22 Abs. 4 WEG
aF bei einem Sanierungsstau bezweifeln. Insbesondere bei
Wohngebäuden erscheint es nämlich wenig überzeugend, einen
Mehrheitsbeschluss über die Sanierung ab dem Erreichen einer
Wertgrenze zu untersagen, obwohl die Mehrheit der
Wohnungseigentümer die Nutzbarkeit ihrer Wohnungen dauerhaft
sicherstellen möchte. Die mit dem Ausschluss des
Wiederaufbaus zusammenhängende rechtspolitische Frage, ob und
unter welchen Voraussetzungen die Gemeinschaft gegen den
Willen einzelner Wohnungseigentümer beendet werden kann, darf
nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, sondern nur durch
den Gesetzgeber entschieden werden.
In diesem
Verfahren war ohnehin nicht die Aufhebung der Gemeinschaft,
sondern allein die Wirksamkeit eines dauerhaften
Nutzungsverbots zu beurteilen. Vorinstanzen: AG Augsburg -
Urteil vom 24. Mai 2017 - 31 C 4282/16 WEG LG München I -
Urteil vom 7. Oktober 2020 - 1 S 9173/17 WEG Die maßgeblichen
Vorschriften lauten: § 11 Abs. 1 WEG aF (= § 11 Abs. 1 WEG
nF) "Kein Wohnungseigentümer kann die Aufhebung der
Gemeinschaft verlangen. Dies gilt auch für eine Aufhebung aus
wichtigem Grund. Eine abweichende Vereinbarung ist nur für
den Fall zulässig, dass das Gebäude ganz oder teilweise
zerstört wird und eine Verpflichtung zum Wiederaufbau nicht
besteht."
§ 13 Abs. 1 WEG aF (= § 13 Abs. 1 WEG nF):
"Jeder Wohnungseigentümer kann, soweit nicht das Gesetz oder
Rechte Dritter entgegenstehen, mit den im Sondereigentum
stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren, insbesondere
diese bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise
nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen."
§
21 Abs. 3 WEG aF (vgl. § 19 Abs. 1 WEG nF): "Soweit die
Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch
Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt ist, können die
Wohnungseigentümer eine der Beschaffenheit des
gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsmäßige
Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschließen."
§ 22 Abs. 4 WEG aF (= § 22 WEG nF): "Ist das Gebäude zu
mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der
Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise
gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht gemäß § 21 Abs. 3
beschlossen oder gemäß § 21 Abs. 4 verlangt werden."
Grundsatzentscheidung zur Verbandsklagebefugnis von
Mietervereinen Münster, 07. Oktober 2021 - Das
Oberverwaltungsgericht hat mit gestern zugestelltem
Grundsatzurteil vom 23.9.2021 entschieden, dass ein in
Regensburg ansässiger Mieterverein in die Liste der
qualifizierten Einrichtungen nach dem
Unterlassungsklagengesetz einzutragen ist. Hieraus folgt
seine Befugnis, bestimmte Verbandsklagen im
Verbraucherinteresse zu erheben. Der Mieterverein (Kläger)
hatte beim Bundesamt für Justiz in Bonn die Eintragung in die
dort bundesweit geführte Liste der qualifizierten
Einrichtungen nach dem Unterlassungsklagengesetz begehrt.
Das Bundesamt lehnte den
Antrag entsprechend seiner ständigen Verwaltungspraxis mit
der Begründung ab, der Kläger gewährleiste neben der
verbraucherbezogenen Aufklärung keine individuelle Beratung
in persönlichen Gesprächen, die über den Kreis seiner
Mitglieder hinaus allen Verbrauchern zugänglich sei. Das
Verwaltungsgericht Köln hat das Bundesamt für Justiz
verpflichtet, den Kläger in die Liste der qualifizierten
Einrichtungen einzutragen.
Das Oberverwaltungsgericht
wies die dagegen gerichtete Berufung des Bundesamts zurück
und bestätigte damit im Ergebnis das Urteil des
Verwaltungsgerichts. Zur Begründung führte der 4. Senat aus:
Der Kläger erfüllt die Eintragungsvoraussetzungen nach dem
Unterlassungsklagengesetz, weil es zu seinen satzungsgemäßen
Aufgaben gehört, Interessen der Verbraucher in seinem
Tätigkeitsbereich durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und
Beratung wahrzunehmen.
Zum Erwerb der
Verbandsklagebefugnis nach dem Unterlassungsklagengesetz muss
ein Verein seit jeher - ebenso wie die klassischen
Verbraucherverbände - im Einklang mit seiner Satzung
Verbraucheraufklärung und -beratung im kollektiven
Verbraucherinteresse betreiben, sich in seinem
Tätigkeitsbereich also an die Verbraucherschaft insgesamt
wenden. Dies bedeutet aber nicht, dass eine auf die eigenen
Mitglieder beschränkte Aufklärung oder Beratung einer
Eintragung in jedem Fall entgegensteht.
Nach dem erklärten Willen des
Gesetzgebers muss Verbraucheraufklärung und -beratung, die im
ausschließlichen Interesse der Verbraucher zu betreiben ist,
einen solchen Umfang und eine solche Verbreitung haben, dass
sie für eine größere Anzahl von Verbrauchern im
Tätigkeitsbereich des Vereins merkbar ist. Mietervereine, für
die dies zutrifft, werden seit jeher als klassische
Verbraucherverbände bzw. -vereine angesehen.
Der
Kläger hat neben seiner Aufklärung gegenüber der gesamten
Verbraucherschaft im Raum Regenburg eine umfangreiche
Beratungstätigkeit in mietrechtlichen Angelegenheiten belegt,
die in regelmäßig jährlich 5.000 oder mehr individuellen
persönlichen und telefonischen Einzelberatungen seiner
Mitglieder besteht. Bei fast 5.000 Mietern als Mitgliedern,
die diese Beratungstätigkeit in erheblichem Umfang in
Anspruch nehmen, steht die Wirksamkeit der
Verbraucherberatung, die für eine größere Anzahl von
Verbrauchern im auf Regensburg und Umgebung beschränkten
Tätigkeitsbereich des Vereins merkbar ist, außer Frage.
Der Senat hat die Revision zum
Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung
zugelassen. Aktenzeichen: 4 A 1073/20 (I. Instanz: VG Köln 1
K 3387/17)
Bundesgerichtshof bestätigt
Musterfeststellungsklage zu Prämiensparverträgen
Bankkunden können nun mit hohen Zinsnachzahlungen rechnen
Düsseldorf/Karlsruhe, 6.
Oktober 2021: Heute verhandelte der Bundesgerichtshof über
die Musterfeststellungsklage „Zur Wirksamkeit von
Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen“, die die
Verbraucherzentrale Sachsen im Mai 2019 gegen die Sparkasse
Leipzig eingereicht hatte, und bestätigte den Urteilsspruch
der Vorinstanz in den wesentlichen Punkten (Az. XI ZR
234/20). Die auf Verbraucherschutz spezialisierte Kanzlei
baum reiter & collegen sieht damit die Rechte von Bankkunden
deutlich gestärkt.
Prämiensparverträge – oft nicht zum Vorteil der Verbraucher
Viele Geldinstitute, insbesondere Sparkassen sowie Volks- und
Raiffeisenbanken, haben ihren Kunden in den 1990er- und
2000er-Jahren langfristige Sparverträge mit Namen wie
„Bonusplan“, „VorsorgePlus“ oder, wie im konkreten Fall,
„S-Prämiensparen flexibel“ verkauft, die sich durch flexible
Zinsanpassungsklauseln und jährlich steigende Prämien
auszeichnen: so genannte Prämiensparverträge. Die Klauseln in
den Verträgen erlauben es dem Kreditinstitut, den Zins des
Prämiensparvertrages einseitig anzupassen. Bei der Anpassung
orientieren sich Banken und Sparkassen regelmäßig an der
allgemeinen Zinsentwicklung. Die Verbraucherzentrale
Sachsen hielt in dem betroffenen Fall zum einen die
Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für
unwirksam und sah zum anderen die Verzinsung als zu niedrig
an. Die Verbraucherschützer strengten deswegen im Frühjahr
2019 eine Musterfeststellungsklage an – mit Erfolg. „Die
Falschberechnung der Zinsen zu Lasten der Kunden ist ein
Skandal, den wir seit vielen Jahren anprangern. Wir begrüßen
es, dass der Bundesgerichtshof der Praxis vieler Banken und
Sparkassen einen Riegel vorschiebt“, sagt Kanzleigründer
Prof. Dr. Julius Reiter.
Was bedeutet die
Entscheidung für den Verbraucher? Auch wenn die
genauen Einzelheiten noch der schriftlichen Urteilsbegründung
vorbehalten bleiben, lässt sich aus der heutigen Mitteilung
des Bundesgerichtshofes schon folgendes wichtiges Fazit
ziehen:
1. Die Zinsänderungsklauseln in den
betroffenen Verträgen sind unwirksam. Die Banken und
Sparkassen, müssen bei ihren Prämiensparverträgen zugunsten
des Verbrauchers von Beginn des Vertrages an eine
Nachberechnung vornehmen. 2. Der Anspruch auf
Nachberechnung entsteht mit der wirksamen Beendigung des
Sparvertrages. Dies bedeutet, dass die regelmäßige
Verjährungsfrist von drei Jahren erst zu laufen beginnt,
sobald der Vertrag beendet ist.
„Die nun auch vom BGH
bestätigten Nachberechnungsansprüche können sich aufgrund der
langen Laufzeiten oft zu mehreren tausend Euro addieren.
Geschädigte Kunden sollten deshalb nicht zögern und dem
positiven Feststellungsurteil jetzt schnell eine
Individualklage folgen lassen“, empfiehlt Marko Martschewski,
der Berliner Standortleiter von baum reiter & collegen. Er
macht dabei auf Folgendes aufmerksam: „Ein
Feststellungsurteil über eine Musterfeststellungsklage klärt
nur Grundsatzfragen, liefert dem Bankkunden aber keinen
Vollstreckungstitel. Eine gewonnene Musterfeststellungsklage
bedeutet oft nur den ersten Schritt, um als geprellter
Bankkunde zu seinem Recht zu kommen. Die Neuberechnung der
Sparverträge und die Zahlung der fehlenden Zinserträge können
oft nur durch individuelle Verfahren und Klagen der einzelnen
Sparer durchgesetzt werden.“
Bundesgerichtshof entscheidet über Revisionen im
Musterfeststellungsverfahren zu Prämiensparverträgen
Karlsruhe, Urteil vom 6. Oktober 2021 - XI
ZR 234/20 Der u.a. für das Bank- und Kapitalmarktrecht
zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat mit Urteil vom 6. Oktober 2021 über die Revisionen des
Musterklägers, eines Verbraucherschutzverbands, und der
Musterbeklagten, einer Sparkasse, gegen das
Musterfeststellungsurteil des Oberlandesgerichts Dresden vom
22. April 2020 über die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln
in Prämiensparverträgen entschieden. Sachverhalt und
bisheriger Prozessverlauf: Die beklagte Sparkasse schloss
seit dem Jahr 1994 mit Verbrauchern sogenannte
Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der
Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach -
bis zu 50% der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr -
gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. In den
Vertragsformularen heißt es u.a.: "Die Spareinlage wird
variabel, z.Zt. mit .. % p.a. verzinst."
In den in
die Sparverträge einbezogenen "Bedingungen für den
Sparverkehr" heißt es weiter: "Soweit nichts anderes
vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr
jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen
Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des
Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der
Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes
vereinbart ist." Der Musterkläger hält die Regelungen zur
Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die
während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten
vorgenommene Verzinsung der Spareinlagen für zu niedrig. Er
verfolgt mit seiner Musterfeststellungsklage sieben
Feststellungsziele.
Mit diesen macht er die
Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel, die Bestimmung eines
Referenzzinssatzes und eines monatlichen
Zinsanpassungsintervalls sowie die Verpflichtung der
Beklagten geltend, die Zinsanpassungen nach der
Verhältnismethode vorzunehmen. Darüber hinaus möchte er
festgestellt wissen, dass die Ansprüche der Verbraucher auf
Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens ab der wirksamen
Beendigung der Sparverträge fällig werden, dass mit der
Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen
Zinsgutschriften im Sparbuch keine den Verjährungslauf in
Gang setzende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der
den Anspruch auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen
begründenden Umstände verbunden ist und dass die
widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschriften im Sparbuch
nicht dazu führt, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung
der Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren
Zinsbeträgen gegeben ist.
Das Oberlandesgericht hat
der Musterfeststellungsklage teilweise stattgegeben. Der
Musterkläger verfolgt seine Feststellungsziele mit der
Revision weiter, soweit das Oberlandesgericht die Klage
abgewiesen hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision
ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der XI. Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die angegriffene
Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB in Bezug
auf die Ausgestaltung der Variabilität der Verzinsung der
Spareinlagen unwirksam ist und dass die in den
Prämiensparverträgen insoweit entstandene Regelungslücke
durch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB
zu schließen ist.
Auf die Revision des
Musterklägers hat er das Musterfeststellungsurteil des
Oberlandesgerichts aufgehoben, soweit dieses keinen für die
Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenzzinssatz
bestimmt hat. Insoweit hat er die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht
zurückverwiesen. Darüber hinaus hat er entschieden, dass die
Zinsanpassungen von der Musterbeklagten
monatlich und unter Beibehaltung des anfänglichen relativen
Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz
(Verhältnismethode) vorzunehmen sind. Er hat zudem
entschieden, dass Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von
weiteren Zinsbeträgen frühestens mit Beendigung der
Sparverträge fällig werden.
Die vom Musterkläger
verfolgten Feststellungsziele zu Teilaspekten der Verjährung
und Verwirkung hat er jeweils als unzulässig zurückgewiesen.
Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die
angegriffene Klausel enthält bei der gebotenen objektiven
Auslegung im Zusammenhang mit Ziffer 3.1 der Bedingungen für
den Sparverkehr ein Zinsänderungsrecht der Musterbeklagten,
wonach diese den Vertragszinssatz durch die Änderung eines
Aushangs in ihrem Kassenraum ändern kann. Das
Oberlandesgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klausel
wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB in Bezug auf die
Ausgestaltung der Variabilität unwirksam ist, da sie nicht
das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher
Zinsänderungen aufweist.
Rechtsfehlerhaft ist das
Oberlandesgericht allerdings davon ausgegangen, es könne
einen Referenzzinssatz deswegen nicht im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung bestimmen, weil im Verfahren über die
Musterfeststellungsklage nicht auszuschließen sei, dass
einzelne Sparverträge individuelle Vereinbarungen enthielten.
Solche Individualvereinbarungen sind nur in den
Klageverfahren zwischen den Verbrauchern und der
Musterbeklagten zu berücksichtigen und schließen die
Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils nach § 613
Abs. 1 ZPO, nicht aber die Vornahme einer ergänzenden
Vertragsauslegung im Musterfeststellungsverfahren aus.
Nach dem Konzept der auf ein
langfristiges Sparen angelegten Sparverträge ist es
interessengerecht, einen Zinssatz für langfristige
Spareinlagen als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen
heranzuziehen. Da das Oberlandesgericht - von seinem
rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine
Feststellungen zu einem geeigneten Referenzzinssatz getroffen
hat, wird es dies nach Zurückverweisung des Musterverfahrens
nachzuholen haben.
Die Zinsanpassungen sind nach der
gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung in einem monatlichen
Rhythmus vorzunehmen, weil der für langfristige Spareinlagen
in Betracht kommende Referenzzinssatz in der von der
Deutschen Bundesbank erhobenen Zinsstatistik monatlich
veröffentlicht wird. Im Wege der ergänzenden
Vertragsauslegung ist weiter davon auszugehen, dass bei den
Zinsanpassungen der anfängliche relative Abstand des
Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beizubehalten ist.
Nur eine solche Auslegung gewährleistet, dass das Grundgefüge
der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der
Sparverträge erhalten bleibt, so dass günstige
Zinskonditionen günstig und ungünstige Zinskonditionen
ungünstig bleiben.
Rechtsfehlerfrei hat das
Oberlandesgericht festgestellt, dass die Ansprüche der
Verbraucher auf weitere Zinsbeträge aus den Sparverträgen
frühestens ab dem Zeitpunkt der Vertragsbeendigung fällig
werden. Die in einem Sparguthaben enthaltenen Zinsen
unterliegen derselben Verjährung wie das angesparte Kapital.
Das gilt auch für den Verbrauchern bislang nicht
gutgeschriebene Zinsbeträge. Die Möglichkeit der Verbraucher,
vor Vertragsbeendigung eine Gutschrift von weiteren
Zinsbeträgen einzuklagen, bewirkt keine Vorverlagerung der
Fälligkeit des Anspruchs auf Auszahlung der weiteren
Zinsbeträge. Der rechtlich nicht vorgebildete Verbraucher,
auf den bei der Auslegung der in den Sparverträgen
getroffenen Abreden abzustellen ist, erwartet aufgrund der
vertraglichen Absprache über die Zinskapitalisierung, dass
die Bank die vertraglich geschuldeten Zinsen auch dann am
Ende eines Geschäftsjahres dem Kapital zuschlägt, wenn er
sein Sparbuch nicht zum Nachtrag vorlegt.
Dieser
berechtigten Erwartung widerspräche es, wenn der Anspruch auf
Auszahlung der weiteren Zinsbeträge bei Vertragsbeendigung
deswegen bereits verjährt wäre, weil der Anspruch auf
Erteilung einer korrekten Zinsgutschrift nicht in einer die
Verjährung hemmenden Art und Weise vom Verbraucher während
der Laufzeit des Sparvertrags geltend gemacht worden ist. Die
vom Musterkläger verfolgten Feststellungsziele zu
Teilaspekten der Verjährung und Verwirkung sind im
Musterfeststellungsverfahren unzulässig, weil sie nicht
verallgemeinerungsfähig sind.
Die Frage, ob ein
bestimmter Umstand geeignet ist, einem Verbraucher Kenntnis
oder auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis von
seinem Anspruch auf weitere Zinsbeträge zu verschaffen, lässt
sich nur individuell abhängig von der Person des Verbrauchers
beantworten. Die Verwirkung eines Anspruchs wegen der illoyal
verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem
Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Zeit- und
Umstandsmoment können dabei nicht voneinander unabhängig
betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung.
Die Frage, ob ein Umstandsmoment vorliegt, das
zusammengenommen mit dem Zeitmoment eine Verwirkung des
Anspruchs des Verbrauchers rechtfertigt, kann daher nur
individuell und nicht in einem Musterverfahren beantwortet
werden.
Vorinstanz: OLG Dresden -
Musterfeststellungsurteil vom 22. April 2020 - 5 MK 1/19 Die
maßgeblichen Vorschriften lauten: § 133 BGB Bei der Auslegung
einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen
und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu
haften. § 157 BGB Verträge sind so auszulegen, wie Treu und
Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. §
308 Nr. 4 BGB In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist
insbesondere unwirksam [...] 4. (Änderungsvorbehalt) die
Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene
Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die
Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter
Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den
anderen Vertragsteil zumutbar ist; […] § 613 Abs. 1 Satz 1
ZPO (1)
Das rechtskräftige
Musterfeststellungsurteil bindet das zur Entscheidung eines
Rechtsstreits zwischen einem angemeldeten Verbraucher und dem
Beklagten berufene Gericht, soweit dessen Entscheidung die
Feststellungsziele und den Lebenssachverhalt der
Musterfeststellungsklage betrifft.
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September 2021 |
Rats- und Ausschusssitzungen nur
mit 3G-Nachweis Oberverwaltungsgericht Münster,
30. September 2021 - Ratsmitglieder dürfen derzeit nur mit
Nachweis einer Immunisierung oder Testung an Rats- und
Ausschusssitzungen ihrer Gemeinde teilnehmen. Dies hat das
Oberverwaltungsgericht heute entschieden. Der gegen den
Bürgermeister gerichtete Eilantrag eines Ratsmitglieds aus
Salzkotten, der auf freien Zugang zu allen Rats- und
Ausschusssitzungen ohne einen solchen Nachweis zielte, hatte
damit in zweiter Instanz keinen Erfolg.
Der 15. Senat
hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen
ausgeführt: Rats- und Ausschusssitzungen sind Veranstaltungen
im Sinne der Coronaschutzverordnung, an denen grundsätzlich
nur noch immunisierte oder getestete Personen teilnehmen
dürfen. Das Infektionsschutzgesetz bietet eine hinreichende,
dem Parlamentsvorbehalt genügende gesetzliche Grundlage.
Dies hat das Gericht im Eilrechtsschutz
für eine Vielzahl von beschränkenden Maßnahmen bereits zuvor
bestätigt. Für die hier in Rede stehenden Auswirkungen auf
das verfassungsrechtlich abgesicherte freie Mandat von
Mitgliedern kommunaler Organe gilt nichts anderes. Ein
unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der Ratsmitglieder
liegt derzeit nicht vor.
Die Beschränkung des Zugangs kommunaler
Mandatsträger zu Rats- oder Ausschusssitzungen auf Personen,
die geimpft, genesen oder (negativ) getestet sind, dient dem
legitimen Zweck des Infektionsschutzes. Die kurzzeitigen
Beeinträchtigungen, die durch einen Schnelltest hervorgerufen
werden, greifen nur geringfügig in die körperliche
Unversehrtheit und das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung ein.
Zudem stehen jedenfalls bis
einschließlich 10. Oktober 2021 allgemein kostenlose
Bürgertestungen zur Verfügung. Im Hinblick auf den Wegfall
der allgemeinen Kostenfreiheit ab dem 11. Oktober 2021 merkt
der Senat jedoch an, dass für kommunale Mandatsträger wohl
Vorkehrungen zu treffen sein werden, die sicherstellen, dass
ihnen durch für die Mandatsausübung erforderliche Tests im
Ergebnis keine Kosten entstehen.
Wegen der Bedeutung des freien Mandats und
des kommunalen Ehrenamtes dürfte sich eine mit den Tests
verbundene Kostenlast für den Mandatsträger als unzumutbar
erweisen. Auch auf die Möglichkeit einer Immunisierung durch
eine kostenlose Impfung muss sich ein Ratsmitglied insoweit
nicht verweisen lassen.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Aktenzeichen: 15 B 1529/21 (I. Instanz: VG Minden 2 L 595/21)
Eilantrag gegen die
Maskenpflicht im Wahllokal ohne Erfolg Münster,
23. September 2021 - Wählerinnen und Wähler müssen am
kommenden Sonntag bei der Bundestagswahl im Wahllokal eine
Maske tragen. Das Oberverwaltungsgericht hat heute einen
Eilantrag gegen die bei der Bundestagswahl 2021 in
Nordrhein-Westfalen geltende Maskenpflicht abgelehnt. Nach
der aktuellen nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung
ist in den Briefund Urnenwahlräumen für die Bundestagswahl
2021 und deren Zuwegen innerhalb des Wahlgebäudes mindestens
eine medizinische Maske (OP-Maske) zu tragen; ausgenommen
sind Personen, die aus medizinischen Gründen keine Maske
tragen können.
Dagegen hat der aus Ennigerloh
stammende Antragsteller unter anderem geltend gemacht, durch
das Masketragen bei der Stimmabgabe in seinem allgemeinen
Wohlbefinden und seiner Konzentration beeinträchtigt zu
werden. Außerdem wolle er durch das Nichttragen einer Maske
seine kritische Einstellung gegenüber den staatlichen
Corona-Maßnahmen politisch kundtun. Letztlich verletze ihn
die Maskenpflicht in seinem Wahlrecht. Dem ist der 13. Senat
des Oberverwaltungsgerichts nicht gefolgt.
Zur Begründung seines Eilbeschlusses hat
er im Wesentlichen ausgeführt: Die Maskenpflicht im Wahlraum
ist voraussichtlich eine verhältnismäßige Schutzmaßnahme. Die
Einschätzung des Verordnungsgebers, dass das Tragen von
Masken einen wesentlichen Beitrag zur Verhinderung von
Infektionen leisten kann, ist unter Berücksichtigung seines
Einschätzungs- und Prognosespielraums rechtlich nicht zu
beanstanden. Ausgehend davon führt die zeitlich begrenzte
einmalige Verpflichtung zum Tragen einer Maske im Wahlraum
nicht zu einer unangemessenen Beschränkung der Rechte der
davon Betroffenen.
Insbesondere hindert die insoweit
regelmäßig auf wenige Minuten beschränkte Maskenpflicht die
Wahlberechtigten nicht daran, ihr Wahlrecht durch Ankreuzen
des Stimmzettels auszuüben. Die Stimmabgabe im Wahlraum wird
hierdurch auch nicht in unzumutbarer Weise erschwert. Vor
diesem Hintergrund werden das Demokratieprinzip oder die
verfassungsmäßigen Rechte der Wahlberechtigten durch die
angegriffene Regelung nicht erkennbar berührt.
Gleiches gilt in Bezug auf den Grundsatz
der Öffentlichkeit der Wahl, da der Zutritt zum Wahlraum
während der Wahlhandlung sowie der Ermittlung und
Feststellung des Wahlergebnisses jederzeit zumutbar möglich
bleibt. Den Wahlberechtigten wird durch das Tragen der Maske
schließlich auch nicht die Äußerung bestimmter Meinungen
verboten oder umgekehrt die Äußerung einer bestimmten Meinung
aufgezwungen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen:
13 B 1534/21.NE
Kein Anspruch auf
Distanzunterricht statt Präsenzunterricht in der
Corona-Pandemie Münster, 22. September 2021 -
Ein Düsseldorfer Schüler der 8. Klasse eines Gymnasiums hat
keinen Anspruch darauf, dass der Präsenzunterricht durch
Distanzunterricht ersetzt wird. Dies hat heute das
Oberverwaltungsgericht entschieden und damit die Beschwerde
des Schülers gegen einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts
Düsseldorf zurückgewiesen. Der Achtklässler hatte geltend
gemacht, sein Recht auf körperliche Unversehrtheit genieße in
der aktuellen Pandemielage von vornherein Vorrang vor der
Schulbesuchspflicht. Auch habe das Land Nordrhein-Westfalen
nur unzureichende Schutzmaßnahmen gegen eine Infektion von
Schülerinnen und Schülern mit dem Coronavirus ergriffen. Dem
ist der 19. Senat nicht gefolgt.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat er
im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch schulpflichtiger
Schüler auf ausschließliche Erteilung von Distanzunterricht
wird in der Regel nur bei einer individuellen
gesundheitlichen Gefährdung der Schüler selbst oder ihrer in
Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen in
Betracht kommen, insbesondere aufgrund von Vorerkrankungen.
Einen solchen Anspruch macht der Antragsteller jedoch nicht
geltend, sondern beruft sich auf ein von einer besonderen
Vulnerabilität unabhängiges allgemeines Gesundheitsrisiko
aufgrund der Coronavirus-Pandemie.
In dieser
Situation ist es Aufgabe des hierfür demokratisch
legitimierten Gesetzgebers und der seiner Kontrolle
unterliegenden Exekutive, im Spannungsverhältnis von
Individualgrundrechten und Schulpflicht eine Abwägung
vorzunehmen. Dabei müssen der Gesundheitsschutz bezogen auf
das Risiko einer Infektion mit COVID-19 und etwaiger
Folgeerkrankungen einerseits und körperlich-gesundheitliche
und psychologische Beeinträchtigungen sowie soziale
Auswirkungen aufgrund anhaltenden Distanzunterrichts
andererseits einer vertretbaren Bewertung zugeführt werden.
In dieser unzweifelhaft komplexen Entscheidungssituation
steht dem Land ein Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum
zu.
Die hierauf basierende
schulorganisatorische Entscheidung für eine Rückkehr zum
Präsenzunterricht in der aktuellen Form genügt den
grundrechtlichen Anforderungen mit Blick auf staatliche
Schutzpflichten gegenüber Schülern. Sie steht auch im
Einklang mit den völker- und menschenrechtlichen
Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Zum derzeitigen Zeitpunkt ist es vertretbar, am
Präsenzunterricht unter Beachtung der in der
Coronabetreuungsverordnung statuierten allgemeinen Regelungen
für den schulischen Bereich, der Maskenpflicht, der
Teilnahme- und Zugangsbeschränkungen für schulische
Gemeinschaftseinrichtungen und der Schultestungen
festzuhalten. Flankiert wird dieses Schutzkonzept durch
Quarantänebestimmungen zur Kontrolle des Infektionsgeschehens
sowie durch Vorgaben des Ministeriums für Schule und Bildung,
wonach eine Entbindung vom Präsenzunterricht zum Schutz
vorerkrankter Angehöriger grundsätzlich, wenn auch nur in eng
begrenzten Ausnahmefällen und vorübergehend, in Betracht
kommen kann. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Aktenzeichen: 19 B 1458/21 (I. Instanz: VG Düsseldorf 7 L
1811/21)
Eilantrag gegen PCR-Testpflicht
für Diskobesucher erfolglos
Münster/Duisburg, 10. September 2021 - Das
Oberverwaltungsgericht hat heute einen Eilantrag gegen die
PCR-Testpflicht für nicht immunisierte Diskothekenbesucher
abgelehnt. Nach der aktuellen Coronaschutzverordnung dürfen
nicht immunisierte Personen bei einer 7-TageInzidenz von 35
oder darüber eine Diskothek nur aufsuchen, wenn sie über
einen aktuellen negativen PCR-Test verfügen.
Die
Antragstellerin, eine GmbH, betreibt eine Großraumdiskothek
in Hagen. Sie hat die maximale Gästeanzahl von 1.930 um die
Hälfte reduziert und macht den Zutritt zu ihrer Diskothek für
sämtliche Besucher von der Durchführung eines
AntigenSchnelltests in einem von ihr betriebenen
Corona-Testzentrum abhängig. Zur Begründung des Antrags hat
sie unter anderem geltend gemacht, die Kosten und der höhere
Planungsaufwand eines PCR-Tests würden etwa 30 Prozent ihrer
potentiellen Gäste vom Besuch der Diskothek abhalten. Auch
sei ein PCR-Test nicht erforderlich, da ein
Antigen-Schnelltest ausreichend Sicherheit biete.
Im Übrigen sei nicht nachzuvollziehen,
weshalb bei nicht immunisierten Schülern auf einen PCR-Test
verzichtet werde und für Konzerte in Innenräumen sowie
vergleichbare Aktivitäten ein Antigen-Schnelltest ausreichend
sein solle. Dem ist das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt.
Zur Begründung seines Eilbeschlusses hat der 13. Senat
ausgeführt: Die angegriffene PCR-Testpflicht für nicht
immunisierte Besucher von Diskotheken verletzt deren
Betreiber nicht offensichtlich in ihren grundgesetzlich
geschützten Rechten.
Der Verordnungsgeber trägt damit im
Zusammenhang mit der Wiedereröffnung von Diskotheken dem
Umstand Rechnung, dass dort besonders infektionsbegünstigende
Bedingungen herrschen. Diskotheken werden in geschlossenen
Räumen bei lauter Musik betrieben, die unabhängig von der
Gästezahl und der im Einzelfall gegebenen Lüftungsmöglichkeit
zumindest lautes Sprechen unabdingbar machen. Jedenfalls im
Bereich der Tanzflächen sowie aufgrund einer alkoholbedingt
enthemmten Grundstimmung kann die Wahrung des Mindestabstands
nicht sichergestellt werden.
Die Pflicht zur Vorlage
eines PCR-Tests, der im Vergleich zu einem AntigenSchnelltest
eine höhere Sensitivität und Spezifität aufweist, ist daher
voraussichtlich verhältnismäßig. Dass Schüler, die
wöchentlich zwei Corona-Selbsttests durchführen müssen, nicht
zusätzlich einen PCR-Test vorzulegen haben, stellt die
Eignung der Maßnahme nicht in Frage. Die Ungleichbehandlung
mit Besuchern von Konzerten schließlich ist sachlich
gerechtfertigt. Im Gegensatz zu Diskotheken, wo sich Besucher
frei ohne Maske bewegen können, dürfen Besucher von Konzerten
ihre Masken nur an festen Sitz- oder Stehplätzen abnehmen.
Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B
1412/21.NE
Europäischer Gerichtshof spricht
Sensationsurteil zum Widerruf von Autofinanzierungen Stärkung
der Rechte von Millionen Verbrauchern
Düsseldorf/Berlin, 9. September 2021 - Mit seiner heutigen
Entscheidung über die korrekte Formulierung
von Kreditverträgen durch deutsche Autobanken stärkt der
Europäische Gerichtshof (EuGH) die Widerrufsrechte von
Millionen Kreditnehmern. Der EuGH stellt fest, dass
sich Verbraucherdarlehen zeitlich unbefristet widerrufen
lassen, sobald die Bank falsche Angaben im Kreditvertrag
macht.
Enthält ein Autokreditvertrag fehlerhafte
oder unvollständige Angaben, kann er noch Jahre nach dem
Vertragsschluss widerrufen werden. Das Urteil des EuGH
betrifft nahezu alle Kreditverträge sämtlicher Autobanken.
Somit wird Millionen Verbrauchern die Tür für einen
erfolgreichen Widerruf geöffnet. Die Verbraucher können
ihre Autofinanzierung beenden und sparen viele Tausend Euro,
indem sie bereits gezahlte Raten einschließlich Anzahlung
zurückerhalten. Der Weg zur Entscheidung Das Landgericht
Ravensburg legte dem EuGH im Jahr 2020 mehrere Fälle zur
Entscheidung vor, bei denen es um fehlerhafte gesetzliche
Pflichtangaben in Autokrediten der Volkswagen Bank, der Skoda
Bank und der BMW Bank ging, Az. C-33/20, C-155/20 und
C-187/20. Der Europäische Gerichtshof hatte darüber zu
entscheiden, ob die von den Autobanken in ihren
Kreditverträgen formulierten Angaben ausreichend sind, um den
Verbraucher gemäß den europarechtlichen Anforderungen an
einen effektiven Verbraucherschutz in genügendem Ausmaß zu
informieren.
In Deutschland kam es in der
Vergangenheit vor Gericht immer wieder zu Streit darüber,
welche sogenannten Pflichtangaben zwingend in den
Kreditvertrag aufgenommen werden müssen und wie diese
korrekt erteilt werden. Mit seiner Entscheidung vom
09.09.2021 korrigiert der EuGH die bisherige Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes (BGH) in mehreren Punkten. Das Urteil
führt zu einer wesentlichen Änderung beim Widerrufsrecht
privater Darlehensverträge und hat vor allem für Autokredite
ganz erhebliche praktische Auswirkungen zu Gunsten der
Verbraucher: EuGH korrigiert deutsche Rechtsprechung Nunmehr
kann nahezu jeder Kredit sämtlicher Autobanken zeitlich
unbegrenzt widerrufen werden. Für den einzelnen Verbraucher
bedeutet das einen finanziellen Vorteil von regelmäßig
mehreren Tausend Euro.
So stellt der EuGH entgegen
der bisherigen Rechtsprechungspraxis des BGH klar, dass der
Verzugszins im Kreditvertrag in Form eines konkreten
Prozentsatzes anzugeben ist und der Mechanismus von dessen
Anpassung nachvollziehbar sein muss. Dabei soll die
Darstellung der Berechnungsmethode für den Verbraucher leicht
verständlich sein, und die Häufigkeit der Änderung des
entsprechenden Basiszinssatzes muss im Kreditvertrag explizit
genannt werden. Des Weiteren stellt der EuGH fest, dass die
Bank den Verbraucher im Kreditvertrag selbst über alle
außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren
informieren muss und zusätzlich Hinweise auf die
Verfahrenskosten zu erteilen sind.
Außerdem ist im Kreditvertrag die Methode
für die Berechnung der bei einer vorzeitigen Rückzahlung des
Kredits fälligen Entschädigung exakt darzustellen, sodass der
Verbraucher die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung allein
anhand der vertraglichen Informationen berechnen kann. Zudem
verhält sich ein Verbraucher laut EuGH nicht
rechtsmissbräuchlich, sobald er sein Recht zum Widerruf
ausübt, wenn die Bank ihn im Kreditvertrag selbst nicht
ausreichend über die gesetzlichen Pflichtangaben informiert
hat. Die Tragweite der Entscheidung Mit seiner
aufsehenerregenden Entscheidung hat der EuGH ein weiteres Mal
die Rechte der Verbraucher gestärkt. Das heutige Urteil hat
Auswirkungen auf Millionen Kreditverträge
nahezu sämtlicher Autobanken und darüber hinaus auch
auf fast alle sonstigen Verbraucherkreditverträge.
Da mehr als jedes dritte Fahrzeug in
Deutschland durch einen Kredit finanziert ist, wird sich die
Bankenwirtschaft in den kommenden Monaten auf
eine große Klagewelle vorbereiten müssen. „Seit dem heutigen
Tag sind die Aussichten der Verbraucher, vor Gericht
erfolgreich zu sein, so vielversprechend wie nie zuvor.
Deshalb sollten alle Käufer, die ihr Auto kreditfinanziert
haben, jetzt schnell aktiv werden“, erklärt Kanzleigründer
Prof. Dr. Julius Reiter.
Duisburg: AfD darf den Volkspark
Rheinhausen nicht für Wahlkampfveranstaltung
nutzen
Münster/Duisburg, 09. September
2021 - Dem Kreisverband Duisburg der AfD
bleibt verwehrt, eine für den 11. September
2021 geplante Wahlkampfveranstaltung im
Volkspark Rheinhausen durchzuführen. Das
Oberverwaltungsgericht hat heute in zweiter
Instanz einen Eilantrag abgelehnt, mit dem
die Partei die Überlassung eines Teils der
unter städtischer Verwaltung stehenden
Grünfläche verlangte.
Der 15. Senat
ist der Argumentation der AfD, sie habe
einen Nutzungsanspruch, weil der Volkspark
in der Vergangenheit regelmäßig dem
SPD-Ortsverein für die Durchführung des
jährlichen Parkfestes zur Verfügung gestellt
worden sei, nicht gefolgt und hat zur
Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt: Wenn eine Kommune
eine öffentliche Einrichtung im Rahmen ihrer
bisherigen Vergabepraxis für die
Durchführung von Veranstaltungen politischer
Parteien zur Verfügung gestellt hat,
entsteht dadurch ein
Gleichbehandlungsanspruch anderer Parteien.
Eine unterschiedliche Vergabepraxis
und -entscheidung muss durch sachliche
Gründe gerechtfertigt sein. Für die
Entscheidung der Wirtschaftsbetriebe der
Stadt Duisburg, der AfD die Nutzung des
Volksparks zu verwehren, liegen solche
Gründe vor. Zwar veranstaltet die SPD seit
Jahrzehnten im Volkspark ein sogenanntes
Parkfest. Nach den vorliegenden
Erkenntnissen haben diese Parkfeste mit
einem breiten Angebot aber in erster Linie
unterhaltenden Charakter nach Art eines
Bürgerfestes.
Mit ihrer
musikalischen Ausrichtung fügen sie sich in
den Erholungs- und Freizeitcharakter einer
öffentlichen Parkanlage ein. Die von der AfD
geplante „Wahlkampfveranstaltung“ hat
hingegen ein deutlich anderes Gepräge, bei
dem Elemente der Freizeit und Unterhaltung
nur untergeordnet zum Tragen kommen. Nach
den im Beschwerdeverfahren aktualisierten
Angaben der Partei steht ein nahezu
zweistündiger Block am Anfang des Programms,
der mit dem Auftritt mehrerer Redner und der
Vorstellung von Kandidaten ausschließlich
der (örtlichen) Parteipolitik und
Wahlwerbung gewidmet ist. Das anschließend
geplante „gemeinsame Ausklingen“ ist gemäß
der Anmeldung auf ein Zusammentreffen von
„Besuchern und Kandidaten in freien
Gesprächen“ angelegt.
Nennenswerte unterhaltende Elemente sind
dabei nicht vorgesehen. Die insoweit
angemeldeten Programmpunkte „Hüpfburg,
Getränkewagen, Grill, Clown,
Kinderschminken“ haben den Charakter eines
die Parteiwerbung ergänzenden Beiwerks und
zielen - abgesehen von den
Verpflegungsmöglichkeiten - nur auf Kinder
und Jugendliche. Der Beschluss ist
unanfechtbar. Aktenzeichen: 15 B 1468/21 (I.
Instanz: VG Düsseldorf 20 L 1877/21)
Bundesgerichtshof zur Pflicht von
Influencerinnen, ihre Instagram-Beiträge als Werbung zu
kennzeichnen I ZR 90/20, I ZR 125/20, I ZR 126/20
Karlsruhe, 9. September 2021 - Der unter anderem für das
Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat heute in drei Verfahren über die Frage
entschieden, ob Influencerinnen mit ihren Instagram-Beiträgen
gegen die Pflicht zur Kennzeichnung von Werbung verstoßen
haben. Kläger ist in allen Verfahren ein Verein, zu dessen
satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen
Interessen seiner Mitglieder einschließlich der Verfolgung
von Verstößen gegen das Lauterkeitsrecht gehört. Die
Beklagten sind Influencerinnen (darunter Cathy Hummels), die
auf der Social-Media-Plattform Instagram auf ihren
Instagram-Profilen Bilder veröffentlichen, die sie oftmals
mit kurzen Begleittexten versehen. In einige Bilder haben sie
sogenannte "Tap Tags" eingefügt, die beim Anklicken von auf
den Bildern zu sehenden Produkten wie etwa Bekleidung
erscheinen und die Firmen oder Marken der Hersteller oder
Anbieter dieser Produkte nennen. Beim Anklicken eines "Tap
Tag" wird der Nutzer auf das Instagram-Profil des jeweiligen
Unternehmens weitergeleitet. Der Kläger sieht darin
unzulässige Schleichwerbung und nimmt die Beklagten jeweils
auf Unterlassung in Anspruch.
Zum Verfahren I ZR 90/20 -
Influencer I: Sachverhalt: Die Beklagte
veröffentlicht auf Instagram insbesondere Bilder von
Sportübungen sowie Fitness- und Ernährungstipps. Darüber
hinaus unterhält sie eine gewerbliche Internetseite, auf der
sie Fitnesskurse und Personaltrainings gegen Entgelt anbietet
und einen Online-Shop betreibt. Wird das Profil der Beklagten
bei Instagram aufgerufen, erscheint unter anderem ein Hinweis
auf diese Internetadresse. Einer der vom Kläger beanstandeten
Instagram-Beiträge der Beklagten betrifft eine "Raspberry
Jam" (Himbeer Marmelade). Beim Anklicken des abgebildeten
Produkts erscheint ein "Tap Tag" mit dem Namen des
Herstellers.
Beim Anklicken des "Tap Tags" wird der
Nutzer auf das Instagram-Profil des Herstellers
weitergeleitet. Für diesen Beitrag hat die Beklagte von dem
Hersteller eine Gegenleistung erhalten. Bisheriger
Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß
verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der
Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe
ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3
Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG zu. Entscheidung des
Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat die Revision
der Beklagten zurückgewiesen.
Die
streitgegenständlichen Instagram-Beiträge sind geschäftliche
Handlungen der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG
zugunsten ihres eigenen Unternehmens sowie jedenfalls des
fremden Unternehmens, von dem sie eine Gegenleistung für den
Beitrag zur "Raspberry Jam" erhalten hat. Dieser Beitrag ist
nicht hinreichend deutlich als Werbung gekennzeichnet. Dies
rechtfertigt das beantragte Verbot. Influencer, die mittels
eines sozialen Mediums wie Instagram Waren vertreiben,
Dienstleistungen anbieten oder das eigene Image vermarkten,
betreiben ein Unternehmen. Die Veröffentlichung von Beiträgen
dieser Influencer in dem sozialen Medium ist geeignet, ihre
Bekanntheit und ihren Werbewert zu steigern und damit ihr
eigenes Unternehmen zu fördern.
Eine
geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens
stellt die Veröffentlichung eines Beitrags - abgesehen von
dem hier vorliegenden Fall, dass die Influencerin dafür eine
Gegenleistung erhält - allerdings nur dar, wenn dieser
Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist,
etwa weil er ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge
eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend
hervorhebt, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich
veranlassten Information verlässt. Allein der Umstand, dass
Bilder, auf denen das Produkt abgebildet ist, mit "Tap Tags"
versehen sind, reicht für die Annahme eines solchen
werblichen Überschusses nicht aus. Bei einer Verlinkung auf
eine Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts
liegt dagegen regelmäßig ein werblicher Überschuss vor.
Die Prüfung, ob ein Beitrag übertrieben werblich ist,
bedarf der umfassenden Würdigung durch das Tatgericht, an der
es im Streitfall hinsichtlich der weiteren Beiträge, für
deren Veröffentlichung eine Gegenleistung nicht festgestellt
ist, fehlt. Der die "Raspberry Jam" betreffende Beitrag, für
den die Beklagte eine Gegenleistung des Herstellers erhalten
hat, verstößt gegen § 5a Abs. 6 UWG, weil der kommerzielle
Zweck dieses Beitrags, den Absatz von Produkten dieses
Herstellers zu fördern, nach den rechtsfehlerfreien
Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht hinreichend
kenntlich gemacht ist und sich auch nicht aus den Umständen
ergibt.
Insoweit kommt es nicht
darauf an, ob die Verbraucher erkennen, dass die Beklagte mit
der Veröffentlichung von Beiträgen auf ihrem Instagram-Profil
zugunsten ihres eigenen Unternehmens handelt. Für
die Verbraucher muss gerade der Zweck eines Beitrags, ein
fremdes Unternehmen zu fördern, erkennbar sein. Das
Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks eines solchen
mit "Tap Tags" und Verlinkungen versehenen Beitrags ist
regelmäßig geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen
Entscheidung - dem Anklicken des auf das Instagram-Profil des
Herstellers führenden Links - zu veranlassen, die er
andernfalls nicht getroffen hätte. Darüber hinaus verstößt
der Beitrag zur "Raspberry Jam" gegen § 3a UWG in Verbindung
mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG sowie § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV bzw. §
22 Abs. 1 Satz 1 MStV, weil die darin liegende kommerzielle
Kommunikation bzw. Werbung nicht klar als solche zu erkennen
ist.
Das Fehlen von Feststellungen zum werblichen
Überschuss der übrigen Beiträge wirkt sich auf den Bestand
des Berufungsurteils nicht aus, weil die unter Bezugnahme auf
die konkrete Verletzungsform - das Instagram Profil der
Beklagten - geltend gemachten Ansprüche schon im Blick auf
die geschäftliche Handlung der Beklagten zugunsten des
Unternehmens begründet sind, das für die Veröffentlichung des
Beitrags zur "Raspberry Jam" eine Gegenleistung erbracht hat.
Vorinstanzen: LG Göttingen - Urteil vom 13. November 2019 - 3
O 22/19 OLG Braunschweig - Urteil vom 13. Mai 2020 - 2 U
78/19
Zum Verfahren I ZR 125/20 -
Influencer II: Sachverhalt: Die Beklagte unterhält
bei Instagram einen Account, der von ihr überwiegend
kommerziell genutzt wird und von 1,7 Millionen Nutzern
abonniert war. Der Account ist verifiziert und daher am
Anfang des Profils mit einem blauen Haken versehen. Die
Beklagte veröffentlicht regelmäßig Bilder von sich selbst mit
kurzen Begleittexten zu den Themen Beauty, Mode, Lifestyle
und Reisen. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat
die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das
Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen,
dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1
Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 sowie § 3a
UWG in Verbindung § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG oder § 58 Abs. 1 Satz
1 RStV zu.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers
zurückgewiesen. Die beanstandeten Beiträge stellen nach den
von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts geschäftliche Handlungen der Beklagten dar.
Soweit diese geschäftlichen Handlungen zugunsten des eigenen
Unternehmens der Beklagten erfolgten, liegt kein Verstoß
gegen § 5a Abs. 6 UWG vor, weil sich dieser kommerzielle
Zweck nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden
Würdigung des Berufungsgerichts unmittelbar aus den Umständen
ergibt. Soweit die Beklagte zugunsten anderer Unternehmen
gehandelt hat, kann gleichfalls kein Verstoß gegen § 5a Abs.
6 UWG angenommen werden, weil dieses Verhalten der Beklagten
den Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG, § 58 Abs. 1 Satz 1
RStV bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV genügt.
Danach muss
bei absatzfördernden Äußerungen in Telemedien zwar
kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung klar als solche
erkennbar sein. Die beanstandeten Beiträge stellen aber
mangels Gegenleistung eines Dritten keine kommerzielle
Kommunikation bzw. keine Werbung im Sinne dieser Vorschriften
dar. Bei diesen Bestimmungen handelt es sich um
bereichsspezifische Spezialvorschriften, die den
Anwendungsbereich der allgemeinen lauterkeitsrechtlichen
Bestimmung des § 5a Abs. 6 UWG einschränken. Die
Voraussetzungen eines Verstoßes gegen Nr. 11 der Anlage zu §
3 Abs. 3 UWG liegen gleichfalls schon deshalb nicht vor, weil
es an einer Finanzierung der beanstandeten Beiträge durch
Dritte fehlt.
Vorinstanzen: LG Hamburg - Urteil vom
28. März 2019 - 403 HKO 127/18 OLG Hamburg - Urteil vom 2.
Juli 2020 - 15 U 142/19 Zum Verfahren I ZR 126/20:
Sachverhalt: Die Beklagte veröffentlicht auf Instagram
regelmäßig Bilder von sich selbst, oftmals mit kurzen
Begleittexten. Darin beschäftigt sie sich vor allem mit
Themen wie Mode, ihrem Leben als Mutter eines Kleinkinds,
Yoga oder Reisen. Diejenigen Instagram-Beiträge, für die die
Beklagte nach eigenem Bekunden von den verlinkten Unternehmen
bezahlt wird, kennzeichnet sie mit dem Hinweis "bezahlte
Partnerschaft mit …".
Die streitgegenständlichen
Beiträge enthielten keine entsprechende Kennzeichnung.
Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Klage
abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des
Klägers zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe
kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3
Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG sowie § 3a UWG in
Verbindung § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG oder § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV
zu.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der
Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers
zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
stellen die beanstandeten Beiträge zwar geschäftliche
Handlungen der Beklagten zugunsten des eigenen Unternehmens
dar und kann auch ein geschäftliches Handeln zugunsten
fremder Unternehmen nicht ausgeschlossen werden. Soweit die
geschäftlichen Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens
der Beklagten erfolgten, liegt jedoch kein Verstoß gegen § 5a
Abs. 6 UWG vor, weil sich dieser kommerzielle Zweck nach der
revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des
Berufungsgerichts unmittelbar aus den Umständen ergibt.
Hinsichtlich geschäftlicher Handlungen zugunsten fremder
Unternehmen scheidet die Annahme eines Verstoßes gegen § 5a
Abs. 6 UWG aus, weil die Beklagte für die beanstandeten
Beiträge keine Gegenleistung erhalten hat und diese Beiträge
daher den vorrangigen Spezialvorschriften des § 6 Abs. 1 Nr.
1 TMG, § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV und § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV
genügen (siehe dazu die vorstehenden Ausführungen zum
Verfahren I ZR 125/20). Ein Verstoß gegen Nr. 11 der Anlage
zu § 3 Abs. 3 UWG liegt danach ebenfalls nicht vor.
Vorinstanzen: LG München I - Urteil vom
29. April 2019 - 4 HK O 14312/18 OLG München - Urteil vom 25.
Juni 2020 - 29 U 2333/19 Maßgebliche Vorschriften: § 2 Abs. 1
Nr. 1 UWG Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet "geschäftliche
Handlung" jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen
oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem
Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder
des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem
Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren
oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; […] § 3 Abs. 1
und 3 UWG (1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind
unzulässig. (3)
Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten
geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets
unzulässig. Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG Unzulässige
geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Absatz 3 sind […]
11. der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller
Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich
dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der
optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt (als
Information getarnte Werbung); § 3a UWG Unlauter handelt, wer
einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu
bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das
Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die
Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder
Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
§ 5a Abs. 6 UWG Unlauter handelt auch, wer
den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht
kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den
Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist,
den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu
veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. § 8
Abs. 1 Satz 1 UWG Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige
geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei
Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen
werden. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG Die Ansprüche aus Absatz 1
stehen zu: […] 2. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung
gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen,
soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört,
die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art
auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach
ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung
imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung
gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen
tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die
Interessen ihrer Mitglieder berührt; […] § 2 Satz 1 Nr. 5
Buchst. b TMG
Im Sinne dieses Gesetzes […] 5. ist
kommerzielle Kommunikation jede Form der Kommunikation, die
der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von
Waren, Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines
Unternehmens, einer sonstigen Organisation oder einer
natürlichen Person dient, die eine Tätigkeit im Handel,
Gewerbe oder Handwerk oder einen freien Beruf ausübt; die
Übermittlung der folgenden Angaben stellt als solche keine
Form der kommerziellen Kommunikation dar: […] b) Angaben in
Bezug auf Waren und Dienstleistungen oder das
Erscheinungsbild eines Unternehmens, einer Organisation oder
Person, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle
Gegenleistung gemacht werden; […] § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG
Diensteanbieter haben bei kommerziellen Kommunikationen, die
Telemedien oder Bestandteile von Telemedien sind, mindestens
die folgenden Voraussetzungen zu beachten:
1. Kommerzielle Kommunikationen müssen
klar als solche zu erkennen sein. § 2 Abs. 2 Nr. 7 Satz 1
RStV in der in der bis zum 6. November 2020 gültigen Fassung
Im Sinne dieses Staatsvertrags ist […] 7. Werbung jede
Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks
oder freien Berufs, die im Rundfunk von einem
öffentlich-rechtlichen oder einem privaten Veranstalter oder
einer natürlichen Person entweder gegen Entgelt oder eine
ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird,
mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von
Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte
und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern. § 58 Abs. 1
Satz 1 RStV in der in der bis zum 6. November 2020 gültigen
Fassung Werbung muss als solche klar erkennbar und vom
übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. § 2 Abs.
2 Nr. 7 Satz 1 MStV Im Sinne dieses Staatsvertrags ist […] 7.
Werbung jede Äußerung, die der unmittelbaren oder
mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und
Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte
und Verpflichtungen, oder des Erscheinungsbilds natürlicher
oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen
Tätigkeit nachgehen, dient und gegen Entgelt oder eine
ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung im Rundfunk oder
in einem Telemedium aufgenommen ist. § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV
Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt
der Angebote eindeutig getrennt sein.
OVG bestätigt Suspendierung einer
Grundschulleiterin Münster, 07. September 2021 -
Die Schulleiterin einer Grundschule in Viersen durfte
suspendiert werden, weil sie verpflichtende
Corona-Schutzmaßnahmen an der Schule nicht beachtet hat. Das
hat das Oberverwaltungsgericht mit heute bekannt gegebenem
Beschluss vom 6. September 2021 entschieden und damit einen
Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf bestätigt.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat der
6. Senat ausgeführt: Das Verwaltungsgericht ist zutreffend
davon ausgegangen, dass zwingende dienstliche Gründe das
Verbot der Führung der Dienstgeschäfte rechtfertigen. Die
Antragstellerin hat wiederholt gegen die unmittelbar aus der
Corona-Betreuungsverordnung folgende Verpflichtung verstoßen,
in der Schule eine Maske zu tragen. Von dieser Pflicht ist
sie nicht aus medizinischen Gründen befreit, weil die von ihr
vorgelegten ärztlichen Atteste sämtlich nicht die an einen
derartigen Nachweis zu stellenden Mindestanforderungen
erfüllen.
Durch ihre Weigerung, in der Schule eine
medizinische Maske zu tragen, hat sie sich zugleich bewusst
über eine ausdrückliche Weisung ihres Dienstherrn
hinweggesetzt. Die Antragstellerin hat zudem Mitte April 2021
ihre Pflicht als Schulleiterin verletzt, wöchentlich zwei
Corona-Selbsttestungen der Schülerinnen und Schüler an der
Schule durchzuführen. Ferner bestehen Anhaltspunkte dafür,
dass ihr weitere Pflichtverstöße im Zusammenhang mit der
Einhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen an der Schule
vorzuwerfen sind, wie etwa das unzureichende Lüften des
Klassenraums während des Unterrichts und die Durchführung
dienstlicher Besprechungen ohne Einhaltung des
Mindestabstands.
Dem Einwand der Antragstellerin, die
Verordnungsbestimmungen zur Maskenpflicht und zur
Durchführung von Selbsttests an Schulen sowie die ihr dazu
erteilten Weisungen seien rechtswidrig, ist der Senat nicht
gefolgt. In der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts
ist hinreichend geklärt, dass gegen die Maskenpflicht sowie
die Durchführung von Selbsttests auf das Coronavirus an
Schulen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestehen.
Das Verwaltungsgericht hat vor diesem Hintergrund zu
Recht angenommen, dass eine ordnungsgemäße Dienstausübung von
der Antragstellerin nicht zu erwarten ist. Angesichts der
nach wie vor vorhandenen Uneinsichtigkeit der Antragstellerin
ist weder jetzt noch in Zukunft davon auszugehen, dass sie
gesetzlichen Regelungen und dienstlichen Anweisungen, die sie
subjektiv für rechtswidrig oder unzweckmäßig erachtet, Folge
leisten wird. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf
Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens an
(Grund-)Schulen, das derzeit aufgrund des noch fehlenden
Impfstoffs für Kinder unter 12 Jahren sowie des verhaltenen
Impffortschritts in der Altersklasse der 12- bis 16jährigen
besonders dynamisch ist.
Der Beschluss ist
unanfechtbar. Aktenzeichen 6 B 1098/21 (I. Instanz: VG
Düsseldorf 2 L 1053/21)
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August 2021 |
Bebauungsplan für das
Steinkohlekraftwerk Datteln 4 ist unwirksam
Münster, 26. August 2021 -
Der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat heute
mit drei Urteilen auf die Anträge der Stadt Waltrop, des BUND
Landesverband NRW sowie von vier Privatpersonen den
vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 105a - Kraftwerk - der
Stadt Datteln für unwirksam erklärt. Das Kraftwerk ist auf
der Grundlage eines früheren Bebauungsplans, den der Senat
2009 für unwirksam erklärt hatte, und vollziehbarer
immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen bereits errichtet
und 2020 in Betrieb genommen worden. Gegen die
immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum
Betrieb des Kraftwerks aus dem Jahr 2017 sind Klagen beim 8.
Senat des Oberverwaltungsgerichts anhängig. Zur Begründung
der Urteile führte der Vorsitzende des 10. Senats in der
mündlichen Verhandlung aus: Die Wahl des Standortes für das
Kraftwerk, das Gegenstand des vorhabenbezogenen
Bebauungsplans Nr. 105a ist, genügt nicht den einschlägigen
gesetzlichen Anforderungen.
Der Rat der Stadt Datteln hat bei seiner
Abwägung die auf der Ebene der Regionalplanung erfolgte
fehlerhafte Standortauswahl übernommen. Die 7. Änderung des
Gebietsentwicklungsplans Regierungsbezirk Münster
Teilabschnitt Emscher-Lippe beruht auf einer Verletzung der
Vorschriften über die Umweltprüfung und damit zugleich auf
einem Abwägungsfehler.
Der für die Regionalplanung zuständige
Regionalverband Ruhr ist mit Blick auf diese Vorschriften im
Sinne der Umweltvorsorge gehalten gewesen, im Zusammenhang
mit dem Umweltbericht frühzeitig anderweitige vernünftige
Planungsmöglichkeiten zu ermitteln. Er hatte dabei den
Suchraum für Standortalternativen wegen der ganz erheblichen
umweltbezogenen Auswirkungen des Steinkohlekraftwerks, für
das er die raumplanerische Grundlage schaffen wollte,
möglichst weit zu bestimmen. Stattdessen hat er die Suche
entgegen der Kritik im Erarbeitungsverfahren lediglich auf
den Geltungsbereich des Gebietsentwicklungsplans
Regierungsbezirk Münster Teilabschnitt Emscher-Lippe und
damit auf einen Teil seines Zuständigkeitsbereichs begrenzt.
Auf diese Weise hat er sich den Blick auf
möglicherweise vorzugswürdige anderweitige
Planungsmöglichkeiten verstellt. Der Regionalverband Ruhr hat
sich zudem hinsichtlich der Kriterien für die Suche nach
anderweitigen vernünftigen Planungsmöglichkeiten
ausschließlich an den Anforderungen des konkret in den Blick
genommenen Steinkohlekraftwerks orientiert und damit auch
insoweit die Suche fehlerhaft eingeschränkt. Anderweitige
vernünftige Planungsmöglichkeiten etwa in Form von Standorten
für ein Gaskraftwerk, das wesentlich geringere Anforderungen
an den Raum stellt und erheblich weniger Auswirkungen auf die
Umwelt hat, sind nicht ermittelt worden. Dafür, dass eine
insoweit zweigleisige Suche nach alternativen Standorten im
gesamten Zuständigkeitsbereich des Regionalverbands Ruhr von
vornherein unverhältnismäßig gewesen wäre, sind keine
Anhaltspunkte ersichtlich. Der Senat hat die Revision nicht
zugelassen. Dagegen ist Beschwerde möglich, über die das
Bundesverwaltungsgericht entscheidet. Aktenzeichen: 10 D
106/14.NE, 10 D 40/15.NE und 10 D 43/15.NE
Dass der
10. Senat den Bebauungsplan für unwirksam erklärt hat,
bedeutet nicht, dass das Kraftwerk nun nicht mehr betrieben
werden darf. Grundlage hierfür ist die vollziehbare
immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 19. Januar 2017.
Gegen diese sind Klageverfahren beim für das
Immissionsschutzrecht zuständigen 8. Senat des
Oberverwaltungsgerichts anhängig. Kläger sind der BUND, die
Stadt Waltrop sowie vier Privatpersonen. Welche Bedeutung die
Unwirksamkeit des Bebauungsplans für die Rechtmäßigkeit
dieser Genehmigungen hat, ist eine Rechtsfrage, über die der
8. Senat zu entscheiden haben wird.
Verzinsung von
Steuernachforderungen und Steuererstattungen mit jährlich 6 %
ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig
Karlsruhe, 18. August 2021 - Mit heute
veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Verzinsung
von Steuernachforderungen und Steuererstattungen in § 233a in
Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (im
Folgenden: AO) verfassungswidrig ist, soweit der
Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014
ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt wird.
Die Verzinsung von Steuernachforderungen mit einem
Zinssatz von monatlich 0,5 % nach Ablauf einer zinsfreien
Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten stellt eine
Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern, deren Steuer erst
nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, gegenüber
Steuerschuldnern, deren Steuer bereits innerhalb der
Karenzzeit endgültig festgesetzt wird, dar.
Diese Ungleichbehandlung erweist sich
gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG
für in die Jahre 2010 bis 2013 fallende Verzinsungszeiträume
noch als verfassungsgemäß, für in das Jahr 2014 fallende
Verzinsungszeiträume dagegen als verfassungsidrig. Ein
geringere Ungleichheit bewirkendes und mindestens gleich
geeignetes Mittel zur Förderung des Gesetzeszwecks bestünde
insoweit in einer Vollverzinsung mit einem niedrigeren
Zinssatz.
Die Unvereinbarkeit der Verzinsung nach
§ 233a AO mit dem Grundgesetz umfasst ebenso die
Erstattungszinsen zugunsten der Steuerpflichtigen. Das
bisherige Recht ist für bis einschließlich in das Jahr 2018
fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar. Für ab in das
Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume sind die Vorschriften
dagegen unanwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis
zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu
treffen.
Anspruch auf Ersatz des
"Minderwerts" bei Kauf eines VW-Diesels mit
Prüfstanderkennungssoftware
Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR
40/20
Bundesgerichtshof Karlsruhe, 12. August
2021 - Der unter anderem für das Recht der unerlaubten
Handlung zuständige VI. Zivilsenat hat entschieden, dass dem
Käufer eines Pkw VW mit Dieselmotor, der mit einer
Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet ist, gegen den
Fahrzeughersteller ein sogenannter kleiner
Schadensersatzanspruch (Anspruch auf Ersatz des
"Minderwerts") zustehen kann.
Sachverhalt Die Klägerin
erwarb im Juli 2015 von einem Autohaus einen gebrauchten VW
Passat Variant, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs
EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte
ist Herstellerin des Wagens. Der Motor war mit einer Software
versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem
Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in
einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergaben sich
dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte
als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro
5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten.
Im
Jahr 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt gegenüber der
Beklagten den Rückruf der mit dieser Software ausgestatteten
Fahrzeuge an. Die Beklagte entwickelte in der Folge ein
Software-Update, das vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegeben und
auch im Fahrzeug der Klägerin aufgespielt wurde. Mit ihrer
Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zum Ersatz des
Minderwerts des Fahrzeugs zu verurteilen und die
Verpflichtung der Beklagten festzustellen, ihr die weiteren
über den Minderwert hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die
aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren würden.
Bisheriger Prozessverlauf
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht im
Wege des Grundurteils den Anspruch auf Ersatz des Minderwerts
für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung gegen die Abweisung
der Feststellungsklage hat es zurückgewiesen. Entscheidung
des Senats: Die Revision der Beklagten, mit der diese die
vollständige Klageabweisung begehrte, blieb ohne Erfolg,
ebenso die Revision der Klägerin, mit der diese ihren
Feststellungsantrag weiterverfolgte. Die Beklagte ist der
Klägerin gegenüber dem Grunde nach zum Schadensersatz wegen
vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verpflichtet (vgl.
Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19,
Pressemitteilung Nr. 63/2020).
Die Klägerin könnte
deshalb, wie sich aus dem genannten Senatsurteil ergibt,
Erstattung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsvorteile auf
der Grundlage der gefahrenen Kilometer Zug um Zug gegen
Übertragung des Fahrzeugs verlangen (sogenannter großer
Schadensersatz). Die Klägerin kann aber stattdessen das
Fahrzeug behalten und von der Beklagten den Betrag ersetzt
verlangen, um den sie das Fahrzeug – gemessen an dem
objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer
erworben hat (sogenannter kleiner Schadensersatz). Für die
Bemessung dieses kleinen Schadensersatzes ist zunächst der
Vergleich der Werte von Leistung (Fahrzeug) und Gegenleistung
(Kaufpreis) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich.
Sollte allerdings das Software-Update der Beklagten,
das gerade der Beseitigung der unzulässigen
Prüfstanderkennungssoftware diente, das Fahrzeug aufgewertet
haben, ist dies im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu
berücksichtigen. Dabei sind in die Bewertung des Vorteils
etwaige mit dem Software-Update verbundene Nachteile
einzubeziehen. Ob und in welchem Umfang eine Differenz
zwischen dem objektiven Wert des Fahrzeugs und dem Kaufpreis
im Zeitpunkt des Kaufs bestand und ob und inwieweit sich
durch das Software-Update diese Wertdifferenz reduziert hat,
wird im nunmehr folgenden Betragsverfahren festzustellen
sein.
In den so zu bemessenden Schaden (Minderwert)
sind Nachteile, die mit der Prüfstanderkennungssoftware oder
dem Software-Update (als etwaiger Vorteil) verbunden sind,
bereits "eingepreist". Für die von der Klägerin gewünschte
Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für
diesbezügliche weitere Schäden ist daher kein Raum.
Vorinstanzen: Landgericht Rottweil - Urteil vom 30.11.2018 -
3 O 136/18 Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom
11.12.2019 - 9 U 3/19 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: §
826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Wer in einer
gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen
vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des
Schadens verpflichtet. § 249 BGB (1) Wer zum Schadensersatz
verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen
würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht
eingetreten wäre. …
Aufnahme in eine katholische
Grundschule: Bekenntnisangehörige Kinder haben Vorrang
Münster/Duisburg, 4. August 2021 - Das
Oberverwaltungsgericht hat mit heute bekannt gegebenem
Beschluss vom 3. August 2021 seine Rechtsprechung bekräftigt,
wonach der landesverfassungsrechtliche Vorrang
bekenntnisangehöriger Kinder beim Zugang zu Bekenntnisschulen
mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Es hat damit die
Beschwerde eines in Datteln wohnhaften Jungen zurückgewiesen,
der schon vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erfolglos
beantragt hatte, das Land Nordrhein-Westfalen zu
verpflichten, ihn zum Schuljahr 2021/2022 vorläufig in eine
städtische katholische Bekenntnisgrundschule aufzunehmen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat der
19. Senat ausgeführt: Der geltend gemachte
Gleichbehandlungsanspruch mit formell bekenntnisangehörigen
Kindern besteht nicht. Der in der Landesverfassung verankerte
Vorrang formell bekenntnisangehöriger Kinder bei der Aufnahme
in öffentliche Bekenntnisschulen verstößt nicht gegen das
grundgesetzliche Verbot der Benachteiligung wegen des
Glaubens oder der religiösen Anschauungen.
Die Bevorzugung der
Bekenntnisangehörigen ist gerechtfertigt, weil das
Grundgesetz von der Zulässigkeit öffentlicher
Bekenntnisschulen ausgeht. Der Antragsteller kann auch nicht
- wie er weiter geltend macht - als „Geschwisterkind“
aufgenommen werden, weil seine jüngeren Geschwister erst zu
den nachfolgenden Schuljahren an der betreffenden Grundschule
angemeldet werden sollen. Der Begriff des „Geschwisterkindes“
setzt voraus, dass im Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung ein
oder mehrere Geschwister bereits Schüler der Schule sind oder
zumindest im Aufnahmeschuljahr voraussichtlich sein werden.
Die Schulleiterin der Grundschule hat bei
der Aufnahme ermessensfehlerfrei davon abgesehen, den
Antragsteller als Härtefall einzustufen.
Die erstmals im Widerspruchsverfahren
geltend gemachten familiären Härtegründe sind ausführlich
gewürdigt worden. Die behaupteten Erschwernisse und
Gefährdungen auf dem Schulweg zu zwei anderen Grundschulen
haben kein solches Gewicht, dass die Schulleiterin den
Antragsteller zwingend als Härtefall ansehen musste. Der
Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen 19 B 1095/21 (I.
Instanz: VG Gelsenkirchen 4 L 741/21)
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Juli 2021 |
Überschwemmungsschaden am Auto:
Das müssen Kasko-Versicherte jetzt wissen
Sammelbesichtigungen in Nordrhein-Westfalen und
Rheinland-Pfalz starten
Coburg, 27. Juli 2021 - HUK-COBURG
unterstützt die Kunden bei Reparatur, Abmeldung und
Entsorgung des alten Wagens sowie bei Wiederbeschaffung eines
neuen Fahrzeugs Coburg, den 27.07.2021 Es ist eine
Flutkatastrophe ungekannten Ausmaßes. Auch tausende Autos
wurden durch Überschwemmungen in Folge des Starkregens in
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Süddeutschland
beschädigt oder zerstört.
Um die Vielzahl der Schäden möglichst
schnell zu regulieren, startet die HUK-COBURG in dieser Woche
mit Sammelbesichtigungen, bei denen beschädigte Fahrzeuge
begutachtet werden und übernimmt im Bedarfsfall weitere
organisatorische Tätigkeiten für ihre Kunden. Sollte aufgrund
der Überschwemmung ein Fahrzeug fahruntüchtig sein, holen
beauftragte Dienstleister die Autos ab und bringen sie zur
Besichtigung. Nachdem Sachverständige die jeweilige
Schadenhöhe festgestellt haben, erfolgt die Regulierung oder
es schließen sich weitere Maßnahmen an, bei der die
HUK-COBURG ihre Kunden unterstützt, z.B. bei der Reparatur,
oder Entsorgung des alten Fahrzeuges und bei der
Wiederbeschaffung eines neuen Wagens.
Ebenso übernimmt die HUK-COBURG die
Abmeldung des Fahrzeugs, selbst wenn Dokumente oder
Kennzeichen fehlen. Grundsätzlich kommt in den allermeisten
Fällen die Kfz-Teilkasko, die auch in der Vollkasko enthalten
ist, für Kosten zur Beseitigung von Schäden bis zur Höhe des
Wiederbeschaffungswerts des betroffenen Fahrzeugs auf. Im
Gegensatz zur Wohngebäude- und Hausratversicherung sind
Schäden durch Elementarereignisse wie Überschwemmung, Sturm
oder Hagel in der Kasko automatisch mitversichert.
Das sollten Versicherte jetzt
beachten Kasko-Versicherte sollten ihren Schaden
möglichst zeitnah und inklusive Fotos melden. Die HUK-COBURG
empfiehlt dazu die Online-Schadenmeldung über huk.de und
huk24.de. Nach erfolgter Meldung erhalten Betroffene einen
Besichtigungstermin für eine Sammelbesichtigung in ihrer
Nähe. Nachdem Sachverständige die jeweilige Schadenhöhe
festgestellt haben, erfolgt die Regulierung oder es schließen
sich weitere Maßnahmen an.
Bis zur Begutachtung im Rahmen der
Sammelbesichtigung dürfen Versicherte Maßnahmen einleiten, um
Folgeschäden zu vermeiden, wenn diese gefahrlos möglich sind
und zur Minderung von Schäden am Fahrzeug beitragen. Dazu
gehören zum Beispiel das Öffnen von Fenstern oder das
Trocknen des Innenraumes mithilfe von Nasssaugern. Der
Zustand des Fahrzeuges sollte vorher durch Fotos dokumentiert
werden, ebenso wie gegebenenfalls die Maßnahmen selbst.
Die HUK-COBURG warnt davor, den Motor
eines überschwemmten Autos selbst zu starten, da Motorschäden
möglich sind. Auch kann es aufgrund von Schäden an der
Bordelektronik zum unerwarteten Auslösen des Airbags kommen.
Erste Fälle sind dem Gesamtverband der deutschen
Versicherungswirtschaft, GDV, bereits bekannt.
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Juni 2021 |
Aufhebung einer Erlaubnis zur
Kindertagespflege rechtmäßig Münster, 23. Juni
2021 - Eine Tagesmutter besitzt nicht mehr
die erforderliche Eignung für die Kindertagespflege, wenn sie
ihren wegen schweren Kindesmissbrauchs vorbestraften Ehemann
unter anderem mit Hausmeistertätigkeiten in den Betrieb einer
Großtagespflegestelle einbindet. Das hat das
Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. Juni 2021
entschieden und damit einen Eilbeschluss des
Verwaltungsgerichts Köln bestätigt.
Die Antragstellerin betrieb mit einer
weiteren Tagespflegeperson eine Großtagespflege in Siegburg.
Bei einem unangemeldeten Hausbesuch durch Mitarbeiter des
Jugendamtes befand sich der Ehemann der Antragstellerin in
den Räumlichkeiten der Großtagespflege. Außerdem überließ die
Antragstellerin ihm vorübergehend die Aufsicht über zwei
Tageskinder. Von Eltern der betreuten Kinder gab es ebenfalls
Meldungen, dass sich der Ehemann der Antragstellerin
wiederholt während der Betreuungszeiten in der
Großtagespflege aufgehalten habe.
Der Ehemann der
Antragstellerin war unter anderem wegen schweren sexuellen
Missbrauchs von Kindern in den Jahren 1997 bis 2005 zu einer
mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Ein nach Verbüßung
der Haft ausgesprochenes Kontaktverbot zu Kindern und
Jugendlichen war im Jahr 2017 ausgelaufen. Nachdem die Stadt
Köln die Tagespflegeerlaubnis der Antragstellerin aufgehoben
hatte, wandte diese sich mit einem Eilantrag an das
Verwaltungsgericht Köln. Sie machte geltend, ihr Ehemann habe
sich lediglich zu Hausmeistertätigkeiten in der
Großtagespflege aufgehalten. Dabei sei eine Überschneidung
mit den Betreuungszeiten der Kinder nicht immer vermeidbar
gewesen.
Das Verwaltungsgericht Köln lehnte den
Eilantrag ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte keinen
Erfolg. Zur Begründung hat der 12. Senat im Wesentlichen
ausgeführt: Die für die Erlaubnis zur Kindertagespflege
erforderliche Eignung der Kindertagespflegeperson verlangt,
dass diese die von ihr betreuten Kinder auch vor möglichen
Schädigungen und Gefährdungen durch Dritte schützt. Damit ist
es unvereinbar, dass die Antragstellerin ihren Ehemann mit
Hausmeistertätigkeiten betraut hat, ohne sicherzustellen,
dass diese außerhalb der Anwesenheitszeiten der Kinder
erfolgen.
Ebenso gilt dies für eine auch nur
kurzzeitige Überlassung der Tagespflegekinder zur Betreuung.
Schon daraus ergibt sich eine drohende Kindeswohlgefährdung.
Ob, was die Antragstellerin bestreitet, ihr Ehemann darüber
hinaus den Eltern gegenüber wie ein Teammitglied vorgestellt
worden ist sowie sich regelmäßig und nicht nur kurzzeitig
unter anderem zu den Bringzeiten in der Tagespflegestelle
aufgehalten hat, bedarf daher voraussichtlich auch im
Hauptsacheverfahren keiner weiteren Aufklärung. Der Beschluss
ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 12 B 910/21 (I. Instanz. VG
Köln 19 L 458/21)
Erfolglose Verfassungsbeschwerde
gegen COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung eines
ehemals Infizierten
Bundesverfassungsgericht Karlsruhe, 18.
Juni 2021 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1.
Kammer des Ersten Senats eine Verfassungsbeschwerde nicht zur
Entscheidung angenommen, mit der der Beschwerdeführer eine
unzulässige Benachteiligung durch die
COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmeV)
geltend macht. Die Verordnung sieht keine Ausnahmen für
Personen vor, deren Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2
mehr als sechs Monate zurückliegt, die aber nach wie vor über
ausreichend neutralisierende Antikörper gegen das Coronavirus
im Blut verfügen und die das mittels eines aktuellen
Nachweises neutralisierender Antikörper auch belegen können.
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Mai 2021 |
Zur sogenannten doppelten Besteuerung von
Renten: Bei privaten Renten kann es
systembedingt nicht zu einer doppelten
Besteuerung kommen
München,
31. Mai 2021 - Der Bundesfinanzhof
(BFH) hat in einer zweiten Entscheidung vom
19.05.2021 (X R 20/19) zahlreiche weitere
Streitfragen zum Problem der sog. doppelten
Rentenbesteuerung geklärt. Er hat nicht nur
über die Behandlung von Leistungen aus der
freiwilligen Höherversicherung zur
gesetzlichen Altersrente und Fragen der sog.
Öffnungsklausel entschieden. Er hat auch
klargestellt, dass es bei Renten aus
privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb
der Basisversorgung (kurz: privaten Renten),
die – anders als gesetzliche Altersrenten –
lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil
besteuert werden, systembedingt keine
Doppelbesteuerung geben kann.
Zudem hat er entschieden, dass zum
steuerfreien Rentenbezug nicht nur die
jährlichen Rentenfreibeträge des
Rentenbeziehers gehören, sondern auch die
eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus
dessen Hinterbliebenenrente. Die Revision
der Kläger, die eine doppelte Besteuerung
eines Teils der bezogenen Renten beanstandet
hatten, blieb ohne Erfolg.
Der Kläger war als Zahnarzt Pflichtmitglied
eines berufsständischen Versorgungswerks,
blieb allerdings freiwilliges Mitglied in
der gesetzlichen Rentenversicherung. Er
erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen
Rentenversicherung Bund eine Altersrente und
Zusatzleistungen aus der dortigen
Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere
„Rürup“-Renten, ebenso zahlreiche Renten aus
privaten Kapitalanlageprodukten. Das
Finanzamt setzte für die gesetzliche
Altersrente einschließlich der Leistungen
der Höherversicherung den sich nach der
gesetzlichen Übergangsregelung ergebenden
Besteuerungsanteil von 58 % an. 42% der
ausgezahlten Rente blieben steuerfrei.
Im Hinblick auf die hohen
Beitragsleistungen des Klägers in zwei
Versorgungssysteme wandte das Finanzamt die
sog. Öffnungsklausel an. Diese ermöglicht
es, in bestimmten Konstellationen die Rente
zumindest teilweise mit dem günstigeren
Ertragsanteil zu versteuern. Die
„Rürup“-Renten des Klägers brachte das
Finanzamt mit dem Besteuerungsanteil, die
sonstigen privaten Leibrenten – wie vom
Gesetz vorgesehen – mit dem Ertragsanteil in
Ansatz.
Das Finanzgericht wies die
hiergegen gerichtete Klage ab. Die Kläger
hielten die Entscheidung der Vorinstanz aus
mehreren Gründen für unzutreffend. Sie
meinten die gesetzliche Altersrente, eine
der „Rürup“-Renten und diverse Renten aus
privaten Versicherungen würden
unzulässigerweise doppelt besteuert, weil
nach ihren Berechnungen die aus versteuertem
Einkommen erbrachten Beiträge höher seien
als der steuerfreie Teil der zu erwartenden
Rentenzahlungen. Der BFH sah dies anders. Er
entschied, dass die Leistungen aus der
freiwilligen Höherversicherung zur
gesetzlichen Altersrente (§ 269 Abs. 1 SGB
VI) als Teil der Rente einheitlich mit den
regulären Rentenbezügen zu versteuern sind.
Dass jene Leistungen
sozialversicherungsrechtlich zu einer
überdurchschnittlichen Versorgung aus der
gesetzlichen Rentenversicherung führen und
ausschließlich aus eigenen Beiträgen des
Versicherten finanziert wurden, erachtete
der BFH als unerheblich.
Dagegen
teilte der BFH die Auffassung der Kläger,
dass die gesetzliche Öffnungsklausel, die
bei überobligatorisch hohen Einzahlungen in
ein Altersvorsorgesystem der Gefahr einer
doppelten Besteuerung von Renten vorbeugen
soll, nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut
nur auf Antrag des Steuerpflichtigen
anwendbar ist. Sie hätte danach im
Streitfall keine Anwendung finden dürfen,
weil die Kläger keinen entsprechenden Antrag
gestellt hatten. Trotzdem blieb ihre
Revision auch in diesem Punkt ohne Erfolg,
denn die unzutreffende Anwendung der
Öffnungsklausel verletzte die Kläger nicht
in ihren Rechten. Die ihnen durch die
Anwendung der Öffnungsklausel zu Unrecht
gewährte Entlastung fiel nämlich höher aus
als der Betrag, der ohne Geltung der
Öffnungsklausel für das Streitjahr als
doppelt besteuert anzusehen wäre. Die Frage,
ob Steuerpflichtige, die bewusst keinen
Antrag auf Anwendung der gesetzlichen
Öffnungsklausel zur niedrigeren Besteuerung
ihrer Altersrente stellen, überhaupt eine
doppelte Besteuerung rügen können, musste
daher offen bleiben.
Der BFH stellte
zudem klar, dass zum steuerfreien
Rentenbezug nicht nur die jährlichen
Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers,
sondern auch die eines etwaig länger
lebenden Ehegatten aus dessen
Hinterbliebenenrente zu rechnen sind. Im
Streitfall war daher auch der steuerfrei
bleibende Teil einer späteren – bei
statistischer Betrachtung wahrscheinlichen –
Witwenrente der Klägerin zu berücksichtigen.
Regelmäßige Anpassungen einer der
Basisversorgung dienenden gesetzlichen oder
„Rürup“-Rente sind nach Auffassung des BFH
auch in der Übergangsphase in voller Höhe
und nicht – wie von den Kläger begehrt – mit
dem geringeren individuellen
Besteuerungsanteil zu berücksichtigen.
Der BFH bestätigte insoweit seine
bisherige Rechtsprechung. Hinsichtlich der
streitigen Renten des Klägers aus privaten
Kapitalanlageprodukten außerhalb der
Basisversorgung konnte der BFH keine
doppelte Besteuerung feststellen. Die für
diese Renten geltende
Ertragsanteilsbesteuerung kann nach Ansicht
des X. Senats bereits systematisch keine
doppelte Besteuerung hervorrufen, weil der
durch das Gesetz festgelegte Ertragsanteil
in zulässiger Weise die Verzinsung der
Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des
Rentenbezugs typisiert. Diese Art der
Besteuerung verlangt nicht, dass die
Beitragszahlungen in der Ansparphase
steuerfrei gestellt werden.
Urteil vom 19.05.2021 X R 20/19
Mehrere Eilanträge und eine
Verfassungsbeschwerde gegen Vorschriften des
Vierten Bevölkerungsschutzgesetzes erfolglos
Karlsruhe, 20. Mai 2021 - Mit heutigen
Beschlüssen haben die Kammern des Ersten
Senats des Bundesverfassungsgerichts mehrere
Anträge auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung abgelehnt und eine
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung
angenommen, die sich gegen § 28b Abs. 1 Satz
1 Nr. 1 IfSG („Kontaktbeschränkungen“), §
28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 IfSG
(„Einzelhandelsbeschränkungen“), § 28b Abs.
1 Satz 1 Nr. 5 IfSG („Untersagung
kultureller Einrichtungen“) sowie gegen §
28b Abs. 3 IfSG („Schulschließungen“)
richteten.
Damit ist nicht entschieden, dass die
angegriffenen Vorschriften mit dem
Grundgesetz vereinbar sind. Diese Prüfung
bleibt im Falle der Anträge auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung den jeweiligen
Hauptsacheverfahren vorbehalten (ebenso wie
die Prüfung des § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
IfSG zur „Ausgangsbeschränkung“, vgl.
Pressemitteilung Nr. 33 vom 5. Mai 2021).
Mit dem Antrag im Verfahren 1 BvR 900/21
sollte erreicht werden, dass die geregelte
Einschränkung privater Zusammenkünfte
vorläufig außer Vollzug gesetzt wird. Mit
den Anträgen in den Verfahren 1 BvR 968/21
u. a. wurde begehrt, die im
Infektionsschutzgesetz geregelten
Beschränkungen des Einzelhandels vorläufig
außer Vollzug zu setzen. Die vorzunehmende
Folgenabwägung führt hier jeweils zu dem
Ergebnis, dass die für den Erlass einer
einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe
nicht überwiegen.
Im Verfahren 1 BvR 928/21 wenden sich die
Beschwerdeführenden gegen die Untersagung
der Öffnung kultureller Einrichtungen. Ihre
Verfassungsbeschwerde ist jedoch bereits
unzulässig, weil sie die Möglichkeit einer
Verletzung ihrer Grundrechte oder
grundrechtsgleichen Rechte nicht ausreichend
dargelegt haben. Der Antrag im Verfahren 1
BvQ 64/21 richtet sich gegen die Regelung im
Infektionsschutzgesetz, wonach die
Durchführung von Präsenzunterricht an
Schulen untersagt ist, wenn die durch das
Robert-Koch-Institut veröffentlichte Anzahl
der Neuinfektionen mit dem Coronavirus
SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner (im
Folgenden: Sieben-Tage-Inzidenz) im
jeweiligen Landkreis oder in der jeweiligen
kreisfreien Stadt den Schwellenwert von 165
überschreitet.
Der Antrag hat bereits deshalb keinen
Erfolg, weil die vom Antragsteller besuchte
Schule in einem Landkreis liegt, in dem die
Sieben-Tage-Inzidenz stabil unter dem
maßgeblichen Schwellenwert liegt.
Börsenverein zur Umsetzung der
EU-Urheberrechtsrichtlinie
-
Verband begrüßt gesetzliche
Wiederherstellung der Verlegerbeteiligung
- Insgesamt wird Urheberrecht zulasten
der Kreativwirtschaft weiter geschwächt
Berlin/Frankfurt, 20. Mai 2021 - Der
Deutsche Bundestag hat am 20. Mai das
„Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an
die Erfordernisse des digitalen
Binnenmarktes“ verabschiedet. Das Gesetz
enthält zahlreiche Regelungen, etwa zur
Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen
wie YouTube, zum Text und Data Mining oder
zum Presseleistungsschutzrecht.
Für die
Buchbranche enorm wichtig ist die
gesetzliche Regelung zur
Verlegerbeteiligung. Verlage erhalten
künftig wieder einen Ausgleich, wenn ihre
Publikationen privat kopiert, durch
Bibliotheken verliehen oder sonst in
gesetzlich erlaubter Weise genutzt werden.
Dies war durch Gerichtsurteile seit 2015
nicht mehr möglich und führte zu hohen
Einnahmeausfällen von insgesamt über 200
Millionen Euro.
Alexander Skipis,
Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des
Deutschen Buchhandels: „Wir begrüßen es
sehr, dass Verlage im Rahmen des heute
beschlossenen Regelungspakets endlich wieder
an den Ausschüttungen der
Verwertungsgesellschaften beteiligt werden
können und der Fortbestand der VG Wort als
gemeinsamer Verwertungsgesellschaft von
Autor*innen und Verlagen gesichert ist. In
seiner Gänze markiert das Gesetzespaket
allerdings eine weitere Abschwächung des
urheberrechtlichen Schutzniveaus zugunsten
der Plattformen und ihrer Nutzer*innen.
Die EU-Richtlinie hätte eigentlich
vorgesehen, die großen Internetplattformen
deutlich stärker in die Pflicht zu nehmen
und Lizenzierungen zu stärken, statt
Bagatellgrenzen für Werknutzungen
einzuführen, die in der Richtlinie gar nicht
angelegt sind. Dies schadet langfristig
allen in der Kreativwirtschaft tätigen
Akteuren und vereitelt das Entstehen eines
funktionierenden europäischen Binnenmarktes
für geistige Leistungen.“
Voraussetzungen und Rechtsfolgen des
Widerrufs eines Partnervermittlungsvertrags
Karlsruhe, 6. Mai 2021 - Der unter
anderem für das Dienstvertragsrecht
zuständige III. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofes hat heute entschieden
(III ZR 169/20), dass der Kunde
einer Partnervermittlungsagentur sein
Widerrufsrecht nicht dadurch verliert, dass
diese die geschuldete Anzahl von
Partnervorschlägen zusammenstellt, ohne sie
dem Kunden bereits überlassen zu haben, auch
wenn allein dies in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen als "Hauptleistung"
bestimmt ist; zudem ist der
Wertersatzanspruch der
Partnervermittlungsagentur nach dem
Widerruf, von Ausnahmen abgesehen,
zeitanteilig zu berechnen.
Sachverhalt: Die Klägerin schloss in ihrer
Wohnung im Verlauf des Besuchs eines
Vertreters der beklagten Agentur einen
Partnervermittlungsvertrag. In den
Vertragsunterlagen war unter anderem
bestimmt, dass die Beklagte als
"Hauptleistung" 21 Partnervorschläge
(Partnerdepot) zusammenstelle. Hierauf
sollten 90 % und auf die "Verwaltung und
Aktualisierung des Partnerdepots für die
Dauer der Vertragslaufzeit von 12 Monaten"
10% des Honorars entfallen. Außerdem
unterzeichnete die über ihr Widerrufsrecht
belehrte Klägerin eine Erklärung, sie
wünsche ausdrücklich, dass die Beklagte mit
ihrer Dienstleistung aus dem
Partnervermittlungsvertrag sofort beginne;
ihr sei bewusst, dass sie ihr Widerrufsrecht
verliere, wenn der Vertrag seitens der
Beklagten vollständig erfüllt sei.
Am folgenden Tag zahlte die Klägerin an die
Beklagte das vereinbarte Honorar von 8.330
€. Am selben Tag übermittelte die Beklagte
der Klägerin drei Kontakte, die dieser
jedoch nicht zusagten. Die Klägerin
"kündigte" daraufhin nach einer Woche den
Vertrag. Die Beklagte macht geltend, das
Partnerdepot erstellt und damit ihre
Leistung vollständig erbracht zu haben.
Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht
hat die auf Rückzahlung der 8.330 €
gerichtete Klage abgewiesen. Auf die
Berufung der Klägerin hat das
Oberlandesgericht die Beklagte hingegen zur
Rückzahlung verurteilt. Von der
Klageforderung seien aber 1.191 €
abzuziehen, da die Klägerin drei der
insgesamt 21 geschuldeten Partnervorschläge
erhalten habe und der Beklagten daher
Wertersatz in dieser Höhe schulde.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der
Bundesgerichtshof hat die gegen ihre
Verurteilung zur Rückzahlung von 7.139 €
gerichtete Revision der Beklagten
zurückgewiesen. Die Klägerin kann den
Großteil des an die Beklagte geleisteten
Betrags zurückverlangen.
Gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB sind im Falle
des wirksamen Widerrufs eines
Verbrauchervertrags die empfangenen
Leistungen zurückzugewähren. Die Parteien
hatten einen widerruflichen
Verbrauchervertrag im Sinne des § 312 Abs. 1
BGB i.V.m. § 310 Abs. 3 BGB außerhalb von
Geschäftsräumen (§ 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB) geschlossen. Der von der Klägerin
erklärte Widerruf war wirksam. Das
Widerrufsrecht der Klägerin war nicht gemäß
§ 356 Abs. 4 Satz 1 und 2 BGB
ausgeschlossen, weil die Beklagte zum
Zeitpunkt der Widerrufserklärung ihre
Dienstleistung noch nicht vollständig
erbracht hatte. Dies hätte erfordert, dass
sie jedenfalls ihre Hauptleistungspflicht
vollständig erfüllt hätte.
Für die
Auslegung, welche Pflichten
Hauptleistungspflichten sind, ist
entscheidend, worauf es der einen oder der
anderen Partei in hohem Grade ankam, was sie
unter allen Umständen erlangen wollte. Nach
diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht
rechtsfehlerfrei verneint, dass die Beklagte
ihre Leistung vollständig erbracht hatte.
Die Erstellung des Partnerdepots war nicht
(ausschließliche) Hauptleistungspflicht der
Beklagten. Vielmehr ist für den Kunden der
Beklagten allein die Zusendung der
ausführlichen Partnervorschläge mit Namen
und Kontaktdaten von Bedeutung. Diese
Leistung hatte die Beklagte zum Zeitpunkt
des Widerrufs nur zu einem geringen Teil
erbracht. Darüber hinaus ist der Kunde auch
darauf angewiesen, dass die
Partnervorschläge zu dem Zeitpunkt, zu dem
er sie zu einer Kontaktanbahnung nutzt, noch
aktuell und bis dahin gegebenenfalls ergänzt
und aktualisiert worden sind.
Für ein anderes Verständnis kann sich die
Beklagte nicht auf ihre Allgemeinen
Geschäftsbedingungen berufen, nach denen die
"Hauptleistung" (allein) in der Erstellung
eines 21 Partnervorschläge umfassenden
Partnerdepots liegt. Diese Bestimmung ist
gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann
der Vertragsgegenstand nicht verändert
werden. Der Gegenanspruch der Beklagten auf
Wertersatz für die von ihr erbrachten
Leistungen aus § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB ist
jedenfalls geringer als der Betrag, den das
Berufungsgericht von der Klageforderung
abgezogen hat.
Für die Berechnung
dieses Wertersatzes ist die Rechtsprechung
des Gerichtshofs der Europäischen Union
maßgeblich, weil das Widerrufsrecht gemäß §
312g Abs. 1 und § 355 Abs. 1 BGB sowie seine
Rechtsfolgen auf der Richtlinie 2011/83/EU
des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der
Verbraucher beruhen. Nach dem Urteil des
Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8.
Oktober 2020 ist auf den im Vertrag
vereinbarten Preis für die Gesamtheit der
vertragsgegenständlichen Leistungen
abzustellen und der geschuldete Betrag
zeitanteilig zu berechnen. Daraus ergibt
sich kein Anspruch der Beklagten, der 1.191
€ übersteigt. Eine Ausnahme von einer
zeitanteiligen Berechnung gilt nur, wenn der
geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsieht,
dass eine oder mehrere der Leistungen gleich
zu Beginn der Vertragsausführung vollständig
und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden
Preis erbracht werden; ein solcher
Ausnahmefall liegt hier nicht jedoch vor.
Vorinstanzen: LG Aachen - Urteil vom 23.
Oktober 2019 - 8 O 332/18 OLG Köln - Urteil
vom 25. Juni 2020 - 21 U 107/19 Die
maßgeblichen Vorschriften lauten: § 307
Inhaltskontrolle ( 1) Bestimmungen in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind
unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des
Verwenders entgegen den Geboten von Treu und
Glauben unangemessen benachteiligen. [...]
(2) Eine unangemessene Benachteiligung
ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine
Bestimmung 1. mit wesentlichen Grundgedanken
der gesetzlichen Regelung, von der
abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist
[...] § 312g BGB Widerrufsrecht (1) Dem
Verbraucher steht bei außerhalb von
Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und
bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht
gemäß § 355 zu. [...] § 355 BGB
Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein
Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift
eingeräumt, so sind der Verbraucher und der
Unternehmer an ihre auf den Abschluss des
Vertrags gerichteten Willenserklärungen
nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher
seine Willenserklärung fristgerecht
widerrufen hat. [...] (3) Im Falle des
Widerrufs sind die empfangenen Leistungen
unverzüglich zurückzugewähren. [...] §
357 BGB Rechtsfolgen des Widerrufs von
außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen
Verträgen und Fernabsatzverträgen mit
Ausnahme von Verträgen über
Finanzdienstleistungen [...] (8) Widerruft
der Verbraucher einen Vertrag über die
Erbringung von Dienstleistungen [...], so
schuldet der Verbraucher dem Unternehmer
Wertersatz für die bis zum Widerruf
erbrachte Leistung, wenn der Verbraucher von
dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat,
dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der
Widerrufsfrist beginnt. Der Anspruch aus
Satz 1 besteht nur, wenn der Unternehmer den
Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Abs. 2
Satz 1 Nummer 1 und 3 des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen
Gesetzbuche ordnungsgemäß informiert hat.
[...] Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union vom 8. Oktober 2020:
C-641/19, NJW 2020, 3773
Eilanträge gegen bundesrechtliche nächtliche
Ausgangsbeschränkungen abgelehnt Karlsruhe,
5. Mai 2021 - Mit dem heute veröffentlichtem Beschluss hat
der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts Anträge auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit denen
erreicht werden sollte, dass die in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
IfSG geregelte nächtliche Ausgangsbeschränkung vorläufig
außer Vollzug gesetzt wird. Damit ist nicht entschieden,
dass die Ausgangsbeschränkung mit dem Grundgesetz vereinbar
ist. Eine solche Entscheidung kann das
Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren nicht treffen. Diese
Prüfung bleibt den Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Unfall oder Diebstahl - wie sind
Pedelecs versichert?
Coburg/Duisburg, 05. Mai 2021 - Radfahren
liegt voll im Trend. Seitdem die Pandemie uns im Griff hat,
steigen viele noch lieber auf ihren Drahtesel statt in Busse
oder Bahnen. Wer nicht allein mit Muskelkraft fährt, sollte
im Hinterkopf haben, dass es anderen Verkehrsteilnehmern
schwerfällt, ein normales Rad von der motorunterstützten
Variante zu unterscheiden. Doch wenn Geschwindigkeiten falsch
eingeschätzt werden, kann ein Unfall schnell passieren, dann
ist der richtige Versicherungsschutz wichtig.
Welche
Variante die richtige ist, hängt von der Geschwindigkeit des
jeweiligen Modells ab. Bei einem Großteil der Pedelecs
handelt es sich um Räder mit einer elektrischen
Tretunterstützung, die sich ab 25 Stundenkilometern
abschalten. Wie die HUK-COBURG mitteilt, sind diese Pedelecs
den Fahrrädern gleichgestellt. Sie lassen sich ohne
Zulassung, Führerschein und Versicherungskennzeichen fahren.
Das Unfallrisiko ist oft – auch bei der HUK-COBURG – in einer
bestehenden Privathaftpflicht-Versicherung kostenlos
miteingeschlossen.

Man muss nicht unbedingt kräftig in die
Pedale treten, um schnell mit dem Rad unterwegs zu sein:
Pedelecs – Fahrräder mit Tretunterstützung – machen schnelles
Fahren für alle möglich. Foto: HUK-COBURG
Ein Blick in die Bedingungen oder ein
Gespräch mit dem Versicherer klärt, ob die kostenfreie
Mitversicherung wirklich besteht. Andere Spielregeln gelten
für Fahrer der schnellen S-Pedelecs, deren Motorunterstützung
erst bei 45 Kilometern pro Stunde endet. Wer sich auf den
Sattel eines S-Pedelecs setzt, muss mindestens 16 Jahre alt
sein, einen Führerschein der Klasse AM und eine
Kfz-Haftpflichtversicherung besitzen, das dafür notwendige
Versicherungskennzeichen gibt es direkt bei der
Kfz-Versicherung. Diebstahl nicht ausgeschlossen Genau wie
ihre allein mit Muskelkraft betriebenen Pendants, die
Fahrräder, werden auch S-Pedelecs gerne gestohlen.
Um dagegen versichert zu sein, brauchen
die Fahrer neben der Kfz-Haftpflichtversicherung noch eine
Teilkasko-Versicherung. Doch auch für Fahrer der langsameren
Varianten ist Diebstahlschutz ein Thema: Verschwinden solche
Pedelecs nach einem Einbruch in den verschlossenen Keller
oder die Einzelgarage, ist das in der Hausratversicherung
kostenlos mitversichert. Anders sieht es beim einfachen
Diebstahl aus: Wenn also ein abgeschlossenes Pedelec von der
Straße weg gestohlen wird. Hier kann in der Regel nur der auf
seinen Hausratversicherer zählen, der den Zusatzbaustein
Fahrraddiebstahl in seinen Vertrag miteingeschlossen hat.
Bis zu welcher Summe die Versicherung im
Schadenfall leistet, hat jeder selbst in der Hand. Dieser
Schutz greift im Allgemeinen nicht nur 24 Stunden am Tag,
sondern im Rahmen der Außenversicherung auch weltweit und er
bezieht alle, fest mit dem Fahrrad verbundenen Teile, wie
beispielsweise Sattel oder Räder, mit ein. Allerdings können
solche Regelungen von Versicherer zu Versicherer variieren.
An dieser Stelle bringt ein Gespräch mit dem eigenen
Hausratversicherer Sicherheit.
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April 2021 |
Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz teilweise
erfolgreich Karlsruhe, 29. April 2021 - Mit heute
veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Regelungen
des Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember 2019
(Klimaschutzgesetz) über die nationalen
Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen
Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar
sind, als hinreichende Maßgaben für die weitere
Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen. Im Übrigen wurden
die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.
Das
Klimaschutzgesetz verpflichtet dazu, die
Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 % gegenüber
1990 zu mindern und legt durch sektorenbezogene
Jahresemissionsmengen die bis dahin geltenden Reduktionspfade
fest (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit
Anlage 2). Zwar kann nicht festgestellt werden, dass der
Gesetzgeber mit diesen Bestimmungen gegen seine
grundrechtlichen Schutzpflichten, die Beschwerdeführenden
(Friday for Future) vor
den Gefahren des Klimawandels zu schützen, oder gegen das
Klimaschutzgebot des Art. 20a GG verstoßen hat.
Die
zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden sind durch die
angegriffenen Bestimmungen aber in ihren Freiheitsrechten
verletzt. Die Vorschriften verschieben hohe
Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach
2030. Dass Treibhausgasemissionen gemindert werden müssen,
folgt auch aus dem Grundgesetz. Das verfassungsrechtliche
Klimaschutzziel des Art. 20a GG ist dahingehend
konkretisiert, den Anstieg der globalen
Durchschnittstemperatur dem sogenannten „Paris-Ziel“
entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C
gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um das
zu erreichen, müssen die nach 2030 noch erforderlichen
Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht
werden. Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist
praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch
nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von
Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen
Einschränkungen bedroht sind. Der Gesetzgeber hätte daher zur
Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit Vorkehrungen
treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern.
Zu dem
danach gebotenen rechtzeitigen Übergang zu Klimaneutralität
reichen die gesetzlichen Maßgaben für die Fortschreibung des
Reduktionspfads der Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2031
nicht aus. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die
Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen
für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu
regeln.
Unwirksamkeit von AGB-Klauseln - Urteil vom 27. April 2021 –
XI ZR 26/20
Karlsruhe, 27. April 2021 -
Der für das Bankrecht zuständige
XI. Zivilsenat hat heute entschieden, dass Klauseln in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank (hier POstbank)
unwirksam sind, die ohne inhaltliche Einschränkung die
Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen fingieren.
Sachverhalt und bisheriger
Prozessverlauf Der Kläger ist der Bundesverband der
Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, der als
qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Die
beklagte Bank verwendet in ihrem Geschäftsverkehr mit
Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Klauseln
enthalten, die im Wesentlichen den Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken
und Nr. 2 Abs. 1 bis 3 AGB-Sparkassen bzw. den Nr. 12 Abs. 5
AGB-Banken und Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen entsprechen.
Danach werden Änderungen von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen den Kunden spätestens zwei Monate vor
dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in
Textform angeboten. Die Zustimmung des Kunden gilt als
erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem
vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen
angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung weist ihn die
Bank in ihrem Angebot besonders hin. Der Kunde hat die
Möglichkeit der Kündigung. Der Kläger hält die Klauseln für
unwirksam. Er begehrt mit seiner Klage, der Beklagten bei
Meidung von Ordnungsmitteln aufzugeben, es zu unterlassen,
die Klauseln in Verträge mit Verbrauchern einzubeziehen und
sich auf die Klauseln zu berufen.
Das Landgericht hat
die Klage, mit der der Kläger in erster Instanz außerdem noch
die Erstattung von Abmahnkosten nebst Rechtshängigkeitszinsen
verlangt hat, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die
Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren mit
Ausnahme seines Zahlungsantrags weiterverfolgt hat,
zurückgewiesen. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der
Bundesgerichtshof hat auf die Rechtsmittel des Klägers das
Berufungsurteil aufgehoben und die beklagte Bank nach Maßgabe
der in zweiter Instanz gestellten Anträge verurteilt. Die
Klauseln unterliegen vollumfänglich der AGB-Kontrolle. Das
gilt auch, soweit sie Zahlungsdiensterahmenverträge erfassen.
§ 675g BGB sperrt die Anwendung der §§ 307 ff. BGB nicht.
Das folgt aus dem Unionsrecht (vgl. EuGH, Urteil vom 11.
November 2020 - C-287/19, "DenizBank", WM 2020, 2218), dessen
Umsetzung § 675g BGB dient und der in diesem Sinne
unionsrechtskonform auszulegen ist. Die Klauseln, die so
auszulegen sind, dass sie sämtliche im Rahmen der
Geschäftsverbindung geschlossenen Verträge der Beklagten mit
ihren Kunden wie etwa auch das Wertpapiergeschäft und den
Sparverkehr betreffen, halten der eröffneten AGB-Kontrolle
nicht stand. Nr. 1 (2) der AGB der Beklagten betrifft alle
Änderungen "dieser" Geschäftsbedingungen, also der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die zugleich mit Nr. 1 (2)
AGB vereinbart werden, und Änderungen (künftiger) "besonderer
Bedingungen" für einzelne gesondert vereinbarte
Geschäftszweige, die das gesamte Tätigkeitsspektrum der
Beklagten umfassen.
Sie betrifft nicht nur Anpassungen
von einzelnen Details der vertraglichen Beziehungen der
Parteien mittels einer fingierten Zustimmung des Kunden,
sondern ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung
jede vertragliche Änderungsvereinbarung. Damit weicht sie von
wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§
145 ff. BGB ab, indem sie das Schweigen des
Verwendungsgegners als Annahme eines Vertragsänderungsantrags
qualifiziert.
Diese Abweichung benachteiligt die
Kunden der Beklagten unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2 Nr. 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung des
Vertragspartners des Verwenders wird vermutet, wenn eine
klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der
gesetzlichen Regelung gegeben ist. Die allgemeine
Änderungsklausel bietet eine Handhabe, unter Zuhilfenahme
einer Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden
fristgerechten Ablehnung das Vertragsgefüge insgesamt
umzugestalten.
Dass "vereinbarte" Änderungen
ihrerseits der Ausübungskontrolle unterliegen, gleicht diesen
Umstand nicht aus. Für so weitreichende, die Grundlagen der
rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffende Änderungen,
die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können,
ist vielmehr ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311
Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig.
Auch Nr. 12 (5) der AGB der Beklagten hält einer
Inhaltskontrolle nicht stand.
Die Klausel betrifft Entgelte für
Hauptleistungen. Damit benachteiligt die Klausel auch unter
Berücksichtigung des Umstands, dass keine einseitige
Anpassungsbefugnis der Beklagten besteht, sondern Änderungen
des Vertragsverhältnisses nur im Wege eines - gegebenenfalls
fingierten - Konsenses zustande kommen sollen, die Kunden der
Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Mittels Zustimmungsfiktion kann die vom Kunden geschuldete
Hauptleistung geändert werden, ohne dass dafür
Einschränkungen vorgesehen sind.
Die Beklagte erhält damit eine
Handhabe, das Äquivalenzverhältnis von Leistung und
Gegenleistung erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und
damit die Position ihres Vertragspartners zu entwerten. Für
solche weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen
Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen ist, wie
oben ausgeführt, ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, §
311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag
notwendig.
Eine Zustimmungsfiktion im Falle einer
fehlenden fristgerechten Ablehnung reicht hierfür unter
Berücksichtigung der berechtigten Interessen des
Verwendungsgegners nicht aus.
Vorinstanzen:
Landgericht Köln – Urteil vom 12. Juni 2018 – 21 O 351/17
Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 19. Dezember 2019 – 12 U
87/18 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 305 BGB […] (2)
Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil
eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss
1.die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein
ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses
nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist,
durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des
Vertragsschlusses auf sie hinweist und 2.der anderen
Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer
Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche
Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen
berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, und wenn
die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden
ist. […] § 307 BGB (1)
Bestimmungen in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den
Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu
und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene
Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die
Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene
Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine
Bestimmung 1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen
Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist
oder 2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der
Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die
Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. (3) Die Absätze
1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen
in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von
Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende
Regelungen vereinbart werden.
Andere Bestimmungen
können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1
unwirksam sein. § 311 BGB (1) Zur Begründung eines
Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung
des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag
zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das
Gesetz ein anderes vorschreibt. […] § 675g BGB (1) Eine
Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrags auf Veranlassung
des Zahlungsdienstleisters setzt voraus, dass dieser die
beabsichtigte Änderung spätestens zwei Monate vor dem
vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens dem
Zahlungsdienstnutzer in der in Artikel 248 §§ 2 und 3 des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche vorgesehenen
Form anbietet.
(2) Der Zahlungsdienstleister und
der Zahlungsdienstnutzer können vereinbaren, dass die
Zustimmung des Zahlungsdienstnutzers zu einer Änderung nach
Absatz 1 als erteilt gilt, wenn dieser dem
Zahlungsdienstleister seine Ablehnung nicht vor dem
vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung
angezeigt hat. Im Fall einer solchen Vereinbarung ist der
Zahlungsdienstnutzer auch berechtigt, den
Zahlungsdiensterahmenvertrag vor dem vorgeschlagenen
Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung fristlos zu
kündigen. Der Zahlungsdienstleister ist verpflichtet, den
Zahlungsdienstnutzer mit dem Angebot zur Vertragsänderung auf
die Folgen seines Schweigens sowie auf das Recht zur
kostenfreien und fristlosen Kündigung hinzuweisen.
Eilantrag gegen Testpflicht an Schulen erfolglos
Münster, 22. April 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat
mit Beschluss vom heutigen Tag einen Eilantrag gegen die
sogenannte Testpflicht an Schulen abgelehnt. Nach der
aktuellen Coronabetreuungsverordnung dürfen nur Personen
(Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, sonstiges
an der Schule tätiges Personal) an der schulischen Nutzung
und damit auch am Präsenzunterricht teilnehmen, die an dem
jeweils letzten von der Schule für sie angesetzten
Coronaselbsttest mit negativem Ergebnis teilgenommen haben.
Für die
Schülerinnen und Schüler finden die Coronaselbsttests
ausschließlich in der Schule unter Aufsicht schulischen
Personals statt. Von der Teilnahme an den Coronaselbsttests
befreit sind Personen, die zum Zeitpunkt des Tests einen
Nachweis über eine negative, höchstens 48 Stunden
zurückliegende Testung vorlegen können. Nicht getestete und
positiv getestete Personen sind durch die Schulleiterin oder
den Schulleiter von der schulischen Nutzung auszuschließen.
Die Ergebnisse
der Tests und der vorgelegten Nachweise werden von der Schule
erfasst, dokumentiert, nicht an Dritte übermittelt und nach
14 Tagen vernichtet. Die Antragsteller, eine Sechstklässlerin
und ein Achtklässler aus Bedburg, hatten unter anderem
geltend gemacht, die Testpflicht verletze sie in ihrem
Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Die korrekte
Anwendung der vorgesehenen Antigentests sei zu komplex und
die Aussagekraft der Testergebnisse gering.
Die Erfassung
und Aufbewahrung von Testergebnissen und Nachweisen stellten
einen unzulässigen Eingriff in ihr Recht auf informationelle
Selbstbestimmung dar. Darüber hinaus befürchteten sie eine
Stigmatisierung im Falle eines positiven Testergebnisses. Dem
ist das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt. Nach Auffassung
des zuständigen 13. Senats bestehen gegen die angegriffene
Testpflicht keine offensichtlich durchgreifenden Bedenken.
Insbesondere stelle sie beim gegenwärtigen Stand des
Infektionsgeschehens voraussichtlich eine verhältnismäßige
Schutzmaßnahme dar.
Der
Verordnungsgeber trage damit im Zusammenhang mit der
Wiedereröffnung des Präsenzunterrichts in den Schulen der
erhöhten Infektionsgefahr durch das Auftreten leichter
übertragbarer Virusvarianten Rechnung. Die für die Testung
vorgesehenen Coronaselbsttests ermöglichten die
Identifizierung insbesondere erkrankter Schüler, die das
Virus ansonsten unbemerkt im schulischen und häuslichen
Umfeld verbreiten könnten. Die Vorbehalte der Antragsteller
im Hinblick auf mögliche gesundheitliche Risiken durch die
Inhaltsstoffe der Selbsttests teile der Senat aufgrund der
Sonderzulassung der Selbsttests durch das Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte nicht. Auch sei davon
auszugehen, dass das schulische Personal, unter dessen
Aufsicht die Tests stattfänden, in der Lage sei, die richtige
Anwendung von Coronaselbsttests zu vermitteln.
Die
Erfassung und Aufbewahrung von Testergebnissen sei
voraussichtlich durch datenschutzrechtliche Vorschriften
gedeckt. Schließlich müssten die Antragsteller ebenso wie
alle anderen Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen
nicht an den Coronaselbsttests in Schulen teilnehmen. Die
Coronabetreuungsverordnung sehe als zumutbare Alternative die
Möglichkeit vor, einen Nachweis über eine negative, höchstens
48 Stunden zurückliegende Testung vorzulegen. Eine ergänzende
Folgenabwägung falle deshalb zu Lasten der Antragsteller aus.
Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B
559/21.NE
Beim Oberverwaltungsgericht sind zahlreiche
weitere Eilanträge von Schülerinnen und Schülern
verschiedener Klassen und Schulformen gegen die Testpflicht
anhängig, über die zeitnah entschieden werden soll.
Zu
wenig Hochschullehrer korrigieren juristische
Examensklausuren Oberverwaltungsgericht Münster,
19. April 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute in
einer Grundsatzentscheidung der Klage einer Jurastudentin
stattgegeben, die die staatliche Pflichtfachprüfung als Teil
der ersten Prüfung (früher: erstes juristisches Staatsexamen)
beim Justizprüfungsamt Hamm nicht bestanden hatte. Entgegen
den rechtlichen Vorgaben, von denen seit Jahren regelmäßig
abgewichen werde, seien ihre Klausuren nicht auch durch einen
Hochschullehrer korrigiert worden.
Die Klägerin
aus Steinhagen wehrte sich gegen das endgültige Nichtbestehen
der staatlichen juristischen Pflichtfachprüfung. Im Rahmen
dieser Prüfung sind sechs Klausuren zu fertigen, die jeweils
von zwei Prüfern selbständig begutachtet und bewertet werden.
§ 14 Abs. 2 des Juristenausbildungsgesetzes (JAG NRW) regelt
dazu, dass einer der beiden Prüfer Hochschullehrer sein soll.
Hintergrund ist, dass die erste Prüfung den Abschluss des
juristischen Hochschulstudiums darstellt und daher die
Hochschullehrer auch an den Abschlussprüfungen beteiligt
werden sollen. I
m Falle der Klägerin wurde jedoch von
den sechs Klausuren nur eine unter Beteiligung eines
Hochschullehrers benotet. Der Senat hat den Bescheid über das
Nichtbestehen der Prüfung aufgehoben und das Land
Nordrhein-Westfalen verurteilt, die von der Klägerin
(lediglich) beanstandeten zwei Aufsichtsarbeiten unter
Beachtung der Vorgaben des § 14 Abs. 2 JAG neu bewerten zu
lassen.
Zur Begründung
seines Urteils hat er ausgeführt: Die Sollvorschrift des § 14
Abs. 2 JAG gibt eine bestimmte Zusammensetzung des
Prüfungsgremiums vor, die im Regelfall zu erreichen ist. Das
heißt, das Gesetz fordert - wie es allgemein für
Sollvorschriften im öffentlichen Recht gilt -, dass das
Prüfungsgremium nur im Ausnahmefall, wenn besondere Umstände
des Einzelfalls es erfordern, auch ohne Hochschullehrer
besetzt werden darf. Wie der Senat im Rahmen dieses
Verfahrens jedoch festgestellt hat, wird die Regelbesetzung
im Bereich des Justizprüfungsamts Hamm schon seit Jahren
deutlich verfehlt.
Durchschnittlich ist allenfalls bei jeder dritten oder
vierten statt bei jeder Klausurbewertung, wie es die Regel zu
sein hat, ein Hochschullehrer beteiligt. Vom gesetzlich
geforderten Regelzustand wird also nicht im Ausnahmefall,
sondern regelmäßig abgewichen. Daher reicht es, so der Senat,
nicht mehr aus, dass das Prüfungsamt es bei seiner bisherigen
Anstrengung zur Gewinnung von Prüfern aus dem Kreis der
Hochschullehrer belässt.
Der Senat hat
die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann das beklagte Land
Beschwerde einlegen, über die das Bundesverwaltungsgericht
entscheidet. Aktenzeichen: 14 A 1082/20 (VG Minden, 8 K
2182/19)
Eilantrag gegen
Coronaeinreiseverordnung erfolglos
Oberverwaltungsgericht Münster, 16. April 2021 - Für
Rückkehrer aus einem Virusvarianten-Gebiet gilt in
Nordrhein-Westfalen weiterhin eine 14-tägige
Quarantänepflicht. Das hat das Oberverwaltungsgericht heute
entschieden und damit den Antrag eines Ehepaars aus Netphen
abgelehnt, das in der vergangenen Woche aus Südafrika
zurückgekehrt ist. Die Eheleute hatten beantragt, die
entsprechende Regelung in der Coronaeinreiseverordnung des
Landes vorläufig außer Vollzug zu setzen. Diese sieht für
die Einreise aus einem Virusvarianten-Gebiet grundsätzlich
eine 14- tägige Absonderung (Quarantäne) vor, die nicht durch
eine negative Testung abgekürzt werden kann. Als
Virusvarianten-Gebiet ist ein Staat oder eine Region
außerhalb Deutschlands definiert, für den im Zeitpunkt der
Einreise in die Bundesrepublik ein besonders hohes
Infektionsrisiko festgestellt wurde, weil dort bestimmte
Varianten des Coronavirus SARS-CoV-2 verbreitet aufgetreten
sind. Hierzu zählt nach der Einstufung durch das Robert
Koch-Institut mit Blick auf die sogenannte südafrikanische
Virusvariante unter anderem Südafrika.
Bei sonstigen
Risikogebieten besteht eine 10-tägige Quarantäne und man kann
diese durch Testung vor der Einreise oder unmittelbar danach
vermeiden bzw. durch einen späteren Test beenden. Zur
Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt:
Voraussetzung für die streitige Absonderungspflicht sei ein
Ansteckungsverdacht. Dass ein solcher bei einer Einreise aus
einem Risikogebiet in Form eines Virusvarianten-Gebiets und
hier speziell aus Südafrika nicht bestehe, sei nach dem
Prüfungsmaßstab im Eilverfahren jedenfalls nicht
offensichtlich. Davon ausgehend komme die begehrte
einstweilige Anordnung nicht in Betracht.
Einen
Ansteckungsverdacht unterstellt, sei die angegriffene
Absonderungspflicht voraussichtlich weder unverhältnismäßig
noch gleichheitswidrig. Die Einschätzung, dass Virusvarianten
das Infektionsgeschehen negativ beeinflussen könnten, sei
schlüssig. Soweit es die südafrikanische Virusvariante
betreffe, werde in der Wissenschaft eine höhere
Übertragbarkeit diskutiert. Ferner wiesen mehrere Studien
darauf hin, dass Menschen, die mit der ursprünglichen
Variante infiziert waren oder einen auf dieser beruhenden
Impfstoff erhalten haben, weniger gut vor einer Infektion mit
der südafrikanischen Virusvariante geschützt sein könnten.
Wegen dieser
möglichen Eigenschaften bestehe grundsätzlich ein hohes
öffentliches Interesse daran, die weitere Eintragung und
Verbreitung im Landesgebiet zu verhindern. Insofern sei auch
nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber sich anders
als nach der Einreise aus einem sonstigen Risikogebiet nicht
mit einer lediglich 10-tägigen Quarantäne begnüge und auch
die Möglichkeit einer Freitestung nicht vorsehe. Die mit der
Einreise aus einem Virusvarianten-Gebiet verbundenen Gefahren
rechtfertigten es, dass der Verordnungsgeber besonders
strenge Schutzmaßnahmen ergreife und Restrisiken, die im
Falle einer Freitestung oder kürzeren Quarantäne bestünden,
noch stärker reduziere, als dies ansonsten der Fall sei. Vor
diesem Hintergrund falle die vorzunehmende Interessenabwägung
zu Lasten der Antragsteller aus.
Der Beschluss
ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 531/21.NE
Mieterverbände laufen Sturm: Der Bund ist in der Pflicht. Es
müssen endlich klare Gesetze und erschwingliche Wohnungen
her. Haus & Grund fordert politische Kehrtwende
Berlin/Duisburg, 15. April 2021 - „Das ist eine
höchstrichterliche Ohrfeige für die grundgesetzwidrige
Politik des Berliner Senats.“ So kommentierte Haus &
Grund-Präsident Kai Warnecke die heutige Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Mietendeckel. Es hat
entschieden, dass das Land Berlin ein solches Gesetz nicht
erlassen durfte, denn die Kompetenz liege in diesem Fall beim
Bundesgesetzgeber. „Das ist die maximale Niederlage für den
Berliner Senat“, stellte Warnecke fest. Die rot-rot-grüne
Koalition habe Berliner Mietern, Vermietern und
Wohnungssuchenden einen Bärendienst erwiesen. Der neue
Senat müsse inhaltlich eine Kehrtwende vollziehen und die
Zusammenarbeit mit den Wohnungsanbietern suchen, statt
künstlich Fronten aufzubauen. „Wir müssen zurückkehren zu den
wohnungspolitischen Instrumenten, die funktionieren. Dazu
gehört in erster Linie, Wohnungsknappheit durch Wohnungsbau
zu bekämpfen“, erklärte Warnecke.
Durch die
Entscheidung des Verfassungsgerichts muss ein Großteil der
grundgesetzwidrig gesenkten Mieten nachgezahlt werden. Haus &
Grund rät Berliner Mietern, mit ihren Vermietern Kontakt
aufzunehmen, um das weitere Vorgehen zu vereinbaren. Angst
vor Kündigungen seien unbegründet. „Das Berliner Mietenchaos
hat der Senat verschuldet, nicht die Mieter und Vermieter“,
sagte Warnecke.
Gesetz zur
Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin („Berliner
Mietendeckel“) nichtig - Beschluss vom 25. März 2021
2 BvF 1/20, 2 BvL 5/20, 2 BvL 4/20
Karlsruhe, 15. April 2021 - Mit heute veröffentlichtem
Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts
das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin
(MietenWoG Bln) für mit dem Grundgesetz unvereinbar und
deshalb nichtig erklärt. Regelungen zur Miethöhe für frei
finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt
angeboten werden kann (ungebundener Wohnraum), fallen in die
konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. Die Länder sind
nur zur Gesetzgebung befugt, solange und soweit der Bund von
seiner Gesetzgebungskompetenz keinen abschließenden Gebrauch
gemacht hat (Art. 70, Art. 72 Abs. 1 GG).
Da der
Bundesgesetzgeber das Mietpreisrecht in den §§ 556 bis 561
BGB abschließend geregelt hat, ist aufgrund der Sperrwirkung
des Bundesrechts für die Gesetzgebungsbefugnis der Länder
kein Raum. Da das MietenWoG Bln im Kern ebenfalls die
Miethöhe für ungebundenen Wohnraum regelt, ist es insgesamt
nichtig. Sachverhalt: Das MietenWoG Bln trat – mit Ausnahme
des § 5 MietenWoG Bln – am 23. Februar 2020 in Kraft. Der
„Berliner Mietendeckel“ besteht für die von seinem
Anwendungsbereich erfassten Wohnungen im Wesentlichen aus
drei Regelungskomplexen: einem Mietenstopp, der eine Miete
verbietet, die die am 18. Juni 2019 (Stichtag) wirksam
vereinbarte Miete überschreitet (vgl. §§ 1, 3 MietenWoG Bln),
einer lageunabhängigen Mietobergrenze bei Wiedervermietungen
(vgl. §§ 1, 4 MietenWoG Bln), wobei gebäude- und
ausstattungsbezogene Zuschläge sowie bestimmte
Modernisierungsumlagen erlaubt sind (vergleiche §§ 1, 4 in
Verbindung mit §§ 6, 7 MietenWoG), sowie einem gesetzlichen
Verbot überhöhter Mieten (vergleiche §§ 1, 5 MietenWoG Bln).
Auf Neubauten, die ab dem 1. Januar 2014 erstmalig
bezugsfertig wurden, finden die Vorschriften des MietenWoG
Bln dagegen keine Anwendung. Die Antragsteller im Verfahren
der abstrakten Normenkontrolle (2 BvF 1/20) – 284 Abgeordnete
des Deutschen Bundestages der Fraktionen von CDU/CSU und FDP
– halten das MietenWoG Bln für unvereinbar mit der
grundgesetzlichen Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen
(Art. 70 ff. GG).
Die beiden Richtervorlagen (2 BvL
4/20 und 2 BvL 5/20) betreffen die Vereinbarkeit von § 3
MietenWoG Bln mit dem Grundgesetz. Wesentliche Erwägungen des
Senats: Das MietenWoG Bln ist mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 in
Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig.
1. Das Grundgesetz geht von einer in aller Regel
abschließenden Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen
zwischen Bund und Ländern aus. Abgrenzung und Inhalt der
Gesetzgebungsbefugnisse von Bund und Ländern richten sich
dabei ausschließlich nach Art. 70 ff. GG. Die
Gesetzgebungskompetenzen werden insbesondere mittels der
Kataloge der Art. 73 und Art. 74 GG durchweg alternativ
voneinander abgegrenzt. Doppelzuständigkeiten sind dem
Grundgesetz in der Regel fremd. Der Bund hat demnach das
Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz ihm dieses
ausdrücklich zuweist. Der Kompetenzbereich der Länder wird
daher grundsätzlich durch die Reichweite der
Bundeskompetenzen bestimmt, nicht umgekehrt. Eine
Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder kennt das
Grundgesetz nicht. Öffnungsklauseln in Bundesgesetzen sind
zwar zulässig, gewähren den Ländern aber keine über die
Öffnung hinausgehenden Spielräume.
2. Die
konkurrierende Gesetzgebung regelt das Grundgesetz im
Wesentlichen in den Art. 72 und Art. 74 sowie Art. 105 GG
abschließend. Macht der Bund von der konkurrierenden
Gesetzgebung Gebrauch, verlieren die Länder gemäß Art. 72
Abs. 1 GG das Recht zur Gesetzgebung in dem Zeitpunkt
(„solange“) und in dem Umfang („soweit“), in dem der Bund die
Gesetzgebungskompetenz zulässigerweise in Anspruch nimmt
(sogenannte Sperrwirkung).
Soweit die Sperrwirkung
reicht, entfällt die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Sie
verhindert für die Zukunft den Erlass neuer Landesgesetze und
entzieht in der Vergangenheit erlassenen Landesgesetzen die
Kompetenzgrundlage, sodass sie nichtig sind beziehungsweise
werden. Die Sperrwirkung setzt voraus, dass bundes- und
landesgesetzliche Regelung denselben Gegenstand betreffen. In
sachlich-inhaltlicher Hinsicht reicht sie so weit, wie der
Bundesgesetzgeber eine erschöpfende, also lückenlose und
abschließende Regelung getroffen hat beziehungsweise treffen
wollte.
3. Regelungen zur Miethöhe für ungebundenen
Wohnraum fallen als Teil des sozialen Mietrechts in die
konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche
Recht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Nach dem durch
Staatspraxis und Regelungstradition seit nunmehr 150 Jahren
geprägten Rechtsverständnis umfasst das bürgerliche Recht die
Gesamtheit aller Normen, die herkömmlicherweise dem
Zivilrecht zugerechnet werden. Entscheidend ist, ob durch
eine Vorschrift Privatrechtsverhältnisse geregelt werden,
also die Rechtsverhältnisse zwischen Privaten und die sich
aus ihnen ergebenden Rechte und Pflichten. Das Recht der
Mietverhältnisse ist seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen
Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 in den §§ 535 ff. BGB geregelt
und – ungeachtet zahlreicher Änderungen – ein essentieller
Bestandteil des bürgerlichen Rechts. Das gilt auch für
die Mietverhältnisse über Wohnungen (§ 549 BGB). Der
Mietvertrag ist das Ergebnis privatautonomer Entscheidungen
der Vertragsparteien. Das gilt selbst dann, wenn die
privatautonom begründeten Rechte und Pflichten durch den
Gesetzgeber näher ausgestaltet oder begrenzt werden.
4. Mit den §§ 556 bis 561 BGB hat der
Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden Zuständigkeit für
das Mietpreisrecht als Teil des bürgerlichen Rechts
abschließend Gebrauch gemacht. Schon Regelungsintensität und
Regelungsdichte der bundesgesetzlichen Vorschriften legen
nahe, dass es sich bei den §§ 556 ff. BGB um eine umfassende
und abschließende Regelung handelt. Die §§ 556 ff. BGB
enthalten zudem keine Regelungsvorbehalte, Öffnungsklauseln
oder Ermächtigungsvorschriften, die den Ländern den Erlass
eigener oder abweichender mietpreisrechtlicher Vorschriften
ermöglichen würden. Das ausdifferenzierte Regelungssystem
und der Zusammenhang mit dem Kündigungsschutzrecht machen
vielmehr deutlich, dass der Bundesgesetzgeber eine
abschließende Regelung treffen wollte. Das wird durch die in
§ 556d Abs. 2 BGB normierte Verordnungsermächtigung nicht in
Frage gestellt. Die Länder führen insoweit lediglich eine
Regelung aus, die der Bund ausweislich Art. 80 Abs. 1 Satz 2
GG nach Inhalt, Zweck und Ausmaß inhaltlich weitgehend
determiniert hat; eine eigenständige Regelungsbefugnis ist
damit nicht verbunden.
Seit dem
Mietrechtsreformgesetz vom 9. Juni 2001 hat der
Bundesgesetzgeber – vom Bundesverfassungsgericht
unbeanstandet – Regelungen der Miethöhe allein auf Art. 74
Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt. Mit dem
Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21. April 2015 wurde zudem
die in den §§ 556d ff. BGB geregelte Mietpreisbremse erstmals
in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.
Der
Begründung des Gesetzentwurfs lässt sich eine umfassende
Abwägung aller berührten Belange entnehmen, und damit das
Ziel eines abschließenden Interessenausgleichs zwischen den
Mietvertragsparteien, der in der Folgezeit mehrfach
nachjustiert wurde: Das Mietrechtsanpassungsgesetz vom 18.
Dezember 2018 sollte verhindern, dass Mieter ihre Wohnungen
aufgrund von Modernisierungen verlassen müssen. Das Gesetz
zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die
ortsübliche Vergleichsmiete vom 21. Dezember 2019 intendierte
eine moderate Modifikation der „ortsüblichen Vergleichsmiete“
des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB, namentlich die Verlängerung des
Betrachtungszeitraums von vier auf sechs Jahre.
Am 19. März 2020 beschloss der
Bundestag schließlich das Gesetz zur Verlängerung und
Verbesserung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei
Mietbeginn, mit dem den Ländern die Möglichkeit eingeräumt
wurde, die Mietpreisbremse für einen klar umrissenen Zeitraum
weiter anzuwenden. Spätestens mit dem
Mietrechtsnovellierungsgesetz hat der Bund die Bemessung der
höchstens zulässigen Miete für ungebundenen Wohnraum
abschließend geregelt.
In den vergangenen sechs
Jahren hat er mit den vier genannten, teils umfangreichen
Gesetzen auf die sich verschärfende Wohnungssituation in den
Ballungsgebieten reagiert und versucht, mit detaillierten
Regelungen einen Ausgleich zwischen den grundrechtlich
geschützten Interessen der Vermieter und der Mieter zu
gewährleisten und hierdurch die Mietpreisentwicklung in
angespannten Wohnungsmärkten zu dämpfen. Da der
Bundesgesetzgeber von seiner konkurrierenden Kompetenz
jedenfalls im Hinblick auf die Festlegung der
höchstzulässigen Miete bei ungebundenem Wohnraum abschließend
Gebrauch gemacht hat, sind die Länder von Regelungen der
Miethöhe in diesem Bereich ausgeschlossen (Art. 72 Abs. 1
GG). 5. Der „Berliner Mietendeckel“ und die bundesgesetzliche
Mietpreisbremse regeln im Wesentlichen denselben Gegenstand,
nämlich den Schutz des Mieters vor überhöhten Mieten für
ungebundenen Wohnraum.
Das MietenWoG Bln verengt
dabei allerdings die durch die bundesrechtlichen Regelungen
belassenen Spielräume der Parteien des Mietvertrags und führt
ein paralleles Mietpreisrecht auf Landesebene mit statischen
und marktunabhängigen Festlegungen ein; es statuiert
gesetzliche Verbote im Sinne von § 134 BGB, die die
Privatautonomie beim Abschluss von Mietverträgen über
Wohnraum über das nach den §§ 556 ff. BGB erlaubte Maß hinaus
begrenzen. Das MietenWoG Bln modifiziert somit die durch
das Bundesrecht angeordneten Rechtsfolgen und verschiebt die
von diesem vorgenommene Austarierung der beteiligten
Interessen. So verbietet § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2
MietenWoG Bln die nach § 557 Abs. 1 BGB zulässige
Mieterhöhung im laufenden Mietverhältnis beziehungsweise für
Neuvermietungen. Durch § 3 Abs. 1 Satz 2 MietenWoG Bln sind
die nach den §§ 557a, 557b BGB zulässigen Staffel- oder
Indexmieten auf die zum Stichtag geschuldete Miete
eingefroren. § 7 MietenWoG Bln reduziert die
mieterhöhungsrelevanten Modernisierungsmaßnahmen auf einen
Katalog, der enger ist als die Maßnahmen nach § 555b Nr. 1,
Nr. 3 bis 6 BGB, und begrenzt die zulässige Mieterhöhung nach
Modernisierungsmaßnahmen stärker als § 559 Abs. 1 BGB.
Der Anwendungsbereich der Mietpreisregulierung wird durch
das MietenWoG Bln ausgeweitet, nach Bundesrecht zulässige
Mieterhöhungen werden ebenso wie danach zulässige
Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn verboten. So
wird durch die Mietobergrenzen des § 6 Abs. 1 bis Abs. 3
MietenWoG Bln die Vereinbarung einer 110 % der ortsüblichen
Vergleichsmiete betragenden Miete – auch in den Fällen des §
4 MietenWoG Bln – entgegen § 556d Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
Diese Beschränkungen des MietenWoG Bln treten neben das
Regelungsregime der Mietpreisbremse gemäß §§ 556d ff. BGB.
Da die §§ 556 ff. BGB die Miethöhe für ungebundenen Wohnraum
jedoch abschließend regeln, fehlt dem Land Berlin insoweit
die Gesetzgebungskompetenz. Andere Kompetenztitel, namentlich
Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („Recht der Wirtschaft“) oder
Art. 70 Abs. 1 GG, scheiden als Grundlage für den Erlass des
MietenWoG Bln aus. Insbesondere war die Regelung der
höchstzulässigen Miete für ungebundenen Wohnraum vom
Kompetenztitel „Wohnungswesen“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1
Nr. 18 GG a. F. nicht (mehr) umfasst und konnte daher im
Rahmen der Föderalismusreform I im Jahr 2006 nicht in die
Gesetzgebungszuständigkeit der Länder übergehen.
Dieselskandal: VW muss zahlen - Urteil VI ZR 274/20
Bundesgerichtshof, Karlsruhe 13. April 2021 -
Die Klägerin erwarb im Februar 2013 von einem Autohaus einen
gebrauchten VW Golf. Den Kaufpreis bezahlte sie zum Teil in
bar, den Rest finanzierte sie mit einem Darlehen der
Volkswagen Bank. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs,
das mit einem Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro
5, ausgestattet ist. Dieser Motor hatte eine
Steuerungssoftware, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf
einem Prüfstand oder im normalen Straßenverkehr befand. Im
Prüfstandsbetrieb führte die Software zu einer erhöhten
Abgasrückführung im Vergleich zum Normalbetrieb, wodurch die
Grenzwerte für Stickoxidemissionen der Abgasnorm Euro 5 auf
dem Prüfstand eingehalten werden konnten.
Zwischen
den Parteien war zuletzt im Wesentlichen noch die
Ersatzfähigkeit der Finanzierungskosten im Streit, die der
Klägerin in Höhe von 3.275,55 € für Darlehenszinsen und eine
Kreditausfallversicherung entstanden sind. Bisheriger
Prozessverlauf: Das Landgericht hat der Klage auf Erstattung
der Finanzierungskosten stattgegeben. Die Berufung der
Beklagten hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des
Oberlandesgerichts hat die Klägerin gegen die Beklagte nach §
826 BGB neben dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises
Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs auch
einen Anspruch auf Erstattung der Finanzierungskosten in
voller Höhe. Entscheidung des Senats: Der unter anderem für
das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI.
Zivilsenat hat das angefochtene Urteil bestätigt und die
Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Die
Vorinstanzen haben auf der Grundlage der bisherigen
Rechtsprechung zutreffend angenommen, dass die Beklagte die
Klägerin durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit
Abschalteinrichtung vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat.
Die Klägerin ist daher gemäß §§ 826, 249 Abs. 1 BGB so zu
stellen, als wäre es nicht zu dem Fahrzeugerwerb gekommen.
Hätte die Klägerin das Fahrzeug nicht gekauft, hätte sie den
Kaufpreis nicht mit einem Darlehen der Volkswagen Bank
teilweise finanziert. Die Beklagte hat daher neben dem
Kaufpreis für das Fahrzeug auch die Finanzierungskosten in
voller Höhe zu erstatten. Einen Vorteil, der im Wege der
Vorteilsausgleichung schadensmindernd zu berücksichtigen
wäre, hatte die Klägerin durch die Finanzierung nicht. Die
Finanzierung verschaffte der Klägerin keinen
Liquiditätsvorteil im Vergleich zu dem Zustand, der bestanden
hätte, hätte sie vom Kauf Abstand genommen. Die
Finanzierungskosten erhöhen auch nicht den objektiven Wert
des Fahrzeugs und vergrößern damit nicht den
Gebrauchsvorteil, den die Klägerin aus der Nutzung des
Fahrzeugs gezogen hat.
Die maßgeblichen Vorschriften lauten: §
826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Wer in einer gegen
die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich
Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens
verpflichtet. § 249 Abs. 1 BGB Wer zum Schadensersatz
verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen
würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht
eingetreten wäre. Vorinstanzen: Landgericht Köln - Urteil vom
19. Juli 2019, Az. 16 O 406/18 Oberlandesgericht Köln -
Urteil vom 19. Februar 2020, Az. 27 U 52/19 Karlsruhe, den
13. April 2021
Urteil des VI. Zivilsenats vom 13.4.2021 - VI ZR 274/20
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März 2021 |
Freizeitdomizil Entenfangsee muss
vorerst Betrieb nicht einstellen
Münster/Duisburg, 30. März 2021 - Das
Oberverwaltungsgericht hat heute dem Eilantrag der
Betreiberin des Freizeitdomizils Entenfangsee in Mülheim an
der Ruhr stattgegeben. Sie hatte sich gegen eine
Ordnungsverfügung der Stadt Mülheim an der Ruhr gewandt, mit
der ihr die Einstellung der Nutzung der gesamten
Freizeitanlage aufgegeben worden war. Hierzu sollte auch
gehören, das Verlassen der Anlage durch alle Nutzer innerhalb
der gesetzten Frist von zwei Monaten sicherzustellen.
Zur Begründung seines Beschlusses hat der 10. Senat
ausgeführt, die Ordnungsverfügung sei offensichtlich
rechtswidrig. Die Stadt habe diese fehlerhaft auch auf
bauliche Anlagen, wie eine Unfallrettungsstation, eine
Gaststätte mit Selbstbedienungsladen, ein Sanitärgebäude,
einen Tennisplatz und ein Bürogebäude erstreckt, für die sie
Baugenehmigungen erteilt habe.
Solange diese
Baugenehmigungen in der Welt seien, dürfe die Betreiberin der
Freizeitanlage von ihnen Gebrauch machen. Im Übrigen
erscheine die Ordnungsverfügung mit Blick auf eine effektive
Gefahrenabwehr weder geeignet noch verhältnismäßig.
Die Stadt wolle die von ihr seit langem als rechtswidrig
erkannte Nutzung der Wochenendhäuser zu Dauerwohnzwecken
durch etwa 400 Personen beenden. Nur ihr sei aber insoweit
ein gegebenenfalls gebotenes sofortiges Einschreiten
gegenüber den Nutzern möglich, während die Betreiberin der
Freizeitanlage darauf beschränkt sei, die jeweiligen Miet-
oder Pachtverträge einzeln zu kündigen und erforderlich
werdende Räumungstitel zu erwirken.
Der Senat hat
allerdings betont, dass die Stadt bei fachlich begründeten
Zweifeln an der Brandsicherheit der gesamten Freizeitanlage
mit der Folge, dass eine gegenwärtige Gefahr für Leib und
Leben sämtlicher Nutzer zu befürchten sei, weiterhin befugt
und verpflichtet sei, ohne Eingehung von Kompromissen
unverzüglich geeignete Maßnahmen zur Gefahrenbeseitigung
insbesondere auch gegenüber den Nutzern durchzusetzen.
Die Stadt dürfe die in der Freizeitanlage bestehenden Mängel
angesichts der Menge und des Umfangs der Verstöße gegen die
brandschutzrechtlichen Vorgaben der Camping- und
Wochenendplatzverordnung nicht weiter tatenlos hinnehmen,
unabhängig davon, dass sie seit Jahrzehnten Kenntnis von der
illegalen Nutzung habe und gleichwohl unter anderem durch die
Erteilung von Baugenehmigungen zu einer deutlichen
Verfestigung des illegalen Zustandes beigetragen habe. Der
Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen 10 B 2057/20 (I.
Instanz: VG Düsseldorf 9 L 2067/20)
Beschränkungen im Einzelhandel in
NRW vorläufig außer Vollzug gesetzt
Münster, 22. März 2021 - Das
Oberverwaltungsgericht hat mit - heute bekannt gegebenem -
Beschluss vom 19. März 2021 auf den Eilantrag eines
Media-Marktes die Vorschriften der Coronaschutzverordnung zur
Beschränkung des Einzelhandels vorläufig außer Vollzug
gesetzt, weil sie mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht
vereinbar sind. Auf der Grundlage der aktuellen
nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung können seit
dem 8. März 2021 wieder alle Einzelhändler öffnen.
Für die schon bislang von einer Schließung ausgenommenen
Geschäfte (etwa Lebensmittelhandel) bleibt es bei der
bisherigen Regelung, die eine Kundenbegrenzung auf eine
Person pro 10 qm Verkaufsfläche bzw. pro 20 qm für die 800 qm
übersteigende Gesamtverkaufsfläche vorsieht. Im übrigen
Einzelhandel ist der Zutritt grundsätzlich nur für einen
Kunden pro 40 qm Verkaufsfläche und auch nur nach vorheriger
Terminvergabe zulässig. Ausgenommen sind hiervon allerdings
die zuvor ebenfalls geschlossenen Buchhandlungen und
Schreibwarengeschäfte.
Gleiches gilt für
Blumengeschäfte und Gartenmärkte, die bislang nur
verderbliche Schnitt- und Topfblumen sowie Gemüsepflanzen und
Saatgut verkaufen durften. Für sie gelten ebenfalls die
günstigeren Öffnungsmodalitäten.
Diese Regelungen hat
das Oberverwaltungsgericht nun insgesamt vorläufig außer
Vollzug gesetzt.
Zur Begründung hat der 13.
Senat ausgeführt:
Die Beschränkungen verstießen in ihrer
derzeitigen Ausgestaltung gegen den verfassungsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz. Bei der Pandemiebekämpfung
bestehe zwar ein Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers,
der sich in einer komplexen Entscheidungssituation befinde
und nur mit Prognosen zu den Auswirkungen von Beschränkungen
und Lockerungen arbeiten könne. Es sei auch zulässig,
schrittweise zu lockern, wobei es zwangsläufig zu
Ungleichbehandlungen verschiedener Bereiche komme.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Aktenzeichen: 13 B 252/21.NE
Der Verordnungsgeber habe
es deshalb grundsätzlich für Geschäfte wie den
Lebensmitteleinzelhandel bei den bisherigen Regelungen
belassen dürfen, während für andere Betriebe vorläufig nur
eine reduzierte Kundenzahl zugelassen werde und eine
vorheWeitere Informationen.
Der Antrag richtete sich gegen § 11
Absatz 3 Coronaschutzverordnung. Wegen des untrennbaren
Zusammenhangs der in den einzelnen Absätzen der Vorschrift
getroffenen Regelungen hat das Gericht § 11 Absatz 1 bis 5
Coronaschutzverordnung vorläufig außer Vollzug gesetzt.
Die Vorschrift lautet: § 11 Handel, Messen und Märkte (1)
Beim Betrieb von 1. Einrichtungen des Einzelhandels für
Lebensmittel, Direktvermarktungen von Lebensmitteln, Abhol-
und Lieferdiensten sowie Getränkemärkten und Kiosken,
2.
Wochenmärkten für Verkaufsstände mit dem Schwerpunkt
Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs,
3.
Apotheken, Reformhäusern, Sanitätshäusern, Babyfachmärkten
und Drogerien,
4. Tankstellen, Banken und Sparkassen
sowie Poststellen und Schreibwarengeschäften,
5.
Buchhandlungen und Zeitungsverkaufsstellen,
6.
Futtermittelmärkten und Tierbedarfsmärkten,
7.
Blumengeschäften und Gartenmärkten,
8. Einrichtungen des
Großhandels für Großhandelskunden und, beschränkt auf den
Verkauf von Lebensmitteln, auch für Endkunden sowie
9. bei
der Abgabe von Lebensmitteln durch soziale Einrichtungen
(z.B. die sog. Tafeln) darf die Anzahl von gleichzeitig
anwesenden Kundinnen und Kunden jeweils eine Kundin
beziehungsweise einen Kunden pro angefangene zehn
Quadratmeter der Verkaufsfläche im Sinne des
Einzelhandelserlasses NRW nicht übersteigen; in
Handelseinrichtungen mit einer Gesamtverkaufsfläche von mehr
als 800 Quadratmetern darf diese Anzahl 80 Kundinnen
beziehungsweise Kunden zuzüglich jeweils eine Kundin
beziehungsweise einen Kunden pro angefangene 20 Quadratmeter
der über 800 Quadratmeter hinausgehenden Verkaufsfläche nicht
übersteigen.
In Einrichtungen des Einzelhandels für
Lebensmittel und auf Wochenmärkten darf das Sortiment solcher
Waren, die nicht Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs
sind, nicht gegenüber dem bisherigen Umfang ausgeweitet
werden. (2) Der Betrieb von Baumärkten sowie
Baustoffhandelsgeschäften ist zur Versorgung von
Gewerbetreibenden mit Gewerbeschein, Handwerkern mit
Handwerkerausweis sowie Landund Forstwirten mit den jeweils
betriebsnotwendigen Waren in entsprechender Anwendung von
Absatz 1 zulässig.
Anderen Personen darf der Zutritt nur
gestattet werden,1. zu einem räumlich abgetrennten Bereich
mit eigenem Eingang und eigenem Kassenbereich mit dem
typischen Sortiment eines Gartenmarkts in entsprechender
Anwendung von Absatz 1 Satz 1 Nummer 7,2. zur gesamten
Verkaufsfläche des Baumarkts oder Baustoffhandelsgeschäfts in
entsprechender Anwendung von Absatz 3, wobei sich in diesem
Fall die zulässige Kundenzahl insgesamt, also einschließlich
der in Satz 1 genannten Kundengruppen, nach Absatz 3 Satz 1
bestimmt.
(3) Beim Betrieb von nicht in Absatz 1 und
Absatz 2 genannten Verkaufsstellen des Einzelhandels sowie
von Einrichtungen zum Vertrieb von Reiseleistungen darf die
Anzahl von gleichzeitig anwesenden Kundinnen und Kunden
jeweils eine Kundin beziehungsweise einen Kunden pro
angefangene vierzig Quadratmeter der Verkaufsfläche im Sinne
des Einzelhandelserlasses NRW nicht übersteigen.
Zutritt dürfen Kundinnen und Kunden nur nach vorheriger
Terminbuchung für einen fest begrenzten Zeitraum und bei
sichergestellter einfacher Rückverfolgbarkeit nach § 4a
Absatz 1 erhalten.
(4) Für Verkaufsstellen
mit gemischtem Sortiment, das auch Waren umfasst, die dem
regelmäßigen Sortiment einer der in Absatz 1 Satz 1 genannten
Verkaufsstellen entsprechen, gilt: bilden diese Waren den
Schwerpunkt des Sortiments, richtet sich der Betrieb der
Verkaufsstelle insgesamt nach Absatz 1, anderenfalls ist
entweder der Verkauf auf diese Waren zu beschränken und dabei
Absatz 1 zu beachten oder insgesamt nach Absatz 3 zu
verfahren.
(5) Innerhalb von Einkaufszentren,
Einkaufspassagen und ähnlichen Einrichtungen ist für jede
räumlich abgetrennte Verkaufsstelle die entsprechende
Höchstkundenzahl gemäß Absatz 1 oder Absatz 3 maßgeblich.
Zudem muss die für die Gesamtanlage verantwortliche Person
sicherstellen, dass nicht mehr Kundinnen und Kunden Zutritt
zur Gesamtanlage erhalten als in Summe für die
Verkaufsgeschäfte nach den jeweils zulässigen Personenzahlen
zulässig sind.
Zusätzlich kann bezogen auf die
Allgemeinfläche 1 Person je 20 Quadratmeter Allgemeinfläche
in die zulässige Gesamtpersonenzahl für die Gesamtanlage
eingerechnet werden. Durch ein abgestimmtes Einlassmanagement
ist sicherzustellen, dass im Innenbereich Warteschlangen
möglichst vermieden werden. Befindet sich in einer
Verkaufsstelle ein oder mehrere weitere Geschäfte ohne
räumliche Abtrennung (zum Beispiel eine Bäckerei im räumlich
nicht abgetrennten Eingangsbereich eines
Lebensmittelgeschäftes), so ist die für die Gesamtfläche
zulässige Kundenzahl nach den für die Hauptverkaufsstelle
maßgeblichen Vorschriften zu berechnen.
Kein Flüchtlingsschutz für Wehrdienstentzieher
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat heute /22. März)
entschieden, dass einem syrischen Asylbewerber, der seinen
Wehrdienst bereits geleistet hatte, aber fürchtete, zum
Reservewehrdienst eingezogen zu werden, nicht wegen
Wehrdienstentziehung die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen
ist. Nach der bisherigen Rechtsprechung des 14. Senats war
Syrern, die angegeben haben, wegen des Militärdienstes Syrien
verlassen zu haben, nicht deshalb der Flüchtlingsstatus zu
gewähren (vgl. Pressemitteilung vom 4. Mai 2017).
Die
Neubewertung infolge eines Urteils des EuGH vom 19. November
2020 hat zu keinem anderen Ergebnis geführt. Das Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge hatte dem Kläger aus Frechen,
der Syrien 2015 verlassen hatte, subsidiären Schutz gewährt.
Das Verwaltungsgericht Köln erkannte ihm die
Flüchtlingseigenschaft zu. Das Oberverwaltungsgericht hat
dieses Urteil nun geändert und die Klage abgewiesen.
Zur
Begründung hat der 14. Senat ausgeführt: Die Erkenntnisse
über die Verfolgungslage in Syrien für Wehrdienstentzieher
seien einer neuen Prüfung unterzogen worden. In den Zeiten
intensiven Bürgerkriegs hatte der Senat eine Strafverfolgung
und sogar eine extralegale Bestrafung von
Wehrdienstentziehern für beachtlich wahrscheinlich gehalten,
aber deren Verfolgung als politische Gegner verneint.
Der
syrische Staat sei früher der massenhaften
Wehrdienstentziehung scharf entgegengetreten, weil er dadurch
die Existenz des Regimes gefährdet gesehen habe. Dies sei
nach den aktuellen Erkenntnissen anders zu beurteilen.
Nachdem sich die militärische Situation zugunsten des
syrischen Staates konsolidiert habe, sei - trotz der nach wie
vor aufrecht erhaltenen Strafandrohung - eine gewandelte
Praxis der Behandlung von Wehrdienstentziehern zu beobachten.
Sie würden nicht mehr bestraft, sondern unverzüglich
eingezogen und militärisch eingesetzt. Das gelte jedenfalls
für diejenigen, die sich lediglich dem Wehrdienst durch
Flucht entzogen hätten.
Anders sei möglicherweise die
Lage bei Personen zu beurteilen, die bereits in das
militärische System eingegliedert und mit militärischen
Aufgaben betraut gewesen seien, ihre Einheiten oder Posten
dann aber verlassen hätten (Deserteuren) oder gar - aus Sicht
des syrischen Regimes - zum Feind übergelaufen seien.
Unabhängig von der vorstehenden Beurteilung ergebe sich
jedenfalls aus der nicht mehr flächendeckenden und
systematischen Strafverfolgung von Wehrdienstentziehern, dass
sie nicht als politische Gegner angesehen würden, denn diese
würden intensiv verfolgt.
Damit sei für einfache
Wehrdienstentzieher die vom EuGH in seinem Urteil vom 19.
November 2020 - C-238/19 - aufgestellte "starke Vermutung"
einer Strafverfolgung von Militärdienstverweigerern aus
politischen Gründen widerlegt. Der Senat hat sich der
kürzlich erfolgten gegenteiligen Bewertung der Tatsachenlage
durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem
Urteil vom 29. Januar 2021 - 3 B 109/18 - nicht
angeschlossen. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen.
Dagegen ist Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das
Bundesverwaltungsgericht entscheidet. Aktenzeichen: 14 A
3439/18.A (I. Instanz: VG Köln 20 K 7784/17.A)
Musterfeststellungsklage zur
Ankündigung einer Modernisierungsmaßnahme
Karlsruhe, 18. März 2021 - Der unter anderem für das
Mietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat heute in einem Musterfeststellungsverfahren entschieden,
dass die Vermieterin aufgrund der im Dezember 2018 für die
Zeit ab Dezember 2019 angekündigten Modernisierungsmaßnahmen
in ihrer großen Wohnanlage eine Mieterhöhung nach den bis
Ende 2018 geltenden Vorschriften berechnen kann. Eines engen
zeitlichen Zusammenhangs zwischen der
Modernisierungskündigung und dem voraussichtlichen Beginn der
Arbeiten bedarf es nicht.
Sachverhalt und Prozessverlauf: Der
Musterkläger ist ein Mieterverein. Die Musterbeklagte ist
Eigentümerin einer großen Wohnanlage mit Mietwohnungen in
München. Ende Dezember 2018 kündigte die Musterbeklagte den
Mietern Modernisierungsmaßnahmen an, die im Zeitraum von
Dezember 2019 bis Juni 2023 durchgeführt werden sollten,
unter anderem die Anbringung einer Wärmedämmung, den
Austausch der Fenster, die Anbringung von Rollläden sowie den
Anbau von Balkonen.
Der Musterkläger hält die
Ankündigung wegen eines fehlenden engen zeitlichen
Zusammenhangs zur Durchführung der geplanten Maßnahmen für
unwirksam, zumindest sei eine Mieterhöhung nach Abschluss der
Modernisierungsmaßnahmen nur nach dem seit 1. Januar 2019
geltenden Recht möglich. Hintergrund des Verfahrens ist die
Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mieterhöhung
nach einer Modernisierung.
Während die bis zum 31.
Dezember 2018 geltende gesetzliche Regelung die Erhöhung der
jährlichen Miete um 11 % der für die Modernisierung
aufgewendeten Kosten zuließ, erlaubt das neue Recht lediglich
eine Mieterhöhung von höchstens 8 % und sieht zudem eine
Kappungsgrenze vor. Das im Musterfeststellungsverfahren
erstinstanzlich zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht
hat festgestellt, dass die den Mietern der Musterbeklagten
Ende 2018 angekündigte Mieterhöhung nicht nach dem bis zum
31. Dezember 2018 geltenden Recht erfolgen könne.
Die
Modernisierungsankündigung genüge zwar grundsätzlich den
Erfordernissen des § 555c Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BGB.
Die Musterbeklagte habe die von ihr angekündigten
Modernisierungsmaßnahmen auch tatsächlich geplant und
mittlerweile mit deren Umsetzung begonnen. Die Ankündigung
etwa ein Jahr vor Baubeginn führe aber dazu, dass diese nicht
ordnungsgemäß im Sinne von Art. 229 § 49 Abs. 1 Satz 2 EGBGB
sei. Es fehle an dem erforderlichen engen zeitlichen
Zusammenhang zwischen der Modernisierungsankündigung und dem
geplanten Ausführungsbeginn.
Die Entscheidung
des Bundesgerichtshofs:
Der VIII. Zivilsenat hat
das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Klage
abgewiesen. Die Musterfeststellungsklage ist nach § 606 ZPO
zulässig, insbesondere verfolgt Musterkläger mit ihr
zulässige Feststellungsziele. Die Klage ist jedoch
unbegründet. Die Modernisierungsankündigung vom 27. Dezember
2018 erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen des § 555c Abs.
1 BGB. Sie ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil sie
mehr als elf Monate vor dem voraussichtlichen
Ausführungsbeginn erfolgte.
Eine
Modernisierungsankündigung nach § 555c Abs. 1 BGB ist in
zeitlicher Hinsicht dann zulässig, wenn die Planungen so weit
fortgeschritten sind, dass die inhaltlichen Anforderungen des
§ 555c Abs. 1 Satz 2 BGB eingehalten werden können. Eines
engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der
Modernisierungsankündigung und dem voraussichtlichen Beginn
der Modernisierungsmaßnahmen im Sinne einer Höchstfrist oder
eines fortgeschrittenen Planungsstandes bedarf es hingegen
nicht.
Die Beklagte kann
nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen die Mieten auf
Grundlage des bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Rechts
erhöhen. Die Voraussetzungen des Art. 229 § 49 Abs. 1
Satz 1 und Satz 2 EGBGB hierfür liegen vor.
Diese Vorschrift stellt an eine
ordnungsgemäße Modernisierungsankündigung keine
weitergehenden Anforderungen als § 555c Abs. 1 BGB und setzt
das Vorliegen eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen
einer Modernisierungsankündigung und dem Ausführungsbeginn
ebenfalls nicht voraus.
Ein rechtsmissbräuchliches
Verhalten fällt der Musterbeklagten auch dann nicht zur Last,
wenn der Beweggrund für die Wahl des Zeitpunkts der
Modernisierungsankündigungen - kurz vor dem Jahresende 2018 -
in der Nutzung der Übergangsvorschrift und der Sicherung der
Anwendbarkeit des bis zum 31. Dezember 2018 geltenden, für
die Musterbeklagte deutlich günstigeren Rechts gelegen haben
sollte.
Der Gesetzgeber hat mit der Übergangsregelung
eine Abwägung der beiderseitigen Interessen dahingehend
getroffen, dass entscheidend für die Frage des anwendbaren
Rechts der Zugang einer ordnungsgemäßen Ankündigung ist. Ist
es dem Vermieter - wie hier - möglich, noch vor dem 31.
Dezember 2018 eine den Anforderungen des § 555c Abs. 1 BGB
entsprechende Ankündigung zu erstellen und den Mietern
zuzuleiten, setzt er sich grundsätzlich nicht dem Vorwurf
treuwidrigen Verhaltens aus, wenn er sich die mit der
Gesetzesänderung verbundenen und zulässigen Stichtagsregelung
zu Nutze macht.
Vorinstanz: Oberlandesgericht
München – Urteil vom 15. Oktober 2019 – MK 1/19 Die
maßgeblichen Vorschriften lauten: § 555c BGB Ankündigung von
Modernisierungsmaßnahmen (in der bis 31. Dezember 2018
geltenden Fassung)
(1) Der Vermieter hat dem Mieter eine
Modernisierungsmaßnahme spätestens drei Monate vor ihrem
Beginn in Textform anzukündigen (Modernisierungsankündigung).
Die Modernisierungsankündigung muss Angaben enthalten über:
1. die Art und den voraussichtlichen Umfang der
Modernisierungsmaßnahme in wesentlichen Zügen,
2. den
voraussichtlichen Beginn und die voraussichtliche Dauer der
Modernisierungsmaßnahme,
3. den Betrag der zu erwartenden
Mieterhöhung, sofern eine Erhöhung nach § 559 verlangt werden
soll, sowie die voraussichtlichen künftigen Betriebskosten.
(2) Der Vermieter soll den Mieter in der
Modernisierungsankündigung auf die Form und die Frist des
Härteeinwands nach § 555d Absatz 3 Satz 1 hinweisen. […]
§ 559 BGB Mieterhöhung nach
Modernisierungsmaßnahmen (in der seit 1. Januar 2019
geltenden Fassung) (1) Hat der Vermieter
Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b Nummer 1, 3, 4,
5 oder 6 durchgeführt, so kann er die jährliche Miete um 8
Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen.
(2) Kosten, die für Erhaltungsmaßnahmen erforderlich
gewesen wären, gehören nicht zu den aufgewendeten Kosten nach
Absatz 1; sie sind, soweit erforderlich, durch Schätzung zu
ermitteln. (3) Werden Modernisierungsmaßnahmen für mehrere
Wohnungen durchgeführt, so sind die Kosten angemessen auf die
einzelnen Wohnungen aufzuteilen.
(3a) Bei Erhöhungen der
jährlichen Miete nach Absatz 1 darf sich die monatliche Miete
innerhalb von sechs Jahren, von Erhöhungen nach § 558 oder §
560 abgesehen, nicht um mehr als 3 Euro je Quadratmeter
Wohnfläche erhöhen. Beträgt die monatliche Miete vor der
Mieterhöhung weniger als 7 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche,
so darf sie sich abweichend von Satz 1 nicht um mehr als 2
Euro je Quadratmeter Wohnfläche erhöhen. […]
§ 559
BGB Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen (in der bis
31. Dezember 2018 geltenden Fassung) (1) Hat der Vermieter
Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b Nummer 1 , 3, 4,
5 oder 6 durchgeführt, so kann er die jährliche Miete um 11
Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen.
(2) Kosten, die für Erhaltungsmaßnahmen erforderlich gewesen
wären, gehören nicht zu den aufgewendeten Kosten nach Absatz
1; sie sind, soweit erforderlich, durch Schätzung zu
ermitteln. (3) Werden Modernisierungsmaßnahmen für mehrere
Wohnungen durchgeführt, so sind die Kosten angemessen auf die
einzelnen Wohnungen aufzuteilen. […]
Art 229 § 49 EGBGB
Übergangsvorschriften zum Mietrechtsanpassungsgesetz vom 18.
Dezember 2018 (1) Auf ein bis einschließlich 31. Dezember
2018 entstandenes Mietverhältnis sind die §§ 555c und 559 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis dahin geltenden Fassung
weiter anzuwenden, wenn dem Mieter bei
Modernisierungsmaßnahmen die Mitteilung nach § 555c Absatz 1
Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bis einschließlich 31.
Dezember 2018 zugegangen ist.
Hat der Vermieter
die Modernisierungsmaßnahme nicht oder nicht ordnungsgemäß
nach § 555c Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
angekündigt, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass es an
Stelle des Zugangs der Mitteilung nach § 555c Absatz 1 Satz 1
des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf den Zugang der
Mieterhöhungserklärung nach § 559b Absatz 1 Satz 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs ankommt. § 559c des Bürgerlichen
Gesetzbuchs ist nur anzuwenden, wenn der Vermieter die
Modernisierungsmaßnahme nach dem 31. Dezember 2018
angekündigt hat. § 559d des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist nur
anzuwenden auf ein Verhalten nach dem 31. Dezember 2018.
Keine sofortige Rückkehr zum
Präsenzunterricht an weiterführenden Schulen
Münster/Duisburg, 11. März 2021 - Das
Oberverwaltungsgericht hat heute einen Eilantrag gegen die
nordrheinwestfälische Coronabetreuungsverordnung abgelehnt,
mit dem zwei Gymnasiasten aus Lüdinghausen die sofortige
Rückkehr zum Präsenzunterricht an den weiterführenden Schulen
erreichen wollten. Dabei hat der zuständige 13. Senat die
noch bis zum 14. März 2021 geltende Rechtslage zugrunde
gelegt. Während in der Primarstufe, den Abschlussklassen
der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und der
Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe bereits seit
dem 22. Februar 2021 wieder ein (eingeschränkter)
Präsenzunterricht stattfindet, werden die übrigen Schüler
weiterführender Schulen noch bis 14. März 2021 ausschließlich
auf Distanz unterrichtet. Ab Montag, den 15. März 2021,
sollen auch sie in einen Präsenzunterricht im Wechselmodell
zurückkehren.
Der Fünftklässler und die
Siebtklässlerin aus Lüdinghausen hatten im Wesentlichen
geltend gemacht, die Bevorzugung von Schülern der Primarstufe
und der Abschlussjahrgänge gegenüber den sonstigen Schülern
der weiterführenden Schulen verstoße
gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser
Argumentation ist das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt.
Es sei nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber
zunächst für einen eng umgrenzten Zeitraum an dem Verbot des
Präsenzunterrichts für die weiterführenden Schulen mit
Ausnahme der Abschlussklassen als Schutzmaßnahme festhalte,
um eine schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht für alle
Schüler zu ermöglichen.
Dieses Vorgehen entspreche auch
der Einschätzung des Robert Koch-Instituts, das aus einer
aktuellen Auswertung der vorhandenen Daten- und Studienlage
die Empfehlung ableite, die Wiederöffnung von Schulen im
Kontext der Inzidenz in der Gesamtbevölkerung gestuft und
beginnend bei den unteren Klassenstufen vorzunehmen, weil
dort die geringsten Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen
zu erwarten seien. Auch ein Gleichheitsverstoß bei der
Bildung der Reihenfolge für die Rückkehr zum (teilweisen)
Präsenzunterricht liege voraussichtlich nicht vor.
Die Privilegierung der Primarstufenschüler beruhe auf der
nachvollziehbaren Erwägung des Verordnungsgebers, dass gerade
diese im Umgang mit dem digitalen Lernen und den sonstigen
Methoden im Lernen auf Distanz auf erhebliche Unterstützung
angewiesen seien, die viele Eltern nicht leisten könnten.
Ihnen drohten daher in besonderer Weise
Bildungsungerechtigkeiten und nicht nachholbare
Entwicklungseinbußen, je länger die Untersagung des
Präsenzunterrichts andauere.
Der bevorzugten
Beschulung der Abschlussjahrgänge im Präsenzunterricht liege
die ebenfalls nicht zu beanstandende Annahme zugrunde, dass
diesen Schülern, die bereits etwa ein Jahr pandemiebedingt
unter erschwerten Bedingungen lernen müssten,
Bildungsungerechtigkeiten im Vergleich mit den
Prüfungsjahrgängen davor und danach drohten, mit denen sie
sich anhand der Prüfungsergebnisse aber ihr weiteres Leben
lang vergleichen lassen müssten.
Zwar sei das Lernen
auf Distanz auch für andere Schüler, gerade auch der unteren
Jahrgänge der weiterführenden Schulen, eine erhebliche
Belastung. Die Annahme des Verordnungsgebers, dass diese mit
digitalen Lernformen des Distanzunterrichts besser umgehen
könnten als Grundschüler, und dass der hier noch längere
zeitliche Abstand zu den Abschlussprüfungen die Möglichkeit
biete, entstandene Ungleichheiten noch aufzuholen, erweise
sich gleichwohl als tragfähiger sachlicher
Differenzierungsgrund. Der
Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 250/21.NE
Maskenpflicht an Grundschulen
bestätigt
Münster, 9. März 2021 - Das
Oberverwaltungsgericht hat mit soeben bekanntgegebenen
Beschlüssen vom 8. März 2021 zwei Eilanträge gegen die
Maskenpflicht an Grundschulen abgelehnt. Nach der aktuellen
nordrhein-westfälischen Coronabetreuungsverordnung müssen
alle Personen, die sich im Rahmen der schulischen Nutzung in
einem Schulgebäude oder auf einem Schulgrundstück aufhalten,
eine medizinische Maske (OP-Maske oder FFP2- bzw. damit
vergleichbare Maske) tragen.
Soweit Schüler bis zur Klasse 8 aufgrund
der Passform keine medizinische Maske tragen können, kann
ersatzweise eine Alltagsmaske getragen werden. Eine Ausnahme
für Schüler der Primarstufe von der Maskenpflicht während des
Unterrichts im Klassenverband ist nicht mehr vorgesehen.
Die Antragsteller, ein
Zweitklässler aus Bielefeld und eine Erstklässlerin aus Köln,
hatten unter anderem geltend gemacht, die Maskenpflicht
verletze sie in ihrem Grundrecht auf körperliche
Unversehrtheit. Dem ist das Oberverwaltungsgericht nicht
gefolgt.
Nach
Auffassung des zuständigen 13. Senats stellt die angegriffene
Maskenpflicht beim gegenwärtigen Stand des
Infektionsgeschehens eine verhältnismäßige Schutzmaßnahme
dar. Das gelte auch, soweit nunmehr erstmals auch
Grundschüler verpflichtet seien, während des Unterrichts im
Klassenverband eine (medizinische) Maske zu tragen. Der
Verordnungsgeber trage damit im Zusammenhang mit der
Wiedereröffnung des Präsenzunterrichts in den Grundschulen
der erhöhten Infektionsgefahr durch das Auftreten leichter
übertragbarer Virusvarianten Rechnung.
Konkrete
Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung von
Grundschulkindern durch das Tragen einer (medizinischen)
Maske lägen nicht vor. Insbesondere gebe es keinen Grund für
die Annahme, Masken könnten die Versorgung mit Sauerstoff
gefährden oder zu einer gefährlichen Anreicherung von
Kohlendioxid führen. Schließlich bestehe auch keine
ununterbrochene Pflicht zum Tragen der Masken, sondern es
könnten in ausreichendem Umfang Pausen gemacht werden.
So dürfe in Pausenzeiten zur Aufnahme von Speisen und
Getränken auf die Maske verzichtet werden, wenn der
Mindestabstand von 1,5 Metern gewährleistet sei oder die
Aufnahme der Nahrung auf den festen Plätzen im Klassenraum
erfolge. Da an Grundschulen im Regelfall neben der längeren
Frühstückspause zwischen Unterrichtseinheiten eine 5-minütige
Pause stattfinde, bei der die Maske zur Aufnahme etwa eines
Getränks abgenommen werden könne, könnten auf diese Weise die
durch das Tragen der Maske verursachten Belastungen durch
mehrere - zumindest kurze - Tragepausen abgemildert werden.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar. Aktenzeichen:
13 B 266/21.NE und 13 B 267/21.NE
|
Februar 2021 |
Nicht zertifizierte Atemschutzmasken des Typs KN95
dürfen nicht in Verkehr gebracht werden.
Düsseldorf/Duisburg, 19. Februar 2021 -
Eine entsprechende Entscheidung der Bezirksregierung
Düsseldorf hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit
Beschluss vorläufig bestätigt und den Eilantrag eines in der
Schweiz ansässigen Unternehmers abgelehnt. Die
Bezirksregierung Düsseldorf hatte diesem gegenüber als
zuständige Marktüberwachungsbehörde angeordnet, die in ihrem
Bezirk befindlichen Masken nicht weiter auf dem Markt
bereitzustellen und diese zurückzunehmen. Außerdem wurde dem
Unternehmer auferlegt, zur Vermeidung von Gefahren
ausführlich über seine Lieferketten bzw. weitere Kunden
Bericht zu erstatten und über den Verbleib der Masken nach
deren Rücknahme Rechenschaft abzulegen.
Die Behörde
hatte die 28.000 Atemschutzmasken des Typs KN95 (des
sogenannten chinesischen Standards) aus dem Verkehr genommen
und der in Duisburg ansässigen Geschäftspartnerin des
schweizerischen Unternehmers aufgegeben, die im Frühjahr 2020
in den deutschen Markt eingeführten Produkte vorerst zum
Schutz der Bevölkerung unter Verschluss zu halten. Zur
Begründung hatte sie ausgeführt, dass diese nicht dem hohen,
im Einzelnen durch europarechtliche Regelungen vorgegebenen
Standard für die Beschaffenheit von sogenannten persönlichen
Schutzausrüstungen entsprächen.
Die 3. Kammer des
Gerichts ist dieser Argumentation gefolgt: Die von dem
schweizerischen Unternehmer in den Verkehr gebrachten Masken
als solche bzw. die ihnen beigefügten Zertifikate seien aus
mehreren Gründen nicht geeignet, die Konformität mit dem
europäischen Standard zu belegen. Die Zertifikate hätten
einen hohen Schutz durch die Anbringung des sog.
CE-Kennzeichens suggeriert, ohne dass die Atemschutzmasken
zuvor durch eine dafür vorgesehene Stelle zertifiziert worden
seien.
In Deutschland könne eine Atemschutzmaske des
sog. chinesischen Standards jedoch nur dann auf dem Markt
bereitgestellt werden, wenn durch eine geeignete Stelle nach
strengen Vorgaben geprüft und bestätigt worden sei, dass sie
ein den europarechtlichen Vorgaben entsprechendes,
vergleichbares Gesundheits- und Sicherheitsniveau böten.
Diese
(grundsätzlich bestehenden) Möglichkeiten zur Herbeiführung
der Konformität, die dem Unternehmer vor der Anordnung durch
die Bezirksregierung aufgezeigt worden seien, habe er nicht
genutzt. In der Folge dürften die Masken mit einem
(vermutlich) geringeren Schutzniveau – gerade vor dem
Hintergrund der aktuellen Corona-Pandemie – nicht auf den
deutschen Markt gelangen. Gegen den Beschluss kann Beschwerde
beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
in Münster eingelegt werden. Aktenzeichen 3 L 11/21
Keine Zwischenregelungen in den
Eilverfahren der AfD gegen das Bundesamt für
Verfassungsschutz
Münster, 18. Februar 2021 -
Das Oberverwaltungsgericht hat heute die Beschwerden der
Partei Alternative für Deutschland (AfD) gegen zwei
Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. und 27.
Januar 2021 zurückgewiesen und damit die erstinstanzlichen
Entscheidungen bestätigt. Das Verwaltungsgericht hatte in den
Eilverfahren der AfD gegen das Bundesamt für
Verfassungsschutz die Anträge auf Erlass einer
Zwischenregelung abgelehnt.
Mit ihren Eilanträgen
will die Partei die Einstufung als „Verdachtsfall“ oder
„gesichert extremistische Bestrebung“ sowie die Angabe der
Mitgliederzahl des sogenannten „Flügels“ mit 7.000
verhindern. Den Erlass einer Zwischenregelung bis zu einer
Entscheidung in diesen Verfahren hatte die AfD mit der
Begründung beantragt, ihr entstehe ansonsten ein nicht
wiedergutzumachender Schaden im politischen Wettbewerb. Nach
Auffassung des 5. Senats war eine solche Zwischenregelung
(sogenannter Hängebeschluss) in dem Verfahren um die
Einstufung als „Verdachtsfall“ nicht geboten, um vollendete
Tatsachen bereits vor der gerichtlichen Eilentscheidung zu
verhindern.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe
zugesagt, bis zur Entscheidung im Eilverfahren eine
Entscheidung über die Einstufung als „Verdachtsfall“ nicht zu
veröffentlichen und Abgeordnete (auf Bundes-, Landes- und
Europaebene) bzw. entsprechende Wahlbewerberinnen und
Wahlbewerber nicht mit nachrichtendienstlichen Mittel zu
beobachten (sogenannte Stillhaltezusage). Die danach noch
verbleibenden Nachteile müsse die AfD hinnehmen. Die
gesetzlich für einen „Verdachtsfall“ vorgesehene Möglichkeit,
nachrichtendienstliche Mittel gegen die Mitglieder
einzusetzen, sei zwar ein weitreichender Nachteil -
unabhängig von deren tatsächlichem Einsatz.
Die Chancengleichheit von Parteien sei
schon dann beeinträchtigt, wenn (einfache) Mitglieder einer
Partei damit rechnen müssten, allein aufgrund ihrer
Parteizugehörigkeit nachrichtendienstlich überwacht zu
werden. Dafür reiche auch aus, wenn die Wahrscheinlichkeit
bestehe, dass der jeweilige Gesprächspartner überwacht oder
von Teilnehmern auch nichtöffentlicher Runden
Gesprächsverläufe oder Ansichten Einzelner an das Bundesamt
für Verfassungsschutz weitergegeben würden. Dies sei aber bis
zur Entscheidung im Eilverfahren hinzunehmen.
Sollte die Antragstellerin zu Recht als
Verdachtsfall eingestuft werden, also Tatsachen die Annahme
von Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische
Grundordnung rechtfertigten, bestünde ansonsten die Gefahr,
dass ohne Einsatz der Mittel des Verfassungsschutzes
derartige Bestrebungen fortbestünden und sich verstärkten.
Die Folgen einer unterbleibenden Beobachtung wären mit Blick
auf diese Grundordnung von solchem Gewicht, dass die mögliche
Beobachtung von Mitgliedern - zumal mit den zugesagten
Ausnahmen - bis zur Entscheidung im Eilverfahren hinzunehmen
sei.
Auch im Verfahren zur Mitgliederzahl des
„Flügels“ hat der 5. Senat den Erlass einer Zwischenregelung
nicht für erforderlich gehalten. Die Aussage des Bundesamtes
für Verfassungsschutzes, dem Flügel gehörten ungefähr 7.000
Personen an, sei der Öffentlichkeit bereits hinlänglich
bekannt. Deshalb drohe auch bei einer Wiederholung kein
Nachteil, der nicht bis zur Entscheidung im Eilverfahren
hingenommen werden könne. Die Beschlüsse sind unanfechtbar.
Aktenzeichen: „Verdachtsfall“: 5 B 163/21 (I. Instanz: VG
Köln 13 L 105/21); „Flügel“: 5 B 175/21 (VG Köln 13 L 104/21)
Versicherungsjahr für
Kleinkrafträder, S-Pedelecs und E-Scooter beginnt am 1. März
Versicherungsschutz nur mit gültigem blauen Kennzeichen
Coburg/Duisburg, 18. Februar 2021 - Blau ist die Farbe
des Jahres 2021: Ab 1. März müssen alle Kleinkrafträder statt
einem schwarzen ein blaues Versicherungskennzeichen tragen.
Zu den Fahrzeugen, die ein Versicherungskennzeichen führen
müssen, gehören zum Beispiel Mofas, Mopeds oder Roller,
Leichtmofas, Segways oder leichte Quads. Letztgenannte dürfen
nicht mehr als 50 Kubikzentimeter Hubraum haben und nicht
schneller als 45 Kilometer pro Stunde fahren. Das korrekte
Kennzeichen ist wichtig. Ohne erlischt der
Versicherungsschutz und man macht sich strafbar.

Alle Jahre wieder: Kleinkrafträder, E-Scooter und S-Pedelecs
brauchen ab 1. März ein neues Versicherungs-kennzeichen.
Foto: HUK-COBURG Tipp
Wer sein Kleinkraftrad erst aus der Garage
holt, wenn es warm und sonnig ist, kann das
Versicherungskennzeichen später kaufen. Die Prämienhöhe
richtet sich nach dem tatsächlichen Nutzungszeitraum. Wer ab
Mai fährt, zahlt nicht für zwölf sondern für zehn Monate,
also bis zum Ende des laufenden Verkehrsjahrs. Kaufen lassen
sich die Kennzeichen direkt bei der Versicherung. Viele
Kfz-Versicherungen schicken die Kennzeichen auch zu.
Die kleinen Verwandten der Motorräder sind nicht nur oft in
Unfälle verwickelt, sie werden auch häufig gestohlen. Beides
zeigt: Umfassender Versicherungsschutz ist nötig. Dies gilt
besonders für Personenschäden. Wird beispielsweise ein gut
verdienender, junger Familienvater bei einem Verkehrsunfall
durch die Schuld des Rollerfahrers schwer verletzt und behält
bleibende Schäden, sind Entschädigungen in Millionenhöhe
durchaus realistisch. Deshalb empfiehlt die HUK-COBURG
grundsätzlich eine Kfz-Haftpflichtversicherung mit 100
Millionen € Versicherungssumme für Personen-, Sach- und
Vermögensschäden.
Die bietet sie im Bereich der
Kleinkrafträder ab 34 € und die Teilkasko-Versicherung mit
150 € Selbstbeteiligung ab 26 € an. Versicherung für
E-Scooter und S-Pedelec Mit den E-Scootern ist die
Fahrzeugfamilie mit Versicherungskennzeichen noch einmal
gewachsen. Auch sie brauchen jedes Jahr eine neue
Versicherungsplakette. Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist ab
17 € und die Teilkasko-Versicherung mit 150 €
Selbstbeteiligung ab 16 € zu haben.
S-Pedelecs müssen
ebenfalls ein Versicherungskennzeichen tragen: Bei diesen
schnellen Pedelecs wird die Motorunterstützung erst bei 45
Stundenkilometern abgeschaltet und die Motorleistung liegt
bei 500 Watt. In diesem Segment bietet die HUK-COBURG eine
Kfz-Haftpflichtversicherung ab 25 € und eine
Teilkasko-Versicherung mit 150 € Selbstbeteiligung bei
Totalentwendung ab 34 € an.
Bundesgerichtshof:
Taschenrechner am Steuer verboten
Karlsruhe, 18.
Februar 2021 - Der für Verkehrsstrafsachen zuständige 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte darüber zu
entscheiden, ob das Bedienen eines Taschenrechners durch
einen Fahrzeugführer während der Fahrt die Voraussetzungen
eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO erfüllt und deshalb
bußgeldbewehrt ist.
Diese Rechtsfrage wurde dem
Bundesgerichtshof vom Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung
vorgelegt, weil sich das vorlegende Gericht an der Bejahung
der Frage durch eine abweichende Auffassung des
Oberlandesgerichts Oldenburg gehindert sah. In dem der
Entscheidung zugrundeliegenden Fall war ein Autofahrer vom
Amtsgericht Lippstadt in Westfalen zu einer Geldbuße
verurteilt worden, weil er während der Fahrt einen
Taschenrechner bedient hatte.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden,
dass ein Taschenrechner der Regelung des § 23 Abs. 1a StVO
unterfällt, weil es sich um ein elektronisches Gerät im Sinne
der Vorschrift handelt, das der Information dient.
Am
Steuer darf ein Taschenrechner daher nicht benutzt werden.
Gesetzliche Grundlage der Entscheidung ist eine Änderung der
Straßenverkehrsordnung aus dem Jahr 2017. Bis dahin war nur
das Benutzen von Mobil- und Autotelefonen am Steuer
ausdrücklich verboten.
Die Neuregelung hat das Verbot
auf alle elektronischen Geräte erweitert, die der
Kommunikation, Information und Organisation dienen. Erfasst
sind außerdem Geräte der Unterhaltungselektronik und
Navigationsgeräte. Sie dürfen vom Fahrzeugführer nur noch
benutzt werden, wenn sie hierfür weder aufgenommen noch in
der Hand gehalten werden. Auch dann darf der Fahrer den Blick
nur kurz vom Verkehr abwenden oder er muss eine
Sprachsteuerung nutzen.
Vorinstanzen:
Oberlandesgericht Hamm – Vorlagebeschluss vom 15. August 2019
– III-4 RBs 191/19 Amtsgericht Lippstadt – Urteil vom 11.
Februar 2019 – 7 OWi 35 Js 1585/18 – 181/18
Die
maßgebliche Vorschrift lautet: § 23a Abs. 1a StVO (Auszug)
Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das
der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder
zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn 1. hierfür das
Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und 2. entweder
a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt
wird oder b) zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur
eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und
Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei
gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom
Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.
Geräte
im Sinne des Satzes 1 sind auch Geräte der
Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung,
insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone,
Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner,
Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit
Videofunktion oder Audiorekorder.
Wettbewerbsrecht: Kein "fliegender Gerichtsstand" in
Düsseldorf Düsseldorf, 18. Februar 2021 - Gegen
Wettbewerbsverstöße im Internet und anderen Telemedien kann
nicht mehr bundesweit im Rahmen des "fliegenden
Gerichtsstands" vorgegangen werden. Dies hat der
20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf
unter Leitung des Vorsitzenden Richters am
Oberlandesgericht Erfried Schüttpelz am 16. Februar 2021 in
einem Beschluss deutlich gemacht (Aktenzeichen I-20 W 11/21).
In dem zugrundeliegenden Fall verlangt ein Unternehmen
aus Nordrhein-Westfalen von einem in Rheinland-Pfalz
sitzenden Unternehmen Unterlassung angeblich irreführender
Werbung auf verschiedenen Kanälen (Fernsehen, Internet,
Print). Das Landgericht Düsseldorf bejahte seine
Zuständigkeit und untersagte mit einstweiliger Verfügung vom
15. Januar 2021 die Werbung.
Die Antragsgegnerin, das werbende
Unternehmen, wandte sich mit seiner sofortigen Beschwerde
gegen diese Entscheidung, soweit sie Werbung im Internet und
anderen Telemedien betraf. Sie hält das Landgericht
Düsseldorf für unzuständig. Die sofortige Beschwerde hat zwar
keinen Erfolg, weil sie nicht das richtige Rechtsmittel gegen
die Entscheidung ist. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat
jedoch deutlich gemacht, dass die Zuständigkeitsfrage anders
zu beurteilen ist.
Hintergrund ist die am 2. Dezember
2020 in Kraft getretene Neufassung der Zuständigkeitsregeln
im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§
14 UWG). Vormals war es möglich, Wettbewerbsverstöße, die
über das Internet oder andere Telemedien bundesweite
Auswirkungen hatten, im Rahmen des sogenannten "fliegenden
Gerichtsstands" auch bundesweit geltend zu machen. Düsseldorf
ist vor diesem Hintergrund einer der bundesweit führenden
Gerichtsstandorte in Wettbewerbsstreitsachen. Die Neuregelung
beschränkt die gerichtliche Zuständigkeit nunmehr örtlich auf
den Bezirk, in dem der angeblich gegen die Regeln Verstoßende
seinen Allgemeinen Gerichtsstand hat, zum Beispiel seinen
Wohnsitz. Das Landgericht sah diese Beschränkung auf
Fälle begrenzt, in denen lediglich internetspezifische
Wettbewerbsverstöße geltend gemacht werden. Da dies
vorliegend nicht der Fall war, sah es den "fliegenden
Gerichtsstand" weiterhin gegeben. Der Wettbewerbssenat des
Oberlandesgerichts Düsseldorf dagegen sieht keinen Raum für
eine solche einschränkende Lesart der neuen Vorschrift.
Danach wäre im vorliegenden Fall ein Gericht in
Rheinland-Pfalz zuständig.
Räum- und Streupflicht
Coburg/Duisburg, 12. Februar 2021 -
„Endlich Schnee“, freuen sich die einen. „Wieder früher
aufstehen und Schnee schaufeln“, murren die anderen. Richtig
ist: Winterliche Straßenverhältnisse bringen Fußgänger
tatsächlich leicht ins Rutschen. Ein Bein ist schnell
gebrochen. Passiert das vor der eigenen Haustür, können
Mieter oder Eigentümer eines Hauses eventuell zur
Verantwortung gezogen werden. Warum? Das erklärt die
HUK-COBURG.

Winterliche Straßenverhältnisse bringen Passanten schnell ins
Rutschen. Foto: HUK-COBURG
Beide sind im Winter
verpflichtet, für einen eisfreien Fußweg zu sorgen. Mieter
müssen immer dann zu Schneeschieber und Streumittel greifen,
wenn ihnen per Mietvertrag die Räum- und Streupflicht
übertragen wurde und das ist eher die Regel als die Ausnahme.
Passiert ein Unfall, weil die Winterpflichten nur ungenügend
erledigt oder gleich ganz vergessen wurden, kann der Säumige
für die Folgen verantwortlich gemacht werden. Ohne private
Haftpflichtversicherung ein teures Vergessen: Neben
Behandlungskosten lassen sich vom Geschädigten auch
Verdienstausfall oder Schmerzensgeld geltend machen.
Räum- und Streupflicht
Wann und wie oft Schnee schieben
oder Streuen angesagt sind? Auf diese Frage gibt es keine
Auskunft von der Stange: Ausschlaggebend ist immer die
jeweilige Satzung, mit der jede Kommune den Winterdienst
regelt. Oftmals kann man sich auf den Websites von Städten
und Gemeinden schlaumachen. Ein anderer Weg ist ein Anruf
beim örtlichen Bau- oder Ordnungsamt. Hier lässt sich
erfragen, in welchem Zeitraum der Griff zum Schneeschieber
erforderlich ist und wie breit der freie Gehweg sein muss.
Die Häufigkeit des Schneeräumens hängt letztlich von der
Witterung und von der Verkehrsbedeutung eines Weges ab. Bei
extremem Schneefall oder Glatteisbildung ist gerade auf stark
frequentierten Wegen außergewöhnlicher Einsatz gefordert. Nur
wenn Räumen und Streuen witterungsbedingt zwecklos sind, kann
man warten, bis beispielsweise der Schneefall nachlässt oder
ganz aufhört.
Auch müssen Wege meist nicht in ihrer
gesamten Breite geräumt werden. In der Regel genügt es, einen
Streifen frei zu schaufeln oder auf einer bestimmten Breite
zu streuen. Eine Faustregel besagt: Zwei Fußgänger müssen auf
dem geräumten Weg aneinander vorbeigehen können. Kommunen
können diese Frage aber auch klar in ihrer Satzung regeln.
Allerdings kann niemand im Winter einen durchgängig eis-
oder schneefreien Bürgersteig erwarten. Wer in der kalten
Jahreszeit unterwegs ist, muss mit winterlichen
Straßenverhältnissen rechnen und sich entsprechend vorsichtig
bewegen. Dazu gehört es auch, Winterschuhe zu tragen, die ein
entsprechend tiefes und rutschfestes Profil haben.
Maskenpflicht im Umfeld von Geschäften außer Vollzug
gesetzt
Münster, 10. Februar 2021 - Das
Oberverwaltungsgericht hat heute den Eilantrag einer
Antragstellerin aus Gelsenkirchen zur Maskenpflicht nach der
nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung im
Wesentlichen abgelehnt. Erfolg hatte der Antrag allerdings
hinsichtlich der Bestimmung, wonach unabhängig von der
Einhaltung eines Mindestabstands im unmittelbaren Umfeld von
Einzelhandelsgeschäften auf dem Grundstück des Geschäftes,
auf den zu dem Geschäft gehörenden Parkplatzflächen und auf
den Zuwegungen zu dem Geschäft eine Alltagsmaske zu tragen
ist. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht durch seinen
Eilbeschluss die Coronaschutzverordnung vorläufig außer
Vollzug gesetzt.
Zur Begründung hat der 13. Senat
ausgeführt: Auch wenn der wissenschaftliche Diskurs über die
Eignung insbesondere von Alltagsmasken als Mittel zur
Vermeidung von Infektionen mit SARS-CoV-2 nicht abgeschlossen
sei, sei auf der Grundlage der gegenwärtigen
wissenschaftlichen Erkenntnisse davon auszugehen, dass das
Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung oder eines
Mund-Nasen-Schutzes („OP-Maske“) andere vor einer Infektion
schütze. Es gebe bislang auch keine stichhaltigen
Anhaltspunkte dafür, dass durch das ‑ regelmäßig zeitlich
begrenzte - Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung oder eines
Mund-Nasen-Schutzes die Aufnahme von Sauerstoff oder die
Abatmung von Kohlendioxid objektiv in gesundheitsgefährdender
Weise beeinträchtigt werde.
Dass die
Coronaschutzverordnung inzwischen für bestimmte, vom
Verordnungsgeber als besonders infektionsträchtig
identifizierte Bereiche das Tragen einer medizinischen Maske
(„OP-Maske“ oder nach Wahl des Trägers Masken des Standards
FFP2 bzw. KN95/N95) und nicht - als milderes Mittel -
weiterhin das Tragen einer Alltagsmaske vorsehe, sei
ebenfalls verhältnismäßig. Denn Alltagsmasken erbrächten
nicht die in den technischen Normen definierten
Leistungsnachweise, wie sie für medizinische Masken
vorgesehen seien, und böten deswegen jedenfalls in der Regel
weniger Schutz. Erfolg hatte der Eilantrag lediglich
hinsichtlich der Bestimmung, wonach unabhängig von der
Einhaltung eines Mindestabstands im unmittelbaren Umfeld von
Einzelhandelsgeschäften auf dem Grundstück des Geschäftes,
auf den zu dem Geschäft gehörenden Parkplatzflächen und auf
den Zuwegungen zu dem Geschäft eine Alltagsmaske zu tragen
ist.
Diese Regelung genügt nach Auffassung des
13. Senats nicht den rechtsstaatlichen
Bestimmtheitsanforderungen. Der Begriff des „unmittelbaren
Umfelds“ sei nicht hinreichend klar. Der Wortlaut lasse die
Auslegung zu, dass es sich dabei nur um einen Radius von
vielleicht einigen wenigen Metern vom Eingangsbereich des
Geschäfts aus gesehen handele. Denkbar sei aber auch, dass
hiermit ein deutlich größerer Bereich - wie ihn der
Verordnungsgeber z. B. für das Verzehrverbot in einem Umkreis
von 50 Metern um eine gastronomische Einrichtung bei einem
Außer-Haus-Verkauf von Speisen und Getränken gewählt habe -
gemeint sei.
Auch die Begründung der Verordnung gebe
hierüber keinen näheren Aufschluss. Erfasst werden sollten
durch die Regelung danach solche Bereiche, in denen es
vornehmlich aufgrund räumlicher Gegebenheiten typischerweise
dazu kommen könne, dass der Mindestabstand nicht durchgehend
eingehalten werde. Dies ermögliche dem Regelungsadressaten
keine präzise Bestimmung des Bereichs, in dem die
Maskenpflicht vor Einzelhandelsgeschäften gelten solle. Diese
Unklarheiten wögen deswegen besonders schwer, weil ein
Verstoß gegen die Maskenpflicht bußgeldbewehrt sei. Der
Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 1932/20.NE
Erfolglose Verfassungsbeschwerde
gegen die Verweigerung einer Erlaubnis zum Erwerb eines
Arzneimittels zum Zweck der Selbsttötung
05.
Februar 2021 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die
2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts
eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen,
mit der ein Ehepaar die Erlaubnis zum Erwerb eines tödlichen
Arzneimittels zum Zweck der Selbsttötung begehrt. Diese
Erlaubnis wurde zuvor vom Bundesinstitut für Arzneimittel
verweigert und dessen Entscheidung anschließend von den
Fachgerichten bestätigt.
Die Entscheidungen des
Bundesinstituts für Arzneimittel und der Fachgerichte
ergingen zeitlich noch vor dem Urteil des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 - 2 BvR
2347/15 u. a. -, mit dem ein aus dem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.
1 Abs. 1 GG hergeleitetes Recht auf selbstbestimmtes Sterben
anerkannt und der Straftatbestand der gewerbsmäßigen
Suizidbeihilfe (§ 217 StGB) für nichtig erklärt wurde.
Die Kammer hat entschieden, dass die gegenständliche
Verfassungsbeschwerde unzulässig ist. Die Möglichkeit der
Beschwerdeführer, ihren Wunsch nach einem selbstbestimmten
Lebensende zu verwirklichen, sei infolge der Entscheidung des
Zweiten Senats und der darin ausgesprochenen Nichtigerklärung
des § 217 StGB wesentlich verbessert. Aufgrund dieser
grundlegend veränderten Situation seien sie nunmehr zunächst
gehalten, durch aktive Suche nach suizidhilfebereiten
Personen im Inland, durch Bemühungen um eine ärztliche
Verschreibung des gewünschten Wirkstoffs oder auf anderem
geeignetem Weg ihr anerkanntes Recht konkret zu verfolgen.
Überschwemmungsschäden sind in der
Kasko mitversichert
Coburg/Duisburg, 04.
Februar 2021 - In mehreren Bundesländern sind die Pegel
dramatisch gestiegen und einzelne Flüsse schon über die Ufer
getreten. Wenn Straßen und Wege überflutet werden, sind auch
ganz schnell dort geparkte Autos in Gefahr. Was ist zu tun,
wenn das Auto nasse Füße kriegt? Ist solch ein Schaden
versichert? Wird ein geparktes Auto durch plötzlich
auftretendes Hochwasser beschädigt, ist dies ein typischer
Teilkasko-Schaden, bestätigt die HUK-COBURG. Betroffene
sollten so schnell wie möglich mit ihrer Versicherung Kontakt
aufnehmen. Am besten ist ein Anruf noch von der Schadenstelle
aus.
Versichert ist übrigens nicht allein das
Auto, auch fest eingebaute Teile wie Navigationssystem,
Telefon oder Autoradio mit Lautsprechern sind
miteingeschlossen. Dasselbe gilt für Zubehör, das - wie zum
Beispiel der Kindersitz - gesetzlich vorgeschrieben ist oder
der Pannenhilfe dient. Neben spezifischen Versicherungsfragen
gibt es auch wissenswerte technische Details. Niemand sollte
versuchen, den Motor eines überschwemmten Autos selbst zu
starten. Auch wenn das Wasser abgeflossen ist, droht noch
Gefahr. Sobald es in den Motorblock eindringt, kann der
Ölfilm reißen.
Für bewegliche Teile des Motorblocks,
wie zum Beispiel Kolben, heißt das: Wird der Motor einfach
gestartet, reibt Metall auf Metall. Ohne Schmiermittel ist
ein Motor ruck zuck kaputt. Darum muss das Auto auf jeden
Fall abgeschleppt und fachgerecht gereinigt werden. Die
Reinigung schließt natürlich den Innenraum mit ein. Vorsicht
ist auch an anderer Stelle geboten. Wer sich mit dem Auto
einem Hochwassergebiet nähert, sollte es weiträumig umfahren.
Selbst geringe Wasserhöhen bergen die Gefahr eines
Wasserschlags, dabei gelangt durch den Ansaugstutzen unter
der vorderen Stoßstange Wasser in den Motorblock. Wichtig zu
wissen: Wer Motorschäden geltend machen will, die während
einer Fahrt durch das Wasser oder durch Restwasser im Motor
entstanden sind, muss eine Vollkaskoversicherung
abgeschlossen haben.
Erfolglose
Wahlprüfungsbeschwerde bezogen auf das Fehlen gesetzlicher
Regelungen zur paritätischen Ausgestaltung des
Wahlvorschlagsrechts bei der Bundestagswahl
02.
Februar 2021 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der
Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eine
Wahlprüfungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Deutschen
Bundestages, mit dem ein Einspruch gegen die Wahl zum 19.
Deutschen Bundestag am 24. September 2017 zurückgewiesen
wurde, als unzulässig verworfen.
Die
Beschwerdeführerinnen rügen angesichts des geringen Anteils
weiblicher Mitglieder im Deutschen Bundestag das Fehlen
gesetzlicher Regelungen zur paritätischen Ausgestaltung der
Landeslisten und Wahlkreiskandidaturen durch die politischen
Parteien. In der Wahlprüfungsbeschwerde wird jedoch nicht
hinreichend begründet, dass der Bundesgesetzgeber zu einer
solchen paritätischen Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts
der politischen Parteien verpflichtet ist. Darüber, ob eine
solche gesetzliche Regelung zur paritätischen Ausgestaltung
der Landeslisten und Wahlkreiskandidaturen mit dem
Grundgesetz vereinbar wäre, hatte der Senat daher nicht zu
entscheiden.
Bundesgerichtshof legt EuGH
Fragen zur Pflicht von Internethändlern vor, über
Herstellergarantien zu informieren
Bundesgerichtshof - Karlsruhe, 11. Februar 2021 - I ZR 241/19
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der
Europäischen Union Fragen vorgelegt, mit denen geklärt werden
soll, inwieweit Internethändler Verbraucher über
Herstellergarantien für die angebotenen Produkte informieren
müssen. Sachverhalt: Die Parteien vertreiben
Taschenmesser im Wege des Internethandels. Die Beklagte bot
auf der Internetplattform Amazon ein Schweizer
Offiziersmesser an. Die Angebotsseite enthielt unter der
Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" einen
Link mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung". Nach dem
Anklicken dieses Links öffnete sich ein
Produktinformationsblatt, das folgenden Hinweis auf eine
Garantie des Herstellers enthielt: "Die Garantie erstreckt
sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und
Fabrikationsfehler (für Elektronik zwei Jahre). Schäden, die
durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch
entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt."
Weitere Informationen zur Garantie enthielt das
Produktinformationsblatt nicht. Die Klägerin hat beantragt,
der Beklagten zu verbieten, den Absatz von Taschenmessern an
Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu bewerben, ohne
hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie
darauf hinzuweisen, dass sie durch die Garantie nicht
eingeschränkt werden, und ohne den räumlichen Geltungsbereich
des Garantieschutzes anzugeben.
Bisheriger
Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die
Beklagte antragsgemäß wegen eines Verstoßes gegen § 312d Abs.
1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB nach
§ 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG zur Unterlassung
verurteilt. Bei Fernabsatzverträgen ist der Unternehmer nach
§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.
9 EGBGB verpflichtet, den Verbraucher "gegebenenfalls" über
das Bestehen und die Bedingungen von Garantien zu
informieren.
Das Oberlandesgericht hat angenommen,
diese Informationspflicht bestehe jedenfalls, wenn das
Warenangebot - wie im Streitfall - einen Hinweis auf das
Bestehen einer Garantie enthalte. Der Inhalt dieser
Informationspflicht sei unter Rückgriff auf § 479 Abs. 1 BGB
zu bestimmen. Nach dieser Vorschrift muss eine
Garantieerklärung unter anderem den Hinweis auf die
gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie
durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und die Angabe
des räumlichen Geltungsbereichs des Garantieschutzes
enthalten.
Das Oberlandesgericht hat gemeint, diese
Angaben müssten auch zur Erfüllung der hier in Rede stehenden
Informationspflicht gemacht werden. Mit der vom
Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte
ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat das
Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen
Union drei Fragen zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m
der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher zur
Vorabentscheidung vorgelegt. Diese Vorschrift wird durch §
312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9
EGBGB nahezu gleichlautend in deutsches Recht umgesetzt.
Zum einen soll durch den Gerichtshof
der Europäischen Union geklärt werden, ob allein schon das
bloße Bestehen einer Herstellergarantie die
Informationspflicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der
Richtlinie 2011/83/EU auslöst oder - falls dem nicht so ist -
die Informationspflicht durch die bloße Erwähnung einer
Herstellergarantie im Angebot des Unternehmers ausgelöst wird
oder dann, wenn die Erwähnung für den Verbraucher ohne
weiteres erkennbar ist.
Darüber hinaus ist fraglich,
ob eine Informationspflicht auch besteht, wenn für den
Verbraucher ohne weiteres ersichtlich ist, dass der
Unternehmer nur Angaben des Herstellers zur Garantie
zugänglich macht. Schließlich wird der Gerichtshof der
Europäischen Union um Beantwortung der Frage gebeten, ob die
nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU
erforderliche Information über das Bestehen und die
Bedingungen einer Herstellergarantie dieselben Angaben
enthalten muss wie eine Garantie nach Art. 6 Abs. 2 der
Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des
Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter,
oder ob weniger Angaben genügen. Die zuletzt genannte
Bestimmung ist durch § 479 Abs. 1 BGB in deutsches Recht
umgesetzt worden.
Vorinstanzen: LG Bochum - Urteil
vom 21. November 2018 - I-13 O 110/18 OLG Hamm - Urteil vom
26. November 2019 - I-4 U 22/19 Die maßgeblichen Vorschriften
lauten: § 3 Abs. 1 UWG Unlautere geschäftliche Handlungen
sind unzulässig. § 3a UWG Unlauter handelt, wer einer
gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu
bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das
Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die
Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder
Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
§ 8 Abs. 1
Satz 1 UWG Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige
geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei
Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen
werden. § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB Bei außerhalb von
Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei
Fernabsatzverträgen ist der Unternehmer verpflichtet, den
Verbraucher nach Maßgabe des Artikels 246a des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche zu
informieren.
§ 479 Abs. 1 BGB Eine Garantieerklärung (§
443) muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss
enthalten: 1. den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des
Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht
eingeschränkt werden, und 2. den Inhalt der Garantie und alle
wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie
erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen
Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und
Anschrift des Garantiegebers. Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.
9 EGBGB Der Unternehmer ist nach § 312d Absatz 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet, dem Verbraucher
folgende Informationen zur Verfügung zu stellen: […] 9.
gegebenenfalls das Bestehen und die Bedingungen von
Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien, […] Art.
6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU
Bevor der
Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen
außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein
entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der
Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher
Weise über Folgendes: […] m) gegebenenfalls den Hinweis auf
das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst,
Kundendienstleistungen und gewerblichen Garantien; […] Art. 6
Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG
Die Garantie muss darlegen, dass der Verbraucher im Rahmen der geltenden
innerstaatlichen Rechtsvorschriften über den
Verbrauchsgüterkauf gesetzliche Rechte hat, und klarstellen,
dass diese Rechte von der Garantie nicht berührt werden; -in
einfachen und verständlichen Formulierungen den Inhalt der
Garantie und die wesentlichen Angaben enthalten, die für die
Inanspruchnahme der Garantie notwendig sind, insbesondere die
Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes
sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers.
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Januar 2021 |
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde einer Verlegerin
gegen Verpflichtung zur Veröffentlichung einer
Gegendarstellung 28. Januar 2021 - Das
Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung
veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute
veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten
Senats des Bundesverfassungsgerichts einer
Verfassungsbeschwerde einer Verlegerin eines Magazins
stattgegeben, die sich gegen zivilgerichtliche
Entscheidungen richtet, die die Beschwerdeführerin zum
Abdruck einer Gegendarstellung verurteilen. Die
Beschwerdeführerin veröffentlichte einen Artikel, der sich
mit Steuersparmodellen im Zusammenhang mit maltesischen
Gesellschaften deutscher Unternehmen und Privatpersonen
befasst. Es wird unter anderem darüber berichtet, dass der
Antragsteller des Ausgangsverfahrens eine Firma im
Firmenregister in Malta eintragen ließ, deren Geschäftszweck
insbesondere der Kauf, Betrieb, Verleih und Bau von
„Schiffen jeder Art“ sei. Zudem wird unter anderem erklärt,
dass es ein „paar naheliegende Gründe [gebe], nach Malta zu
gehen, wenn die Firma das Wort „Yachting“ im Namen trägt“.
Die Beschwerdeführerin wurde daraufhin von den
Fachgerichten zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung
verurteilt. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die
Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit
aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Entgegen der Entscheidung der
Fachgerichte handelt es sich bei der streitgegenständlichen
Passage nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein
Werturteil, welches nicht gegendarstellungsfähig ist.
83-Jährige Essener haben keinen Anspruch auf
unverzügliche Impfung 22. Januar 2021 - Das
Oberverwaltungsgericht hat heute die Beschwerde von
83-jährigen Eheleuten aus Essen gegen einen Beschluss des
Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen abgelehnt, nach dem diese
keine unverzügliche Corona-Schutzimpfung beanspruchen
können. Das im eigenen Hausstand lebende Ehepaar hatte
geltend gemacht, aufgrund seines Alters gehöre es zu der
Gruppe von Personen, die nach der Coronavirus-Impfverordnung
des Bundes mit höchster Priorität einen Anspruch auf Impfung
hätten. Es sei daher rechtswidrig, dass in der Stadt
Essen zunächst alle Bewohnerinnen und Bewohner der
Pflegeheime, auch wenn diese das achtzigste Lebensjahr noch
nicht vollendet hätten, und die dort tätigen Personen
geimpft würden. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen lehnte
am 11. Januar 2021 den Eilantrag der Eheleute ab, mit dem
sie erreichen wollten, dass die Stadt Essen ihnen
unverzüglich eine Möglichkeit zur Corona-Schutzimpfung
verschafft. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte
keinen Erfolg. Zur Begründung hat der 13. Senat in
Auseinandersetzung mit den mit der Beschwerde dargelegten
Gründen ausgeführt: Die Priorisierung zugunsten der Bewohner
von Alten- und Pflegeheimen sei nicht zu beanstanden. Zwar
gehörten die über 80-Jährigen ebenso wie die Bewohner von
Alten- und Pflegeheimen der Impfgruppe mit höchster
Priorität an. Die Coronavirus-Impfverordnung sehe aber
ausdrücklich vor, dass innerhalb dieser Gruppe auf Grundlage
infektiologischer Erkenntnisse bestimmte
Anspruchsberechtigte vorrangig berücksichtigt werden
könnten. Danach habe die Landesregierung darauf
abstellen dürfen, dass die Bewohner von Alten- und
Pflegeheimen typischerweise ein höheres Expositionsrisiko
hätten, weil sie im Alltag auf eine Vielzahl von Kontakten
als notwendige Hilfestellungen angewiesen seien und sich
nicht auf den selbstgewählten Kontakt zu Angehörigen oder
anderen nahestehenden Personen beschränken könnten. Dass
zeitgleich auch die in diesen Einrichtungen tätigen
Personen die Impfung erhalten könnten, sei in der
Coronavirusimpfverordnung selbst angelegt. Diese fasse
Bewohner und Personal als einheitliche Untergruppe von
Impfberechtigten zusammen. Das sei dem naheliegenden
Umstand geschuldet, dass so ein möglichst umfassender Schutz
der besonders gefährdeten Bewohner von Alten- und
Pflegeheimen erreicht werden könne, wenn ‑ wie erhofft ‑
eine Impfung tatsächlich die Weitergabe des Virus
verhindere. Ob die Eheleute mit ihrem Begehren
richtigerweise die Stadt Essen als untere Gesundheitsbehörde
in Anspruch genommen haben, hat der Senat danach offen
gelassen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B
58/21 (I. Instanz: VG Gelsenkirchen 20 L 1812/20)
Weiterhin kein Präsenzunterricht 22.
Januar 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute einen
Eilantrag gegen die Coronabetreuungsverordnung des Landes
abgelehnt, mit dem die Antragstellerin die sofortige
Rückkehr zum Präsenzunterricht erreichen wollte. Nach der
aktuellen Coronabetreuungsverordnung ist in der Zeit vom 11.
bis 31. Januar 2021 die schulische Nutzung von öffentlichen
Schulen, Ersatzschulen und Ergänzungsschulen unter anderem
zu Unterrichtszwecken untersagt.
Hiergegen wandte
sich eine Viertklässlerin aus Köln mit der Begründung, die
Schließung der Schulen verletze ihr Recht auf Bildung und
schulische Förderung. Der derzeit praktizierte
Distanzunterricht stelle zumal für Grundschüler keine
geeignete Unterrichtsform dar. Der für das
Infektionsschutzrecht zuständige 13. Senat hat zur
Begründung seiner ablehnenden Entscheidung ausgeführt, die
verordneten Schulschließungen seien in der derzeitigen Lage
voraussichtlich verhältnismäßig.
Angesichts der
landesweit nach wie vor hohen Zahl an Neuinfizierungen
überschreite der Verordnungsgeber ‑ auch unter
Berücksichtigung des besonderen Bildungsauftrags von
Grundschulen ‑ den ihm zustehenden Einschätzungs- und
Prognosespielraum nicht, wenn er aktuell dem ebenfalls
verfassungsrechtlich geschützten Gesundheitsschutz der
Bevölkerung den Vorrang einräume. Die mit der Schließung
der Schulen einhergehenden Folgen für die betroffenen
Schüler und deren Eltern in sozialer, psychischer und auch
ökonomischer Hinsicht seien zwar zum Teil gravierend. Diese
würden aber zumindest teilweise durch digitale oder analoge
Unterrichts- und Lernangebote abgefedert, auch wenn das
“Lernen auf Distanz“ gerade bei jüngeren Schülern kein
vollwertiges Äquivalent zu einem Präsenzunterricht
darstelle. Im Übrigen sei auch zu berücksichtigen, dass
der Verordnungsgeber zunächst mit dem sogenannten
Teillockdown ab Anfang November letzten Jahres anderen
Maßnahmen den Vorzug gegeben und versucht habe, durch starke
Einschränkungen in anderen Bereichen eine Eindämmung der
Infektionstätigkeit zu erreichen, um den normalen
Schulbetrieb aufrechterhalten zu können. Erst als sich
gezeigt habe, dass sich die Verbreitung des Virus dadurch
nicht in der erhofften Weise eindämmen ließ, habe er neben
weiteren Verschärfungen auch die (zeitweise) Umstellung auf
Distanzunterricht eingeführt. Der Beschluss ist
unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 47/21.NE
Eilantrag gegen Coronaeinreiseverordnung abgelehnt
7. Januar 2021 - Wer aus ausländischen Risikogebieten
nach Nordrhein-Westfalen zurückkehrt, muss sich weiterhin
grundsätzlich in Quarantäne begeben, aus der er sich - mit
Ausnahme der Einreise aus dem Vereinigten Königreich und
Südafrika - bereits vor Beginn durch eine freiwillige
Testung bei der Einreise oder eine unmittelbar nachfolgende
Testung befreien kann. Das Oberverwaltungsgericht hat heute
den Antrag des Eigentümers eines Motorschiffs in der
Normandie abgelehnt, die entsprechenden Regelungen der
nordrhein-westfälischen Coronaeinreiseverordnung vorläufig
außer Vollzug zu setzen.
Mit Beschluss vom 20.
November 2020 hatte das Oberverwaltungsgericht wesentliche
Teile der damals geltenden Coronaeinreiseverordnung außer
Vollzug gesetzt, die für Reiserückkehrer aus dem Ausland
eine zehntägige häusliche Quarantäne vorsah. In Reaktion auf
den Nachweis unterschiedlicher Mutationen des Coronavirus
im Vereinigten Königreich und in Südafrika hat das Land am
20. Dezember 2020 eine neue Coronaeinreiseverordnung
erlassen und darin eine zehntägige Quarantäne für
Reiserückkehrer aus diesen Ländern vorgesehen.
Die
Bestimmungen wurden einige Tage später um eine Regelung
ergänzt, mit der Einreisende aus anderen ausländischen
Risikogebieten zur Vornahme eines PCR- oder eines
Schnelltests vor oder unmittelbar nach der Einreise
verpflichtet wurden. Hiergegen hatte sich der Antragsteller
zunächst gewandt. Nachdem während des Verfahrens Zweifel
entstanden waren, ob die vom Land in Anspruch genommene
Verordnungsermächtigung des Infektionsschutzgesetzes zu
Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit ermächtigt, wie
sie mit der Verpflichtung zur Vornahme eines Coronatests
mittels Abstrichs aus dem Nasen- und/oder Rachenraum
voraussichtlich verbunden sind, hat das Land die
Coronaeinreiseverordnung Anfang Januar 2021 erneut
geändert.
Danach gilt nunmehr auch für Einreisende
aus anderen Risikogebieten als dem Vereinigten Königreich
oder Südafrika eine Absonderungspflicht, deren Eintreten
aber bereits vor dem Beginn durch eine freiwillige Testung
bei der Einreise oder eine unmittelbar nachfolgende Testung
ausgeschlossen werden kann. Hiergegen richtete sich zuletzt
der Eilantrag des Antragstellers, der eine Reise zu seinem
Boot in die Normandie beabsichtigt, die derzeit als
Risikogebiet ausgewiesen ist. Er machte unter anderem einen
Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz
geltend. Für Personen, die Nordrhein-Westfalen nicht
verlassen oder sich in einem anderen Bundesland mit
vergleichbaren Inzidenzwerten aufgehalten hätten, bestehe
jedenfalls keine geringere Wahrscheinlichkeit, sich mit dem
Coronavirus angesteckt zu haben, als für Personen, die nach
Frankreich reisten.
Der 13. Senat lehnte den Antrag
ab und führte zur Begründung unter anderem aus: Es sei
voraussichtlich unbedenklich, dass der Verordnungsgeber von
einem dringenden Handlungsbedarf ausgehe und die
Absonderungspflicht mit Freitestungsmöglichkeit als einen
nennenswerten Beitrag zur Eindämmung der Pandemie sehe. Sie
solle dazu dienen, den Eintrag von Infektionen - auch
solchen mit neuen Virusstämmen - nach Deutschland zu
entdecken, um sodann Schutzmaßnahmen gegen eine
Weiterverbreitung ergreifen zu können. Die Situation
stelle sich im Hinblick auf den nunmehr im gesamten
Bundesgebiet geltenden sogenannten strengen Lockdown und die
zwischenzeitlich im Vereinigten Königreich entdeckte,
möglicherweise deutlich ansteckendere Virusmutante anders
dar als noch im November, als der Senat eine allgemeine
Absonderungspflicht für sämtliche Einreisende aus
Risikogebieten noch beanstandet hatte. Die Einschätzung,
dass eine Reise in der Regel mit mehr Kontakten und damit
einer höheren Infektionsgefahr verbunden sei als ein
Verbleib im Bundesgebiet, erscheine unter den gegenwärtigen
Umständen plausibel. Eine Reisetätigkeit könne bei
zulässiger typisierender Betrachtung häufige und vielfältige
zwischenmenschliche Kontakte zur Folge haben, die bei einem
Verbleib im Bundesgebiet unter den gegenwärtigen
Bedingungen mit der nahezu vollständigen Schließung des
Einzelhandels, von Kultur, Sport- und Freizeitstätten, der
Gastronomie und der Beherbergungsbetriebe sowie
einschneidenden Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich
weitgehend ausgeschlossen seien. Die Regelungen seien auch
nicht deshalb ungeeignet, weil man sich auch durch einen
Schnelltest „freitesten“ könne. Auch durch Maßnahmen, die
keine vollständige Sicherheit böten, Folgeansteckungen zu
vermeiden, könne ein nennenswerter Beitrag zur Eindämmung
der Pandemie geleistet werden.
Die mit der
Absonderungspflicht einhergehenden Beeinträchtigungen
könnten - auch schon im Vorhinein - durch die Durchführung
eines (Schnell-)Tests abgewendet werden, der ein nur
niedrigschwelliger, in der Regel folgenloser Eingriff sei.
Die vom Einreisenden zu tragenden Kosten von etwa 30 bis 40
Euro bewegten sich - jedenfalls wenn man sie ins Verhältnis
zu einer Reisetätigkeit setze - in einem sehr überschaubaren
Umfang. Ein Gleichheitsverstoß ergebe sich insbesondere
nicht daraus, dass die vom Verordnungsgeber unterstellten
typischen infektionsbegünstigenden Reisekontakte nicht bei
jeder Art von Reise in jedes erdenkliche Zielland bestünden.
Der Verordnungsgeber dürfe seiner Regelung vielmehr eine
typisierende Betrachtungsweise zugrunde legen, die
insbesondere den gegenwärtig hoch belasteten
Gesundheitsämtern eine einfache Durchsetzung und Überprüfung
der geltenden Vorgaben für Reiserückkehrer ermögliche. Der
Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 2046/20.NE
Düsseldorfer Tabelle Die zum 1. Januar 2021
aktualisierte Düsseldorfer
Tabelle ist ab sofort auf der Internetseite des
Oberlandesgerichts Düsseldorf verfügbar. Die
Änderungen betreffen im Wesentlichen die Bedarfssätze
minderjähriger und volljähriger Kinder. Die Düsseldorfer
Tabelle ist Richtlinie und Hilfsmittel für die Bemessung des
angemessenen Unterhalts im Sinne des § 1610 BGB und wird von
allen Oberlandesgerichten zur Bestimmung des
Kindesunterhalts verwandt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf
gibt sie seit dem 1. Januar 1979 heraus. Ihr Inhalt beruht
auf Koordinierungsgesprächen aller Oberlandesgerichte und
der Unterhaltskommission des Familiengerichtstages e.V.
In dem Pandemiejahr 2020 konnten keine persönlichen
Koordinierungstreffen stattfinden, sondern haben sich die
Beteiligten ausschließlich digital abgestimmt.
1. Bedarfssätze a. Minderjährige
Die Anhebung der Bedarfssätze minderjähriger Kinder beruht
auf der Erhöhung des Mindestbedarfs gemäß der "Dritten
Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom
3. November 2020" (BGBl I 2020, 2344). Der
Mindestunterhalt beträgt danach ab dem 1. Januar 2021: für
Kinder der 1. Altersstufe (bis zur Vollendung des 6.
Lebensjahres) 393 EUR (Anhebung um 24 EUR), für Kinder der
2. Altersstufe (bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres) 451
EUR ( Anhebung um 27 EUR), für Kinder der dritten
Altersstufe (vom 13. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit) 528
EUR (Anhebung um 31 EUR). Diese Beträge entsprechen den
Bedarfssätzen der ersten Einkommensgruppe (bis 1.900 EUR)
der Düsseldorfer Tabelle. Die Anhebung der Bedarfssätze der
ersten Einkommensgruppe führt zugleich zu einer Änderung der
Bedarfssätze der folgenden Einkommensgruppen. Sie werden wie
in der Vergangenheit ab der 2. bis 5. Gruppe um jeweils 5 %
und in den folgenden Gruppen um jeweils 8 % des
Mindestunterhalts angehoben. b. Volljährige
Die Bedarfssätze volljähriger Kinder werden zum 01.01.2021
gleichfalls angehoben. Wie in 2020 betragen sie 125 % der
Bedarfssätze der 2. Altersstufe. c. Studierende
Der Bedarfssatz des Studierenden (m/w/d), der nicht bei
seinen Eltern oder einem Elternteil lebt, bleibt gegenüber
2020 mit 860 EUR unverändert. 2. Anrechnung des
Kindergelds Auf den Bedarf des Kindes ist nach
§ 1612b BGB das Kindergeld anzurechnen. Dieses beträgt ab
dem 1. Januar 2021: für ein erstes und zweites Kind 219
EUR, für ein drittes Kind: 225 EUR, ab dem vierten Kind: 250
EUR.
Das Kindergeld ist bei minderjährigen Kindern
in der Regel zur Hälfte und bei volljährigen Kindern in
vollem Umfang auf den Barunterhaltsbedarf anzurechnen. Die
sich nach Abzug des Kindergeldanteils ergebenden Beträge
sind in den im Anhang der Tabelle beigefügten
"Zahlbetragstabellen" aufgelistet. 3. Selbstbehalte
Die Selbstbehalte bleiben gegenüber 2020
unverändert. Lediglich bei Ansprüchen auf Elternunterhalt
ist mit Rücksicht auf die Regelungen des
Angehörigenentlastungsgesetzes von der Angabe eines
konkreten Betrags abgesehen worden. Die Steigerung des
Regelsatzes auf 446 EUR für volljährige Alleinstehende hat
noch keine Anhebung des notwenigen Selbstbehalts veranlasst.
Sollte aber der Regelsatz weiter steigen, bedürfen die
Selbstbehalte wahrscheinlich zum 1. Januar 2022 einer
Anpassung. 4. Einkommensgruppen
Die
Einkommensgruppen bleiben 2021 unverändert. Wie in der
Vergangenheit endet die Tabelle mit einem bereinigten
Einkommen bis zu 5.500,00 EUR (10. Einkommensgruppe, 160%
des Mindestbedarfs). Der Bundesgerichtshof befürwortet mit
Beschluss vom 16.09.2020 (XII ZB 499/19) eine Fortschreibung
der Einkommensgruppen. Dieser Wunsch in der am 09.11.2020
veröffentlichten Entscheidung konnte für die Tabelle 2021
nicht mehr umgesetzt werden. Eine etwaige Fortschreibung der
Einkommensgruppen und Bedarfssätze über die
10. Einkommensgruppe hinaus bleibt deshalb der Düsseldorfer
Tabelle 2022 vorbehalten. Nach der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs kommt eine prozentuale Erhöhung der
Bedarfssätze in Betracht, wenn das bereinigte Einkommen des
Barunterhaltspflichtigen die 10. Einkommensgruppe
überschreitet. Alle Informationen zur Düsseldorfer Tabelle
einschließlich der aktuellen Leitlinien sind auf der
Homepage des Oberlandesgerichts Düsseldorf veröffentlicht:
https://www.olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer_Tabelle/index.php.
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