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Mitten aus dem Leben  -  Urteile und Tipps zu §§

Archiv 2021

Dezember 2021

Der Gesetzgeber muss Vorkehrungen zum Schutz behinderter Menschen für den Fall einer pandemiebedingt auftretenden Triage treffen
Karlsruhe, 28. Dezember 2021 - Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass der Gesetzgeber Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verletzt hat, weil er es unterlassen hat, Vorkehrungen zu treffen, damit niemand wegen einer Behinderung bei der Zuteilung überlebenswichtiger, nicht für alle zur Verfügung stehenden intensivmedizinischer Behandlungsressourcen benachteiligt wird. Die Beschwerdeführenden sind schwer und teilweise schwerst behindert und überwiegend auf Assistenz angewiesen.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde begehren sie einen wirksamen Schutz vor Benachteiligung von Menschen mit einer Behinderung bei der Entscheidung über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen, die im Laufe der Coronavirus-Pandemie nicht für alle Behandlungsbedürftigen ausreichen können, also in einem Fall einer Triage. Sie sind der Auffassung, der Gesetzgeber schütze sie in diesem Fall nicht vor einer Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung.

Der Erste Senat hatte hier einzig zu entscheiden, ob der Gesetzgeber verpflichtet ist, wirksame Vorkehrungen zu treffen, dass niemand in einem Fall einer Triage aufgrund einer Behinderung benachteiligt wird. Da der Gesetzgeber solche Vorkehrungen bislang nicht getroffen hat, hat er die aus dem Schutzauftrag des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG hier wegen des Risikos für das höchstrangige Rechtsgut Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) folgende konkrete Handlungspflicht verletzt.


Der Gesetzgeber muss - auch im Lichte der Behindertenrechtskonvention - dafür Sorge tragen, dass jede Benachteiligung wegen einer Behinderung bei der Verteilung pandemiebedingt knapper intensivmedizinischer Behandlungsressourcen hinreichend wirksam verhindert wird. Er ist gehalten, dieser Handlungspflicht unverzüglich durch geeignete Vorkehrungen nachzukommen. Bei der konkreten Ausgestaltung kommt ihm ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu.




Eilantrag gegen 2G-Regelung im Einzelhandel ohne Erfolg
Münster, 22. Dezember 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute einen Eilantrag der Woolworth GmbH gegen die 2G-Regelung im nordrhein-westfälischen Einzelhandel abgelehnt. Nach der geltenden Coronaschutzverordnung des Landes dürfen Ladengeschäfte und Märkte nur von Geimpften oder Genesenen aufgesucht werden. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel sowie Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörakustiker, Tankstellen, Stellen des Zeitungsverkaufs, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte, Gartenmärkte und der Großhandel.

Die Antragstellerin, die in ihren Filialen ein Mischsortiment aus Textilien und Haushaltsbedarf aller Art anbietet, hat geltend gemacht, die 2G-Regelung sei unverhältnismäßig. Im Einzelhandel bestünden keine signifikanten Infektionsgefahren, denen nicht im Rahmen der vorhandenen Hygienekonzepte begegnet werden könne. Zudem liege im Hinblick auf die von der 2G-Regelung ausgenommenen Einzelhandelssparten eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Dem ist das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt.

Zur Begründung hat der 13. Senat ausgeführt: Die angegriffene Zugangsbeschränkung zu den Verkaufsstellen des Einzelhandels verstößt nicht offensichtlich gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Verordnungsgeber kann voraussichtlich davon ausgehen, dass die 2G-Regelung im Einzelhandel dazu beiträgt, Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und eine Überlastung der (intensiv-)medizinischen Behandlungskapazitäten zu vermeiden. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist das Risiko immunisierter Personen, sich mit dem Coronavirus zu infizieren und dieses an andere Personen weiterzugeben, im Hinblick auf die bislang vorherrschende Delta-Variante in erheblichem Maße reduziert.


Dies gilt zwar nicht in gleicher Weise auch für die nunmehr im Vordringen befindliche Omikron-Variante. Allerdings spricht nach den bisherigen Erkenntnissen viel dafür, dass die Impfungen weiterhin einen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bieten und damit auch bei einer zunehmenden Verbreitung der Omikron-Variante zu einer Schonung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten beitragen. Testpflichten oder das Verwenden von FFP2-Schutzmasken stellen kein ebenso geeignetes Mittel dar, dieses Ziel zu erreichen.


Die mit der Maßnahme verbundenen wirtschaftlichen Einbußen stehen in der aktuellen pandemischen Lage auch nicht außer Verhältnis zu dem Regelungszweck. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass auch nichtprivilegierte Einzelhändler wie die Antragstellerin ihre Waren noch einer Vielzahl von Kunden anbieten können. Denn inzwischen sind in Nordrhein-Westfalen allein 73,5 % der Bevölkerung vollständig geimpft und damit von den angegriffenen Zugangsbeschränkungen nicht erfasst.
In der Privilegierung der von den Zugangsbeschränkungen ausgenommenen Ladengeschäfte liegt voraussichtlich kein Gleichheitsverstoß. Dass der Verordnungsgeber deren Warenangebot dem täglichen Grundbedarf zugeordnet und deswegen von den Zugangsbeschränkungen ausgenommen hat, ist sachlich vertretbar.
Der Beschluss ist unanfechtbar Aktenzeichen: 13 B 1858/21.NE



Eilanträge gegen die Schließung von Diskotheken bleiben ohne Erfolg
Münster, 22. Dezember 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute zwei Eilanträge abgelehnt, die sich gegen die Schließung von Diskotheken richten. Nach der derzeit geltenden Coronaschutzverordnung des Landes sind der Betrieb von Clubs, Diskotheken und vergleichbaren Einrichtungen sowie vergleichbare Veranstaltungen (öffentliche Tanzveranstaltungen, private Tanz- und Diskopartys und ähnliches) untersagt.


Die Antragstellerinnen, die jeweils Großraumdiskotheken in Hagen bzw. Rheine betreiben, haben geltend gemacht, die Schließung sei unverhältnismäßig und verletzte das allgemeine Gleichbehandlungsgebot. Im Hinblick auf die zuletzt noch zulässige Betriebsöffnung unter 2G-Plus-Bedingungen hätten sie Personal eingestellt, Ware eingekauft, Künstler gebucht und Tickets für zukünftige Wochenenden verkauft. Bei einer anhaltenden Schließung drohe ein erheblicher Schaden. Dem ist das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt.


Zur Begründung hat der 13. Senat ausgeführt: Die Untersagung des Betriebs von Clubs, Diskotheken und vergleichbaren Einrichtungen verletzt deren Betreiber nicht offensichtlich in ihren grundgesetzlich geschützten Rechten. Clubs und Diskotheken werden typischerweise unter besonders infektionsträchtigen Umständen betrieben. Ein Offenhalten unter 2G- oder 2G-Plus-Bedigungen stellt daher kein gleich wirksames Mittel zur Eindämmung der Infektionstätigkeit dar. Die Untersagung steht unter Berücksichtigung der derzeitigen pandemischen Lage auch nicht außer Verhältnis zu dem Regelungsziel, Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und eine Überlastung der (intensiv-)medizinischen Behandlungskapazitäten zu vermeiden.

Die Betreiber von Clubs und Diskotheken sind zwar durch die langen Schließungen bereits in früheren Phasen der Pandemie wirtschaftlich ganz erheblich betroffen. Dennoch müssen ihre Interessen zum gegenwärtigen Zeitpunkt erneut vorübergehend hinter den mit der Betriebsuntersagung verfolgten Interessen zurücktreten. Das Robert Koch-Institut bewertet die aktuelle Entwicklung als sehr
besorgniserregend. Danach sinken die Infektionszahlen derzeit im Hinblick auf die bereits bestehende hohe Belastung der Intensivstationen und die bevorstehende zusätzliche Belastung durch die zu erwartende Omikron-Welle nicht schnell genug.

Eine Intensivierung der kontaktbeschränkenden Maßnahmen sei dringend erforderlich, um Zeit zu gewinnen und die Behandlungskapazitäten vor Beginn einer zu erwartenden Omikron-Welle so weit möglich zu entlasten. Vor diesem Hintergrund überschreitet das Land seinen Einschätzungsspielraum voraussichtlich nicht, wenn es Clubs und Diskotheken bereits jetzt schließt, auch wenn es in NordrheinWestfalen noch nicht - wie in anderen Bundesländern - zu regionalen Überschreitungen der Intensivkapazitäten gekommen ist und zuletzt auch kein Anstieg der tagesaktuellen 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz zu beobachten war.


Der Verordnungsgeber darf mit seinen Maßnahmen auch dem Eintritt solcher Verhältnisse vorbeugen. Ein Gleichheitsverstoß drängt sich schließlich nicht auf, nachdem der Verordnungsgeber nunmehr nicht nur den Betrieb von Clubs, Diskotheken und vergleichbaren Einrichtungen, sondern auch öffentliche Tanzveranstaltungen, private Tanz- und Diskopartys und ähnliche Veranstaltungen untersagt hat.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 1867/21.NE und 13 B 1907/21.NE



Bundesgerichtshof entscheidet über Schadensersatzansprüche gegen die AUDI AG im Zusammenhang mit einem "verbrieften Rückgaberecht" -  VII ZR 389/21
Karlsruhe, 16. Dezember 2021 - Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Einbau eines Motors des Typs EA 897 in ein von der AUDI AG hergestelltes Fahrzeug vor dem Hintergrund der Nichtausübung eines darlehensvertraglich verbrieften Rückgaberechts entschieden.

In dem ursprünglich ebenfalls zur Verhandlung anstehenden Verfahren VII ZR 256/21, das die Haftung der AUDI AG und der Volkswagen AG für die sog. Aufheizstrategie betraf (vgl. Pressemitteilung Nr. 207/2021), ist die Revision der beiden beklagten Motor- bzw. Fahrzeugherstellerinnen zurückgenommen worden.

Sachverhalt: Der Kläger nahm die beklagte Motor- und Fahrzeugherstellerin - die AUDI AG - auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch. Der Kläger erwarb im Februar 2017 einen von der AUDI AG hergestellten Pkw Audi A6 Avant 3.0 TDI (Euro 6) als Gebrauchtwagen zum Preis von 46.800 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der AUDI AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 897 ausgestattet. Der Kaufpreis wurde finanziert über ein Darlehen der AUDI Bank. Der Darlehensvertrag verbriefte ein Rückgaberecht des Klägers dergestalt, dass er das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Schlussrate in der 9. Kalenderwoche 2021 an die Verkäuferin zu einem bereits festgelegten Kaufpreis zurückübertragen konnte.

Der Kläger hat davon keinen Gebrauch gemacht. Das Fahrzeug unterlag einem im Jahr 2018 erlassenen verpflichtenden Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Der Kläger ließ ein vom KBA freigegebenes Software-Update im Januar 2019 auf sein Fahrzeug aufspielen.

Bisheriger Prozessverlauf: Die in der Hauptsache auf Erstattung des Kaufpreises und der Finanzierungskosten unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichtete Klage war in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat mit dem heute verkündeten Urteil auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Hinsichtlich des verbrieften Rückgaberechts, das dem Kläger bei der Finanzierung des Fahrzeugkaufpreises eingeräumt worden war, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Schaden des Klägers nicht dadurch nachträglich entfallen ist, dass er dieses Recht nicht ausgeübt, sondern das Finanzierungsdarlehen vollständig abgelöst hat.

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung hätte der Kläger den Kaufvertrag in Kenntnis der - revisionsrechtlich zu unterstellenden - unzulässigen Abschalteinrichtung und wegen des daraus resultierenden Stilllegungsrisikos nicht abgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 19, 49 ff., BGHZ 225, 316; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 397/19 Rn. 16, WM 2020, 1642).

Der Schaden liegt in der Eingehung einer ungewollten Verpflichtung (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 47 f., BGHZ 225, 316). Dass der Kläger das Darlehen vollständig ablöste, anstatt das Fahrzeug zu den beim Erwerb festgelegten Konditionen an die Verkäuferin zurückzugeben, macht diese Verletzung seines wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts nicht ungeschehen. Der Nichtausübung des Rückgaberechts ist keine Zustimmung zu dem ursprünglich ungewollten Vertragsschluss zu entnehmen.

Allein der Fortführung des ursprünglich geschlossenen Finanzierungsvertrages durch Zahlung der Schlussrate kommt kein Bestätigungswille im Hinblick auf den Kaufvertrag zu. Dem Kläger ist auch keine Verletzung einer Obliegenheit zur Schadensminderung anzulasten. Das Risiko, bei Ausübung des Rückgaberechts wirtschaftlich schlechter zu stehen als bei einem Vorgehen - wie hier - im Wege des Schadensersatzes gemäß § 249 Abs. 1 BGB, musste der Kläger nicht eingehen. Die Rechtsprechung des Senats zur Berechnung des Nutzungsersatzes im Rahmen von Leasingverträgen (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20 Rn. 40 ff., WM 2021, 2056) ist auf den finanzierten Eigentumserwerb unter Einräumung eines Rückgaberechts nicht übertragbar.

Die Darlehensraten sind keine Gegenleistung für die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit. Ein Leasingnehmer erwirbt nur die Möglichkeit zur Nutzung für einen begrenzten, vorher festgelegten Zeitraum zu bestimmten, mit dem Leasinggeber vereinbarten Bedingungen. Dagegen beruht der fremdfinanzierte Kauf trotz der Rückgabeoption auf einer Investitionsentscheidung, die von vornherein auf den Eigentumserwerb gerichtet ist und dem Erwerber erst die Möglichkeit verschafft, das Fahrzeug dem Finanzierungsgeber zur Sicherung zu übereignen.

Ein widersprüchliches, womöglich den Anspruch gemäß § 242 BGB ausschließendes Verhalten des jeweiligen Klägers ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar. Da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu den übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB getroffen hat, war die Sache nicht zur Endentscheidung reif. Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 31 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. § 249 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

§ 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Vorinstanzen: VII ZR 389/21 Landgericht Hildesheim – Urteil vom 27. November 2019 – 2 O 40/19 Oberlandesgericht Celle – Urteil vom 31. März 2021 – 7 U 27/20 (S.7a)

Bundesgerichtshof zur Werbung für ärztliche Fernbehandlungen

Karlsruhe, 9. Dezember 2021 - I ZR 146/20 - Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen für ärztliche Fernbehandlungen geworben werden darf. Sachverhalt: Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte warb auf ihrer Internetseite mit der Aussage "Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlung und Krankschreibung per App." für die von einer privaten Krankenversicherung angebotene Leistung eines "digitalen Arztbesuchs" mittels einer App bei in der Schweiz ansässigen Ärzten.

Die Klägerin sieht in dieser Werbung einen Verstoß gegen das Verbot der Werbung für Fernbehandlungen nach § 9 HWG. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt. Im Laufe des Berufungsverfahrens ist § 9 HWG mit Wirkung zum 19. Dezember 2019 durch einen Satz 2 ergänzt worden. Danach gilt das nun in Satz 1 geregelte Werbeverbot für Fernbehandlungen nicht, wenn für die Behandlung nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision hat die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die beanstandete Werbung gegen § 9 HWG in seiner alten und in seiner neuen Fassung verstößt. Da es sich bei dieser Vorschrift um eine - dem Gesundheitsschutz dienende - Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG handelt, ist die Beklagte nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG zur Unterlassung der Werbung verpflichtet.

Die Beklagte hat unter Verstoß gegen § 9 HWG in seiner alten Fassung für die Erkennung und Behandlung von Krankheiten geworben, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen beruht. Eine eigene Wahrnehmung im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Arzt den Patienten nicht nur sehen und hören, sondern auch - etwa durch Abtasten, Abklopfen oder Abhören oder mit medizinisch-technischen Hilfsmitteln wie beispielsweise Ultraschall - untersuchen kann. Das erfordert die gleichzeitige physische Präsenz von Arzt und Patient und ist im Rahmen einer Videosprechstunde nicht möglich.

Nach § 9 Satz 2 HWG in seiner neuen Fassung ist das in Satz 1 geregelte Verbot zwar nicht auf die Werbung für Fernbehandlungen anzuwenden, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen. Zu diesen Kommunikationsmedien gehören auch Apps. Das gilt aber nur, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Mit den allgemein anerkannten fachlichen Standards sind - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht die Regelungen des für den behandelnden Arzt geltenden Berufsrechts gemeint.

Es kommt daher nicht darauf an, ob die beworbene Fernbehandlung den Ärzten in der Schweiz schon seit Jahren erlaubt ist. Der Begriff der allgemein anerkannten fachlichen Standards ist vielmehr unter Rückgriff auf den entsprechenden Begriff in § 630a Abs. 2 BGB, der die Pflichten aus einem medizinischen Behandlungsvertrag regelt, und die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auszulegen. Danach können sich solche Standards auch erst im Laufe der Zeit entwickeln und etwa aus den Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften oder den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß §§ 92, 136 SGB V ergeben.

Die Beklagte hat für eine umfassende, nicht auf bestimmte Krankheiten oder Beschwerden beschränkte ärztliche Primärversorgung (Diagnose, Therapieempfehlung, Krankschreibung) im Wege der Fernbehandlung geworben. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass eine solche umfassende Fernbehandlung den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemeinen fachlichen Standards entspricht. Da die Beklagte dies auch nicht behauptet hatte und insoweit kein weiterer Sachvortrag zu erwarten war, konnte der Bundesgerichtshof abschließend entscheiden, dass die beanstandete Werbung unzulässig ist.

Vorinstanzen: LG München I - Urteil vom 16. Juli 2019 - 33 O 4026/18 OLG München - Urteil vom 9. Juli 2020 - 6 U 5180/19
Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 3 Abs. 1 UWG Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. § 3a UWG Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. § 9 HWG in der bis zum 18. Dezember 2019 geltenden Fassung Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung).

§ 9 HWG seit dem 19. Dezember 2019 geltenden Fassung Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung). Satz 1 ist nicht anzuwenden auf die Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. § 630a BGB
(1) Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist. (2) Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.

November 2021

Bezirksregierung darf unangekündigt überwachen    
Münster/Düsseldorf, 07. Dezember 2021 - Die Bezirksregierung darf im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Anlagenüberwachung auch Kontrollen ohne vorherige Ankündigung durchführen. Das hat das Oberverwaltungsgericht NRW in Münster jetzt in einem Berufungsverfahren entschieden. Das Dezernat Abfallwirtschaft der Bezirksregierung Düsseldorf hatte im Juli 2018 die Anlage eines Unternehmens kontrolliert, ohne dies vorher anzukündigen. Dagegen hatte das Unternehmen geklagt und vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf Recht bekommen. Die Bezirksregierung ging darauf in Berufung.   

Das Oberverwaltungsgericht legte dar, dass eine unangekündigte Überwachung durch die Behörde unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von der Rechtsgrundlage des Bundes-Immissionschutzgesetzes (§ 52 Abs. 2 BImSchG) gedeckt sei. Die im Ermessen der Überwachungsbehörde stehende Entscheidung, die Durchführung einer Kontrolle im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Anlagenüberwachung nicht vorher anzukündigen, sei im Regelfall verhältnismäßig. Entgegen der Ansicht im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 17.01.2019 bedürfe es nach dem Sinn und Zweck der Kontrolle keiner einzelfallbezogenen Begründung durch die Behörde.  

Damit bestätigt das Oberverwaltungsgericht die Überwachungspraxis, so wie sie in Nordrhein-Westfalen ausgeübt wird.  Ein Erlass des NRW-Umweltministeriums (MULNV) aus dem Mai 2018 sieht ausdrücklich vor, dass im Rahmen von Umweltinspektionen Anlagen auch ohne vorherige Ankündigung überwacht werden sollen. Das Gericht hat die Revision zugelassen.



Lkw-Maut verstößt teilweise gegen Unionsrecht
Münster, 30. November 2021 - Die Erhebung der Lkw-Maut war in den Jahren 2010 und 2011 teilweise unions- rechtswidrig, weil bei der Berechnung der Mautsätze die Kapitalkosten der Autobahn- grundstücke fehlerhaft kalkuliert worden sind. Das hat das Oberverwaltungsgericht heute entschieden und die Bundesrepublik Deutschland zu einer teilweisen Rückerstattung von Mautgebühren an die Kläger verpflichtet.

Die Kläger, die ein Speditionsunternehmen mit Sitz in Polen betrieben, verlangten die Rückerstattung der im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 gezahlten Lkw-Maut in Höhe von rund 12.000 Euro. Das Verwaltungsgericht Köln hatte die Klage abgewiesen. Auf Vorlage des Oberverwaltungsgerichts hatte der EuGH am 28. Oktober 2020 entschieden, dass nach der EU-Wegekostenrichtlinie die Kosten für die Verkehrspolizei bei der Kalkulation der Lkw-Maut nicht berücksichtigt werden dürfen. Dies war nicht mehr Gegenstand des heutigen Urteils, nachdem die Bundesrepublik den Klägern insoweit die Mautge- bühren (rund 424 Euro) zwischenzeitlich erstattet hatte.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Bundesrepublik verpflichtet, den Klägern weitere 565 Euro an Mautgebühren zu erstatten. Außerdem müssen beide Rückerstattungs- beträge für die Zeit ab Zahlung der Maut bis zum Tag der Erstattung verzinst werden. Zur Begründung des Urteils hat die Vorsitzende des 9. Senats ausgeführt: Die Mautgebühren dürfen nach den Vorgaben der EU-Wegekostenrichtlinie die Infrastruktur- kosten nicht überschreiten. Damit ist es nicht vereinbar, wenn bei den Kapitalkosten der Autobahngrundstücke statt mit ihrem Anschaffungswert mit ihrem aktuellen Wie- derbeschaffungswert kalkuliert wird.

Anders als andere Anlagegüter erleiden Grund- stücke keinen Substanzverlust und müssen nicht nach einer gewissen Zeit erneut beschafft werden. Die per Gesetz festgelegten Mautsätze beruhen damit insoweit auf einer fehlerhaften Kalkulation, mit der den Mautzahlern Kosten angelastet werden, die über die Infrastrukturkosten hinausgehen.

Den weiteren unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Rügen der Kläger in dem als Musterklage geltenden Mauterstattungsverfahren ist der Senat hingegen nicht gefolgt. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Nichtzulassungsbe- schwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheidet.
Aktenzeichen: 9 A 118/16 (I. Instanz: VG Köln 14 K 7974/13)


Schulschließungen waren nach der im April 2021 bestehenden Erkenntnis- und Sachlage zulässig
Karlsruhe, 30. November 2021 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mehrere Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, die sich gegen das vollständige oder teilweise Verbot von Präsenzunterricht an allgemeinbildenden Schulen zum Infektionsschutz („Schulschließungen“) nach der vom 22. April bis zum 30. Juni 2021 geltenden „Bundesnotbremse“ richten.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit dieser Entscheidung erstmals ein Recht der Kinder und Jugendlichen gegenüber dem Staat auf schulische Bildung anerkannt. In dieses Recht griffen die seit Beginn der Pandemie in Deutschland erfolgten Schulschließungen in schwerwiegender Weise ein, wie die in den sachkundigen Stellungnahmen dargelegten tatsächlichen Folgen dieser Maßnahmen deutlich zeigen.
Diesem Eingriff standen infolge des dynamischen Infektionsgeschehens zum Zeitpunkt der Verabschiedung der „Bundesnotbremse“ Ende April 2021, zu dem die Impfkampagne erst begonnen hatte, überragende Gemeinwohlbelange in Gestalt der Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit und für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems gegenüber, denen nach der seinerzeit vertretbaren Einschätzung des Gesetzgebers auch durch Schulschließungen begegnet werden konnte.


Dafür, dass der Gesetzgeber in dieser Situation den Schülerinnen und Schülern den Wegfall von Unterricht in der Schule trotz der damit verbundenen schwerwiegenden Belastungen zumuten konnte, waren unter anderem folgende Faktoren von Bedeutung: Zu vollständigen Schulschließungen kam es - anders als bei den sonstigen Beschränkungen zwischenmenschlicher Kontakte - nicht bereits bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 im jeweiligen Landkreis oder der jeweiligen kreisfreien Stadt, sondern erst bei einem weit höheren Wert von 165. Die Länder waren verfassungsrechtlich verpflichtet, wegfallenden Präsenzunterricht auch während der Geltung der „Bundesnotbremse“ nach Möglichkeit durch Distanzunterricht zu ersetzen.

Die Schulschließungen waren auf einen kurzen Zeitraum von gut zwei Monaten befristet; damit war gewährleistet, dass die schwerwiegenden Belastungen nicht über einen Zeitpunkt hinaus gelten, zu dem der Schutz von Leben und Gesundheit etwa infolge des Impffortschritts seine Dringlichkeit verlieren könnte. Schließlich hatte der Bund bereits vor Verabschiedung der Bundesnotbremse Vorkehrungen mit dem Ziel getroffen, dass etwaige künftige, auch die Schulen betreffende Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie die Schülerinnen und Schüler möglichst nicht mehr derart schwerwiegend belasten.
Dazu zählen unter anderem eine vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Studie zur Erforschung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen („StopptCOVID-Studie“) sowie Finanzhilfen des Bundes an die Länder im Rahmen des „DigitalPaktSchule“ von insgesamt 1,5 Milliarden Euro zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Durchführung digitalen Distanzunterrichts.


Verfassungsbeschwerden betreffend Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite („Bundesnotbremse“) erfolglos
Karlsruhe, 30. November 2021 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in mehreren Hauptsacheverfahren Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen, die sich unter anderem gegen die durch das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG für einen Zeitraum von gut zwei Monaten eingefügten bußgeldbewehrten Ausgangsbeschränkungen sowie bußgeldbewehrten Kontaktbeschränkungen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG zur Eindämmung der Corona-Pandemie richteten.

Die beanstandeten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen waren Bestandteile eines Schutzkonzepts des Gesetzgebers. Dieses diente in seiner Gesamtheit dem Lebens- und Gesundheitsschutz sowie der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems als überragend wichtigen Gemeinwohlbelangen. Die Maßnahmen griffen allerdings in erheblicher Weise in verschiedene Grundrechte ein.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Maßnahmen anhand der allgemein für sämtliche mit Grundrechtseingriffen verbundenen Gesetze geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen geprüft. Danach waren die hier zu beurteilenden Kontakt- und selbst die Ausgangsbeschränkungen in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar; insbesondere waren sie trotz des Eingriffsgewichts verhältnismäßig.
Soweit in diesem Verfahren weitere Maßnahmen des Gesetzes zur Eindämmung der Pandemie angegriffen wurden, wie etwa die Beschränkungen von Freizeit- und Kultureinrichtungen, Ladengeschäften, Sport und Gaststätten, war die entsprechende Verfassungsbeschwerde nicht zulässig erhoben.


Urteile - VII ZR 238/20, VII ZR 243/20, VII ZR 257/20 und VII ZR 38/21
Schadensersatzansprüche: Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor

Karlsruhe, 25. November 2021 - Der unter anderem für Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben, zuständige VII. Zivilsenat hat in vier gleichzeitig verhandelten Sachen über Schadensersatzansprüche gegen die AUDI AG im Zusammenhang mit der sogenannten "Umschaltlogik" beim Motortyp EA 189 entschieden und hierbei die stattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen jeweils bestätigt.

Sachverhalt: In den vier Verfahren nahmen die jeweiligen Klageparteien die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch. Der Kläger im Verfahren VII ZR 238/20 erwarb im April 2014 einen von der Beklagten hergestellten Pkw Audi Q5 2.0 TDI als Gebrauchtwagen zum Preis von 20.500 €. Die Klägerin im Verfahren VII ZR 243/20 erwarb im März 2014 einen von der Beklagten hergestellten Pkw Audi A3 1.6 TDI als Gebrauchtwagen zum Preis von 12.000 €.

Der Kläger im Verfahren VII ZR 257/20 erwarb im November 2014 einen von der Beklagten hergestellten Pkw Audi A5 Sportback 2.0 TDI als Gebrauchtwagen zum Preis von 29.970 €. Der Kläger im Verfahren VII ZR 38/21 erwarb im Juni 2009 ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug Audi A4 2.0 TDI zum Preis von 30.526,80 €. Die vier Fahrzeuge sind jeweils mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Dieser verfügte über eine Software, die den Stickoxidausstoß im Prüfstand verringerte. Die Motorsteuerung war so programmiert, dass bei Messung der Schadstoffemissionen auf einem Prüfstand diese Situation erkannt wird.


Nach Bekanntwerden der "Umschaltlogik" verpflichtete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die Beklagte zur Entfernung der als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizierten Software und dazu, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Daraufhin wurde ein Software-Update entwickelt, welches auf das Fahrzeug der jeweiligen Klagepartei aufgespielt wurde.

Bisheriger Prozessverlauf: Die in der Hauptsache zuletzt jeweils auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat mit seinen vier heute verkündeten Urteilen die Revisionen der Beklagten zurückgewiesen.


 Das Berufungsgericht hat im Ergebnis in allen vier Fällen einen Schadensersatzanspruch der jeweiligen Klagepartei aus § 826 BGB zu Recht angenommen. Es hat in tatrichterlicher Würdigung rechtsfehlerfrei festgestellt, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten im Sinne von § 31 BGB die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat. Die Beklagte handelte sittenwidrig, indem sie Fahrzeuge mit dem von der Volkswagen AG gelieferten Motor EA 189, darunter die streitgegenständlichen Fahrzeuge, in den Verkehr brachte, obwohl nach den tatrichterlichen Feststellungen wenigstens eine verantwortlich für sie handelnde Person wusste, dass der Motor mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet war.

Zwar kann das sittenwidrige Verhalten eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters einer juristischen Person entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht mittels einer Zurechnung fremden Wissens entsprechend § 166 BGB begründet werden (Anschluss an BGH, Urteil vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669; Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, NJW 2017, 250). Auch scheidet vorliegend die vom Berufungsgericht angenommene Haftung wegen einer angeblich unzulässigen Organisation des Typgenehmigungsverfahrens aus. Ebenso wenig tragfähig sind die berufungsgerichtlichen Erwägungen, die Beklagte sei verpflichtet und in der Lage gewesen, den Motor EA 189 eigenständig auf Gesetzesverstöße zu überprüfen und zu diesem Zweck Auskünfte der Volkswagen AG einzuholen.

Etwaige Versäumnisse der Beklagten in dieser Hinsicht könnten grundsätzlich nicht den für eine Haftung aus § 826 BGB erforderlichen Vorsatz, sondern lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen. Das Berufungsgericht hat jedoch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise selbständig tragend die freie tatrichterliche Überzeugung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnen, dass wenigstens ein an der Entscheidung über den Einsatz des Motors EA 189 in Fahrzeugen der Beklagten beteiligter Repräsentant der Beklagten im Sinne des § 31 BGB von der - evident unzulässigen (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 17, VersR 2021, 388) - "Umschaltlogik" gewusst habe.


Gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist es grundsätzlich Sache des Tatrichters, unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Das Revisionsgericht kann insoweit nur prüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehler in diesem Sinne hat die Revision jeweils nicht aufgezeigt.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 31 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. § 166 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): (1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht. (2) […] § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. § 286 der Zivilprozessordnung (ZPO): Freie Beweiswürdigung (1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) […]

Artikel 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007: Im Sinne dieser Verordnung und ihrer Durchführungsmaßnahmen bezeichnet der Ausdruck: [...] "Abschalteinrichtung" ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird; [...] Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007: Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn: a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten; [...]

Vorinstanzen: VII ZR 238/20 Landgericht Ingolstadt – Urteil vom 21. Mai 2019 – 21 O 1939/17 Oberlandesgericht München – Urteil vom 30. November 2020 – 21 U 3457/19 und VII ZR 243/20 Landgericht Ingolstadt – Urteil vom 17. Januar 2019 – 44 O 379/18 Oberlandesgericht München – Urteil vom 30. November 2020 – 21 U 972/19 und VII ZR 257/20 Landgericht Ingolstadt – Urteil vom 22. November 2019 – 41 O 2463/18 Oberlandesgericht München – Urteil vom 30. November 2020 – 21 U 7307/19 und VII ZR 38/21 Landgericht Ingolstadt – Urteil vom 26. Juli 2019 – 51 O 1424/18 Oberlandesgericht München – Urteil vom 14. Dezember 2020 – 21 U 5181/19



Zeitlich unbegrenzte Erhebung von Erschließungsbeiträgen nach Eintritt der Vorteilslage mit dem Grundgesetz unvereinbar
Karlsruhe, 24. November 2021 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Kommunalabgabengesetzes Rheinland-Pfalz (KAG RP) mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG) insoweit unvereinbar ist, als danach Erschließungsbeiträge nach dem Eintritt der Vorteilslage zeitlich unbegrenzt erhoben werden können. Die Beitragspflichten verjähren in Rheinland-Pfalz zwar vier Jahre nach Entstehung des Abgabeanspruchs.

Der Beginn der Festsetzungsfrist knüpft damit allerdings nicht an den Eintritt der Vorteilslage an, weil die Entstehung des Abgabeanspruchs von zusätzlichen Voraussetzungen abhängt. So bedarf es unter anderem einer öffentlichen Widmung der Erschließungsanlage, die erst nach tatsächlicher Fertigstellung der Anlage erfolgen kann. Die tatsächliche Vorteilslage und die Beitragserhebung können somit zeitlich weit auseinanderfallen. Dies verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und ‑vorhersehbarkeit. Der Landesgesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.


Auswahlverfahren für Beigeordnetenstelle in Duisburg muss wiederholt werden
Münster, 17. November 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat mit heute bekannt gegebenem Beschluss vom 16. November 2021 der Stadt Duisburg vorläufig untersagt, die von ihr ausgeschriebene Stelle einer Beigeordneten/eines Beigeordneten für das Dezernat für Umwelt und Klimaschutz, Gesundheit, Verbraucherschutz und Kultur mit dem vom Rat gewählten Bewerber zu besetzen. Es hat damit der Beschwerde einer im Auswahlverfahren unterlegenen Bewerberin stattgegeben, die mit ihrem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf noch erfolglos geblieben war.

Der Rat der Stadt Duisburg muss nun eine erneute Auswahlentscheidung treffen. Zur Begründung seines Beschlusses hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts ausgeführt: Das Auswahlverfahren zur Besetzung der in Duisburg ausgeschriebenen Beigeordnetenstelle verletzt den Grundsatz der Bestenauslese. Danach hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt.


Die Wahl eines Beigeordneten durch den Rat ist zwar als freie und nur den Bindungen des Gesetzes und des Gewissens unterworfene Entscheidung der Ratsmitglieder einer inhaltlichen gerichtlichen Kontrolle entzogen. Das zur Wahl führende Verfahren muss aber dem Grundsatz der Bestenauslese genügen und der Rat darf die Auswahlentscheidung auch nicht in Teilen Dritten überlassen. Hier hat der Rat der Stadt Duisburg sich durch das von ihm beauftragte externe Personalberatungsunternehmen nicht lediglich - was zulässig gewesen wäre - organisatorisch unterstützen und fachlich beraten lassen. Vielmehr hat er diesem eine Vorauswahl der Bewerber überlassen, ohne selbst hierfür objektiv überprüfbare Kriterien festzulegen.


Hierdurch hat er die allein ihm obliegende Auswahlentscheidung in unzulässiger Weise aus der Hand gegeben. Das durch das beauftragte Personalberatungsunternehmen durchgeführte Vorauswahlverfahren hat zudem die Chancengleichheit der Kandidaten verletzt. Denn der Rat wurde durch die Personalberater über die Qualifikation der Bewerber nicht objektiv informiert und ging daher bei der Wahl des vorgeschlagenen Kandidaten zum Beigeordneten von einem verzerrt dargestellten Sachverhalt aus. Auch aus diesem Grund war dem Rat eine eigene Eignungsbeurteilung und eigenverantwortliche (Vor-)Auswahlentscheidung nicht möglich.
Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen 6 B 1176/21 (I. Instanz: VG Düsseldorf 26 L 999/21)

Zur Haftung der Fußballvereine für das Verhalten ihrer Anhänger

Karlsruhe, 4. November 2021 - Der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Schiedssprüche zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Schiedsspruch des "Ständigen Schiedsgerichts für die dritte Liga beim Deutschen Fußballbund" (Ständiges Schiedsgericht), mit dem eine gegen einen Ligateilnehmer für das Verhalten seiner Anhänger bei Heim- und bei Auswärtsspielen verhängte verschuldensunabhängige Geldstrafe bestätigt wurde, nicht gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstößt.

Sachverhalt: Die Antragstellerin ist die ausgegliederte Fußball-Profiabteilung des FC Carl Zeiss Jena e.V. Ihre erste (Männer-)Mannschaft spielte in der vom Antragsgegner, dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), als Profiliga ausgerichteten dritten Liga. Die Parteien schlossen Anfang 2018 einen Schiedsgerichtsvertrag, in dem für Streitigkeiten über Sanktionen die Zuständigkeit des Ständigen Schiedsgerichts vereinbart wurde. Bei einem Auswärtsspiel und zwei Heimspielen im Jahr 2018 brannten Personen im Fanblock der Antragstellerin pyrotechnische Gegenstände ab oder warfen Gegenstände in Richtung Spielfeld.

Bisheriger Prozessverlauf: Das Sportgericht des Antragsgegners belegte die Antragstellerin aufgrund dieser Vorfälle gemäß § 9a Nr. 1 und 2 der DFB-Rechts- und Verfahrensordnung (DFB-RuVO) mit einer Geldstrafe in Höhe von 24.900 €. Ihr wurde nachgelassen, hiervon einen Betrag in Höhe von bis zu 8.000 € für sicherheitstechnische, infrastrukturelle und gewaltpräventive Maßnahmen zu verwenden. Die Berufung der Antragstellerin wies das Bundesgericht des Antragsgegners zurück. Die dagegen erhobene Klage der Antragstellerin vor dem Ständigen Schiedsgericht blieb ohne Erfolg. Den Antrag, diesen Schiedsspruch aufzuheben, hat das Oberlandesgericht als unbegründet zurückgewiesen.

Die Anwendung der in § 9a DFB-RuVO geregelten Verbandsstrafenhaftung im Sinne einer objektiven Kausalhaftung für ein Fehlverhalten Dritter verstoße nicht gegen den ordre public im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts zurückgewiesen. Der Schiedsspruch verstößt nicht wegen einer Verletzung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Schuldgrundsatzes gegen den ordre public.

Die "Geldstrafe", die gegen die Antragstellerin für das Verhalten ihrer Anhänger verhängt und vom Schiedsgericht bestätigt worden ist, stellt keine strafähnliche Sanktion dar, die diesem Grundsatz unterliegen könnte. Sie dient nicht der Ahndung und Sühne vorangegangenen Fehlverhaltens der Antragstellerin, sondern soll den künftigen ordnungsgemäßen Spielbetrieb sichern. Die Sanktion ist nicht verhängt worden, weil die Antragstellerin Vorgaben des Antragsgegners zu Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten hätte, sondern weil die von der Antragstellerin ergriffenen Maßnahmen nicht ausgereicht haben, um Ausschreitungen ihrer Anhänger zu verhindern.


Die "Geldstrafe" soll die Antragstellerin dazu anhalten, zukünftig alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um mäßigend auf ihre Anhänger einzuwirken und so künftige Zuschauerausschreitungen zu verhindern. Sie soll die Antragstellerin dazu veranlassen, in ständiger Kommunikation mit und in Kontakt zu ihren Fans befriedend auf diese einzuwirken, situationsabhängig geeignete präventive Maßnahmen zu ergreifen und dadurch die von ihren Anhängern ausgehenden Gefahren für den Wettkampfbetrieb bestmöglich zu unterbinden.

Die Einordnung der "Geldstrafe" als präventive Maßnahme entspricht der Rechtsprechung des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS), der das Ziel der verschuldensunabhängigen Haftung gleichfalls nicht in der Bestrafung des Vereins, sondern in der Prävention und Abschreckung sieht.
Der Schiedsspruch verstößt auch nicht wegen einer eklatanten Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit oder wegen einer Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes gegen den ordre public. 
I ZB 54/20


Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main - Beschluss vom 23. Juni 2020 - 26 Sch 1/20 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 9a DFB-RuVO Verantwortung der Vereine 1. Vereine und Tochtergesellschaften sind für das Verhalten ihrer Spieler, Offiziellen, Mitarbeiter, Erfüllungsgehilfen, Mitglieder, Anhänger, Zuschauer und weiterer Personen, die im Auftrag des Vereins eine Funktion während des Spiels ausüben, verantwortlich. 2. Der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaften haften im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO Aufhebungsantrag (2) Ein Schiedsspruch kann nur aufgehoben werden, […] 2. wenn das Gericht feststellt, dass […] b) die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.

Kein Betreuungsanspruch ohne Nachweis einer Masernschutzimpfung oder einer Kontraindikation
Münster, 02. November 2021 - Einem dreijährigen Kind kann der Zugang zu einer Kindertageseinrichtung verwehrt werden, wenn die nach dem Infektionsschutzgesetz für den Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen erforderliche Masernschutzimpfung oder eine entsprechende Kontraindikation nicht hinreichend nachgewiesen ist. Das hat das Oberverwaltungsgericht mit Eilbeschluss vom 29. Oktober 2021 entschieden und damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen bestätigt.

Dem antragstellenden dreijährigen Jungen war trotz eines wirksamen Betreuungsvertrags der Besuch einer Kindertageseinrichtung in der Stadt Erkelenz verwehrt worden, weil seine Eltern für ihn weder einen Nachweis über ausreichenden Impfschutz oder eine Immunität gegen Masern noch ein ärztliches Zeugnis über eine medizinische Kontraindikation hinsichtlich der Impfung vorgelegt hatten. Die Eltern beriefen sich darauf, dass eine Impfung wegen diverser Allergien, unter anderem gegen verschiedene Inhaltsstoffe der Masernschutzimpfung, nicht in Betracht komme und legten ein entsprechendes Attest des behandelnden Arztes vor.

Zur Begründung hat der 12. Senat im Wesentlichen ausgeführt: Der erforderliche Nachweis über eine Kontraindikation ist trotz Vorlage des Attestes nicht erbracht, da erhebliche Zweifel am Beweiswert des - jedenfalls auf Plausibilität nachprüfbaren - ärztlichen Zeugnisses bestehen. Aus einer nachfolgenden ärztlichen Bescheinigung ergibt sich, dass der Feststellung der Impfunverträglichkeit keine medizinisch anerkannte Testung bzw. Diagnostik zugrunde lag, sondern sie lediglich auf den Angaben der Eltern beruhte. Dass es in der Vergangenheit bei dem Kind zu teilweise erheblichen allergischen Reaktionen auf andere Stoffe wie Birken- oder Haselpollen gekommen ist und damit möglicherweise auch ein erhöhtes Risiko für eine allergische Impfreaktion besteht, reicht auch für einen Erfolg im Eilverfahren nicht aus, zumal nach ärztlichen Angaben eine nähere allergologische Abklärung mittels eines Prick-Tests möglich ist.


Die maßgebliche Regelung des Infektionsschutzgesetzes ist auch nicht in einer Weise offensichtlich verfassungswidrig, dass ihre Nichtanwendung im Eilverfahren in Betracht kommt. Das Bundesverfassungsgericht hat zudem in seinem Beschluss vom 11. Mai 2020 - 1 BvR 469/20 -, betreffend die Verfassungsmäßigkeit des Nachweises über eine Masernschutzimpfung bzw. Kontraindikation das Interesse der Eltern und Kinder auf Betreuung in einer Gemeinschaftseinrichtung gegenüber dem öffentlichen Interesse, infektionsbedingte Risiken für Leib und Leben einer Vielzahl von Personen abzuwehren, zurücktreten lassen.

Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 12 B 1277/21 (I. Instanz VG Aachen 2 L 400/21)

Oktober 2021

Eilantrag zu 3G erfolglos
Münster, 29. Oktober 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute einen Eilantrag abgelehnt, der sich gegen die Pflicht für nicht geimpfte oder genesene Personen richtete, einen negativen Coronatest nachzuweisen. Nach der aktuellen nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung dürfen zahlreiche Einrichtungen, Angebote und Tätigkeiten nur noch von - durch vollständige Impfung oder überstandene Infektion - immunisierten oder getesteten Personen in Anspruch genommen, besucht oder ausgeübt werden.

Die weder geimpfte noch genesene Antragstellerin aus Dortmund ist Studentin und nimmt nach eigenen Angaben rege am gesellschaftlichen Leben teil. Zur Begründung ihres Antrags hat sie geltend gemacht, eine Testpflicht sei zur weiteren Gewährleistung ausreichender medizinischer Versorgungskapazitäten weder geeignet noch angemessen. Sie grenze Ungeimpfte aus und setze diese wegen der damit verbundenen erheblichen Kosten massiv unter Druck, sich impfen zu lassen. Darüber hinaus verstoße sie gegen das Gleichbehandlungsgebot, da immunisierte Personen sich nicht testen lassen müssten.

Dem ist das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt. Zur Begründung seines Eilbeschlusses hat der 13. Senat ausgeführt: Die Testnachweispflicht für nicht immunisierte Personen ist grundsätzlich geeignet, um nicht erkannte Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu entdecken, einem Infizierten den Zutritt zu der jeweiligen Einrichtung zu verwehren und damit die übrigen Besucher vor einer Infektion zu schützen. Auf diese Weise wird die Ansteckung mit einer potentiell tödlich verlaufenden Krankheit vermieden und werden medizinische Versorgungskapazitäten geschont.

Die Testnachweispflicht ist auch nicht erkennbar unangemessen. Aufgrund der kurzen Dauer und niedrigschwelligen Intensität führt ein Test selbst bei regelmäßiger Wiederholung nur zu einer geringfügigen körperlichen Beeinträchtigung, die mit Blick auf den damit bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Personen gerechtfertigt erscheint. Der Verordnungsgeber beschränkt im Wesentlichen nur den Zugang zu bestimmten Einrichtungen und Veranstaltungen im öffentlichen Raum mit infektionsbegünstigenden Umständen.


Zahlreiche elementare Angebote wie das Aufsuchen von Einzelhandelseinrichtungen, Arztbesuche oder die Nutzung des öffentlichen Personennah- und -fernverkehrs können weiterhin ohne negativen Testnachweis wahrgenommen werden. Gleiches gilt etwa für Sport im Freien oder die Außengastronomie. Dass die Tests für die meisten Bürger inzwischen kostenpflichtig sind, dürfte nicht zur Unzumutbarkeit des Testerfordernisses führen. Für die betroffenen Bürger besteht die Möglichkeit, sich alternativ zur Testung entsprechend der Empfehlung der Ständigen Impfkommission gegen COVID-19 impfen zu lassen.

Vor diesem Hintergrund ist es voraussichtlich nicht unangemessen, dass Personen in der Konsequenz ihrer freien Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, die hierfür entstehenden Kosten selbst zu tragen haben und diese nicht der Allgemeinheit auferlegt werden. Für die geltend gemachte Ungleichbehandlung gegenüber immunisierten Personen liegen rechtfertigende Sachgründe vor. Diese Personen tragen nach aktuellem Erkenntnisstand weniger zum Infektionsgeschehen bei, da bei ihnen das Risiko einer Virusübertragung stark vermindert ist. Auch weisen vollständig Geimpfte nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts einen sehr hohen Schutz vor Hospitalisierung sowie vor Behandlung auf einer Intensivstation auf.

Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 1393/21.NE

Bei finanziell leistungsfähigen Großeltern keine gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder - Beschluss vom 27. Oktober 2021 - XII ZB 123/21
Karlsruhe, 28. Oktober 2021 - Der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte zu klären, ob die sog. gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern auch dann besteht, wenn finanziell leistungsfähige Großeltern vorhanden sind. Diese Frage ist u.a. dafür von Bedeutung, ob ein erwerbstätiger Elternteil für den Kindesunterhalt sein oberhalb des sog. notwendigen Selbstbehalts (derzeit 1.160 €) liegendes Einkommen einzusetzen hat oder lediglich das Einkommen oberhalb seines sog. angemessenen Selbstbehalts (derzeit 1.400 €). Im zugrundeliegenden Fall hat ein Bundesland als Träger der Unterhaltsvorschusskasse Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht für den Zeitraum von Juni 2016 bis einschließlich Dezember 2017 verlangt.

Der Antragsgegner ist der Vater der im August 2010 geborenen M., die aus seiner inzwischen geschiedenen Ehe mit der Kindesmutter hervorgegangen ist, sowie eines Sohnes, dem er ebenfalls unterhaltspflichtig ist. Er verfügte über ein Nettoeinkommen von rund 1.400 € und zahlte an die Kindesmutter, deren Nettoeinkommen aus einer Teilzeittätigkeit rund 1.000 € betrug, monatlichen Unterhalt für M. in Höhe von 100 €.
Seine Eltern - die Großeltern von M. - hatten monatliche Nettoeinkünfte von fast 3.500 € bzw. gut 2.200 €. Die Unterhaltsvorschusskasse leistete für M. Unterhaltsvorschuss und nahm den Vater von auf sie übergegangenen Unterhalt in Höhe von insgesamt 758,29 € in Regress. Der Antragsgegner wandte ein, er hafte angesichts der leistungsfähigen Großeltern nur bis zur Höhe des angemessenen Selbstbehalts und sei deswegen nicht leistungsfähig.


Das Amtsgericht hat dem Zahlungsantrag in vollem Umfang entsprochen. Auf die Beschwerde des Vaters hat das Oberlandesgericht diese Entscheidung abgeändert und den Antrag abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat die dagegen vom Land eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen, weil der Vater nicht über die von ihm erbrachten Unterhaltszahlungen hinaus leistungsfähig im Sinne des § 1603 BGB war. Verwandte in gerader Linie haben einander nach § 1601 BGB Unterhalt zu gewähren, wobei die Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder derjenigen der Großeltern für ihre Enkel vorgeht (§ 1606 Abs. 2 BGB).

Unterhaltspflichtig ist nach § 1603 Abs. 1 BGB nicht, wer seinen angemessenen Unterhalt gefährden würde; der daraus abgeleitete angemessene Selbstbehalt eines Elternteils gegenüber seinem Kind betrug seinerzeit 1.300 €. Allerdings trifft Eltern minderjähriger Kinder gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weshalb ihnen insoweit nur der notwendige Selbstbehalt von seinerzeit 1.080 € zusteht. Diese sog. gesteigerte Verpflichtung tritt nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BGB nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist.


Wie der Bundesgerichtshof nun entschieden hat, führt das Vorhandensein von für den Enkelunterhalt leistungsfähigen Großeltern dazu, dass die gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder entfällt. Dies folgt nicht nur aus dem Gesetzeswortlaut, der nicht nach dem Verwandtschaftsgrad differenziert. Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der diese Regelung seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Vorstellung getroffen hatte, die Erweiterung der Unterhaltspflicht sei wegen der für die Eltern damit verbundenen Härte nicht gerechtfertigt, so lange andere zur Gewährung des Unterhalts verpflichtete Verwandte wie etwa Großeltern vorhanden sind. An dieser gesetzgeberischen Konzeption, die sich in die Konstruktion des Verwandtenunterhalts als Ausdruck der generationenübergreifenden Solidarität einfügt, hat sich bis heute nichts geändert.

Werden Großeltern für den Unterhalt ihrer Enkel herangezogen, stellt dies auch keine verdeckte Unterhaltsgewährung an die Kindeseltern dar. Vielmehr haften sie gemäß § 1607 Abs. 1 BGB originär nur auf Unterhalt gegenüber ihren Enkelkindern. Die Kindeseltern müssen ihren eigenen angemessenen Unterhalt selbst sicherstellen. Durch dieses Gesetzesverständnis wird das gesetzliche Rangverhältnis nicht in Frage gestellt. Zudem bleibt gewährleistet, dass die Ersatzhaftung der Großeltern die Ausnahme darstellt.

Dafür sorgt nicht nur die Anordnung des Vorrangs der elterlichen Unterhaltspflicht, sondern auch, dass Großeltern gegenüber ihren Enkeln ein deutlich höherer angemessener Selbstbehalt zusteht (derzeit 2.000 € zzgl. der Hälfte des über 2.000 € liegenden Einkommens) als den Eltern gegenüber ihren Kindern. Dass der Staat für Unterhaltsvorschusszahlungen keinen Regress (§ 7 Abs. 1 Satz 1 UVG) bei Großeltern nehmen kann, ist wiederum eine ganz bewusste gesetzgeberische Entscheidung, kann jedoch nicht dafür maßgeblich sein, welchen Umfang die zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern hat. Schließlich geben auch Praktikabilitätserwägungen keine Veranlassung zu einer abweichenden Gesetzesauslegung.

Bereits die Anzahl der Fälle, in denen intensivere Nachforschungen zu den Einkommensverhältnissen der Großeltern erforderlich sind, dürfte begrenzt sein. Vor allem aber muss ein auf Unterhalt in Anspruch genommener Elternteil in solchen Fällen nicht nur darlegen und beweisen, dass bei Unterhaltszahlung sein angemessener Selbstbehalt nicht gewahrt wäre, sondern auch, dass andere leistungsfähige Verwandte vorhanden sind. Danach traf den Vater hier keine gesteigerte Unterhaltspflicht, weil jedenfalls der Großvater ohne weiteres leistungsfähig für den Kindesunterhalt war. Unter Berücksichtigung des angemessenen Selbstbehalts musste der Vater daher über die bereits gezahlten 100 € hinaus keinen weiteren Kindesunterhalt leisten.


Vorinstanzen: AG Leipzig - Beschluss vom 27. Mai 2020 - 340 F 3031/19 OLG Dresden - Beschluss vom 8. Februar 2021 - 23 UF 474/20 § 1601 BGB Unterhaltsverpflichtete Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. § 1603 BGB Leistungsfähigkeit
(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. (…)
Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; ().
§ 1606 BGB Rangverhältnisse mehrerer Pflichtiger (1) (…) (2) Unter den Abkömmlingen und unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren. (…)
§ 1607 Ersatzhaftung und gesetzlicher Forderungsübergang (1) Soweit ein Verwandter auf Grund des § 1603 nicht unterhaltspflichtig ist, hat der nach ihm haftende Verwandte den Unterhalt zu gewähren. (…) § 7 UVG Übergang von Ansprüchen des Berechtigten (1) Hat der Berechtigte für die Zeit, für die ihm die Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz gezahlt wird, einen Unterhaltsanspruch gegen den Elternteil, bei dem er nicht lebt, (…) so geht dieser Anspruch in Höhe der Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz (…) auf das Land über. (…)



Herbst: Wer muss Bürgersteig vom Laub freihalten?  
- Reinigungspflicht kann übertragen werden
- Wer haftet bei Unfällen 

Coburg/Duisburg, 26. Oktober 2021 - Viele genießen den goldenen Herbst, wenn das Laub sich langsam verfärbt. Mit sinkenden Temperaturen verlieren Bäume aber auch ihre Blätter, Niederschläge nehmen zu. Beides zusammen verwandelt Bürgersteige in Rutschbahnen. Ohne Räumen ist ein Unfall schnell passiert.
Wer zum Besen greifen muss, regeln die meisten Kommunen in ihren Satzungen. Hier schreiben sie fest, ob und in welchem Umfang sich Hauseigentümer um die Reinigung der Bürgersteige kümmern müssen.

Gefährlich: Nasses Herbstlaub kann Bürgersteige schnell in rutschige Flächen verwandeln. Räumen ist deshalb für Hauseigentümer oder Mieter in vielen Kommunen Pflicht. Foto: HUK-COUBURG

Ereignet sich ein Unfall, hat der nicht nur eine strafrechtliche Seite. Hier geht es, wie die HUK-COBURG mitteilt, auch um persönliche Haftung. Bricht sich ein Passant beispielsweise das Bein, weil vergessen wurde, die Blätter wegzufegen, muss der Verantwortliche für den Schaden aufkommen. Ohne Haftpflichtversicherung kann das teuer werden: Im geschilderten Fall können dem Geschädigten Schmerzensgeld und falls er arbeitet auch eine Entschädigung für seinen Verdienstausfall zustehen.

Bleiben nach einem Unfall dauerhafte Schäden zurück, können sogar lebenslange Rentenzahlungen fällig werden. Ob und in welchem Umfang ein säumiger Laubräumer haftet, hängt allen Regeln zum Trotz oft von den speziellen Umständen des Einzelfalls ab. Sollte der Geschädigte den Rechtsweg beschreiten, steht die Haftpflichtversicherung ihrem Kunden zur Seite. 


Dauerhaftes Nutzungsverbot durch Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer ist rechtswidrig
Karlsruhe, 15. Oktober 2021 - Urteil  V ZR 225/20
Gegenstand der heute verkündeten Entscheidung des für das Wohnungseigentums-recht zuständigen V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist die Frage, ob Wohnungseigentümer die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums mit einem Mehrheitsbeschluss aus Gründen der Verkehrssicherheit dauerhaft verbieten können, wenn auch das Sondereigentum infolge des Verbots nicht mehr genutzt werden kann.

Sachverhalt: Das Verfahren betrifft ein nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteiltes, über 40 Jahre altes und stark sanierungsbedürftiges Parkhaus. Drei der insgesamt elf Ebenen des Parkhauses stehen als eigene Teileigentumseinheit im Sondereigentum der Klägerin. Sie vermietet ihre Einheit an ein benachbartes Hotel. Die übrigen Ebenen mit den Einheiten der Beklagten sind seit Jahren außer Betrieb.


Nachdem das Bauordnungsamt Nachweise für die Einhaltung der brandschutztechnischen Mindestanforderungen angefordert hatte, beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, dass die Ebenen, die zu der Einheit der Klägerin gehören, nicht mehr genutzt werden dürfen. Vor dem Hintergrund, dass die Gemeinschaft eine Sanierung bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgelehnt hatte, wurde der Klägerin gestattet, die brandschutztechnischen Mängel selbst und auf eigene Kosten zu beseitigen; erst nach Vorlage entsprechender Nachweise sollte sie die Nutzung wieder aufnehmen dürfen.


Bisheriger Prozessverlauf: Die Beschlussmängelklage der Klägerin hat das Amtsgericht abgewiesen. Ihre Berufung war erfolglos. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollte die Klägerin erreichen, dass der Beschluss für ungültig erklärt wird. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Die Revision hat Erfolg gehabt.


Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat der Beschlussmängelklage stattgegeben und den Beschluss für ungültig erklärt. Dabei hat sich der Bundesgerichtshof von folgenden Erwägungen leiten lassen: Im Grundsatz können die Wohnungseigentümer im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung ein auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogenes Nutzungsverbot zum Zwecke der Gefahrenabwehr beschließen. Das kommt aber jedenfalls dann nur aus zwingenden Gründen und in engen Grenzen in Betracht, wenn dadurch die zweckentsprechende Nutzung des Sondereigentums eingeschränkt oder - wie hier - sogar vollständig ausgeschlossen wird.

Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Wohnungseigentümer verpflichtet, die Behebung gravierender baulicher Mängel des gemeinschaftlichen Eigentums zu veranlassen, die eine Nutzung des Sondereigentums zu dem vereinbarten Zweck erheblich beeinträchtigen oder sogar ausschließen. Sie können sich nicht darauf berufen, dass ihnen die damit einhergehenden Kosten nicht zuzumuten seien. Dieser Verpflichtung zur Vornahme zwingend erforderlicher Maßnahmen können sich die Wohnungseigentümer auch nicht durch ein mehrheitlich verhängtes dauerhaftes Nutzungsverbot entziehen.

Als solches wirkt sich der angefochtene Beschluss faktisch aus, weil die Beseitigung der Brandschutzmängel der Klägerin überantwortet wurde. Ein dauerhaftes Nutzungsverbot könnte nur dann rechtmäßig sein, wenn, wie es das Berufungsgericht für richtig hält, eine Sanierungspflicht der Wohnungs-eigentümergemeinschaft gemäß § 22 Abs. 4 WEG aF (nunmehr § 22 WEG) ausgeschlossen wäre; dann müsste die Gefahrenabwehr durch Stilllegung des Gemeinschaftseigentums erfolgen.


Der Bundesgerichtshof hat nun geklärt, dass die Sanierungspflichten der Wohnungseigentümer, die aus der Überalterung bzw. der mangelnden Instandhaltung des Gebäudes herrühren, durch die genannte Vorschrift nicht begrenzt werden. Zerstört im Sinne von § 22 Abs. 4 WEG aF (nunmehr § 22 WEG) ist ein Gebäude nur dann, wenn seine Nutzbarkeit durch punktuelle Ereignisse (wie Brand, Überflutung oder Explosion) wesentlich beeinträchtigt oder aufgehoben ist. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm mit dem Zusammenhang von Zerstörung, Wiederaufbau und Versicherungsleistung.


Nach dem normalen Sprachgebrauch ist ein Gebäude nur dann zerstört, wenn seine Nutzbarkeit ganz oder teilweise aufgehoben ist, nicht hingegen deshalb, weil eine Sanierung hohe Kosten verursacht. Bestätigt wird diese Sichtweise dadurch, dass das Gebäude "zu mehr als der Hälfte seines Werts" zerstört sein muss, damit der Anspruch auf Wiederaufbau ausgeschlossen ist. Bei einem punktuellen Ereignis wie einem Flutschaden bezieht sich der Wertvergleich auf den realen Gebäudewert vor und nach der Zerstörung.

Bei einem Sanierungsstau fehlt es schon an einem konkreten Zeitpunkt, auf den ein "Vorher-Nachher-Vergleich" realer Werte bezogen werden könnte. Auch wenn die Gesetzesmaterialien unergiebig sind, dürften dem Gesetzgeber bei Abfassung der Norm kurz nach Kriegsende im Jahre 1951 Verschlechterungen von Gebäuden durch Bombenangriffe und damit durch punktuelle Ereignisse vor Augen gestanden haben. Eine analoge Anwendung der Norm scheidet ebenfalls aus.


Das Gesetz enthält schon keine planwidrige Regelungslücke. Der in § 22 Abs. 4 WEG aF geregelte Ausschluss des Wiederaufbaus steht in engem Zusammenhang mit der Aufhebung der Gemeinschaft, die das Gesetz grundsätzlich ausschließt (§ 11 WEG aF). Eine erleichterte Aufhebung der Gemeinschaft bei Überalterung des Gebäudes oder Unrentabilität der Sanierung ist im jüngsten Gesetzgebungsverfahren ausgiebig diskutiert worden, ohne dass dies in der zum 1. Dezember 2020 in Kraft getretenen Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes aufgegriffen worden wäre.

Die begrenzte Lebensdauer von Gebäuden könnte zwar auf rechtspolitischen Handlungsbedarf schließen lassen; eine planwidrige Regelungslücke ist aber nicht erkennbar, nachdem der Gesetzgeber in Kenntnis des Problems von einer Neuregelung abgesehen hat. Zudem lässt sich die Zerstörung eines Gebäudes auch nicht - wie es eine Analogie weiter voraussetzte - mit einem Sanierungsstau vergleichen. Gerade Brandschutzmängel, marode Leitungen oder energetische Defizite lassen sich bei älteren Gebäuden häufig nur mit sehr hohem Sanierungsaufwand beheben; trotzdem kann sich eine Sanierung als rentabel erweisen.

Erst recht lässt sich die Angemessenheit der Rechtsfolge des § 22 Abs. 4 WEG aF bei einem Sanierungsstau bezweifeln. Insbesondere bei Wohngebäuden erscheint es nämlich wenig überzeugend, einen Mehrheitsbeschluss über die Sanierung ab dem Erreichen einer Wertgrenze zu untersagen, obwohl die Mehrheit der Wohnungseigentümer die Nutzbarkeit ihrer Wohnungen dauerhaft sicherstellen möchte. Die mit dem Ausschluss des Wiederaufbaus zusammenhängende rechtspolitische Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gemeinschaft gegen den Willen einzelner Wohnungseigentümer beendet werden kann, darf nicht durch richterliche Rechtsfortbildung, sondern nur durch den Gesetzgeber entschieden werden.


In diesem Verfahren war ohnehin nicht die Aufhebung der Gemeinschaft, sondern allein die Wirksamkeit eines dauerhaften Nutzungsverbots zu beurteilen. Vorinstanzen: AG Augsburg - Urteil vom 24. Mai 2017 - 31 C 4282/16 WEG LG München I - Urteil vom 7. Oktober 2020 - 1 S 9173/17 WEG Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 11 Abs. 1 WEG aF (= § 11 Abs. 1 WEG nF) "Kein Wohnungseigentümer kann die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen. Dies gilt auch für eine Aufhebung aus wichtigem Grund. Eine abweichende Vereinbarung ist nur für den Fall zulässig, dass das Gebäude ganz oder teilweise zerstört wird und eine Verpflichtung zum Wiederaufbau nicht besteht."

§ 13 Abs. 1 WEG aF (= § 13 Abs. 1 WEG nF): "Jeder Wohnungseigentümer kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren, insbesondere diese bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen, und andere von Einwirkungen ausschließen."

§ 21 Abs. 3 WEG aF (vgl. § 19 Abs. 1 WEG nF): "Soweit die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt ist, können die Wohnungseigentümer eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschließen."

 § 22 Abs. 4 WEG aF (= § 22 WEG nF): "Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht gemäß § 21 Abs. 3 beschlossen oder gemäß § 21 Abs. 4 verlangt werden."


Grundsatzentscheidung zur Verbandsklagebefugnis von Mietervereinen
Münster, 07. Oktober 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat mit gestern zugestelltem Grundsatzurteil vom 23.9.2021 entschieden, dass ein in Regensburg ansässiger Mieterverein in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach dem Unterlassungsklagengesetz einzutragen ist. Hieraus folgt seine Befugnis, bestimmte Verbandsklagen im Verbraucherinteresse zu erheben. Der Mieterverein (Kläger) hatte beim Bundesamt für Justiz in Bonn die Eintragung in die dort bundesweit geführte Liste der qualifizierten Einrichtungen nach dem Unterlassungsklagengesetz begehrt.


Das Bundesamt lehnte den Antrag entsprechend seiner ständigen Verwaltungspraxis mit der Begründung ab, der Kläger gewährleiste neben der verbraucherbezogenen Aufklärung keine individuelle Beratung in persönlichen Gesprächen, die über den Kreis seiner Mitglieder hinaus allen Verbrauchern zugänglich sei. Das Verwaltungsgericht Köln hat das Bundesamt für Justiz verpflichtet, den Kläger in die Liste der qualifizierten Einrichtungen einzutragen.

Das Oberverwaltungsgericht wies die dagegen gerichtete Berufung des Bundesamts zurück und bestätigte damit im Ergebnis das Urteil des Verwaltungsgerichts. Zur Begründung führte der 4. Senat aus: Der Kläger erfüllt die Eintragungsvoraussetzungen nach dem Unterlassungsklagengesetz, weil es zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört, Interessen der Verbraucher in seinem Tätigkeitsbereich durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung wahrzunehmen.

Zum Erwerb der Verbandsklagebefugnis nach dem Unterlassungsklagengesetz muss ein Verein seit jeher - ebenso wie die klassischen Verbraucherverbände - im Einklang mit seiner Satzung Verbraucheraufklärung und -beratung im kollektiven Verbraucherinteresse betreiben, sich in seinem Tätigkeitsbereich also an die Verbraucherschaft insgesamt wenden. Dies bedeutet aber nicht, dass eine auf die eigenen Mitglieder beschränkte Aufklärung oder Beratung einer Eintragung in jedem Fall entgegensteht.

Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers muss Verbraucheraufklärung und -beratung, die im ausschließlichen Interesse der Verbraucher zu betreiben ist, einen solchen Umfang und eine solche Verbreitung haben, dass sie für eine größere Anzahl von Verbrauchern im Tätigkeitsbereich des Vereins merkbar ist. Mietervereine, für die dies zutrifft, werden seit jeher als klassische Verbraucherverbände bzw. -vereine angesehen.

Der Kläger hat neben seiner Aufklärung gegenüber der gesamten Verbraucherschaft im Raum Regenburg eine umfangreiche Beratungstätigkeit in mietrechtlichen Angelegenheiten belegt, die in regelmäßig jährlich 5.000 oder mehr individuellen persönlichen und telefonischen Einzelberatungen seiner Mitglieder besteht. Bei fast 5.000 Mietern als Mitgliedern, die diese Beratungstätigkeit in erheblichem Umfang in Anspruch nehmen, steht die Wirksamkeit der Verbraucherberatung, die für eine größere Anzahl von Verbrauchern im auf Regensburg und Umgebung beschränkten Tätigkeitsbereich des Vereins merkbar ist, außer Frage.

Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Aktenzeichen: 4 A 1073/20 (I. Instanz: VG Köln 1 K 3387/17)

Bundesgerichtshof bestätigt Musterfeststellungsklage zu Prämiensparverträgen

Bankkunden können nun mit hohen Zinsnachzahlungen rechnen

Düsseldorf/Karlsruhe, 6. Oktober 2021: Heute verhandelte der Bundesgerichtshof über die Musterfeststellungsklage „Zur Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen“, die die Verbraucherzentrale Sachsen im Mai 2019 gegen die Sparkasse Leipzig eingereicht hatte, und bestätigte den Urteilsspruch der Vorinstanz in den wesentlichen Punkten (Az. XI ZR 234/20). Die auf Verbraucherschutz spezialisierte Kanzlei baum reiter & collegen sieht damit die Rechte von Bankkunden deutlich gestärkt. 

Prämiensparverträge – oft nicht zum Vorteil der Verbraucher
Viele Geldinstitute, insbesondere Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken, haben ihren Kunden in den 1990er- und 2000er-Jahren langfristige Sparverträge mit Namen wie „Bonusplan“, „VorsorgePlus“ oder, wie im konkreten Fall, „S-Prämiensparen flexibel“ verkauft, die sich durch flexible Zinsanpassungsklauseln und jährlich steigende Prämien auszeichnen: so genannte Prämiensparverträge. Die Klauseln in den Verträgen erlauben es dem Kreditinstitut, den Zins des Prämiensparvertrages einseitig anzupassen. Bei der Anpassung orientieren sich Banken und Sparkassen regelmäßig an der allgemeinen Zinsentwicklung.
Die Verbraucherzentrale Sachsen hielt in dem betroffenen Fall zum einen die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und sah zum anderen die Verzinsung als zu niedrig an. Die Verbraucherschützer strengten deswegen im Frühjahr 2019 eine Musterfeststellungsklage an – mit Erfolg. „Die Falschberechnung der Zinsen zu Lasten der Kunden ist ein Skandal, den wir seit vielen Jahren anprangern. Wir begrüßen es, dass der Bundesgerichtshof der Praxis vieler Banken und Sparkassen einen Riegel vorschiebt“, sagt Kanzleigründer Prof. Dr. Julius Reiter.

Was bedeutet die Entscheidung für den Verbraucher?
Auch wenn die genauen Einzelheiten noch der schriftlichen Urteilsbegründung vorbehalten bleiben, lässt sich aus der heutigen Mitteilung des Bundesgerichtshofes schon folgendes wichtiges Fazit ziehen:

1. Die Zinsänderungsklauseln in den betroffenen Verträgen sind unwirksam. Die Banken und Sparkassen, müssen bei ihren Prämiensparverträgen zugunsten des Verbrauchers von Beginn des Vertrages an eine Nachberechnung vornehmen.
 
2. Der Anspruch auf Nachberechnung entsteht mit der wirksamen Beendigung des Sparvertrages. Dies bedeutet, dass die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren erst zu laufen beginnt, sobald der Vertrag beendet ist.

„Die nun auch vom BGH bestätigten Nachberechnungsansprüche können sich aufgrund der langen Laufzeiten oft zu mehreren tausend Euro addieren. Geschädigte Kunden sollten deshalb nicht zögern und dem positiven Feststellungsurteil jetzt schnell eine Individualklage folgen lassen“, empfiehlt Marko Martschewski, der Berliner Standortleiter von baum reiter & collegen. Er macht dabei auf Folgendes aufmerksam: „Ein Feststellungsurteil über eine Musterfeststellungsklage klärt nur Grundsatzfragen, liefert dem Bankkunden aber keinen Vollstreckungstitel. Eine gewonnene Musterfeststellungsklage bedeutet oft nur den ersten Schritt, um als geprellter Bankkunde zu seinem Recht zu kommen. Die Neuberechnung der Sparverträge und die Zahlung der fehlenden Zinserträge können oft nur durch individuelle Verfahren und Klagen der einzelnen Sparer durchgesetzt werden.“

 

Bundesgerichtshof entscheidet über Revisionen im Musterfeststellungsverfahren zu Prämiensparverträgen

Karlsruhe, Urteil vom 6. Oktober 2021 - XI ZR 234/20
Der u.a. für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 6. Oktober 2021 über die Revisionen des Musterklägers, eines Verbraucherschutzverbands, und der Musterbeklagten, einer Sparkasse, gegen das Musterfeststellungsurteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 22. April 2020 über die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen entschieden. Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf: Die beklagte Sparkasse schloss seit dem Jahr 1994 mit Verbrauchern sogenannte Prämiensparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach - bis zu 50% der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. In den Vertragsformularen heißt es u.a.: "Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit .. % p.a. verzinst."

In den in die Sparverträge einbezogenen "Bedingungen für den Sparverkehr" heißt es weiter: "Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist." Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung der Spareinlagen für zu niedrig. Er verfolgt mit seiner Musterfeststellungsklage sieben Feststellungsziele.

Mit diesen macht er die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel, die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und eines monatlichen Zinsanpassungsintervalls sowie die Verpflichtung der Beklagten geltend, die Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode vorzunehmen. Darüber hinaus möchte er festgestellt wissen, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens ab der wirksamen Beendigung der Sparverträge fällig werden, dass mit der Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschriften im Sparbuch keine den Verjährungslauf in Gang setzende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen begründenden Umstände verbunden ist und dass die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschriften im Sparbuch nicht dazu führt, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung der Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen gegeben ist.

Das Oberlandesgericht hat der Musterfeststellungsklage teilweise stattgegeben. Der Musterkläger verfolgt seine Feststellungsziele mit der Revision weiter, soweit das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die angegriffene Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität der Verzinsung der Spareinlagen unwirksam ist und dass die in den Prämiensparverträgen insoweit entstandene Regelungslücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu schließen ist.


Auf die Revision des Musterklägers hat er das Musterfeststellungsurteil des Oberlandesgerichts aufgehoben, soweit dieses keinen für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenzzinssatz bestimmt hat. Insoweit hat er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Darüber hinaus hat er entschieden, dass die Zinsanpassungen von der Musterbeklagten monatlich und unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz (Verhältnismethode) vorzunehmen sind. Er hat zudem entschieden, dass Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens mit Beendigung der Sparverträge fällig werden.

Die vom Musterkläger verfolgten Feststellungsziele zu Teilaspekten der Verjährung und Verwirkung hat er jeweils als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die angegriffene Klausel enthält bei der gebotenen objektiven Auslegung im Zusammenhang mit Ziffer 3.1 der Bedingungen für den Sparverkehr ein Zinsänderungsrecht der Musterbeklagten, wonach diese den Vertragszinssatz durch die Änderung eines Aushangs in ihrem Kassenraum ändern kann. Das Oberlandesgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität unwirksam ist, da sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist.

Rechtsfehlerhaft ist das Oberlandesgericht allerdings davon ausgegangen, es könne einen Referenzzinssatz deswegen nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bestimmen, weil im Verfahren über die Musterfeststellungsklage nicht auszuschließen sei, dass einzelne Sparverträge individuelle Vereinbarungen enthielten. Solche Individualvereinbarungen sind nur in den Klageverfahren zwischen den Verbrauchern und der Musterbeklagten zu berücksichtigen und schließen die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils nach § 613 Abs. 1 ZPO, nicht aber die Vornahme einer ergänzenden Vertragsauslegung im Musterfeststellungsverfahren aus.


Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge ist es interessengerecht, einen Zinssatz für langfristige Spareinlagen als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen heranzuziehen. Da das Oberlandesgericht - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen zu einem geeigneten Referenzzinssatz getroffen hat, wird es dies nach Zurückverweisung des Musterverfahrens nachzuholen haben.

Die Zinsanpassungen sind nach der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung in einem monatlichen Rhythmus vorzunehmen, weil der für langfristige Spareinlagen in Betracht kommende Referenzzinssatz in der von der Deutschen Bundesbank erhobenen Zinsstatistik monatlich veröffentlicht wird. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ist weiter davon auszugehen, dass bei den Zinsanpassungen der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beizubehalten ist. Nur eine solche Auslegung gewährleistet, dass das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibt, so dass günstige Zinskonditionen günstig und ungünstige Zinskonditionen ungünstig bleiben.

Rechtsfehlerfrei hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass die Ansprüche der Verbraucher auf weitere Zinsbeträge aus den Sparverträgen frühestens ab dem Zeitpunkt der Vertragsbeendigung fällig werden. Die in einem Sparguthaben enthaltenen Zinsen unterliegen derselben Verjährung wie das angesparte Kapital. Das gilt auch für den Verbrauchern bislang nicht gutgeschriebene Zinsbeträge. Die Möglichkeit der Verbraucher, vor Vertragsbeendigung eine Gutschrift von weiteren Zinsbeträgen einzuklagen, bewirkt keine Vorverlagerung der Fälligkeit des Anspruchs auf Auszahlung der weiteren Zinsbeträge. Der rechtlich nicht vorgebildete Verbraucher, auf den bei der Auslegung der in den Sparverträgen getroffenen Abreden abzustellen ist, erwartet aufgrund der vertraglichen Absprache über die Zinskapitalisierung, dass die Bank die vertraglich geschuldeten Zinsen auch dann am Ende eines Geschäftsjahres dem Kapital zuschlägt, wenn er sein Sparbuch nicht zum Nachtrag vorlegt.

Dieser berechtigten Erwartung widerspräche es, wenn der Anspruch auf Auszahlung der weiteren Zinsbeträge bei Vertragsbeendigung deswegen bereits verjährt wäre, weil der Anspruch auf Erteilung einer korrekten Zinsgutschrift nicht in einer die Verjährung hemmenden Art und Weise vom Verbraucher während der Laufzeit des Sparvertrags geltend gemacht worden ist. Die vom Musterkläger verfolgten Feststellungsziele zu Teilaspekten der Verjährung und Verwirkung sind im Musterfeststellungsverfahren unzulässig, weil sie nicht verallgemeinerungsfähig sind.

Die Frage, ob ein bestimmter Umstand geeignet ist, einem Verbraucher Kenntnis oder auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis von seinem Anspruch auf weitere Zinsbeträge zu verschaffen, lässt sich nur individuell abhängig von der Person des Verbrauchers beantworten. Die Verwirkung eines Anspruchs wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Zeit- und Umstandsmoment können dabei nicht voneinander unabhängig betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung. Die Frage, ob ein Umstandsmoment vorliegt, das zusammengenommen mit dem Zeitmoment eine Verwirkung des Anspruchs des Verbrauchers rechtfertigt, kann daher nur individuell und nicht in einem Musterverfahren beantwortet werden.


Vorinstanz: OLG Dresden - Musterfeststellungsurteil vom 22. April 2020 - 5 MK 1/19 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 133 BGB Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. § 157 BGB Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. § 308 Nr. 4 BGB
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam [...] 4. (Änderungsvorbehalt) die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist; […] § 613 Abs. 1 Satz 1 ZPO (1)

Das rechtskräftige Musterfeststellungsurteil bindet das zur Entscheidung eines Rechtsstreits zwischen einem angemeldeten Verbraucher und dem Beklagten berufene Gericht, soweit dessen Entscheidung die Feststellungsziele und den Lebenssachverhalt der Musterfeststellungsklage betrifft.

 

September 2021

Rats- und Ausschusssitzungen nur mit 3G-Nachweis
Oberverwaltungsgericht Münster, 30. September 2021 - Ratsmitglieder dürfen derzeit nur mit Nachweis einer Immunisierung oder Testung an Rats- und Ausschusssitzungen ihrer Gemeinde teilnehmen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht heute entschieden. Der gegen den Bürgermeister gerichtete Eilantrag eines Ratsmitglieds aus Salzkotten, der auf freien Zugang zu allen Rats- und Ausschusssitzungen ohne einen solchen Nachweis zielte, hatte damit in zweiter Instanz keinen Erfolg.

Der 15. Senat hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Rats- und Ausschusssitzungen sind Veranstaltungen im Sinne der Coronaschutzverordnung, an denen grundsätzlich nur noch immunisierte oder getestete Personen teilnehmen dürfen. Das Infektionsschutzgesetz bietet eine hinreichende, dem Parlamentsvorbehalt genügende gesetzliche Grundlage.

Dies hat das Gericht im Eilrechtsschutz für eine Vielzahl von beschränkenden Maßnahmen bereits zuvor bestätigt. Für die hier in Rede stehenden Auswirkungen auf das verfassungsrechtlich abgesicherte freie Mandat von Mitgliedern kommunaler Organe gilt nichts anderes. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der Ratsmitglieder liegt derzeit nicht vor.

Die Beschränkung des Zugangs kommunaler Mandatsträger zu Rats- oder Ausschusssitzungen auf Personen, die geimpft, genesen oder (negativ) getestet sind, dient dem legitimen Zweck des Infektionsschutzes. Die kurzzeitigen Beeinträchtigungen, die durch einen Schnelltest hervorgerufen werden, greifen nur geringfügig in die körperliche Unversehrtheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.

Zudem stehen jedenfalls bis einschließlich 10. Oktober 2021 allgemein kostenlose Bürgertestungen zur Verfügung. Im Hinblick auf den Wegfall der allgemeinen Kostenfreiheit ab dem 11. Oktober 2021 merkt der Senat jedoch an, dass für kommunale Mandatsträger wohl Vorkehrungen zu treffen sein werden, die sicherstellen, dass ihnen durch für die Mandatsausübung erforderliche Tests im Ergebnis keine Kosten entstehen.

Wegen der Bedeutung des freien Mandats und des kommunalen Ehrenamtes dürfte sich eine mit den Tests verbundene Kostenlast für den Mandatsträger als unzumutbar erweisen. Auch auf die Möglichkeit einer Immunisierung durch eine kostenlose Impfung muss sich ein Ratsmitglied insoweit nicht verweisen lassen.

Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 15 B 1529/21 (I. Instanz: VG Minden 2 L 595/21)

Eilantrag gegen die Maskenpflicht im Wahllokal ohne Erfolg
Münster, 23. September 2021 - Wählerinnen und Wähler müssen am kommenden Sonntag bei der Bundestagswahl im Wahllokal eine Maske tragen. Das Oberverwaltungsgericht hat heute einen Eilantrag gegen die bei der Bundestagswahl 2021 in Nordrhein-Westfalen geltende Maskenpflicht abgelehnt. Nach der aktuellen nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung ist in den Briefund Urnenwahlräumen für die Bundestagswahl 2021 und deren Zuwegen innerhalb des Wahlgebäudes mindestens eine medizinische Maske (OP-Maske) zu tragen; ausgenommen sind Personen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können.


Dagegen hat der aus Ennigerloh stammende Antragsteller unter anderem geltend gemacht, durch das Masketragen bei der Stimmabgabe in seinem allgemeinen Wohlbefinden und seiner Konzentration beeinträchtigt zu werden. Außerdem wolle er durch das Nichttragen einer Maske seine kritische Einstellung gegenüber den staatlichen Corona-Maßnahmen politisch kundtun. Letztlich verletze ihn die Maskenpflicht in seinem Wahlrecht. Dem ist der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts nicht gefolgt.

Zur Begründung seines Eilbeschlusses hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die Maskenpflicht im Wahlraum ist voraussichtlich eine verhältnismäßige Schutzmaßnahme. Die Einschätzung des Verordnungsgebers, dass das Tragen von Masken einen wesentlichen Beitrag zur Verhinderung von Infektionen leisten kann, ist unter Berücksichtigung seines Einschätzungs- und Prognosespielraums rechtlich nicht zu beanstanden. Ausgehend davon führt die zeitlich begrenzte einmalige Verpflichtung zum Tragen einer Maske im Wahlraum nicht zu einer unangemessenen Beschränkung der Rechte der davon Betroffenen.

Insbesondere hindert die insoweit regelmäßig auf wenige Minuten beschränkte Maskenpflicht die Wahlberechtigten nicht daran, ihr Wahlrecht durch Ankreuzen des Stimmzettels auszuüben. Die Stimmabgabe im Wahlraum wird hierdurch auch nicht in unzumutbarer Weise erschwert. Vor diesem Hintergrund werden das Demokratieprinzip oder die verfassungsmäßigen Rechte der Wahlberechtigten durch die angegriffene Regelung nicht erkennbar berührt.

Gleiches gilt in Bezug auf den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl, da der Zutritt zum Wahlraum während der Wahlhandlung sowie der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses jederzeit zumutbar möglich bleibt. Den Wahlberechtigten wird durch das Tragen der Maske schließlich auch nicht die Äußerung bestimmter Meinungen verboten oder umgekehrt die Äußerung einer bestimmten Meinung aufgezwungen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 1534/21.NE


Kein Anspruch auf Distanzunterricht statt Präsenzunterricht in der Corona-Pandemie
Münster, 22. September 2021 - Ein Düsseldorfer Schüler der 8. Klasse eines Gymnasiums hat keinen Anspruch darauf, dass der Präsenzunterricht durch Distanzunterricht ersetzt wird. Dies hat heute das Oberverwaltungsgericht entschieden und damit die Beschwerde des Schülers gegen einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zurückgewiesen.
Der Achtklässler hatte geltend gemacht, sein Recht auf körperliche Unversehrtheit genieße in der aktuellen Pandemielage von vornherein Vorrang vor der Schulbesuchspflicht. Auch habe das Land Nordrhein-Westfalen nur unzureichende Schutzmaßnahmen gegen eine Infektion von Schülerinnen und Schülern mit dem Coronavirus ergriffen. Dem ist der 19. Senat nicht gefolgt.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Ein Anspruch schulpflichtiger Schüler auf ausschließliche Erteilung von Distanzunterricht wird in der Regel nur bei einer individuellen gesundheitlichen Gefährdung der Schüler selbst oder ihrer in Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen in Betracht kommen, insbesondere aufgrund von Vorerkrankungen. Einen solchen Anspruch macht der Antragsteller jedoch nicht geltend, sondern beruft sich auf ein von einer besonderen Vulnerabilität unabhängiges allgemeines Gesundheitsrisiko aufgrund der Coronavirus-Pandemie.

In dieser Situation ist es Aufgabe des hierfür demokratisch legitimierten Gesetzgebers und der seiner Kontrolle unterliegenden Exekutive, im Spannungsverhältnis von Individualgrundrechten und Schulpflicht eine Abwägung vorzunehmen. Dabei müssen der Gesundheitsschutz bezogen auf das Risiko einer Infektion mit COVID-19 und etwaiger Folgeerkrankungen einerseits und körperlich-gesundheitliche und psychologische Beeinträchtigungen sowie soziale Auswirkungen aufgrund anhaltenden Distanzunterrichts andererseits einer vertretbaren Bewertung zugeführt werden. In dieser unzweifelhaft komplexen Entscheidungssituation steht dem Land ein Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum zu.

Die hierauf basierende schulorganisatorische Entscheidung für eine Rückkehr zum Präsenzunterricht in der aktuellen Form genügt den grundrechtlichen Anforderungen mit Blick auf staatliche Schutzpflichten gegenüber Schülern. Sie steht auch im Einklang mit den völker- und menschenrechtlichen Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention. Zum derzeitigen Zeitpunkt ist es vertretbar, am Präsenzunterricht unter Beachtung der in der Coronabetreuungsverordnung statuierten allgemeinen Regelungen für den schulischen Bereich, der Maskenpflicht, der Teilnahme- und Zugangsbeschränkungen für schulische Gemeinschaftseinrichtungen und der Schultestungen festzuhalten.
Flankiert wird dieses Schutzkonzept durch Quarantänebestimmungen zur Kontrolle des Infektionsgeschehens sowie durch Vorgaben des Ministeriums für Schule und Bildung, wonach eine Entbindung vom Präsenzunterricht zum Schutz vorerkrankter Angehöriger grundsätzlich, wenn auch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen und vorübergehend, in Betracht kommen kann.
Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 19 B 1458/21 (I. Instanz: VG Düsseldorf 7 L 1811/21)


Eilantrag gegen PCR-Testpflicht für Diskobesucher erfolglos

Münster/Duisburg, 10. September 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute einen Eilantrag gegen die PCR-Testpflicht für nicht immunisierte Diskothekenbesucher abgelehnt. Nach der aktuellen Coronaschutzverordnung dürfen nicht immunisierte Personen bei einer 7-TageInzidenz von 35 oder darüber eine Diskothek nur aufsuchen, wenn sie über einen aktuellen negativen PCR-Test verfügen.

Die Antragstellerin, eine GmbH, betreibt eine Großraumdiskothek in Hagen. Sie hat die maximale Gästeanzahl von 1.930 um die Hälfte reduziert und macht den Zutritt zu ihrer Diskothek für sämtliche Besucher von der Durchführung eines AntigenSchnelltests in einem von ihr betriebenen Corona-Testzentrum abhängig. Zur Begründung des Antrags hat sie unter anderem geltend gemacht, die Kosten und der höhere Planungsaufwand eines PCR-Tests würden etwa 30 Prozent ihrer potentiellen Gäste vom Besuch der Diskothek abhalten. Auch sei ein PCR-Test nicht erforderlich, da ein Antigen-Schnelltest ausreichend Sicherheit biete.

Im Übrigen sei nicht nachzuvollziehen, weshalb bei nicht immunisierten Schülern auf einen PCR-Test verzichtet werde und für Konzerte in Innenräumen sowie vergleichbare Aktivitäten ein Antigen-Schnelltest ausreichend sein solle. Dem ist das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt. Zur Begründung seines Eilbeschlusses hat der 13. Senat ausgeführt: Die angegriffene PCR-Testpflicht für nicht immunisierte Besucher von Diskotheken verletzt deren Betreiber nicht offensichtlich in ihren grundgesetzlich geschützten Rechten.

Der Verordnungsgeber trägt damit im Zusammenhang mit der Wiedereröffnung von Diskotheken dem Umstand Rechnung, dass dort besonders infektionsbegünstigende Bedingungen herrschen. Diskotheken werden in geschlossenen Räumen bei lauter Musik betrieben, die unabhängig von der Gästezahl und der im Einzelfall gegebenen Lüftungsmöglichkeit zumindest lautes Sprechen unabdingbar machen. Jedenfalls im Bereich der Tanzflächen sowie aufgrund einer alkoholbedingt enthemmten Grundstimmung kann die Wahrung des Mindestabstands nicht sichergestellt werden.

Die Pflicht zur Vorlage eines PCR-Tests, der im Vergleich zu einem AntigenSchnelltest eine höhere Sensitivität und Spezifität aufweist, ist daher voraussichtlich verhältnismäßig. Dass Schüler, die wöchentlich zwei Corona-Selbsttests durchführen müssen, nicht zusätzlich einen PCR-Test vorzulegen haben, stellt die Eignung der Maßnahme nicht in Frage. Die Ungleichbehandlung mit Besuchern von Konzerten schließlich ist sachlich gerechtfertigt. Im Gegensatz zu Diskotheken, wo sich Besucher frei ohne Maske bewegen können, dürfen Besucher von Konzerten ihre Masken nur an festen Sitz- oder Stehplätzen abnehmen.
Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 1412/21.NE


Europäischer Gerichtshof spricht Sensationsurteil zum Widerruf von Autofinanzierungen Stärkung der Rechte von Millionen Verbrauchern
Düsseldorf/Berlin, 9. September 2021 - Mit seiner heutigen Entscheidung über die korrekte Formulierung von Kreditverträgen durch deutsche Autobanken stärkt der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Widerrufsrechte von Millionen Kreditnehmern. Der EuGH stellt fest, dass sich Verbraucherdarlehen zeitlich unbefristet widerrufen lassen, sobald die Bank falsche Angaben im Kreditvertrag macht.    

Enthält ein Autokreditvertrag fehlerhafte oder unvollständige Angaben, kann er noch Jahre nach dem Vertragsschluss widerrufen werden. Das Urteil des EuGH betrifft nahezu alle Kreditverträge sämtlicher Autobanken. Somit wird Millionen Verbrauchern die Tür für einen erfolgreichen Widerruf geöffnet. Die Verbraucher können ihre Autofinanzierung beenden und sparen viele Tausend Euro, indem sie bereits gezahlte Raten einschließlich Anzahlung zurückerhalten. Der Weg zur Entscheidung  Das Landgericht Ravensburg legte dem EuGH im Jahr 2020 mehrere Fälle zur Entscheidung vor, bei denen es um fehlerhafte gesetzliche Pflichtangaben in Autokrediten der Volkswagen Bank, der Skoda Bank und der BMW Bank ging, Az. C-33/20, C-155/20 und C-187/20. Der Europäische Gerichtshof hatte darüber zu entscheiden, ob die von den Autobanken in ihren Kreditverträgen formulierten Angaben ausreichend sind, um den Verbraucher gemäß den europarechtlichen Anforderungen an einen effektiven Verbraucherschutz in genügendem Ausmaß zu informieren.   

In Deutschland kam es in der Vergangenheit vor Gericht immer wieder zu Streit darüber, welche sogenannten Pflichtangaben zwingend in den Kreditvertrag aufgenommen werden müssen und wie diese korrekt erteilt werden. Mit seiner Entscheidung vom 09.09.2021 korrigiert der EuGH die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) in mehreren Punkten. Das Urteil führt zu einer wesentlichen Änderung beim Widerrufsrecht privater Darlehensverträge und hat vor allem für Autokredite ganz erhebliche praktische Auswirkungen zu Gunsten der Verbraucher: EuGH korrigiert deutsche Rechtsprechung  Nunmehr kann nahezu jeder Kredit sämtlicher Autobanken zeitlich unbegrenzt widerrufen werden. Für den einzelnen Verbraucher bedeutet das einen finanziellen Vorteil von regelmäßig mehreren Tausend Euro.  

So stellt der EuGH entgegen der bisherigen Rechtsprechungspraxis des BGH klar, dass der Verzugszins im Kreditvertrag in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben ist und der Mechanismus von dessen Anpassung nachvollziehbar sein muss. Dabei soll die Darstellung der Berechnungsmethode für den Verbraucher leicht verständlich sein, und die Häufigkeit der Änderung des entsprechenden Basiszinssatzes muss im Kreditvertrag explizit genannt werden. Des Weiteren stellt der EuGH fest, dass die Bank den Verbraucher im Kreditvertrag selbst über alle außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren informieren muss und zusätzlich Hinweise auf die Verfahrenskosten zu erteilen sind.

Außerdem ist im Kreditvertrag die Methode für die Berechnung der bei einer vorzeitigen Rückzahlung des Kredits fälligen Entschädigung exakt darzustellen, sodass der Verbraucher die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung allein anhand der vertraglichen Informationen berechnen kann. Zudem verhält sich ein Verbraucher laut EuGH nicht rechtsmissbräuchlich, sobald er sein Recht zum Widerruf ausübt, wenn die Bank ihn im Kreditvertrag selbst nicht ausreichend über die gesetzlichen Pflichtangaben informiert hat. Die Tragweite der Entscheidung  Mit seiner aufsehenerregenden Entscheidung hat der EuGH ein weiteres Mal die Rechte der Verbraucher gestärkt. Das heutige Urteil hat Auswirkungen auf Millionen Kreditverträge nahezu sämtlicher Autobanken und darüber hinaus auch auf fast alle sonstigen Verbraucherkreditverträge.   

Da mehr als jedes dritte Fahrzeug in Deutschland durch einen Kredit finanziert ist, wird sich die Bankenwirtschaft in den kommenden Monaten auf eine große Klagewelle vorbereiten müssen. „Seit dem heutigen Tag sind die Aussichten der Verbraucher, vor Gericht erfolgreich zu sein, so vielversprechend wie nie zuvor. Deshalb sollten alle Käufer, die ihr Auto kreditfinanziert haben, jetzt schnell aktiv werden“, erklärt Kanzleigründer Prof. Dr. Julius Reiter. 


Duisburg: AfD darf den Volkspark Rheinhausen nicht für Wahlkampfveranstaltung nutzen

Münster/Duisburg, 09. September 2021 - Dem Kreisverband Duisburg der AfD bleibt verwehrt, eine für den 11. September 2021 geplante Wahlkampfveranstaltung im Volkspark Rheinhausen durchzuführen. Das Oberverwaltungsgericht hat heute in zweiter Instanz einen Eilantrag abgelehnt, mit dem die Partei die Überlassung eines Teils der unter städtischer Verwaltung stehenden Grünfläche verlangte.

Der 15. Senat ist der Argumentation der AfD, sie habe einen Nutzungsanspruch, weil der Volkspark in der Vergangenheit regelmäßig dem SPD-Ortsverein für die Durchführung des jährlichen Parkfestes zur Verfügung gestellt worden sei, nicht gefolgt und hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Wenn eine Kommune eine öffentliche Einrichtung im Rahmen ihrer bisherigen Vergabepraxis für die Durchführung von Veranstaltungen politischer Parteien zur Verfügung gestellt hat, entsteht dadurch ein Gleichbehandlungsanspruch anderer Parteien.

Eine unterschiedliche Vergabepraxis und -entscheidung muss durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein. Für die Entscheidung der Wirtschaftsbetriebe der Stadt Duisburg, der AfD die Nutzung des Volksparks zu verwehren, liegen solche Gründe vor. Zwar veranstaltet die SPD seit Jahrzehnten im Volkspark ein sogenanntes Parkfest. Nach den vorliegenden Erkenntnissen haben diese Parkfeste mit einem breiten Angebot aber in erster Linie unterhaltenden Charakter nach Art eines Bürgerfestes.

Mit ihrer musikalischen Ausrichtung fügen sie sich in den Erholungs- und Freizeitcharakter einer öffentlichen Parkanlage ein. Die von der AfD geplante „Wahlkampfveranstaltung“ hat hingegen ein deutlich anderes Gepräge, bei dem Elemente der Freizeit und Unterhaltung nur untergeordnet zum Tragen kommen. Nach den im Beschwerdeverfahren aktualisierten Angaben der Partei steht ein nahezu zweistündiger Block am Anfang des Programms, der mit dem Auftritt mehrerer Redner und der Vorstellung von Kandidaten ausschließlich der (örtlichen) Parteipolitik und Wahlwerbung gewidmet ist. Das anschließend geplante „gemeinsame Ausklingen“ ist gemäß der Anmeldung auf ein Zusammentreffen von „Besuchern und Kandidaten in freien Gesprächen“ angelegt.

Nennenswerte unterhaltende Elemente sind dabei nicht vorgesehen. Die insoweit angemeldeten Programmpunkte „Hüpfburg, Getränkewagen, Grill, Clown, Kinderschminken“ haben den Charakter eines die Parteiwerbung ergänzenden Beiwerks und zielen - abgesehen von den Verpflegungsmöglichkeiten - nur auf Kinder und Jugendliche.
Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 15 B 1468/21 (I. Instanz: VG Düsseldorf 20 L 1877/21)


Bundesgerichtshof zur Pflicht von Influencerinnen, ihre Instagram-Beiträge als Werbung zu kennzeichnen I ZR 90/20, I ZR 125/20, I ZR 126/20
Karlsruhe, 9. September 2021 - Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in drei Verfahren über die Frage entschieden, ob Influencerinnen mit ihren Instagram-Beiträgen gegen die Pflicht zur Kennzeichnung von Werbung verstoßen haben. Kläger ist in allen Verfahren ein Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder einschließlich der Verfolgung von Verstößen gegen das Lauterkeitsrecht gehört.
Die Beklagten sind Influencerinnen (darunter Cathy Hummels), die auf der Social-Media-Plattform Instagram auf ihren Instagram-Profilen Bilder veröffentlichen, die sie oftmals mit kurzen Begleittexten versehen. In einige Bilder haben sie sogenannte "Tap Tags" eingefügt, die beim Anklicken von auf den Bildern zu sehenden Produkten wie etwa Bekleidung erscheinen und die Firmen oder Marken der Hersteller oder Anbieter dieser Produkte nennen. Beim Anklicken eines "Tap Tag" wird der Nutzer auf das Instagram-Profil des jeweiligen Unternehmens weitergeleitet. Der Kläger sieht darin unzulässige Schleichwerbung und nimmt die Beklagten jeweils auf Unterlassung in Anspruch.

Zum Verfahren I ZR 90/20 - Influencer I: Sachverhalt: Die Beklagte veröffentlicht auf Instagram insbesondere Bilder von Sportübungen sowie Fitness- und Ernährungstipps. Darüber hinaus unterhält sie eine gewerbliche Internetseite, auf der sie Fitnesskurse und Personaltrainings gegen Entgelt anbietet und einen Online-Shop betreibt. Wird das Profil der Beklagten bei Instagram aufgerufen, erscheint unter anderem ein Hinweis auf diese Internetadresse. Einer der vom Kläger beanstandeten Instagram-Beiträge der Beklagten betrifft eine "Raspberry Jam" (Himbeer Marmelade). Beim Anklicken des abgebildeten Produkts erscheint ein "Tap Tag" mit dem Namen des Herstellers.

Beim Anklicken des "Tap Tags" wird der Nutzer auf das Instagram-Profil des Herstellers weitergeleitet. Für diesen Beitrag hat die Beklagte von dem Hersteller eine Gegenleistung erhalten. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG zu. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die streitgegenständlichen Instagram-Beiträge sind geschäftliche Handlungen der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zugunsten ihres eigenen Unternehmens sowie jedenfalls des fremden Unternehmens, von dem sie eine Gegenleistung für den Beitrag zur "Raspberry Jam" erhalten hat. Dieser Beitrag ist nicht hinreichend deutlich als Werbung gekennzeichnet. Dies rechtfertigt das beantragte Verbot. Influencer, die mittels eines sozialen Mediums wie Instagram Waren vertreiben, Dienstleistungen anbieten oder das eigene Image vermarkten, betreiben ein Unternehmen. Die Veröffentlichung von Beiträgen dieser Influencer in dem sozialen Medium ist geeignet, ihre Bekanntheit und ihren Werbewert zu steigern und damit ihr eigenes Unternehmen zu fördern.

 Eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens stellt die Veröffentlichung eines Beitrags - abgesehen von dem hier vorliegenden Fall, dass die Influencerin dafür eine Gegenleistung erhält - allerdings nur dar, wenn dieser Beitrag nach seinem Gesamteindruck übertrieben werblich ist, etwa weil er ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebt, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlässt. Allein der Umstand, dass Bilder, auf denen das Produkt abgebildet ist, mit "Tap Tags" versehen sind, reicht für die Annahme eines solchen werblichen Überschusses nicht aus. Bei einer Verlinkung auf eine Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts liegt dagegen regelmäßig ein werblicher Überschuss vor.

Die Prüfung, ob ein Beitrag übertrieben werblich ist, bedarf der umfassenden Würdigung durch das Tatgericht, an der es im Streitfall hinsichtlich der weiteren Beiträge, für deren Veröffentlichung eine Gegenleistung nicht festgestellt ist, fehlt. Der die "Raspberry Jam" betreffende Beitrag, für den die Beklagte eine Gegenleistung des Herstellers erhalten hat, verstößt gegen § 5a Abs. 6 UWG, weil der kommerzielle Zweck dieses Beitrags, den Absatz von Produkten dieses Herstellers zu fördern, nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht hinreichend kenntlich gemacht ist und sich auch nicht aus den Umständen ergibt.

 Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Verbraucher erkennen, dass die Beklagte mit der Veröffentlichung von Beiträgen auf ihrem Instagram-Profil zugunsten ihres eigenen Unternehmens handelt. Für die Verbraucher muss gerade der Zweck eines Beitrags, ein fremdes Unternehmen zu fördern, erkennbar sein. Das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks eines solchen mit "Tap Tags" und Verlinkungen versehenen Beitrags ist regelmäßig geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung - dem Anklicken des auf das Instagram-Profil des Herstellers führenden Links - zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Darüber hinaus verstößt der Beitrag zur "Raspberry Jam" gegen § 3a UWG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG sowie § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV, weil die darin liegende kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung nicht klar als solche zu erkennen ist.

Das Fehlen von Feststellungen zum werblichen Überschuss der übrigen Beiträge wirkt sich auf den Bestand des Berufungsurteils nicht aus, weil die unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform - das Instagram Profil der Beklagten - geltend gemachten Ansprüche schon im Blick auf die geschäftliche Handlung der Beklagten zugunsten des Unternehmens begründet sind, das für die Veröffentlichung des Beitrags zur "Raspberry Jam" eine Gegenleistung erbracht hat. Vorinstanzen: LG Göttingen - Urteil vom 13. November 2019 - 3 O 22/19 OLG Braunschweig - Urteil vom 13. Mai 2020 - 2 U 78/19

 

Zum Verfahren I ZR 125/20 - Influencer II: Sachverhalt: Die Beklagte unterhält bei Instagram einen Account, der von ihr überwiegend kommerziell genutzt wird und von 1,7 Millionen Nutzern abonniert war. Der Account ist verifiziert und daher am Anfang des Profils mit einem blauen Haken versehen. Die Beklagte veröffentlicht regelmäßig Bilder von sich selbst mit kurzen Begleittexten zu den Themen Beauty, Mode, Lifestyle und Reisen. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 sowie § 3a UWG in Verbindung § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG oder § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV zu.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Die beanstandeten Beiträge stellen nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts geschäftliche Handlungen der Beklagten dar. Soweit diese geschäftlichen Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens der Beklagten erfolgten, liegt kein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG vor, weil sich dieser kommerzielle Zweck nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Berufungsgerichts unmittelbar aus den Umständen ergibt. Soweit die Beklagte zugunsten anderer Unternehmen gehandelt hat, kann gleichfalls kein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG angenommen werden, weil dieses Verhalten der Beklagten den Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG, § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV bzw. § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV genügt.

Danach muss bei absatzfördernden Äußerungen in Telemedien zwar kommerzielle Kommunikation bzw. Werbung klar als solche erkennbar sein. Die beanstandeten Beiträge stellen aber mangels Gegenleistung eines Dritten keine kommerzielle Kommunikation bzw. keine Werbung im Sinne dieser Vorschriften dar. Bei diesen Bestimmungen handelt es sich um bereichsspezifische Spezialvorschriften, die den Anwendungsbereich der allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Bestimmung des § 5a Abs. 6 UWG einschränken. Die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen Nr. 11 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG liegen gleichfalls schon deshalb nicht vor, weil es an einer Finanzierung der beanstandeten Beiträge durch Dritte fehlt.

Vorinstanzen: LG Hamburg - Urteil vom 28. März 2019 - 403 HKO 127/18 OLG Hamburg - Urteil vom 2. Juli 2020 - 15 U 142/19 Zum Verfahren I ZR 126/20: Sachverhalt: Die Beklagte veröffentlicht auf Instagram regelmäßig Bilder von sich selbst, oftmals mit kurzen Begleittexten. Darin beschäftigt sie sich vor allem mit Themen wie Mode, ihrem Leben als Mutter eines Kleinkinds, Yoga oder Reisen. Diejenigen Instagram-Beiträge, für die die Beklagte nach eigenem Bekunden von den verlinkten Unternehmen bezahlt wird, kennzeichnet sie mit dem Hinweis "bezahlte Partnerschaft mit …".

Die streitgegenständlichen Beiträge enthielten keine entsprechende Kennzeichnung. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat angenommen, dem Kläger stehe kein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 6 UWG sowie § 3a UWG in Verbindung § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG oder § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV zu.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers
zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stellen die beanstandeten Beiträge zwar geschäftliche Handlungen der Beklagten zugunsten des eigenen Unternehmens dar und kann auch ein geschäftliches Handeln zugunsten fremder Unternehmen nicht ausgeschlossen werden. Soweit die geschäftlichen Handlungen zugunsten des eigenen Unternehmens der Beklagten erfolgten, liegt jedoch kein Verstoß gegen § 5a Abs. 6 UWG vor, weil sich dieser kommerzielle Zweck nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Berufungsgerichts unmittelbar aus den Umständen ergibt.

Hinsichtlich geschäftlicher Handlungen zugunsten fremder Unternehmen scheidet die Annahme eines Verstoßes gegen § 5a Abs. 6 UWG aus, weil die Beklagte für die beanstandeten Beiträge keine Gegenleistung erhalten hat und diese Beiträge daher den vorrangigen Spezialvorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG, § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV und § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV genügen (siehe dazu die vorstehenden Ausführungen zum Verfahren I ZR 125/20). Ein Verstoß gegen Nr. 11 der Anlage zu § 3 Abs. 3 UWG liegt danach ebenfalls nicht vor.

Vorinstanzen: LG München I - Urteil vom 29. April 2019 - 4 HK O 14312/18 OLG München - Urteil vom 25. Juni 2020 - 29 U 2333/19 Maßgebliche Vorschriften: § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet "geschäftliche Handlung" jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; […] § 3 Abs. 1 und 3 UWG (1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. (3)

Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig. Nr. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Absatz 3 sind […] 11. der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt (als Information getarnte Werbung); § 3a UWG Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 5a Abs. 6 UWG Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: […] 2. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt; […] § 2 Satz 1 Nr. 5 Buchst. b TMG

Im Sinne dieses Gesetzes […] 5. ist kommerzielle Kommunikation jede Form der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren, Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer sonstigen Organisation oder einer natürlichen Person dient, die eine Tätigkeit im Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen freien Beruf ausübt; die Übermittlung der folgenden Angaben stellt als solche keine Form der kommerziellen Kommunikation dar: […] b) Angaben in Bezug auf Waren und Dienstleistungen oder das Erscheinungsbild eines Unternehmens, einer Organisation oder Person, die unabhängig und insbesondere ohne finanzielle Gegenleistung gemacht werden; […] § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG Diensteanbieter haben bei kommerziellen Kommunikationen, die Telemedien oder Bestandteile von Telemedien sind, mindestens die folgenden Voraussetzungen zu beachten:

1. Kommerzielle Kommunikationen müssen klar als solche zu erkennen sein. § 2 Abs. 2 Nr. 7 Satz 1 RStV in der in der bis zum 6. November 2020 gültigen Fassung Im Sinne dieses Staatsvertrags ist […] 7. Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Rundfunk von einem öffentlich-rechtlichen oder einem privaten Veranstalter oder einer natürlichen Person entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern. § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV in der in der bis zum 6. November 2020 gültigen Fassung Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. § 2 Abs. 2 Nr. 7 Satz 1 MStV Im Sinne dieses Staatsvertrags ist […] 7.

Werbung jede Äußerung, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, oder des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, dient und gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung im Rundfunk oder in einem Telemedium aufgenommen ist. § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein.

OVG bestätigt Suspendierung einer Grundschulleiterin
Münster, 07. September 2021 - Die Schulleiterin einer Grundschule in Viersen durfte suspendiert werden, weil sie verpflichtende Corona-Schutzmaßnahmen an der Schule nicht beachtet hat. Das hat das Oberverwaltungsgericht mit heute bekannt gegebenem Beschluss vom 6. September 2021 entschieden und damit einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf bestätigt.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der 6. Senat ausgeführt: Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass zwingende dienstliche Gründe das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte rechtfertigen. Die Antragstellerin hat wiederholt gegen die unmittelbar aus der Corona-Betreuungsverordnung folgende Verpflichtung verstoßen, in der Schule eine Maske zu tragen. Von dieser Pflicht ist sie nicht aus medizinischen Gründen befreit, weil die von ihr vorgelegten ärztlichen Atteste sämtlich nicht die an einen derartigen Nachweis zu stellenden Mindestanforderungen erfüllen.

Durch ihre Weigerung, in der Schule eine medizinische Maske zu tragen, hat sie sich zugleich bewusst über eine ausdrückliche Weisung ihres Dienstherrn hinweggesetzt. Die Antragstellerin hat zudem Mitte April 2021 ihre Pflicht als Schulleiterin verletzt, wöchentlich zwei Corona-Selbsttestungen der Schülerinnen und Schüler an der Schule durchzuführen. Ferner bestehen Anhaltspunkte dafür, dass ihr weitere Pflichtverstöße im Zusammenhang mit der Einhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen an der Schule vorzuwerfen sind, wie etwa das unzureichende Lüften des Klassenraums während des Unterrichts und die Durchführung dienstlicher Besprechungen ohne Einhaltung des Mindestabstands.

Dem Einwand der Antragstellerin, die Verordnungsbestimmungen zur Maskenpflicht und zur Durchführung von Selbsttests an Schulen sowie die ihr dazu erteilten Weisungen seien rechtswidrig, ist der Senat nicht gefolgt. In der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts ist hinreichend geklärt, dass gegen die Maskenpflicht sowie die Durchführung von Selbsttests auf das Coronavirus an Schulen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestehen.

Das Verwaltungsgericht hat vor diesem Hintergrund zu Recht angenommen, dass eine ordnungsgemäße Dienstausübung von der Antragstellerin nicht zu erwarten ist. Angesichts der nach wie vor vorhandenen Uneinsichtigkeit der Antragstellerin ist weder jetzt noch in Zukunft davon auszugehen, dass sie gesetzlichen Regelungen und dienstlichen Anweisungen, die sie subjektiv für rechtswidrig oder unzweckmäßig erachtet, Folge leisten wird. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens an (Grund-)Schulen, das derzeit aufgrund des noch fehlenden Impfstoffs für Kinder unter 12 Jahren sowie des verhaltenen Impffortschritts in der Altersklasse der 12- bis 16jährigen besonders dynamisch ist.

Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen 6 B 1098/21 (I. Instanz: VG Düsseldorf 2 L 1053/21)

 

August 2021

Bebauungsplan für das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 ist unwirksam

Münster, 26. August 2021 - Der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat heute mit drei Urteilen auf die Anträge der Stadt Waltrop, des BUND Landesverband NRW sowie von vier Privatpersonen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 105a - Kraftwerk - der Stadt Datteln für unwirksam erklärt. Das Kraftwerk ist auf der Grundlage eines früheren Bebauungsplans, den der Senat 2009 für unwirksam erklärt hatte, und vollziehbarer immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen bereits errichtet und 2020 in Betrieb genommen worden. Gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des Kraftwerks aus dem Jahr 2017 sind Klagen beim 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts anhängig. Zur Begründung der Urteile führte der Vorsitzende des 10. Senats in der mündlichen Verhandlung aus: Die Wahl des Standortes für das Kraftwerk, das Gegenstand des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 105a ist, genügt nicht den einschlägigen gesetzlichen Anforderungen.

Der Rat der Stadt Datteln hat bei seiner Abwägung die auf der Ebene der Regionalplanung erfolgte fehlerhafte Standortauswahl übernommen. Die 7. Änderung des Gebietsentwicklungsplans Regierungsbezirk Münster Teilabschnitt Emscher-Lippe beruht auf einer Verletzung der Vorschriften über die Umweltprüfung und damit zugleich auf einem Abwägungsfehler.

Der für die Regionalplanung zuständige Regionalverband Ruhr ist mit Blick auf diese Vorschriften im Sinne der Umweltvorsorge gehalten gewesen, im Zusammenhang mit dem Umweltbericht frühzeitig anderweitige vernünftige Planungsmöglichkeiten zu ermitteln. Er hatte dabei den Suchraum für Standortalternativen wegen der ganz erheblichen umweltbezogenen Auswirkungen des Steinkohlekraftwerks, für das er die raumplanerische Grundlage schaffen wollte, möglichst weit zu bestimmen. Stattdessen hat er die Suche entgegen der Kritik im Erarbeitungsverfahren lediglich auf den Geltungsbereich des Gebietsentwicklungsplans Regierungsbezirk Münster Teilabschnitt Emscher-Lippe und damit auf einen Teil seines Zuständigkeitsbereichs begrenzt.

Auf diese Weise hat er sich den Blick auf möglicherweise vorzugswürdige anderweitige Planungsmöglichkeiten verstellt. Der Regionalverband Ruhr hat sich zudem hinsichtlich der Kriterien für die Suche nach anderweitigen vernünftigen Planungsmöglichkeiten ausschließlich an den Anforderungen des konkret in den Blick genommenen Steinkohlekraftwerks orientiert und damit auch insoweit die Suche fehlerhaft eingeschränkt. Anderweitige vernünftige Planungsmöglichkeiten etwa in Form von Standorten für ein Gaskraftwerk, das wesentlich geringere Anforderungen an den Raum stellt und erheblich weniger Auswirkungen auf die Umwelt hat, sind nicht ermittelt worden. Dafür, dass eine insoweit zweigleisige Suche nach alternativen Standorten im gesamten Zuständigkeitsbereich des Regionalverbands Ruhr von vornherein unverhältnismäßig gewesen wäre, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen: 10 D 106/14.NE, 10 D 40/15.NE und 10 D 43/15.NE

Dass der 10. Senat den Bebauungsplan für unwirksam erklärt hat, bedeutet nicht, dass das Kraftwerk nun nicht mehr betrieben werden darf. Grundlage hierfür ist die vollziehbare immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 19. Januar 2017. Gegen diese sind Klageverfahren beim für das Immissionsschutzrecht zuständigen 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts anhängig. Kläger sind der BUND, die Stadt Waltrop sowie vier Privatpersonen. Welche Bedeutung die Unwirksamkeit des Bebauungsplans für die Rechtmäßigkeit dieser Genehmigungen hat, ist eine Rechtsfrage, über die der 8. Senat zu entscheiden haben wird.

Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen mit jährlich 6 % ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig

Karlsruhe, 18. August 2021 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen in § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (im Folgenden: AO) verfassungswidrig ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt wird.

Die Verzinsung von Steuernachforderungen mit einem Zinssatz von monatlich 0,5 % nach Ablauf einer zinsfreien Karenzzeit von grundsätzlich 15 Monaten stellt eine Ungleichbehandlung von Steuerschuldnern, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, gegenüber Steuerschuldnern, deren Steuer bereits innerhalb der Karenzzeit endgültig festgesetzt wird, dar.

Diese Ungleichbehandlung erweist sich gemessen am allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG für in die Jahre 2010 bis 2013 fallende Verzinsungszeiträume noch als verfassungsgemäß, für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume dagegen als verfassungsidrig. Ein geringere Ungleichheit bewirkendes und mindestens gleich geeignetes Mittel zur Förderung des Gesetzeszwecks bestünde insoweit in einer Vollverzinsung mit einem niedrigeren Zinssatz.

Die Unvereinbarkeit der Verzinsung nach § 233a AO mit dem Grundgesetz umfasst ebenso die Erstattungszinsen zugunsten der Steuerpflichtigen. Das bisherige Recht ist für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar. Für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume sind die Vorschriften dagegen unanwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.

Anspruch auf Ersatz des "Minderwerts" bei Kauf eines VW-Diesels mit Prüfstanderkennungssoftware

Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20

Bundesgerichtshof Karlsruhe, 12. August 2021 - Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlung zuständige VI. Zivilsenat hat entschieden, dass dem Käufer eines Pkw VW mit Dieselmotor, der mit einer Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet ist, gegen den Fahrzeughersteller ein sogenannter kleiner Schadensersatzanspruch (Anspruch auf Ersatz des "Minderwerts") zustehen kann.

Sachverhalt Die Klägerin erwarb im Juli 2015 von einem Autohaus einen gebrauchten VW Passat Variant, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet ist. Die Beklagte ist Herstellerin des Wagens. Der Motor war mit einer Software versehen, die erkennt, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand im Testbetrieb befindet, und in diesem Fall in einen Stickoxid-optimierten Modus schaltet. Es ergaben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten.

Im Jahr 2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt gegenüber der Beklagten den Rückruf der mit dieser Software ausgestatteten Fahrzeuge an. Die Beklagte entwickelte in der Folge ein Software-Update, das vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegeben und auch im Fahrzeug der Klägerin aufgespielt wurde. Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zum Ersatz des Minderwerts des Fahrzeugs zu verurteilen und die Verpflichtung der Beklagten festzustellen, ihr die weiteren über den Minderwert hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die aus der Manipulation des Fahrzeugs resultieren würden.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht im Wege des Grundurteils den Anspruch auf Ersatz des Minderwerts für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung gegen die Abweisung der Feststellungsklage hat es zurückgewiesen. Entscheidung des Senats: Die Revision der Beklagten, mit der diese die vollständige Klageabweisung begehrte, blieb ohne Erfolg, ebenso die Revision der Klägerin, mit der diese ihren Feststellungsantrag weiterverfolgte. Die Beklagte ist der Klägerin gegenüber dem Grunde nach zum Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verpflichtet (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, Pressemitteilung Nr. 63/2020).

Die Klägerin könnte deshalb, wie sich aus dem genannten Senatsurteil ergibt, Erstattung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsvorteile auf der Grundlage der gefahrenen Kilometer Zug um Zug gegen Übertragung des Fahrzeugs verlangen (sogenannter großer Schadensersatz). Die Klägerin kann aber stattdessen das Fahrzeug behalten und von der Beklagten den Betrag ersetzt verlangen, um den sie das Fahrzeug – gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer erworben hat (sogenannter kleiner Schadensersatz). Für die Bemessung dieses kleinen Schadensersatzes ist zunächst der Vergleich der Werte von Leistung (Fahrzeug) und Gegenleistung (Kaufpreis) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich.

Sollte allerdings das Software-Update der Beklagten, das gerade der Beseitigung der unzulässigen Prüfstanderkennungssoftware diente, das Fahrzeug aufgewertet haben, ist dies im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Dabei sind in die Bewertung des Vorteils etwaige mit dem Software-Update verbundene Nachteile einzubeziehen. Ob und in welchem Umfang eine Differenz zwischen dem objektiven Wert des Fahrzeugs und dem Kaufpreis im Zeitpunkt des Kaufs bestand und ob und inwieweit sich durch das Software-Update diese Wertdifferenz reduziert hat, wird im nunmehr folgenden Betragsverfahren festzustellen sein.

In den so zu bemessenden Schaden (Minderwert) sind Nachteile, die mit der Prüfstanderkennungssoftware oder dem Software-Update (als etwaiger Vorteil) verbunden sind, bereits "eingepreist". Für die von der Klägerin gewünschte Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für diesbezügliche weitere Schäden ist daher kein Raum.

Vorinstanzen: Landgericht Rottweil - Urteil vom 30.11.2018 - 3 O 136/18 Oberlandesgericht Stuttgart - Urteil vom 11.12.2019 - 9 U 3/19 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. § 249 BGB (1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. …


Aufnahme in eine katholische Grundschule: Bekenntnisangehörige Kinder haben Vorrang
Münster/Duisburg, 4. August 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat mit heute bekannt gegebenem Beschluss vom 3. August 2021 seine Rechtsprechung bekräftigt, wonach der landesverfassungsrechtliche Vorrang bekenntnisangehöriger Kinder beim Zugang zu Bekenntnisschulen mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Es hat damit die Beschwerde eines in Datteln wohnhaften Jungen zurückgewiesen, der schon vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen erfolglos beantragt hatte, das Land Nordrhein-Westfalen zu verpflichten, ihn zum Schuljahr 2021/2022 vorläufig in eine städtische katholische Bekenntnisgrundschule aufzunehmen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der 19. Senat ausgeführt: Der geltend gemachte Gleichbehandlungsanspruch mit formell bekenntnisangehörigen Kindern besteht nicht. Der in der Landesverfassung verankerte Vorrang formell bekenntnisangehöriger Kinder bei der Aufnahme in öffentliche Bekenntnisschulen verstößt nicht gegen das grundgesetzliche Verbot der Benachteiligung wegen des Glaubens oder der religiösen Anschauungen.

 Die Bevorzugung der Bekenntnisangehörigen ist gerechtfertigt, weil das Grundgesetz von der Zulässigkeit öffentlicher Bekenntnisschulen ausgeht. Der Antragsteller kann auch nicht - wie er weiter geltend macht - als „Geschwisterkind“ aufgenommen werden, weil seine jüngeren Geschwister erst zu den nachfolgenden Schuljahren an der betreffenden Grundschule angemeldet werden sollen. Der Begriff des „Geschwisterkindes“ setzt voraus, dass im Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung ein oder mehrere Geschwister bereits Schüler der Schule sind oder zumindest im Aufnahmeschuljahr voraussichtlich sein werden.

Die Schulleiterin der Grundschule hat bei der Aufnahme ermessensfehlerfrei davon abgesehen, den Antragsteller als Härtefall einzustufen.

Die erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemachten familiären Härtegründe sind ausführlich gewürdigt worden. Die behaupteten Erschwernisse und Gefährdungen auf dem Schulweg zu zwei anderen Grundschulen haben kein solches Gewicht, dass die Schulleiterin den Antragsteller zwingend als Härtefall ansehen musste.
Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen 19 B 1095/21 (I. Instanz: VG Gelsenkirchen 4 L 741/21)

Juli 2021

Überschwemmungsschaden am Auto: Das müssen Kasko-Versicherte jetzt wissen Sammelbesichtigungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz starten

Coburg, 27. Juli 2021 - HUK-COBURG unterstützt die Kunden bei Reparatur, Abmeldung und Entsorgung des alten Wagens sowie bei Wiederbeschaffung eines neuen Fahrzeugs   Coburg, den 27.07.2021 Es ist eine Flutkatastrophe ungekannten Ausmaßes. Auch tausende Autos wurden durch Überschwemmungen in Folge des Starkregens in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Süddeutschland beschädigt oder zerstört.

Um die Vielzahl der Schäden möglichst schnell zu regulieren, startet die HUK-COBURG in dieser Woche mit Sammelbesichtigungen, bei denen beschädigte Fahrzeuge begutachtet werden und übernimmt im Bedarfsfall weitere organisatorische Tätigkeiten für ihre Kunden. Sollte aufgrund der Überschwemmung ein Fahrzeug fahruntüchtig sein, holen beauftragte Dienstleister die Autos ab und bringen sie zur Besichtigung. Nachdem Sachverständige die jeweilige Schadenhöhe festgestellt haben, erfolgt die Regulierung oder es schließen sich weitere Maßnahmen an, bei der die HUK-COBURG ihre Kunden unterstützt, z.B. bei der Reparatur, oder Entsorgung des alten Fahrzeuges und bei der Wiederbeschaffung eines neuen Wagens.

Ebenso übernimmt die HUK-COBURG die Abmeldung des Fahrzeugs, selbst wenn Dokumente oder Kennzeichen fehlen. Grundsätzlich kommt in den allermeisten Fällen die Kfz-Teilkasko, die auch in der Vollkasko enthalten ist, für Kosten zur Beseitigung von Schäden bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts des betroffenen Fahrzeugs auf. Im Gegensatz zur Wohngebäude- und Hausratversicherung sind Schäden durch Elementarereignisse wie Überschwemmung, Sturm oder Hagel in der Kasko automatisch mitversichert.

Das sollten Versicherte jetzt beachten
Kasko-Versicherte sollten ihren Schaden möglichst zeitnah und inklusive Fotos melden. Die HUK-COBURG empfiehlt dazu die Online-Schadenmeldung über huk.de und huk24.de. Nach erfolgter Meldung erhalten Betroffene einen Besichtigungstermin für eine Sammelbesichtigung in ihrer Nähe. Nachdem Sachverständige die jeweilige Schadenhöhe festgestellt haben, erfolgt die Regulierung oder es schließen sich weitere Maßnahmen an.  

Bis zur Begutachtung im Rahmen der Sammelbesichtigung dürfen Versicherte Maßnahmen einleiten, um Folgeschäden zu vermeiden, wenn diese gefahrlos möglich sind und zur Minderung von Schäden am Fahrzeug beitragen. Dazu gehören zum Beispiel das Öffnen von Fenstern oder das Trocknen des Innenraumes mithilfe von Nasssaugern. Der Zustand des Fahrzeuges sollte vorher durch Fotos dokumentiert werden, ebenso wie gegebenenfalls die Maßnahmen selbst.

Die HUK-COBURG warnt davor, den Motor eines überschwemmten Autos selbst zu starten, da Motorschäden möglich sind. Auch kann es aufgrund von Schäden an der Bordelektronik zum unerwarteten Auslösen des Airbags kommen. Erste Fälle sind dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft, GDV, bereits bekannt.

Juni 2021

Aufhebung einer Erlaubnis zur Kindertagespflege rechtmäßig
Münster, 23. Juni 2021 - Eine Tagesmutter besitzt nicht mehr die erforderliche Eignung für die Kindertagespflege, wenn sie ihren wegen schweren Kindesmissbrauchs vorbestraften Ehemann unter anderem mit Hausmeistertätigkeiten in den Betrieb einer Großtagespflegestelle einbindet. Das hat das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. Juni 2021 entschieden und damit einen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt.

Die Antragstellerin betrieb mit einer weiteren Tagespflegeperson eine Großtagespflege in Siegburg. Bei einem unangemeldeten Hausbesuch durch Mitarbeiter des Jugendamtes befand sich der Ehemann der Antragstellerin in den Räumlichkeiten der Großtagespflege. Außerdem überließ die Antragstellerin ihm vorübergehend die Aufsicht über zwei Tageskinder. Von Eltern der betreuten Kinder gab es ebenfalls Meldungen, dass sich der Ehemann der Antragstellerin wiederholt während der Betreuungszeiten in der Großtagespflege aufgehalten habe.

Der Ehemann der Antragstellerin war unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in den Jahren 1997 bis 2005 zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Ein nach Verbüßung der Haft ausgesprochenes Kontaktverbot zu Kindern und Jugendlichen war im Jahr 2017 ausgelaufen. Nachdem die Stadt Köln die Tagespflegeerlaubnis der Antragstellerin aufgehoben hatte, wandte diese sich mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht Köln. Sie machte geltend, ihr Ehemann habe sich lediglich zu Hausmeistertätigkeiten in der Großtagespflege aufgehalten. Dabei sei eine Überschneidung mit den Betreuungszeiten der Kinder nicht immer vermeidbar gewesen.

Das Verwaltungsgericht Köln lehnte den Eilantrag ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg. Zur Begründung hat der 12. Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die für die Erlaubnis zur Kindertagespflege erforderliche Eignung der Kindertagespflegeperson verlangt, dass diese die von ihr betreuten Kinder auch vor möglichen Schädigungen und Gefährdungen durch Dritte schützt. Damit ist es unvereinbar, dass die Antragstellerin ihren Ehemann mit Hausmeistertätigkeiten betraut hat, ohne sicherzustellen, dass diese außerhalb der Anwesenheitszeiten der Kinder erfolgen.

Ebenso gilt dies für eine auch nur kurzzeitige Überlassung der Tagespflegekinder zur Betreuung. Schon daraus ergibt sich eine drohende Kindeswohlgefährdung. Ob, was die Antragstellerin bestreitet, ihr Ehemann darüber hinaus den Eltern gegenüber wie ein Teammitglied vorgestellt worden ist sowie sich regelmäßig und nicht nur kurzzeitig unter anderem zu den Bringzeiten in der Tagespflegestelle aufgehalten hat, bedarf daher voraussichtlich auch im Hauptsacheverfahren keiner weiteren Aufklärung. Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 12 B 910/21 (I. Instanz. VG Köln 19 L 458/21)

Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung eines ehemals Infizierten

Bundesverfassungsgericht Karlsruhe, 18. Juni 2021 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der der Beschwerdeführer eine unzulässige Benachteiligung durch die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmeV) geltend macht.
Die Verordnung sieht keine Ausnahmen für Personen vor, deren Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mehr als sechs Monate zurückliegt, die aber nach wie vor über ausreichend neutralisierende Antikörper gegen das Coronavirus im Blut verfügen und die das mittels eines aktuellen Nachweises neutralisierender Antikörper auch belegen können.

Mai 2021

Zur sogenannten doppelten Besteuerung von Renten:  Bei privaten Renten kann es systembedingt nicht zu einer doppelten Besteuerung kommen 
München, 31. Mai 2021 -  Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer zweiten Entscheidung vom 19.05.2021 (X R 20/19) zahlreiche weitere Streitfragen zum Problem der sog. doppelten Rentenbesteuerung geklärt. Er hat nicht nur über die Behandlung von Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente und Fragen der sog. Öffnungsklausel entschieden. Er hat auch klargestellt, dass es bei Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung (kurz: privaten Renten), die – anders als gesetzliche Altersrenten – lediglich mit dem jeweiligen Ertragsanteil besteuert werden, systembedingt keine Doppelbesteuerung geben kann.


Zudem hat er entschieden, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers gehören, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente. Die Revision der Kläger, die eine doppelte Besteuerung eines Teils der bezogenen Renten beanstandet hatten, blieb ohne Erfolg.


Der Kläger war als Zahnarzt Pflichtmitglied eines berufsständischen Versorgungswerks, blieb allerdings freiwilliges Mitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er erhielt im Streitjahr 2009 von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente und Zusatzleistungen aus der dortigen Höherversicherung. Zudem bezog er mehrere „Rürup“-Renten, ebenso zahlreiche Renten aus privaten Kapitalanlageprodukten. Das Finanzamt setzte für die gesetzliche Altersrente einschließlich der Leistungen der Höherversicherung den sich nach der gesetzlichen Übergangsregelung ergebenden Besteuerungsanteil von 58 % an. 42% der ausgezahlten Rente blieben steuerfrei.

Im Hinblick auf die hohen Beitragsleistungen des Klägers in zwei Versorgungssysteme wandte das Finanzamt die sog. Öffnungsklausel an. Diese ermöglicht es, in bestimmten Konstellationen die Rente zumindest teilweise mit dem günstigeren Ertragsanteil zu versteuern. Die „Rürup“-Renten des Klägers brachte das Finanzamt mit dem Besteuerungsanteil, die sonstigen privaten Leibrenten – wie vom Gesetz vorgesehen – mit dem Ertragsanteil in Ansatz.

Das Finanzgericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Kläger hielten die Entscheidung der Vorinstanz aus mehreren Gründen für unzutreffend. Sie meinten die gesetzliche Altersrente, eine der „Rürup“-Renten und diverse Renten aus privaten Versicherungen würden unzulässigerweise doppelt besteuert, weil nach ihren Berechnungen die aus versteuertem Einkommen erbrachten Beiträge höher seien als der steuerfreie Teil der zu erwartenden Rentenzahlungen. Der BFH sah dies anders. Er entschied, dass die Leistungen aus der freiwilligen Höherversicherung zur gesetzlichen Altersrente (§ 269 Abs. 1 SGB VI) als Teil der Rente einheitlich mit den regulären Rentenbezügen zu versteuern sind.


Dass jene Leistungen sozialversicherungsrechtlich zu einer überdurchschnittlichen Versorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung führen und ausschließlich aus eigenen Beiträgen des Versicherten finanziert wurden, erachtete der BFH als unerheblich.

Dagegen teilte der BFH die Auffassung der Kläger, dass die gesetzliche Öffnungsklausel, die bei überobligatorisch hohen Einzahlungen in ein Altersvorsorgesystem der Gefahr einer doppelten Besteuerung von Renten vorbeugen soll, nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur auf Antrag des Steuerpflichtigen anwendbar ist. Sie hätte danach im Streitfall keine Anwendung finden dürfen, weil die Kläger keinen entsprechenden Antrag gestellt hatten. Trotzdem blieb ihre Revision auch in diesem Punkt ohne Erfolg, denn die unzutreffende Anwendung der Öffnungsklausel verletzte die Kläger nicht in ihren Rechten. Die ihnen durch die Anwendung der Öffnungsklausel zu Unrecht gewährte Entlastung fiel nämlich höher aus als der Betrag, der ohne Geltung der Öffnungsklausel für das Streitjahr als doppelt besteuert anzusehen wäre. Die Frage, ob Steuerpflichtige, die bewusst keinen Antrag auf Anwendung der  gesetzlichen Öffnungsklausel zur niedrigeren Besteuerung ihrer Altersrente stellen, überhaupt eine doppelte Besteuerung rügen können, musste daher offen bleiben.

Der BFH stellte zudem klar, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentenbeziehers, sondern auch die eines etwaig länger lebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu rechnen sind. Im Streitfall war daher auch der steuerfrei bleibende Teil einer späteren – bei statistischer Betrachtung wahrscheinlichen – Witwenrente der Klägerin zu berücksichtigen. Regelmäßige Anpassungen einer der Basisversorgung dienenden gesetzlichen oder „Rürup“-Rente sind nach Auffassung des BFH auch in der Übergangsphase in voller Höhe und nicht – wie von den Kläger begehrt – mit dem geringeren individuellen Besteuerungsanteil zu berücksichtigen.

Der BFH bestätigte insoweit seine bisherige Rechtsprechung. Hinsichtlich der streitigen Renten des Klägers aus privaten Kapitalanlageprodukten außerhalb der Basisversorgung konnte der BFH keine doppelte Besteuerung feststellen. Die für diese Renten geltende Ertragsanteilsbesteuerung kann nach Ansicht des X. Senats bereits systematisch keine doppelte Besteuerung hervorrufen, weil der durch das Gesetz festgelegte Ertragsanteil in zulässiger Weise die Verzinsung der Kapitalrückzahlung für die gesamte Dauer des Rentenbezugs typisiert. Diese Art der Besteuerung verlangt nicht, dass die Beitragszahlungen in der Ansparphase steuerfrei gestellt werden.
Urteil vom 19.05.2021 X R 20/19


 

Mehrere Eilanträge und eine Verfassungsbeschwerde gegen Vorschriften des Vierten Bevölkerungsschutzgesetzes erfolglos 
Karlsruhe, 20. Mai 2021 - Mit heutigen Beschlüssen haben die Kammern des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts mehrere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG („Kontaktbeschränkungen“), § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 IfSG („Einzelhandelsbeschränkungen“), § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 IfSG („Untersagung kultureller Einrichtungen“) sowie gegen § 28b Abs. 3 IfSG („Schulschließungen“) richteten.


Damit ist nicht entschieden, dass die angegriffenen Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Diese Prüfung bleibt im Falle der Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung den jeweiligen Hauptsacheverfahren vorbehalten (ebenso wie die Prüfung des § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG zur „Ausgangsbeschränkung“, vgl. Pressemitteilung Nr. 33 vom 5. Mai 2021).


Mit dem Antrag im Verfahren 1 BvR 900/21 sollte erreicht werden, dass die geregelte Einschränkung privater Zusammenkünfte vorläufig außer Vollzug gesetzt wird. Mit den Anträgen in den Verfahren 1 BvR 968/21 u. a. wurde begehrt, die im Infektionsschutzgesetz geregelten Beschränkungen des Einzelhandels vorläufig außer Vollzug zu setzen. Die vorzunehmende Folgenabwägung führt hier jeweils zu dem Ergebnis, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe nicht überwiegen.


Im Verfahren 1 BvR 928/21 wenden sich die Beschwerdeführenden gegen die Untersagung der Öffnung kultureller Einrichtungen. Ihre Verfassungsbeschwerde ist jedoch bereits unzulässig, weil sie die Möglichkeit einer Verletzung ihrer Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte nicht ausreichend dargelegt haben. Der Antrag im Verfahren 1 BvQ 64/21 richtet sich gegen die Regelung im Infektionsschutzgesetz, wonach die Durchführung von Präsenzunterricht an Schulen untersagt ist, wenn die durch das Robert-Koch-Institut veröffentlichte Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner (im Folgenden: Sieben-Tage-Inzidenz) im jeweiligen Landkreis oder in der jeweiligen kreisfreien Stadt den Schwellenwert von 165 überschreitet.


Der Antrag hat bereits deshalb keinen Erfolg, weil die vom Antragsteller besuchte Schule in einem Landkreis liegt, in dem die Sieben-Tage-Inzidenz stabil unter dem maßgeblichen Schwellenwert liegt.


Börsenverein zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie  
- Verband begrüßt gesetzliche Wiederherstellung der Verlegerbeteiligung
- Insgesamt wird Urheberrecht zulasten der Kreativwirtschaft weiter geschwächt  
Berlin/Frankfurt, 20. Mai 2021 - Der Deutsche Bundestag hat am 20. Mai das „Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ verabschiedet. Das Gesetz enthält zahlreiche Regelungen, etwa zur Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen wie YouTube, zum Text und Data Mining oder zum Presseleistungsschutzrecht.
Für die Buchbranche enorm wichtig ist die gesetzliche Regelung zur Verlegerbeteiligung. Verlage erhalten künftig wieder einen Ausgleich, wenn ihre Publikationen privat kopiert, durch Bibliotheken verliehen oder sonst in gesetzlich erlaubter Weise genutzt werden. Dies war durch Gerichtsurteile seit 2015 nicht mehr möglich und führte zu hohen Einnahmeausfällen von insgesamt über 200 Millionen Euro.  
Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels: „Wir begrüßen es sehr, dass Verlage im Rahmen des heute beschlossenen Regelungspakets endlich wieder an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften beteiligt werden können und der Fortbestand der VG Wort als gemeinsamer Verwertungsgesellschaft von Autor*innen und Verlagen gesichert ist. In seiner Gänze markiert das Gesetzespaket allerdings eine weitere Abschwächung des urheberrechtlichen Schutzniveaus zugunsten der Plattformen und ihrer Nutzer*innen.
Die EU-Richtlinie hätte eigentlich vorgesehen, die großen Internetplattformen deutlich stärker in die Pflicht zu nehmen und Lizenzierungen zu stärken, statt Bagatellgrenzen für Werknutzungen einzuführen, die in der Richtlinie gar nicht angelegt sind. Dies schadet langfristig allen in der Kreativwirtschaft tätigen Akteuren und vereitelt das Entstehen eines funktionierenden europäischen Binnenmarktes für geistige Leistungen.“ 

Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Widerrufs eines Partnervermittlungsvertrags
Karlsruhe, 6. Mai 2021 - Der unter anderem für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat heute entschieden (III ZR 169/20), dass der Kunde einer Partnervermittlungsagentur sein Widerrufsrecht nicht dadurch verliert, dass diese die geschuldete Anzahl von Partnervorschlägen zusammenstellt, ohne sie dem Kunden bereits überlassen zu haben, auch wenn allein dies in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als "Hauptleistung" bestimmt ist; zudem ist der Wertersatzanspruch der Partnervermittlungsagentur nach dem Widerruf, von Ausnahmen abgesehen, zeitanteilig zu berechnen.

Sachverhalt: Die Klägerin schloss in ihrer Wohnung im Verlauf des Besuchs eines Vertreters der beklagten Agentur einen Partnervermittlungsvertrag. In den Vertragsunterlagen war unter anderem bestimmt, dass die Beklagte als "Hauptleistung" 21 Partnervorschläge (Partnerdepot) zusammenstelle. Hierauf sollten 90 % und auf die "Verwaltung und Aktualisierung des Partnerdepots für die Dauer der Vertragslaufzeit von 12 Monaten" 10% des Honorars entfallen. Außerdem unterzeichnete die über ihr Widerrufsrecht belehrte Klägerin eine Erklärung, sie wünsche ausdrücklich, dass die Beklagte mit ihrer Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag sofort beginne; ihr sei bewusst, dass sie ihr Widerrufsrecht verliere, wenn der Vertrag seitens der Beklagten vollständig erfüllt sei.

Am folgenden Tag zahlte die Klägerin an die Beklagte das vereinbarte Honorar von 8.330 €. Am selben Tag übermittelte die Beklagte der Klägerin drei Kontakte, die dieser jedoch nicht zusagten. Die Klägerin "kündigte" daraufhin nach einer Woche den Vertrag. Die Beklagte macht geltend, das Partnerdepot erstellt und damit ihre Leistung vollständig erbracht zu haben.


Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat die auf Rückzahlung der 8.330 € gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte hingegen zur Rückzahlung verurteilt. Von der Klageforderung seien aber 1.191 € abzuziehen, da die Klägerin drei der insgesamt 21 geschuldeten Partnervorschläge erhalten habe und der Beklagten daher Wertersatz in dieser Höhe schulde. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat die gegen ihre Verurteilung zur Rückzahlung von 7.139 € gerichtete Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin kann den Großteil des an die Beklagte geleisteten Betrags zurückverlangen.


Gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB sind im Falle des wirksamen Widerrufs eines Verbrauchervertrags die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Parteien hatten einen widerruflichen Verbrauchervertrag im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB i.V.m. § 310 Abs. 3 BGB außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB) geschlossen. Der von der Klägerin erklärte Widerruf war wirksam. Das Widerrufsrecht der Klägerin war nicht gemäß § 356 Abs. 4 Satz 1 und 2 BGB ausgeschlossen, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung ihre Dienstleistung noch nicht vollständig erbracht hatte. Dies hätte erfordert, dass sie jedenfalls ihre Hauptleistungspflicht vollständig erfüllt hätte.

Für die Auslegung, welche Pflichten Hauptleistungspflichten sind, ist entscheidend, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grade ankam, was sie unter allen Umständen erlangen wollte. Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint, dass die Beklagte ihre Leistung vollständig erbracht hatte. Die Erstellung des Partnerdepots war nicht (ausschließliche) Hauptleistungspflicht der Beklagten. Vielmehr ist für den Kunden der Beklagten allein die Zusendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung. Diese Leistung hatte die Beklagte zum Zeitpunkt des Widerrufs nur zu einem geringen Teil erbracht. Darüber hinaus ist der Kunde auch darauf angewiesen, dass die Partnervorschläge zu dem Zeitpunkt, zu dem er sie zu einer Kontaktanbahnung nutzt, noch aktuell und bis dahin gegebenenfalls ergänzt und aktualisiert worden sind.

Für ein anderes Verständnis kann sich die Beklagte nicht auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen, nach denen die "Hauptleistung" (allein) in der Erstellung eines 21 Partnervorschläge umfassenden Partnerdepots liegt. Diese Bestimmung ist gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann der Vertragsgegenstand nicht verändert werden. Der Gegenanspruch der Beklagten auf Wertersatz für die von ihr erbrachten Leistungen aus § 357 Abs. 8 Satz 1 BGB ist jedenfalls geringer als der Betrag, den das Berufungsgericht von der Klageforderung abgezogen hat.

Für die Berechnung dieses Wertersatzes ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union maßgeblich, weil das Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 und § 355 Abs. 1 BGB sowie seine Rechtsfolgen auf der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher beruhen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. Oktober 2020 ist auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen. Daraus ergibt sich kein Anspruch der Beklagten, der 1.191 € übersteigt. Eine Ausnahme von einer zeitanteiligen Berechnung gilt nur, wenn der geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden; ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht jedoch vor.

Vorinstanzen: LG Aachen - Urteil vom 23. Oktober 2019 - 8 O 332/18 OLG Köln - Urteil vom 25. Juni 2020 - 21 U 107/19 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 307 Inhaltskontrolle (
1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. [...]
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung 1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist [...] § 312g BGB Widerrufsrecht (1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu. [...]
 § 355 BGB Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. [...] (3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. [...]
§ 357 BGB Rechtsfolgen des Widerrufs von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen [...] (8) Widerruft der Verbraucher einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen [...], so schuldet der Verbraucher dem Unternehmer Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt.
Der Anspruch aus Satz 1 besteht nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ordnungsgemäß informiert hat. [...] Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. Oktober 2020: C-641/19, NJW 2020, 3773

 

Eilanträge gegen bundesrechtliche nächtliche Ausgangsbeschränkungen abgelehnt
 
Karlsruhe, 5. Mai 2021 - Mit dem heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit denen erreicht werden sollte, dass die in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG geregelte nächtliche Ausgangsbeschränkung vorläufig außer Vollzug gesetzt wird.
Damit ist nicht entschieden, dass die Ausgangsbeschränkung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Eine solche Entscheidung kann das Bundesverfassungsgericht im Eilverfahren nicht treffen. Diese Prüfung bleibt den Hauptsacheverfahren vorbehalten.



Unfall oder Diebstahl - wie sind Pedelecs versichert?

Coburg/Duisburg, 05. Mai 2021 - Radfahren liegt voll im Trend. Seitdem die Pandemie uns im Griff hat, steigen viele noch lieber auf ihren Drahtesel statt in Busse oder Bahnen.  Wer nicht allein mit Muskelkraft fährt, sollte im Hinterkopf haben, dass es anderen Verkehrsteilnehmern schwerfällt, ein normales Rad von der motorunterstützten Variante zu unterscheiden. Doch wenn Geschwindigkeiten falsch eingeschätzt werden, kann ein Unfall schnell passieren, dann ist der richtige Versicherungsschutz wichtig.

Welche Variante die richtige ist, hängt von der Geschwindigkeit des jeweiligen Modells ab. Bei einem Großteil der Pedelecs handelt es sich um Räder mit einer elektrischen Tretunterstützung, die sich ab 25 Stundenkilometern abschalten. Wie die HUK-COBURG mitteilt, sind diese Pedelecs den Fahrrädern gleichgestellt. Sie lassen sich ohne Zulassung, Führerschein und Versicherungskennzeichen fahren. Das Unfallrisiko ist oft – auch bei der HUK-COBURG – in einer bestehenden Privathaftpflicht-Versicherung kostenlos miteingeschlossen.

Man muss nicht unbedingt kräftig in die Pedale treten, um schnell mit dem Rad unterwegs zu sein: Pedelecs – Fahrräder mit Tretunterstützung – machen schnelles Fahren für alle möglich. Foto: HUK-COBURG

Ein Blick in die Bedingungen oder ein Gespräch mit dem Versicherer klärt, ob die kostenfreie Mitversicherung wirklich besteht. Andere Spielregeln gelten für Fahrer der schnellen S-Pedelecs, deren Motorunterstützung erst bei 45 Kilometern pro Stunde endet. Wer sich auf den Sattel eines S-Pedelecs setzt, muss mindestens 16 Jahre alt sein, einen Führerschein der Klasse AM und eine Kfz-Haftpflichtversicherung besitzen, das dafür notwendige Versicherungskennzeichen gibt es direkt bei der Kfz-Versicherung. Diebstahl nicht ausgeschlossen Genau wie ihre allein mit Muskelkraft betriebenen Pendants, die Fahrräder, werden auch S-Pedelecs gerne gestohlen.

Um dagegen versichert zu sein, brauchen die Fahrer neben der Kfz-Haftpflichtversicherung noch eine Teilkasko-Versicherung. Doch auch für Fahrer der langsameren Varianten ist Diebstahlschutz ein Thema: Verschwinden solche Pedelecs nach einem Einbruch in den verschlossenen Keller oder die Einzelgarage, ist das in der Hausratversicherung kostenlos mitversichert. Anders sieht es beim einfachen Diebstahl aus: Wenn also ein abgeschlossenes Pedelec von der Straße weg gestohlen wird. Hier kann in der Regel nur der auf seinen Hausratversicherer zählen, der den Zusatzbaustein Fahrraddiebstahl in seinen Vertrag miteingeschlossen hat.

Bis zu welcher Summe die Versicherung im Schadenfall leistet, hat jeder selbst in der Hand. Dieser Schutz greift im Allgemeinen nicht nur 24 Stunden am Tag, sondern im Rahmen der Außenversicherung auch weltweit und er bezieht alle, fest mit dem Fahrrad verbundenen Teile, wie beispielsweise Sattel oder Räder, mit ein. Allerdings können solche Regelungen von Versicherer zu Versicherer variieren. An dieser Stelle bringt ein Gespräch mit dem eigenen Hausratversicherer Sicherheit.   

 

April 2021

Verfassungsbeschwerden gegen das Klimaschutzgesetz teilweise erfolgreich
Karlsruhe, 29. April 2021 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Regelungen des Klimaschutzgesetzes vom 12. Dezember 2019 (Klimaschutzgesetz) über die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar sind, als hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen. Im Übrigen wurden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.

Das Klimaschutzgesetz verpflichtet dazu, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 % gegenüber 1990 zu mindern und legt durch sektorenbezogene Jahresemissionsmengen die bis dahin geltenden Reduktionspfade fest (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2). Zwar kann nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber mit diesen Bestimmungen gegen seine grundrechtlichen Schutzpflichten, die Beschwerdeführenden (Friday for Future) vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen, oder gegen das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG verstoßen hat.

Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden sind durch die angegriffenen Bestimmungen aber in ihren Freiheitsrechten verletzt. Die Vorschriften verschieben hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030. Dass Treibhausgasemissionen gemindert werden müssen, folgt auch aus dem Grundgesetz. Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a GG ist dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten „Paris-Ziel“ entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Um das zu erreichen, müssen die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind. Der Gesetzgeber hätte daher zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern.

 Zu dem danach gebotenen rechtzeitigen Übergang zu Klimaneutralität reichen die gesetzlichen Maßgaben für die Fortschreibung des Reduktionspfads der Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2031 nicht aus. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu regeln.

 

Unwirksamkeit von AGB-Klauseln - Urteil vom 27. April 2021 – XI ZR 26/20

Karlsruhe, 27. April 2021 - Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat heute entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank (hier POstbank) unwirksam sind, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Sonderbedingungen fingieren.

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf
Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Die beklagte Bank verwendet in ihrem Geschäftsverkehr mit Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Klauseln enthalten, die im Wesentlichen den Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken und Nr. 2 Abs. 1 bis 3 AGB-Sparkassen bzw. den Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken und Nr. 17 Abs. 6 AGB-Sparkassen entsprechen.

Danach werden Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Kunden spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens in Textform angeboten. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat. Auf diese Genehmigungswirkung weist ihn die Bank in ihrem Angebot besonders hin. Der Kunde hat die Möglichkeit der Kündigung. Der Kläger hält die Klauseln für unwirksam. Er begehrt mit seiner Klage, der Beklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln aufzugeben, es zu unterlassen, die Klauseln in Verträge mit Verbrauchern einzubeziehen und sich auf die Klauseln zu berufen.

Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in erster Instanz außerdem noch die Erstattung von Abmahnkosten nebst Rechtshängigkeitszinsen verlangt hat, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers, mit der er sein Klagebegehren mit Ausnahme seines Zahlungsantrags weiterverfolgt hat, zurückgewiesen. Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Der Bundesgerichtshof hat auf die Rechtsmittel des Klägers das Berufungsurteil aufgehoben und die beklagte Bank nach Maßgabe der in zweiter Instanz gestellten Anträge verurteilt. Die Klauseln unterliegen vollumfänglich der AGB-Kontrolle. Das gilt auch, soweit sie Zahlungsdiensterahmenverträge erfassen. § 675g BGB sperrt die Anwendung der §§ 307 ff. BGB nicht.

Das folgt aus dem Unionsrecht (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2020 - C-287/19, "DenizBank", WM 2020, 2218), dessen Umsetzung § 675g BGB dient und der in diesem Sinne unionsrechtskonform auszulegen ist. Die Klauseln, die so auszulegen sind, dass sie sämtliche im Rahmen der Geschäftsverbindung geschlossenen Verträge der Beklagten mit ihren Kunden wie etwa auch das Wertpapiergeschäft und den Sparverkehr betreffen, halten der eröffneten AGB-Kontrolle nicht stand. Nr. 1 (2) der AGB der Beklagten betrifft alle Änderungen "dieser" Geschäftsbedingungen, also der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die zugleich mit Nr. 1 (2) AGB vereinbart werden, und Änderungen (künftiger) "besonderer Bedingungen" für einzelne gesondert vereinbarte Geschäftszweige, die das gesamte Tätigkeitsspektrum der Beklagten umfassen.

Sie betrifft nicht nur Anpassungen von einzelnen Details der vertraglichen Beziehungen der Parteien mittels einer fingierten Zustimmung des Kunden, sondern ohne inhaltliche oder gegenständliche Beschränkung jede vertragliche Änderungsvereinbarung. Damit weicht sie von wesentlichen Grundgedanken der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB ab, indem sie das Schweigen des Verwendungsgegners als Annahme eines Vertragsänderungsantrags qualifiziert.

Diese Abweichung benachteiligt die Kunden der Beklagten unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders wird vermutet, wenn eine klauselmäßige Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung gegeben ist. Die allgemeine Änderungsklausel bietet eine Handhabe, unter Zuhilfenahme einer Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung das Vertragsgefüge insgesamt umzugestalten.

Dass "vereinbarte" Änderungen ihrerseits der Ausübungskontrolle unterliegen, gleicht diesen Umstand nicht aus. Für so weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffende Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können, ist vielmehr ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig. Auch Nr. 12 (5) der AGB der Beklagten hält einer Inhaltskontrolle nicht stand.

Die Klausel betrifft Entgelte für Hauptleistungen. Damit benachteiligt die Klausel auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass keine einseitige Anpassungsbefugnis der Beklagten besteht, sondern Änderungen des Vertragsverhältnisses nur im Wege eines - gegebenenfalls fingierten - Konsenses zustande kommen sollen, die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB). Mittels Zustimmungsfiktion kann die vom Kunden geschuldete Hauptleistung geändert werden, ohne dass dafür Einschränkungen vorgesehen sind.

Die Beklagte erhält damit eine Handhabe, das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Position ihres Vertragspartners zu entwerten. Für solche weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen ist, wie oben ausgeführt, ein den Erfordernissen der § 305 Abs. 2, § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB genügender Änderungsvertrag notwendig.

Eine Zustimmungsfiktion im Falle einer fehlenden fristgerechten Ablehnung reicht hierfür unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Verwendungsgegners nicht aus.

Vorinstanzen: Landgericht Köln – Urteil vom 12. Juni 2018 – 21 O 351/17 Oberlandesgericht Köln – Urteil vom 19. Dezember 2019 – 12 U 87/18 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 305 BGB […] (2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss
1.die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und 2.der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist. […] § 307 BGB (1)

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung 1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder 2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. (3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden.

Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein. § 311 BGB (1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. […] § 675g BGB
(1) Eine Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrags auf Veranlassung des Zahlungsdienstleisters setzt voraus, dass dieser die beabsichtigte Änderung spätestens zwei Monate vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens dem Zahlungsdienstnutzer in der in Artikel 248 §§ 2 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche vorgesehenen Form anbietet.

(2) Der Zahlungsdienstleister und der Zahlungsdienstnutzer können vereinbaren, dass die Zustimmung des Zahlungsdienstnutzers zu einer Änderung nach Absatz 1 als erteilt gilt, wenn dieser dem Zahlungsdienstleister seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung angezeigt hat. Im Fall einer solchen Vereinbarung ist der Zahlungsdienstnutzer auch berechtigt, den Zahlungsdiensterahmenvertrag vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung fristlos zu kündigen. Der Zahlungsdienstleister ist verpflichtet, den Zahlungsdienstnutzer mit dem Angebot zur Vertragsänderung auf die Folgen seines Schweigens sowie auf das Recht zur kostenfreien und fristlosen Kündigung hinzuweisen.

 

Eilantrag gegen Testpflicht an Schulen erfolglos
Münster, 22. April 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom heutigen Tag einen Eilantrag gegen die sogenannte Testpflicht an Schulen abgelehnt. Nach der aktuellen Coronabetreuungsverordnung dürfen nur Personen (Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, sonstiges an der Schule tätiges Personal) an der schulischen Nutzung und damit auch am Präsenzunterricht teilnehmen, die an dem jeweils letzten von der Schule für sie angesetzten Coronaselbsttest mit negativem Ergebnis teilgenommen haben.


Für die Schülerinnen und Schüler finden die Coronaselbsttests ausschließlich in der Schule unter Aufsicht schulischen Personals statt. Von der Teilnahme an den Coronaselbsttests befreit sind Personen, die zum Zeitpunkt des Tests einen Nachweis über eine negative, höchstens 48 Stunden zurückliegende Testung vorlegen können. Nicht getestete und positiv getestete Personen sind durch die Schulleiterin oder den Schulleiter von der schulischen Nutzung auszuschließen.

Die Ergebnisse der Tests und der vorgelegten Nachweise werden von der Schule erfasst, dokumentiert, nicht an Dritte übermittelt und nach 14 Tagen vernichtet. Die Antragsteller, eine Sechstklässlerin und ein Achtklässler aus Bedburg, hatten unter anderem geltend gemacht, die Testpflicht verletze sie in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Die korrekte Anwendung der vorgesehenen Antigentests sei zu komplex und die Aussagekraft der Testergebnisse gering.

Die Erfassung und Aufbewahrung von Testergebnissen und Nachweisen stellten einen unzulässigen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Darüber hinaus befürchteten sie eine Stigmatisierung im Falle eines positiven Testergebnisses. Dem ist das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt. Nach Auffassung des zuständigen 13. Senats bestehen gegen die angegriffene Testpflicht keine offensichtlich durchgreifenden Bedenken. Insbesondere stelle sie beim gegenwärtigen Stand des Infektionsgeschehens voraussichtlich eine verhältnismäßige Schutzmaßnahme dar.


Der Verordnungsgeber trage damit im Zusammenhang mit der Wiedereröffnung des Präsenzunterrichts in den Schulen der erhöhten Infektionsgefahr durch das Auftreten leichter übertragbarer Virusvarianten Rechnung. Die für die Testung vorgesehenen Coronaselbsttests ermöglichten die Identifizierung insbesondere erkrankter Schüler, die das Virus ansonsten unbemerkt im schulischen und häuslichen Umfeld verbreiten könnten. Die Vorbehalte der Antragsteller im Hinblick auf mögliche gesundheitliche Risiken durch die Inhaltsstoffe der Selbsttests teile der Senat aufgrund der Sonderzulassung der Selbsttests durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht. Auch sei davon auszugehen, dass das schulische Personal, unter dessen Aufsicht die Tests stattfänden, in der Lage sei, die richtige Anwendung von Coronaselbsttests zu vermitteln.

Die Erfassung und Aufbewahrung von Testergebnissen sei voraussichtlich durch datenschutzrechtliche Vorschriften gedeckt. Schließlich müssten die Antragsteller ebenso wie alle anderen Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen nicht an den Coronaselbsttests in Schulen teilnehmen. Die Coronabetreuungsverordnung sehe als zumutbare Alternative die Möglichkeit vor, einen Nachweis über eine negative, höchstens 48 Stunden zurückliegende Testung vorzulegen. Eine ergänzende Folgenabwägung falle deshalb zu Lasten der Antragsteller aus.

Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 559/21.NE

Beim Oberverwaltungsgericht sind zahlreiche weitere Eilanträge von Schülerinnen und Schülern verschiedener Klassen und Schulformen gegen die Testpflicht anhängig, über die zeitnah entschieden werden soll.


Zu wenig Hochschullehrer korrigieren juristische Examensklausuren
Oberverwaltungsgericht Münster, 19. April 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute in einer Grundsatzentscheidung der Klage einer Jurastudentin stattgegeben, die die staatliche Pflichtfachprüfung als Teil der ersten Prüfung (früher: erstes juristisches Staatsexamen) beim Justizprüfungsamt Hamm nicht bestanden hatte. Entgegen den rechtlichen Vorgaben, von denen seit Jahren regelmäßig abgewichen werde, seien ihre Klausuren nicht auch durch einen Hochschullehrer korrigiert worden.

Die Klägerin aus Steinhagen wehrte sich gegen das endgültige Nichtbestehen der staatlichen juristischen Pflichtfachprüfung. Im Rahmen dieser Prüfung sind sechs Klausuren zu fertigen, die jeweils von zwei Prüfern selbständig begutachtet und bewertet werden. § 14 Abs. 2 des Juristenausbildungsgesetzes (JAG NRW) regelt dazu, dass einer der beiden Prüfer Hochschullehrer sein soll. Hintergrund ist, dass die erste Prüfung den Abschluss des juristischen Hochschulstudiums darstellt und daher die Hochschullehrer auch an den Abschlussprüfungen beteiligt werden sollen. I

m Falle der Klägerin wurde jedoch von den sechs Klausuren nur eine unter Beteiligung eines Hochschullehrers benotet. Der Senat hat den Bescheid über das Nichtbestehen der Prüfung aufgehoben und das Land Nordrhein-Westfalen verurteilt, die von der Klägerin (lediglich) beanstandeten zwei Aufsichtsarbeiten unter Beachtung der Vorgaben des § 14 Abs. 2 JAG neu bewerten zu lassen.

Zur Begründung seines Urteils hat er ausgeführt: Die Sollvorschrift des § 14 Abs. 2 JAG gibt eine bestimmte Zusammensetzung des Prüfungsgremiums vor, die im Regelfall zu erreichen ist. Das heißt, das Gesetz fordert - wie es allgemein für Sollvorschriften im öffentlichen Recht gilt -, dass das Prüfungsgremium nur im Ausnahmefall, wenn besondere Umstände des Einzelfalls es erfordern, auch ohne Hochschullehrer besetzt werden darf. Wie der Senat im Rahmen dieses Verfahrens jedoch festgestellt hat, wird die Regelbesetzung im Bereich des Justizprüfungsamts Hamm schon seit Jahren deutlich verfehlt.

Durchschnittlich ist allenfalls bei jeder dritten oder vierten statt bei jeder Klausurbewertung, wie es die Regel zu sein hat, ein Hochschullehrer beteiligt. Vom gesetzlich geforderten Regelzustand wird also nicht im Ausnahmefall, sondern regelmäßig abgewichen. Daher reicht es, so der Senat, nicht mehr aus, dass das Prüfungsamt es bei seiner bisherigen Anstrengung zur Gewinnung von Prüfern aus dem Kreis der Hochschullehrer belässt.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen kann das beklagte Land Beschwerde einlegen, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet. Aktenzeichen: 14 A 1082/20 (VG Minden, 8 K 2182/19)


Eilantrag gegen Coronaeinreiseverordnung erfolglos
Oberverwaltungsgericht Münster, 16. April 2021 - Für Rückkehrer aus einem Virusvarianten-Gebiet gilt in Nordrhein-Westfalen weiterhin eine 14-tägige Quarantänepflicht. Das hat das Oberverwaltungsgericht heute entschieden und damit den Antrag eines Ehepaars aus Netphen abgelehnt, das in der vergangenen Woche aus Südafrika zurückgekehrt ist. Die Eheleute hatten beantragt, die entsprechende Regelung in der Coronaeinreiseverordnung des Landes vorläufig außer Vollzug zu setzen.
Diese sieht für die Einreise aus einem Virusvarianten-Gebiet grundsätzlich eine 14- tägige Absonderung (Quarantäne) vor, die nicht durch eine negative Testung abgekürzt werden kann. Als Virusvarianten-Gebiet ist ein Staat oder eine Region außerhalb Deutschlands definiert, für den im Zeitpunkt der Einreise in die Bundesrepublik ein besonders hohes Infektionsrisiko festgestellt wurde, weil dort bestimmte Varianten des Coronavirus SARS-CoV-2 verbreitet aufgetreten sind. Hierzu zählt nach der Einstufung durch das Robert Koch-Institut mit Blick auf die sogenannte südafrikanische Virusvariante unter anderem Südafrika.

Bei sonstigen Risikogebieten besteht eine 10-tägige Quarantäne und man kann diese durch Testung vor der Einreise oder unmittelbar danach vermeiden bzw. durch einen späteren Test beenden. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt: Voraussetzung für die streitige Absonderungspflicht sei ein Ansteckungsverdacht. Dass ein solcher bei einer Einreise aus einem Risikogebiet in Form eines Virusvarianten-Gebiets und hier speziell aus Südafrika nicht bestehe, sei nach dem Prüfungsmaßstab im Eilverfahren jedenfalls nicht offensichtlich. Davon ausgehend komme die begehrte einstweilige Anordnung nicht in Betracht.

Einen Ansteckungsverdacht unterstellt, sei die angegriffene Absonderungspflicht voraussichtlich weder unverhältnismäßig noch gleichheitswidrig. Die Einschätzung, dass Virusvarianten das Infektionsgeschehen negativ beeinflussen könnten, sei schlüssig. Soweit es die südafrikanische Virusvariante betreffe, werde in der Wissenschaft eine höhere Übertragbarkeit diskutiert. Ferner wiesen mehrere Studien darauf hin, dass Menschen, die mit der ursprünglichen Variante infiziert waren oder einen auf dieser beruhenden Impfstoff erhalten haben, weniger gut vor einer Infektion mit der südafrikanischen Virusvariante geschützt sein könnten.

Wegen dieser möglichen Eigenschaften bestehe grundsätzlich ein hohes öffentliches Interesse daran, die weitere Eintragung und Verbreitung im Landesgebiet zu verhindern. Insofern sei auch nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber sich anders als nach der Einreise aus einem sonstigen Risikogebiet nicht mit einer lediglich 10-tägigen Quarantäne begnüge und auch die Möglichkeit einer Freitestung nicht vorsehe. Die mit der Einreise aus einem Virusvarianten-Gebiet verbundenen Gefahren rechtfertigten es, dass der Verordnungsgeber besonders strenge Schutzmaßnahmen ergreife und Restrisiken, die im Falle einer Freitestung oder kürzeren Quarantäne bestünden, noch stärker reduziere, als dies ansonsten der Fall sei. Vor diesem Hintergrund falle die vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Antragsteller aus.

Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 531/21.NE

Mieterverbände laufen Sturm: Der Bund ist in der Pflicht. Es müssen endlich klare Gesetze und erschwingliche Wohnungen her. 
Haus & Grund fordert politische Kehrtwende
 
Berlin/Duisburg, 15. April 2021 - „Das ist eine höchstrichterliche Ohrfeige für die grundgesetzwidrige Politik des Berliner Senats.“ So kommentierte Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Mietendeckel. Es hat entschieden, dass das Land Berlin ein solches Gesetz nicht erlassen durfte, denn die Kompetenz liege in diesem Fall beim Bundesgesetzgeber. „Das ist die maximale Niederlage für den Berliner Senat“, stellte Warnecke fest.   Die rot-rot-grüne Koalition habe Berliner Mietern, Vermietern und Wohnungssuchenden einen Bärendienst erwiesen.
Der neue Senat müsse inhaltlich eine Kehrtwende vollziehen und die Zusammenarbeit mit den Wohnungsanbietern suchen, statt künstlich Fronten aufzubauen. „Wir müssen zurückkehren zu den wohnungspolitischen Instrumenten, die funktionieren. Dazu gehört in erster Linie, Wohnungsknappheit durch Wohnungsbau zu bekämpfen“, erklärte Warnecke.  

Durch die Entscheidung des Verfassungsgerichts muss ein Großteil der grundgesetzwidrig gesenkten Mieten nachgezahlt werden. Haus & Grund rät Berliner Mietern, mit ihren Vermietern Kontakt aufzunehmen, um das weitere Vorgehen zu vereinbaren. Angst vor Kündigungen seien unbegründet. „Das Berliner Mietenchaos hat der Senat verschuldet, nicht die Mieter und Vermieter“, sagte Warnecke.


Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin („Berliner Mietendeckel“) nichtig - Beschluss vom 25. März 2021
2 BvF 1/20, 2 BvL 5/20, 2 BvL 4/20
Karlsruhe, 15. April 2021 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln) für mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig erklärt. Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann (ungebundener Wohnraum), fallen in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. Die Länder sind nur zur Gesetzgebung befugt, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen abschließenden Gebrauch gemacht hat (Art. 70, Art. 72 Abs. 1 GG).

Da der Bundesgesetzgeber das Mietpreisrecht in den §§ 556 bis 561 BGB abschließend geregelt hat, ist aufgrund der Sperrwirkung des Bundesrechts für die Gesetzgebungsbefugnis der Länder kein Raum. Da das MietenWoG Bln im Kern ebenfalls die Miethöhe für ungebundenen Wohnraum regelt, ist es insgesamt nichtig. Sachverhalt: Das MietenWoG Bln trat – mit Ausnahme des § 5 MietenWoG Bln – am 23. Februar 2020 in Kraft.
Der „Berliner Mietendeckel“ besteht für die von seinem Anwendungsbereich erfassten Wohnungen im Wesentlichen aus drei Regelungskomplexen: einem Mietenstopp, der eine Miete verbietet, die die am 18. Juni 2019 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreitet (vgl. §§ 1, 3 MietenWoG Bln), einer lageunabhängigen Mietobergrenze bei Wiedervermietungen (vgl. §§ 1, 4 MietenWoG Bln), wobei gebäude- und ausstattungsbezogene Zuschläge sowie bestimmte Modernisierungsumlagen erlaubt sind (vergleiche §§ 1, 4 in Verbindung mit §§ 6, 7 MietenWoG), sowie einem gesetzlichen Verbot überhöhter Mieten (vergleiche §§ 1, 5 MietenWoG Bln).

Auf Neubauten, die ab dem 1. Januar 2014 erstmalig bezugsfertig wurden, finden die Vorschriften des MietenWoG Bln dagegen keine Anwendung. Die Antragsteller im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle (2 BvF 1/20) – 284 Abgeordnete des Deutschen Bundestages der Fraktionen von CDU/CSU und FDP – halten das MietenWoG Bln für unvereinbar mit der grundgesetzlichen Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen (Art. 70 ff. GG).

Die beiden Richtervorlagen (2 BvL 4/20 und 2 BvL 5/20) betreffen die Vereinbarkeit von § 3 MietenWoG Bln mit dem Grundgesetz. Wesentliche Erwägungen des Senats: Das MietenWoG Bln ist mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig.

1. Das Grundgesetz geht von einer in aller Regel abschließenden Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern aus. Abgrenzung und Inhalt der Gesetzgebungsbefugnisse von Bund und Ländern richten sich dabei ausschließlich nach Art. 70 ff. GG. Die Gesetzgebungskompetenzen werden insbesondere mittels der Kataloge der Art. 73 und Art. 74 GG durchweg alternativ voneinander abgegrenzt.
Doppelzuständigkeiten sind dem Grundgesetz in der Regel fremd. Der Bund hat demnach das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz ihm dieses ausdrücklich zuweist. Der Kompetenzbereich der Länder wird daher grundsätzlich durch die Reichweite der Bundeskompetenzen bestimmt, nicht umgekehrt. Eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder kennt das Grundgesetz nicht. Öffnungsklauseln in Bundesgesetzen sind zwar zulässig, gewähren den Ländern aber keine über die Öffnung hinausgehenden Spielräume.

2. Die konkurrierende Gesetzgebung regelt das Grundgesetz im Wesentlichen in den Art. 72 und Art. 74 sowie Art. 105 GG abschließend. Macht der Bund von der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch, verlieren die Länder gemäß Art. 72 Abs. 1 GG das Recht zur Gesetzgebung in dem Zeitpunkt („solange“) und in dem Umfang („soweit“), in dem der Bund die Gesetzgebungskompetenz zulässigerweise in Anspruch nimmt (sogenannte Sperrwirkung).

Soweit die Sperrwirkung reicht, entfällt die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Sie verhindert für die Zukunft den Erlass neuer Landesgesetze und entzieht in der Vergangenheit erlassenen Landesgesetzen die Kompetenzgrundlage, sodass sie nichtig sind beziehungsweise werden. Die Sperrwirkung setzt voraus, dass bundes- und landesgesetzliche Regelung denselben Gegenstand betreffen. In sachlich-inhaltlicher Hinsicht reicht sie so weit, wie der Bundesgesetzgeber eine erschöpfende, also lückenlose und abschließende Regelung getroffen hat beziehungsweise treffen wollte.

3. Regelungen zur Miethöhe für ungebundenen Wohnraum fallen als Teil des sozialen Mietrechts in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Nach dem durch Staatspraxis und Regelungstradition seit nunmehr 150 Jahren geprägten Rechtsverständnis umfasst das bürgerliche Recht die Gesamtheit aller Normen, die herkömmlicherweise dem Zivilrecht zugerechnet werden.
Entscheidend ist, ob durch eine Vorschrift Privatrechtsverhältnisse geregelt werden, also die Rechtsverhältnisse zwischen Privaten und die sich aus ihnen ergebenden Rechte und Pflichten. Das Recht der Mietverhältnisse ist seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. Januar 1900 in den §§ 535 ff. BGB geregelt und – ungeachtet zahlreicher Änderungen – ein essentieller Bestandteil des bürgerlichen Rechts.
Das gilt auch für die Mietverhältnisse über Wohnungen (§ 549 BGB). Der Mietvertrag ist das Ergebnis privatautonomer Entscheidungen der Vertragsparteien. Das gilt selbst dann, wenn die privatautonom begründeten Rechte und Pflichten durch den Gesetzgeber näher ausgestaltet oder begrenzt werden.

4. Mit den §§ 556 bis 561 BGB hat der Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden Zuständigkeit für das Mietpreisrecht als Teil des bürgerlichen Rechts abschließend Gebrauch gemacht. Schon Regelungsintensität und Regelungsdichte der bundesgesetzlichen Vorschriften legen nahe, dass es sich bei den §§ 556 ff. BGB um eine umfassende und abschließende Regelung handelt. Die §§ 556 ff. BGB enthalten zudem keine Regelungsvorbehalte, Öffnungsklauseln oder Ermächtigungsvorschriften, die den Ländern den Erlass eigener oder abweichender mietpreisrechtlicher Vorschriften ermöglichen würden.
Das ausdifferenzierte Regelungssystem und der Zusammenhang mit dem Kündigungsschutzrecht machen vielmehr deutlich, dass der Bundesgesetzgeber eine abschließende Regelung treffen wollte. Das wird durch die in § 556d Abs. 2 BGB normierte Verordnungsermächtigung nicht in Frage gestellt. Die Länder führen insoweit lediglich eine Regelung aus, die der Bund ausweislich Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG nach Inhalt, Zweck und Ausmaß inhaltlich weitgehend determiniert hat; eine eigenständige Regelungsbefugnis ist damit nicht verbunden.

Seit dem Mietrechtsreformgesetz vom 9. Juni 2001 hat der Bundesgesetzgeber – vom Bundesverfassungsgericht unbeanstandet – Regelungen der Miethöhe allein auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt. Mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21. April 2015 wurde zudem die in den §§ 556d ff. BGB geregelte Mietpreisbremse erstmals in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.

Der Begründung des Gesetzentwurfs lässt sich eine umfassende Abwägung aller berührten Belange entnehmen, und damit das Ziel eines abschließenden Interessenausgleichs zwischen den Mietvertragsparteien, der in der Folgezeit mehrfach nachjustiert wurde: Das Mietrechtsanpassungsgesetz vom 18. Dezember 2018 sollte verhindern, dass Mieter ihre Wohnungen aufgrund von Modernisierungen verlassen müssen. Das Gesetz zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete vom 21. Dezember 2019 intendierte eine moderate Modifikation der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ des § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB, namentlich die Verlängerung des Betrachtungszeitraums von vier auf sechs Jahre.

 Am 19. März 2020 beschloss der Bundestag schließlich das Gesetz zur Verlängerung und Verbesserung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn, mit dem den Ländern die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Mietpreisbremse für einen klar umrissenen Zeitraum weiter anzuwenden. Spätestens mit dem Mietrechtsnovellierungsgesetz hat der Bund die Bemessung der höchstens zulässigen Miete für ungebundenen Wohnraum abschließend geregelt.

In den vergangenen sechs Jahren hat er mit den vier genannten, teils umfangreichen Gesetzen auf die sich verschärfende Wohnungssituation in den Ballungsgebieten reagiert und versucht, mit detaillierten Regelungen einen Ausgleich zwischen den grundrechtlich geschützten Interessen der Vermieter und der Mieter zu gewährleisten und hierdurch die Mietpreisentwicklung in angespannten Wohnungsmärkten zu dämpfen.
Da der Bundesgesetzgeber von seiner konkurrierenden Kompetenz jedenfalls im Hinblick auf die Festlegung der höchstzulässigen Miete bei ungebundenem Wohnraum abschließend Gebrauch gemacht hat, sind die Länder von Regelungen der Miethöhe in diesem Bereich ausgeschlossen (Art. 72 Abs. 1 GG). 5. Der „Berliner Mietendeckel“ und die bundesgesetzliche Mietpreisbremse regeln im Wesentlichen denselben Gegenstand, nämlich den Schutz des Mieters vor überhöhten Mieten für ungebundenen Wohnraum. 

Das MietenWoG Bln verengt dabei allerdings die durch die bundesrechtlichen Regelungen belassenen Spielräume der Parteien des Mietvertrags und führt ein paralleles Mietpreisrecht auf Landesebene mit statischen und marktunabhängigen Festlegungen ein; es statuiert gesetzliche Verbote im Sinne von § 134 BGB, die die Privatautonomie beim Abschluss von Mietverträgen über Wohnraum über das nach den §§ 556 ff. BGB erlaubte Maß hinaus begrenzen.
Das MietenWoG Bln modifiziert somit die durch das Bundesrecht angeordneten Rechtsfolgen und verschiebt die von diesem vorgenommene Austarierung der beteiligten Interessen. So verbietet § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 MietenWoG Bln die nach § 557 Abs. 1 BGB zulässige Mieterhöhung im laufenden Mietverhältnis beziehungsweise für Neuvermietungen. Durch § 3 Abs. 1 Satz 2 MietenWoG Bln sind die nach den §§ 557a, 557b BGB zulässigen Staffel- oder Indexmieten auf die zum Stichtag geschuldete Miete eingefroren. § 7 MietenWoG Bln reduziert die mieterhöhungsrelevanten Modernisierungsmaßnahmen auf einen Katalog, der enger ist als die Maßnahmen nach § 555b Nr. 1, Nr. 3 bis 6 BGB, und begrenzt die zulässige Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen stärker als § 559 Abs. 1 BGB.

Der Anwendungsbereich der Mietpreisregulierung wird durch das MietenWoG Bln ausgeweitet, nach Bundesrecht zulässige Mieterhöhungen werden ebenso wie danach zulässige Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn verboten. So wird durch die Mietobergrenzen des § 6 Abs. 1 bis Abs. 3 MietenWoG Bln die Vereinbarung einer 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete betragenden Miete – auch in den Fällen des § 4 MietenWoG Bln – entgegen § 556d Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Diese Beschränkungen des MietenWoG Bln treten neben das Regelungsregime der Mietpreisbremse gemäß §§ 556d ff. BGB.
Da die §§ 556 ff. BGB die Miethöhe für ungebundenen Wohnraum jedoch abschließend regeln, fehlt dem Land Berlin insoweit die Gesetzgebungskompetenz. Andere Kompetenztitel, namentlich Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („Recht der Wirtschaft“) oder Art. 70 Abs. 1 GG, scheiden als Grundlage für den Erlass des MietenWoG Bln aus. Insbesondere war die Regelung der höchstzulässigen Miete für ungebundenen Wohnraum vom Kompetenztitel „Wohnungswesen“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG a. F. nicht (mehr) umfasst und konnte daher im Rahmen der Föderalismusreform I im Jahr 2006 nicht in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder übergehen.


Dieselskandal: VW muss zahlen - Urteil VI ZR 274/20
Bundesgerichtshof, Karlsruhe 13. April 2021 - Die Klägerin erwarb im Februar 2013 von einem Autohaus einen gebrauchten VW Golf. Den Kaufpreis bezahlte sie zum Teil in bar, den Rest finanzierte sie mit einem Darlehen der Volkswagen Bank. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs, das mit einem Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5, ausgestattet ist. Dieser Motor hatte eine Steuerungssoftware, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder im normalen Straßenverkehr befand. Im Prüfstandsbetrieb führte die Software zu einer erhöhten Abgasrückführung im Vergleich zum Normalbetrieb, wodurch die Grenzwerte für Stickoxidemissionen der Abgasnorm Euro 5 auf dem Prüfstand eingehalten werden konnten.

Zwischen den Parteien war zuletzt im Wesentlichen noch die Ersatzfähigkeit der Finanzierungskosten im Streit, die der Klägerin in Höhe von 3.275,55 € für Darlehenszinsen und eine Kreditausfallversicherung entstanden sind. Bisheriger Prozessverlauf: Das Landgericht hat der Klage auf Erstattung der Finanzierungskosten stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat die Klägerin gegen die Beklagte nach § 826 BGB neben dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs auch einen Anspruch auf Erstattung der Finanzierungskosten in voller Höhe. Entscheidung des Senats: Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat hat das angefochtene Urteil bestätigt und die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Vorinstanzen haben auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zutreffend angenommen, dass die Beklagte die Klägerin durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit Abschalteinrichtung vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat. Die Klägerin ist daher gemäß §§ 826, 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als wäre es nicht zu dem Fahrzeugerwerb gekommen. Hätte die Klägerin das Fahrzeug nicht gekauft, hätte sie den Kaufpreis nicht mit einem Darlehen der Volkswagen Bank teilweise finanziert. Die Beklagte hat daher neben dem Kaufpreis für das Fahrzeug auch die Finanzierungskosten in voller Höhe zu erstatten.
Einen Vorteil, der im Wege der Vorteilsausgleichung schadensmindernd zu berücksichtigen wäre, hatte die Klägerin durch die Finanzierung nicht. Die Finanzierung verschaffte der Klägerin keinen Liquiditätsvorteil im Vergleich zu dem Zustand, der bestanden hätte, hätte sie vom Kauf Abstand genommen. Die Finanzierungskosten erhöhen auch nicht den objektiven Wert des Fahrzeugs und vergrößern damit nicht den Gebrauchsvorteil, den die Klägerin aus der Nutzung des Fahrzeugs gezogen hat.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. § 249 Abs. 1 BGB Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Vorinstanzen: Landgericht Köln - Urteil vom 19. Juli 2019, Az. 16 O 406/18 Oberlandesgericht Köln - Urteil vom 19. Februar 2020, Az. 27 U 52/19 Karlsruhe, den 13. April 2021 Urteil des VI. Zivilsenats vom 13.4.2021 - VI ZR 274/20

 

März 2021

Freizeitdomizil Entenfangsee muss vorerst Betrieb nicht einstellen

Münster/Duisburg, 30. März 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute dem Eilantrag der Betreiberin des Freizeitdomizils Entenfangsee in Mülheim an der Ruhr stattgegeben. Sie hatte sich gegen eine Ordnungsverfügung der Stadt Mülheim an der Ruhr gewandt, mit der ihr die Einstellung der Nutzung der gesamten Freizeitanlage aufgegeben worden war. Hierzu sollte auch gehören, das Verlassen der Anlage durch alle Nutzer innerhalb der gesetzten Frist von zwei Monaten sicherzustellen.

Zur Begründung seines Beschlusses hat der 10. Senat ausgeführt, die Ordnungsverfügung sei offensichtlich rechtswidrig. Die Stadt habe diese fehlerhaft auch auf bauliche Anlagen, wie eine Unfallrettungsstation, eine Gaststätte mit Selbstbedienungsladen, ein Sanitärgebäude, einen Tennisplatz und ein Bürogebäude erstreckt, für die sie Baugenehmigungen erteilt habe.
Solange diese Baugenehmigungen in der Welt seien, dürfe die Betreiberin der Freizeitanlage von ihnen Gebrauch machen. Im Übrigen erscheine die Ordnungsverfügung mit Blick auf eine effektive Gefahrenabwehr weder geeignet noch verhältnismäßig.

Die Stadt wolle die von ihr seit langem als rechtswidrig erkannte Nutzung der Wochenendhäuser zu Dauerwohnzwecken durch etwa 400 Personen beenden. Nur ihr sei aber insoweit ein gegebenenfalls gebotenes sofortiges Einschreiten gegenüber den Nutzern möglich, während die Betreiberin der Freizeitanlage darauf beschränkt sei, die jeweiligen Miet- oder Pachtverträge einzeln zu kündigen und erforderlich werdende Räumungstitel zu erwirken.

Der Senat hat allerdings betont, dass die Stadt bei fachlich begründeten Zweifeln an der Brandsicherheit der gesamten Freizeitanlage mit der Folge, dass eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben sämtlicher Nutzer zu befürchten sei, weiterhin befugt und verpflichtet sei, ohne Eingehung von Kompromissen unverzüglich geeignete Maßnahmen zur Gefahrenbeseitigung insbesondere auch gegenüber den Nutzern durchzusetzen.
Die Stadt dürfe die in der Freizeitanlage bestehenden Mängel angesichts der Menge und des Umfangs der Verstöße gegen die brandschutzrechtlichen Vorgaben der Camping- und Wochenendplatzverordnung nicht weiter tatenlos hinnehmen, unabhängig davon, dass sie seit Jahrzehnten Kenntnis von der illegalen Nutzung habe und gleichwohl unter anderem durch die Erteilung von Baugenehmigungen zu einer deutlichen Verfestigung des illegalen Zustandes beigetragen habe. Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen 10 B 2057/20 (I. Instanz: VG Düsseldorf 9 L 2067/20)


Beschränkungen im Einzelhandel in NRW vorläufig außer Vollzug gesetzt

Münster, 22. März 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat mit - heute bekannt gegebenem - Beschluss vom 19. März 2021 auf den Eilantrag eines Media-Marktes die Vorschriften der Coronaschutzverordnung zur Beschränkung des Einzelhandels vorläufig außer Vollzug gesetzt, weil sie mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar sind. Auf der Grundlage der aktuellen nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung können seit dem 8. März 2021 wieder alle Einzelhändler öffnen.

Für die schon bislang von einer Schließung ausgenommenen Geschäfte (etwa Lebensmittelhandel) bleibt es bei der bisherigen Regelung, die eine Kundenbegrenzung auf eine Person pro 10 qm Verkaufsfläche bzw. pro 20 qm für die 800 qm übersteigende Gesamtverkaufsfläche vorsieht. Im übrigen Einzelhandel ist der Zutritt grundsätzlich nur für einen Kunden pro 40 qm Verkaufsfläche und auch nur nach vorheriger Terminvergabe zulässig. Ausgenommen sind hiervon allerdings die zuvor ebenfalls geschlossenen Buchhandlungen und Schreibwarengeschäfte.

Gleiches gilt für Blumengeschäfte und Gartenmärkte, die bislang nur verderbliche Schnitt- und Topfblumen sowie Gemüsepflanzen und Saatgut verkaufen durften. Für sie gelten ebenfalls die günstigeren Öffnungsmodalitäten. Diese Regelungen hat das Oberverwaltungsgericht nun insgesamt vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Zur Begründung hat der 13. Senat ausgeführt:
Die Beschränkungen verstießen in ihrer derzeitigen Ausgestaltung gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Bei der Pandemiebekämpfung bestehe zwar ein Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers, der sich in einer komplexen Entscheidungssituation befinde und nur mit Prognosen zu den Auswirkungen von Beschränkungen und Lockerungen arbeiten könne. Es sei auch zulässig, schrittweise zu lockern, wobei es zwangsläufig zu Ungleichbehandlungen verschiedener Bereiche komme.

Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 252/21.NE

Der Verordnungsgeber habe es deshalb grundsätzlich für Geschäfte wie den Lebensmitteleinzelhandel bei den bisherigen Regelungen belassen dürfen, während für andere Betriebe vorläufig nur eine reduzierte Kundenzahl zugelassen werde und eine vorheWeitere Informationen.

 Der Antrag richtete sich gegen § 11 Absatz 3 Coronaschutzverordnung. Wegen des untrennbaren Zusammenhangs der in den einzelnen Absätzen der Vorschrift getroffenen Regelungen hat das Gericht § 11 Absatz 1 bis 5 Coronaschutzverordnung vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Die Vorschrift lautet: § 11 Handel, Messen und Märkte (1) Beim Betrieb von 1. Einrichtungen des Einzelhandels für Lebensmittel, Direktvermarktungen von Lebensmitteln, Abhol- und Lieferdiensten sowie Getränkemärkten und Kiosken,
2. Wochenmärkten für Verkaufsstände mit dem Schwerpunkt Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs,
3. Apotheken, Reformhäusern, Sanitätshäusern, Babyfachmärkten und Drogerien,
4. Tankstellen, Banken und Sparkassen sowie Poststellen und Schreibwarengeschäften,
5. Buchhandlungen und Zeitungsverkaufsstellen,
6. Futtermittelmärkten und Tierbedarfsmärkten,
7. Blumengeschäften und Gartenmärkten,
8. Einrichtungen des Großhandels für Großhandelskunden und, beschränkt auf den Verkauf von Lebensmitteln, auch für Endkunden sowie
9. bei der Abgabe von Lebensmitteln durch soziale Einrichtungen (z.B. die sog. Tafeln) darf die Anzahl von gleichzeitig anwesenden Kundinnen und Kunden jeweils eine Kundin beziehungsweise einen Kunden pro angefangene zehn Quadratmeter der Verkaufsfläche im Sinne des Einzelhandelserlasses NRW nicht übersteigen; in Handelseinrichtungen mit einer Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmetern darf diese Anzahl 80 Kundinnen beziehungsweise Kunden zuzüglich jeweils eine Kundin beziehungsweise einen Kunden pro angefangene 20 Quadratmeter der über 800 Quadratmeter hinausgehenden Verkaufsfläche nicht übersteigen.

In Einrichtungen des Einzelhandels für Lebensmittel und auf Wochenmärkten darf das Sortiment solcher Waren, die nicht Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs sind, nicht gegenüber dem bisherigen Umfang ausgeweitet werden.
(2) Der Betrieb von Baumärkten sowie Baustoffhandelsgeschäften ist zur Versorgung von Gewerbetreibenden mit Gewerbeschein, Handwerkern mit Handwerkerausweis sowie Landund Forstwirten mit den jeweils betriebsnotwendigen Waren in entsprechender Anwendung von Absatz 1 zulässig.
Anderen Personen darf der Zutritt nur gestattet werden,1. zu einem räumlich abgetrennten Bereich mit eigenem Eingang und eigenem Kassenbereich mit dem typischen Sortiment eines Gartenmarkts in entsprechender Anwendung von Absatz 1 Satz 1 Nummer 7,2. zur gesamten Verkaufsfläche des Baumarkts oder Baustoffhandelsgeschäfts in entsprechender Anwendung von Absatz 3, wobei sich in diesem Fall die zulässige Kundenzahl insgesamt, also einschließlich der in Satz 1 genannten Kundengruppen, nach Absatz 3 Satz 1 bestimmt.

(3) Beim Betrieb von nicht in Absatz 1 und Absatz 2 genannten Verkaufsstellen des Einzelhandels sowie von Einrichtungen zum Vertrieb von Reiseleistungen darf die Anzahl von gleichzeitig anwesenden Kundinnen und Kunden jeweils eine Kundin beziehungsweise einen Kunden pro angefangene vierzig Quadratmeter der Verkaufsfläche im Sinne des Einzelhandelserlasses NRW nicht übersteigen. Zutritt dürfen Kundinnen und Kunden nur nach vorheriger Terminbuchung für einen fest begrenzten Zeitraum und bei sichergestellter einfacher Rückverfolgbarkeit nach § 4a Absatz 1 erhalten.

(4) Für Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment, das auch Waren umfasst, die dem regelmäßigen Sortiment einer der in Absatz 1 Satz 1 genannten Verkaufsstellen entsprechen, gilt: bilden diese Waren den Schwerpunkt des Sortiments, richtet sich der Betrieb der Verkaufsstelle insgesamt nach Absatz 1, anderenfalls ist entweder der Verkauf auf diese Waren zu beschränken und dabei Absatz 1 zu beachten oder insgesamt nach Absatz 3 zu verfahren.

(5) Innerhalb von Einkaufszentren, Einkaufspassagen und ähnlichen Einrichtungen ist für jede räumlich abgetrennte Verkaufsstelle die entsprechende Höchstkundenzahl gemäß Absatz 1 oder Absatz 3 maßgeblich. Zudem muss die für die Gesamtanlage verantwortliche Person sicherstellen, dass nicht mehr Kundinnen und Kunden Zutritt zur Gesamtanlage erhalten als in Summe für die Verkaufsgeschäfte nach den jeweils zulässigen Personenzahlen zulässig sind.

Zusätzlich kann bezogen auf die Allgemeinfläche 1 Person je 20 Quadratmeter Allgemeinfläche in die zulässige Gesamtpersonenzahl für die Gesamtanlage eingerechnet werden. Durch ein abgestimmtes Einlassmanagement ist sicherzustellen, dass im Innenbereich Warteschlangen möglichst vermieden werden. Befindet sich in einer Verkaufsstelle ein oder mehrere weitere Geschäfte ohne räumliche Abtrennung (zum Beispiel eine Bäckerei im räumlich nicht abgetrennten Eingangsbereich eines Lebensmittelgeschäftes), so ist die für die Gesamtfläche zulässige Kundenzahl nach den für die Hauptverkaufsstelle maßgeblichen Vorschriften zu berechnen.


Kein Flüchtlingsschutz für Wehrdienstentzieher
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat heute /22. März) entschieden, dass einem syrischen Asylbewerber, der seinen Wehrdienst bereits geleistet hatte, aber fürchtete, zum Reservewehrdienst eingezogen zu werden, nicht wegen Wehrdienstentziehung die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Nach der bisherigen Rechtsprechung des 14. Senats war Syrern, die angegeben haben, wegen des Militärdienstes Syrien verlassen zu haben, nicht deshalb der Flüchtlingsstatus zu gewähren (vgl. Pressemitteilung vom 4. Mai 2017).
Die Neubewertung infolge eines Urteils des EuGH vom 19. November 2020 hat zu keinem anderen Ergebnis geführt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte dem Kläger aus Frechen, der Syrien 2015 verlassen hatte, subsidiären Schutz gewährt. Das Verwaltungsgericht Köln erkannte ihm die Flüchtlingseigenschaft zu. Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Urteil nun geändert und die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat der 14. Senat ausgeführt: Die Erkenntnisse über die Verfolgungslage in Syrien für Wehrdienstentzieher seien einer neuen Prüfung unterzogen worden. In den Zeiten intensiven Bürgerkriegs hatte der Senat eine Strafverfolgung und sogar eine extralegale Bestrafung von Wehrdienstentziehern für beachtlich wahrscheinlich gehalten, aber deren Verfolgung als politische Gegner verneint.
Der syrische Staat sei früher der massenhaften Wehrdienstentziehung scharf entgegengetreten, weil er dadurch die Existenz des Regimes gefährdet gesehen habe. Dies sei nach den aktuellen Erkenntnissen anders zu beurteilen. Nachdem sich die militärische Situation zugunsten des syrischen Staates konsolidiert habe, sei - trotz der nach wie vor aufrecht erhaltenen Strafandrohung - eine gewandelte Praxis der Behandlung von Wehrdienstentziehern zu beobachten. Sie würden nicht mehr bestraft, sondern unverzüglich eingezogen und militärisch eingesetzt. Das gelte jedenfalls für diejenigen, die sich lediglich dem Wehrdienst durch Flucht entzogen hätten.

Anders sei möglicherweise die Lage bei Personen zu beurteilen, die bereits in das militärische System eingegliedert und mit militärischen Aufgaben betraut gewesen seien, ihre Einheiten oder Posten dann aber verlassen hätten (Deserteuren) oder gar - aus Sicht des syrischen Regimes - zum Feind übergelaufen seien. Unabhängig von der vorstehenden Beurteilung ergebe sich jedenfalls aus der nicht mehr flächendeckenden und systematischen Strafverfolgung von Wehrdienstentziehern, dass sie nicht als politische Gegner angesehen würden, denn diese würden intensiv verfolgt.

Damit sei für einfache Wehrdienstentzieher die vom EuGH in seinem Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19 - aufgestellte "starke Vermutung" einer Strafverfolgung von Militärdienstverweigerern aus politischen Gründen widerlegt. Der Senat hat sich der kürzlich erfolgten gegenteiligen Bewertung der Tatsachenlage durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 29. Januar 2021 - 3 B 109/18 - nicht angeschlossen. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet. Aktenzeichen: 14 A 3439/18.A (I. Instanz: VG Köln 20 K 7784/17.A)

 

Musterfeststellungsklage zur Ankündigung einer Modernisierungsmaßnahme
Karlsruhe, 18. März 2021 - Der unter anderem für das Mietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute in einem Musterfeststellungsverfahren entschieden, dass die Vermieterin aufgrund der im Dezember 2018 für die Zeit ab Dezember 2019 angekündigten Modernisierungsmaßnahmen in ihrer großen Wohnanlage eine Mieterhöhung nach den bis Ende 2018 geltenden Vorschriften berechnen kann. Eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Modernisierungskündigung und dem voraussichtlichen Beginn der Arbeiten bedarf es nicht.

Sachverhalt und Prozessverlauf: Der Musterkläger ist ein Mieterverein. Die Musterbeklagte ist Eigentümerin einer großen Wohnanlage mit Mietwohnungen in München. Ende Dezember 2018 kündigte die Musterbeklagte den Mietern Modernisierungsmaßnahmen an, die im Zeitraum von Dezember 2019 bis Juni 2023 durchgeführt werden sollten, unter anderem die Anbringung einer Wärmedämmung, den Austausch der Fenster, die Anbringung von Rollläden sowie den Anbau von Balkonen.

Der Musterkläger hält die Ankündigung wegen eines fehlenden engen zeitlichen Zusammenhangs zur Durchführung der geplanten Maßnahmen für unwirksam, zumindest sei eine Mieterhöhung nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen nur nach dem seit 1. Januar 2019 geltenden Recht möglich. Hintergrund des Verfahrens ist die Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mieterhöhung nach einer Modernisierung.
Während die bis zum 31. Dezember 2018 geltende gesetzliche Regelung die Erhöhung der jährlichen Miete um 11 % der für die Modernisierung aufgewendeten Kosten zuließ, erlaubt das neue Recht lediglich eine Mieterhöhung von höchstens 8 % und sieht zudem eine Kappungsgrenze vor. Das im Musterfeststellungsverfahren erstinstanzlich zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht hat festgestellt, dass die den Mietern der Musterbeklagten Ende 2018 angekündigte Mieterhöhung nicht nach dem bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Recht erfolgen könne.
Die Modernisierungsankündigung genüge zwar grundsätzlich den Erfordernissen des § 555c Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 BGB.

Die Musterbeklagte habe die von ihr angekündigten Modernisierungsmaßnahmen auch tatsächlich geplant und mittlerweile mit deren Umsetzung begonnen. Die Ankündigung etwa ein Jahr vor Baubeginn führe aber dazu, dass diese nicht ordnungsgemäß im Sinne von Art. 229 § 49 Abs. 1 Satz 2 EGBGB sei. Es fehle an dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Modernisierungsankündigung und dem geplanten Ausführungsbeginn.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der VIII. Zivilsenat hat das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Musterfeststellungsklage ist nach § 606 ZPO zulässig, insbesondere verfolgt Musterkläger mit ihr zulässige Feststellungsziele. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Modernisierungsankündigung vom 27. Dezember 2018 erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen des § 555c Abs. 1 BGB. Sie ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil sie mehr als elf Monate vor dem voraussichtlichen Ausführungsbeginn erfolgte.
Eine Modernisierungsankündigung nach § 555c Abs. 1 BGB ist in zeitlicher Hinsicht dann zulässig, wenn die Planungen so weit fortgeschritten sind, dass die inhaltlichen Anforderungen des § 555c Abs. 1 Satz 2 BGB eingehalten werden können. Eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Modernisierungsankündigung und dem voraussichtlichen Beginn der Modernisierungsmaßnahmen im Sinne einer Höchstfrist oder eines fortgeschrittenen Planungsstandes bedarf es hingegen nicht.

Die Beklagte kann nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen die Mieten auf Grundlage des bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Rechts erhöhen. Die Voraussetzungen des Art. 229 § 49 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 EGBGB hierfür liegen vor. Diese Vorschrift stellt an eine ordnungsgemäße Modernisierungsankündigung keine weitergehenden Anforderungen als § 555c Abs. 1 BGB und setzt das Vorliegen eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen einer Modernisierungsankündigung und dem Ausführungsbeginn ebenfalls nicht voraus.
Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten fällt der Musterbeklagten auch dann nicht zur Last, wenn der Beweggrund für die Wahl des Zeitpunkts der Modernisierungsankündigungen - kurz vor dem Jahresende 2018 - in der Nutzung der Übergangsvorschrift und der Sicherung der Anwendbarkeit des bis zum 31. Dezember 2018 geltenden, für die Musterbeklagte deutlich günstigeren Rechts gelegen haben sollte.

Der Gesetzgeber hat mit der Übergangsregelung eine Abwägung der beiderseitigen Interessen dahingehend getroffen, dass entscheidend für die Frage des anwendbaren Rechts der Zugang einer ordnungsgemäßen Ankündigung ist. Ist es dem Vermieter - wie hier - möglich, noch vor dem 31. Dezember 2018 eine den Anforderungen des § 555c Abs. 1 BGB entsprechende Ankündigung zu erstellen und den Mietern zuzuleiten, setzt er sich grundsätzlich nicht dem Vorwurf treuwidrigen Verhaltens aus, wenn er sich die mit der Gesetzesänderung verbundenen und zulässigen Stichtagsregelung zu Nutze macht.

 Vorinstanz: Oberlandesgericht München – Urteil vom 15. Oktober 2019 – MK 1/19 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 555c BGB Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen (in der bis 31. Dezember 2018 geltenden Fassung)
(1) Der Vermieter hat dem Mieter eine Modernisierungsmaßnahme spätestens drei Monate vor ihrem Beginn in Textform anzukündigen (Modernisierungsankündigung). Die Modernisierungsankündigung muss Angaben enthalten über:
1. die Art und den voraussichtlichen Umfang der Modernisierungsmaßnahme in wesentlichen Zügen,
2. den voraussichtlichen Beginn und die voraussichtliche Dauer der Modernisierungsmaßnahme,
3. den Betrag der zu erwartenden Mieterhöhung, sofern eine Erhöhung nach § 559 verlangt werden soll, sowie die voraussichtlichen künftigen Betriebskosten. (2) Der Vermieter soll den Mieter in der Modernisierungsankündigung auf die Form und die Frist des Härteeinwands nach § 555d Absatz 3 Satz 1 hinweisen. […]
§ 559 BGB Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen (in der seit 1. Januar 2019 geltenden Fassung) (1) Hat der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b Nummer 1, 3, 4, 5 oder 6 durchgeführt, so kann er die jährliche Miete um 8 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen.
(2) Kosten, die für Erhaltungsmaßnahmen erforderlich gewesen wären, gehören nicht zu den aufgewendeten Kosten nach Absatz 1; sie sind, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln. (3) Werden Modernisierungsmaßnahmen für mehrere Wohnungen durchgeführt, so sind die Kosten angemessen auf die einzelnen Wohnungen aufzuteilen.
(3a) Bei Erhöhungen der jährlichen Miete nach Absatz 1 darf sich die monatliche Miete innerhalb von sechs Jahren, von Erhöhungen nach § 558 oder § 560 abgesehen, nicht um mehr als 3 Euro je Quadratmeter Wohnfläche erhöhen. Beträgt die monatliche Miete vor der Mieterhöhung weniger als 7 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, so darf sie sich abweichend von Satz 1 nicht um mehr als 2 Euro je Quadratmeter Wohnfläche erhöhen. […]

§ 559 BGB Mieterhöhung nach Modernisierungsmaßnahmen (in der bis 31. Dezember 2018 geltenden Fassung) (1) Hat der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b Nummer 1 , 3, 4, 5 oder 6 durchgeführt, so kann er die jährliche Miete um 11 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen.
(2) Kosten, die für Erhaltungsmaßnahmen erforderlich gewesen wären, gehören nicht zu den aufgewendeten Kosten nach Absatz 1; sie sind, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln. (3) Werden Modernisierungsmaßnahmen für mehrere Wohnungen durchgeführt, so sind die Kosten angemessen auf die einzelnen Wohnungen aufzuteilen. […]
Art 229 § 49 EGBGB Übergangsvorschriften zum Mietrechtsanpassungsgesetz vom 18. Dezember 2018 (1) Auf ein bis einschließlich 31. Dezember 2018 entstandenes Mietverhältnis sind die §§ 555c und 559 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn dem Mieter bei Modernisierungsmaßnahmen die Mitteilung nach § 555c Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bis einschließlich 31. Dezember 2018 zugegangen ist.

 Hat der Vermieter die Modernisierungsmaßnahme nicht oder nicht ordnungsgemäß nach § 555c Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angekündigt, so gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass es an Stelle des Zugangs der Mitteilung nach § 555c Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf den Zugang der Mieterhöhungserklärung nach § 559b Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ankommt. § 559c des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist nur anzuwenden, wenn der Vermieter die Modernisierungsmaßnahme nach dem 31. Dezember 2018 angekündigt hat. § 559d des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist nur anzuwenden auf ein Verhalten nach dem 31. Dezember 2018.


Keine sofortige Rückkehr zum Präsenzunterricht an weiterführenden Schulen

Münster/Duisburg, 11. März 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute einen Eilantrag gegen die nordrheinwestfälische Coronabetreuungsverordnung abgelehnt, mit dem zwei Gymnasiasten aus Lüdinghausen die sofortige Rückkehr zum Präsenzunterricht an den weiterführenden Schulen erreichen wollten. Dabei hat der zuständige 13. Senat die noch bis zum 14. März 2021 geltende Rechtslage zugrunde gelegt.
Während in der Primarstufe, den Abschlussklassen der weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe bereits seit dem 22. Februar 2021 wieder ein (eingeschränkter) Präsenzunterricht stattfindet, werden die übrigen Schüler weiterführender Schulen noch bis 14. März 2021 ausschließlich auf Distanz unterrichtet. Ab Montag, den 15. März 2021, sollen auch sie in einen Präsenzunterricht im Wechselmodell zurückkehren.

Der Fünftklässler und die Siebtklässlerin aus Lüdinghausen hatten im Wesentlichen geltend gemacht, die Bevorzugung von Schülern der Primarstufe und der Abschlussjahrgänge gegenüber den sonstigen Schülern der weiterführenden Schulen verstoße gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser Argumentation ist das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt.
Es sei nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber zunächst für einen eng umgrenzten Zeitraum an dem Verbot des Präsenzunterrichts für die weiterführenden Schulen mit Ausnahme der Abschlussklassen als Schutzmaßnahme festhalte, um eine schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht für alle Schüler zu ermöglichen.
Dieses Vorgehen entspreche auch der Einschätzung des Robert Koch-Instituts, das aus einer aktuellen Auswertung der vorhandenen Daten- und Studienlage die Empfehlung ableite, die Wiederöffnung von Schulen im Kontext der Inzidenz in der Gesamtbevölkerung gestuft und beginnend bei den unteren Klassenstufen vorzunehmen, weil dort die geringsten Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen zu erwarten seien. Auch ein Gleichheitsverstoß bei der Bildung der Reihenfolge für die Rückkehr zum (teilweisen) Präsenzunterricht liege voraussichtlich nicht vor.

Die Privilegierung der Primarstufenschüler beruhe auf der nachvollziehbaren Erwägung des Verordnungsgebers, dass gerade diese im Umgang mit dem digitalen Lernen und den sonstigen Methoden im Lernen auf Distanz auf erhebliche Unterstützung angewiesen seien, die viele Eltern nicht leisten könnten. Ihnen drohten daher in besonderer Weise Bildungsungerechtigkeiten und nicht nachholbare Entwicklungseinbußen, je länger die Untersagung des Präsenzunterrichts andauere.

Der bevorzugten Beschulung der Abschlussjahrgänge im Präsenzunterricht liege die ebenfalls nicht zu beanstandende Annahme zugrunde, dass diesen Schülern, die bereits etwa ein Jahr pandemiebedingt unter erschwerten Bedingungen lernen müssten, Bildungsungerechtigkeiten im Vergleich mit den Prüfungsjahrgängen davor und danach drohten, mit denen sie sich anhand der Prüfungsergebnisse aber ihr weiteres Leben lang vergleichen lassen müssten.

Zwar sei das Lernen auf Distanz auch für andere Schüler, gerade auch der unteren Jahrgänge der weiterführenden Schulen, eine erhebliche Belastung. Die Annahme des Verordnungsgebers, dass diese mit digitalen Lernformen des Distanzunterrichts besser umgehen könnten als Grundschüler, und dass der hier noch längere zeitliche Abstand zu den Abschlussprüfungen die Möglichkeit biete, entstandene Ungleichheiten noch aufzuholen, erweise sich gleichwohl als tragfähiger sachlicher Differenzierungsgrund. Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 250/21.NE


Maskenpflicht an Grundschulen bestätigt

Münster, 9. März 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat mit soeben bekanntgegebenen Beschlüssen vom 8. März 2021 zwei Eilanträge gegen die Maskenpflicht an Grundschulen abgelehnt. Nach der aktuellen nordrhein-westfälischen Coronabetreuungsverordnung müssen alle Personen, die sich im Rahmen der schulischen Nutzung in einem Schulgebäude oder auf einem Schulgrundstück aufhalten, eine medizinische Maske (OP-Maske oder FFP2- bzw. damit vergleichbare Maske) tragen.

Soweit Schüler bis zur Klasse 8 aufgrund der Passform keine medizinische Maske tragen können, kann ersatzweise eine Alltagsmaske getragen werden. Eine Ausnahme für Schüler der Primarstufe von der Maskenpflicht während des Unterrichts im Klassenverband ist nicht mehr vorgesehen.
Die Antragsteller, ein Zweitklässler aus Bielefeld und eine Erstklässlerin aus Köln, hatten unter anderem geltend gemacht, die Maskenpflicht verletze sie in ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Dem ist das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt.

Nach Auffassung des zuständigen 13. Senats stellt die angegriffene Maskenpflicht beim gegenwärtigen Stand des Infektionsgeschehens eine verhältnismäßige Schutzmaßnahme dar. Das gelte auch, soweit nunmehr erstmals auch Grundschüler verpflichtet seien, während des Unterrichts im Klassenverband eine (medizinische) Maske zu tragen. Der Verordnungsgeber trage damit im Zusammenhang mit der Wiedereröffnung des Präsenzunterrichts in den Grundschulen der erhöhten Infektionsgefahr durch das Auftreten leichter übertragbarer Virusvarianten Rechnung.

Konkrete Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung von Grundschulkindern durch das Tragen einer (medizinischen) Maske lägen nicht vor. Insbesondere gebe es keinen Grund für die Annahme, Masken könnten die Versorgung mit Sauerstoff gefährden oder zu einer gefährlichen Anreicherung von Kohlendioxid führen. Schließlich bestehe auch keine ununterbrochene Pflicht zum Tragen der Masken, sondern es könnten in ausreichendem Umfang Pausen gemacht werden.

So dürfe in Pausenzeiten zur Aufnahme von Speisen und Getränken auf die Maske verzichtet werden, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern gewährleistet sei oder die Aufnahme der Nahrung auf den festen Plätzen im Klassenraum erfolge. Da an Grundschulen im Regelfall neben der längeren Frühstückspause zwischen Unterrichtseinheiten eine 5-minütige Pause stattfinde, bei der die Maske zur Aufnahme etwa eines Getränks abgenommen werden könne, könnten auf diese Weise die durch das Tragen der Maske verursachten Belastungen durch mehrere - zumindest kurze - Tragepausen abgemildert werden.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 266/21.NE und 13 B 267/21.NE

 

Februar 2021

Nicht zertifizierte Atemschutzmasken des Typs KN95 dürfen nicht in Verkehr gebracht werden.
Düsseldorf/Duisburg, 19. Februar 2021 - Eine entsprechende Entscheidung der Bezirksregierung Düsseldorf hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vorläufig bestätigt und den Eilantrag eines in der Schweiz ansässigen Unternehmers abgelehnt. Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte diesem gegenüber als zuständige Marktüberwachungsbehörde angeordnet, die in ihrem Bezirk befindlichen Masken nicht weiter auf dem Markt bereitzustellen und diese zurückzunehmen. Außerdem wurde dem Unternehmer auferlegt, zur Vermeidung von Gefahren ausführlich über seine Lieferketten bzw. weitere Kunden Bericht zu erstatten und über den Verbleib der Masken nach deren Rücknahme Rechenschaft abzulegen.

Die Behörde hatte die 28.000 Atemschutzmasken des Typs KN95 (des sogenannten chinesischen Standards) aus dem Verkehr genommen und der in Duisburg ansässigen Geschäftspartnerin des schweizerischen Unternehmers aufgegeben, die im Frühjahr 2020 in den deutschen Markt eingeführten Produkte vorerst zum Schutz der Bevölkerung unter Verschluss zu halten. Zur Begründung hatte sie ausgeführt, dass diese nicht dem hohen, im Einzelnen durch europarechtliche Regelungen vorgegebenen Standard für die Beschaffenheit von sogenannten persönlichen Schutzausrüstungen entsprächen.
Die 3. Kammer des Gerichts ist dieser Argumentation gefolgt: Die von dem schweizerischen Unternehmer in den Verkehr gebrachten Masken als solche bzw. die ihnen beigefügten Zertifikate seien aus mehreren Gründen nicht geeignet, die Konformität mit dem europäischen Standard zu belegen. Die Zertifikate hätten einen hohen Schutz durch die Anbringung des sog. CE-Kennzeichens suggeriert, ohne dass die Atemschutzmasken zuvor durch eine dafür vorgesehene Stelle zertifiziert worden seien.

In Deutschland könne eine Atemschutzmaske des sog. chinesischen Standards jedoch nur dann auf dem Markt bereitgestellt werden, wenn durch eine geeignete Stelle nach strengen Vorgaben geprüft und bestätigt worden sei, dass sie ein den europarechtlichen Vorgaben entsprechendes, vergleichbares Gesundheits- und Sicherheitsniveau böten.
 Diese (grundsätzlich bestehenden) Möglichkeiten zur Herbeiführung der Konformität, die dem Unternehmer vor der Anordnung durch die Bezirksregierung aufgezeigt worden seien, habe er nicht genutzt. In der Folge dürften die Masken mit einem (vermutlich) geringeren Schutzniveau – gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Pandemie – nicht auf den deutschen Markt gelangen. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster eingelegt werden. Aktenzeichen 3 L 11/21


Keine Zwischenregelungen in den Eilverfahren der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz

Münster, 18. Februar 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute die Beschwerden der Partei Alternative für Deutschland (AfD) gegen zwei Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. und 27. Januar 2021 zurückgewiesen und damit die erstinstanzlichen Entscheidungen bestätigt. Das Verwaltungsgericht hatte in den Eilverfahren der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz die Anträge auf Erlass einer Zwischenregelung abgelehnt.

Mit ihren Eilanträgen will die Partei die Einstufung als „Verdachtsfall“ oder „gesichert extremistische Bestrebung“ sowie die Angabe der Mitgliederzahl des sogenannten „Flügels“ mit 7.000 verhindern. Den Erlass einer Zwischenregelung bis zu einer Entscheidung in diesen Verfahren hatte die AfD mit der Begründung beantragt, ihr entstehe ansonsten ein nicht wiedergutzumachender Schaden im politischen Wettbewerb. Nach Auffassung des 5. Senats war eine solche Zwischenregelung (sogenannter Hängebeschluss) in dem Verfahren um die Einstufung als „Verdachtsfall“ nicht geboten, um vollendete Tatsachen bereits vor der gerichtlichen Eilentscheidung zu verhindern.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe zugesagt, bis zur Entscheidung im Eilverfahren eine Entscheidung über die Einstufung als „Verdachtsfall“ nicht zu veröffentlichen und Abgeordnete (auf Bundes-, Landes- und Europaebene) bzw. entsprechende Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber nicht mit nachrichtendienstlichen Mittel zu beobachten (sogenannte Stillhaltezusage). Die danach noch verbleibenden Nachteile müsse die AfD hinnehmen. Die gesetzlich für einen „Verdachtsfall“ vorgesehene Möglichkeit, nachrichtendienstliche Mittel gegen die Mitglieder einzusetzen, sei zwar ein weitreichender Nachteil - unabhängig von deren tatsächlichem Einsatz.

Die Chancengleichheit von Parteien sei schon dann beeinträchtigt, wenn (einfache) Mitglieder einer Partei damit rechnen müssten, allein aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit nachrichtendienstlich überwacht zu werden. Dafür reiche auch aus, wenn die Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der jeweilige Gesprächspartner überwacht oder von Teilnehmern auch nichtöffentlicher Runden Gesprächsverläufe oder Ansichten Einzelner an das Bundesamt für Verfassungsschutz weitergegeben würden. Dies sei aber bis zur Entscheidung im Eilverfahren hinzunehmen.

Sollte die Antragstellerin zu Recht als Verdachtsfall eingestuft werden, also Tatsachen die Annahme von Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung rechtfertigten, bestünde ansonsten die Gefahr, dass ohne Einsatz der Mittel des Verfassungsschutzes derartige Bestrebungen fortbestünden und sich verstärkten. Die Folgen einer unterbleibenden Beobachtung wären mit Blick auf diese Grundordnung von solchem Gewicht, dass die mögliche Beobachtung von Mitgliedern - zumal mit den zugesagten Ausnahmen - bis zur Entscheidung im Eilverfahren hinzunehmen sei.

Auch im Verfahren zur Mitgliederzahl des „Flügels“ hat der 5. Senat den Erlass einer Zwischenregelung nicht für erforderlich gehalten. Die Aussage des Bundesamtes für Verfassungsschutzes, dem Flügel gehörten ungefähr 7.000 Personen an, sei der Öffentlichkeit bereits hinlänglich bekannt. Deshalb drohe auch bei einer Wiederholung kein Nachteil, der nicht bis zur Entscheidung im Eilverfahren hingenommen werden könne. Die Beschlüsse sind unanfechtbar. Aktenzeichen: „Verdachtsfall“: 5 B 163/21 (I. Instanz: VG Köln 13 L 105/21); „Flügel“: 5 B 175/21 (VG Köln 13 L 104/21)



Versicherungsjahr für Kleinkrafträder, S-Pedelecs und E-Scooter beginnt am 1. März Versicherungsschutz nur mit gültigem blauen Kennzeichen
 
Coburg/Duisburg, 18. Februar 2021 - Blau ist die Farbe des Jahres 2021: Ab 1. März müssen alle Kleinkrafträder statt einem schwarzen ein blaues Versicherungskennzeichen tragen. Zu den Fahrzeugen, die ein Versicherungskennzeichen führen müssen, gehören zum Beispiel Mofas, Mopeds oder Roller, Leichtmofas, Segways oder leichte Quads. Letztgenannte dürfen nicht mehr als 50 Kubikzentimeter Hubraum haben und nicht schneller als 45 Kilometer pro Stunde fahren. Das korrekte Kennzeichen ist wichtig. Ohne erlischt der Versicherungsschutz und man macht sich strafbar.

Alle Jahre wieder: Kleinkrafträder, E-Scooter und S-Pedelecs brauchen ab 1. März ein neues Versicherungs-kennzeichen. Foto: HUK-COBURG Tipp

Wer sein Kleinkraftrad erst aus der Garage holt, wenn es warm und sonnig ist, kann das Versicherungskennzeichen später kaufen. Die Prämienhöhe richtet sich nach dem tatsächlichen Nutzungszeitraum. Wer ab Mai fährt, zahlt nicht für zwölf sondern für zehn Monate, also bis zum Ende des laufenden Verkehrsjahrs. Kaufen lassen sich die Kennzeichen direkt bei der Versicherung. Viele Kfz-Versicherungen schicken die Kennzeichen auch zu.

Die kleinen Verwandten der Motorräder sind nicht nur oft in Unfälle verwickelt, sie werden auch häufig gestohlen. Beides zeigt: Umfassender Versicherungsschutz ist nötig. Dies gilt besonders für Personenschäden. Wird beispielsweise ein gut verdienender, junger Familienvater bei einem Verkehrsunfall durch die Schuld des Rollerfahrers schwer verletzt und behält bleibende Schäden, sind Entschädigungen in Millionenhöhe durchaus realistisch. Deshalb empfiehlt die HUK-COBURG grundsätzlich eine Kfz-Haftpflichtversicherung mit 100 Millionen € Versicherungssumme für Personen-, Sach- und Vermögensschäden.

Die bietet sie im Bereich der Kleinkrafträder ab 34 € und die Teilkasko-Versicherung mit 150 € Selbstbeteiligung ab 26 € an. Versicherung für E-Scooter und S-Pedelec Mit den E-Scootern ist die Fahrzeugfamilie mit Versicherungskennzeichen noch einmal gewachsen. Auch sie brauchen jedes Jahr eine neue Versicherungsplakette. Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist ab 17 € und die Teilkasko-Versicherung mit 150 € Selbstbeteiligung ab 16 € zu haben.

S-Pedelecs müssen ebenfalls ein Versicherungskennzeichen tragen: Bei diesen schnellen Pedelecs wird die Motorunterstützung erst bei 45 Stundenkilometern abgeschaltet und die Motorleistung liegt bei 500 Watt. In diesem Segment bietet die HUK-COBURG eine Kfz-Haftpflichtversicherung ab 25 € und eine Teilkasko-Versicherung mit 150 € Selbstbeteiligung bei Totalentwendung ab 34 € an.

 


Bundesgerichtshof: Taschenrechner am Steuer verboten
Karlsruhe, 18. Februar 2021 - Der für Verkehrsstrafsachen zuständige 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte darüber zu entscheiden, ob das Bedienen eines Taschenrechners durch einen Fahrzeugführer während der Fahrt die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO erfüllt und deshalb bußgeldbewehrt ist.

Diese Rechtsfrage wurde dem Bundesgerichtshof vom Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung vorgelegt, weil sich das vorlegende Gericht an der Bejahung der Frage durch eine abweichende Auffassung des Oberlandesgerichts Oldenburg gehindert sah. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall war ein Autofahrer vom Amtsgericht Lippstadt in Westfalen zu einer Geldbuße verurteilt worden, weil er während der Fahrt einen Taschenrechner bedient hatte.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Taschenrechner der Regelung des § 23 Abs. 1a StVO unterfällt, weil es sich um ein elektronisches Gerät im Sinne der Vorschrift handelt, das der Information dient. Am Steuer darf ein Taschenrechner daher nicht benutzt werden. Gesetzliche Grundlage der Entscheidung ist eine Änderung der Straßenverkehrsordnung aus dem Jahr 2017. Bis dahin war nur das Benutzen von Mobil- und Autotelefonen am Steuer ausdrücklich verboten.

Die Neuregelung hat das Verbot auf alle elektronischen Geräte erweitert, die der Kommunikation, Information und Organisation dienen. Erfasst sind außerdem Geräte der Unterhaltungselektronik und Navigationsgeräte. Sie dürfen vom Fahrzeugführer nur noch benutzt werden, wenn sie hierfür weder aufgenommen noch in der Hand gehalten werden. Auch dann darf der Fahrer den Blick nur kurz vom Verkehr abwenden oder er muss eine Sprachsteuerung nutzen.

Vorinstanzen: Oberlandesgericht Hamm – Vorlagebeschluss vom 15. August 2019 – III-4 RBs 191/19 Amtsgericht Lippstadt – Urteil vom 11. Februar 2019 – 7 OWi 35 Js 1585/18 – 181/18

Die maßgebliche Vorschrift lautet: § 23a Abs. 1a StVO (Auszug) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn 1. hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und 2. entweder
a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder
b) zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.
Geräte im Sinne des Satzes 1 sind auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder.


Wettbewerbsrecht: Kein "fliegender Gerichtsstand" in Düsseldorf
Düsseldorf, 18. Februar 2021 - Gegen Wettbewerbsverstöße im Internet und anderen Telemedien kann nicht mehr bundesweit im Rahmen des "fliegenden Gerichtsstands" vorgegangen werden. Dies hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Erfried Schüttpelz am 16. Februar 2021 in einem Beschluss deutlich gemacht (Aktenzeichen I-20 W 11/21).
In dem zugrundeliegenden Fall verlangt ein Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen von einem in Rheinland-Pfalz sitzenden Unternehmen Unterlassung angeblich irreführender Werbung auf verschiedenen Kanälen (Fernsehen, Internet, Print). Das Landgericht Düsseldorf bejahte seine Zuständigkeit und untersagte mit einstweiliger Verfügung vom 15. Januar 2021 die Werbung.

Die Antragsgegnerin, das werbende Unternehmen, wandte sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen diese Entscheidung, soweit sie Werbung im Internet und anderen Telemedien betraf. Sie hält das Landgericht Düsseldorf für unzuständig. Die sofortige Beschwerde hat zwar keinen Erfolg, weil sie nicht das richtige Rechtsmittel gegen die Entscheidung ist. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat jedoch deutlich gemacht, dass die Zuständigkeitsfrage anders zu beurteilen ist.

Hintergrund ist die am 2. Dezember 2020 in Kraft getretene Neufassung der Zuständigkeitsregeln im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 14 UWG). Vormals war es möglich, Wettbewerbsverstöße, die über das Internet oder andere Telemedien bundesweite Auswirkungen hatten, im Rahmen des sogenannten "fliegenden Gerichtsstands" auch bundesweit geltend zu machen. Düsseldorf ist vor diesem Hintergrund einer der bundesweit führenden Gerichtsstandorte in Wettbewerbsstreitsachen. Die Neuregelung beschränkt die gerichtliche Zuständigkeit nunmehr örtlich auf den Bezirk, in dem der angeblich gegen die Regeln Verstoßende seinen Allgemeinen Gerichtsstand hat, zum Beispiel seinen Wohnsitz.
Das Landgericht sah diese Beschränkung auf Fälle begrenzt, in denen lediglich internetspezifische Wettbewerbsverstöße geltend gemacht werden. Da dies vorliegend nicht der Fall war, sah es den "fliegenden Gerichtsstand" weiterhin gegeben. Der Wettbewerbssenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf dagegen sieht keinen Raum für eine solche einschränkende Lesart der neuen Vorschrift. Danach wäre im vorliegenden Fall ein Gericht in Rheinland-Pfalz zuständig.


Räum- und Streupflicht
Coburg/Duisburg, 12. Februar 2021 - „Endlich Schnee“, freuen sich die einen. „Wieder früher aufstehen und Schnee schaufeln“, murren die anderen. Richtig ist: Winterliche Straßenverhältnisse bringen Fußgänger tatsächlich leicht ins Rutschen. Ein Bein ist schnell gebrochen. Passiert das vor der eigenen Haustür, können Mieter oder Eigentümer eines Hauses eventuell zur Verantwortung gezogen werden. Warum? Das erklärt die HUK-COBURG.

Winterliche Straßenverhältnisse bringen Passanten schnell ins Rutschen. Foto: HUK-COBURG

Beide sind im Winter verpflichtet, für einen eisfreien Fußweg zu sorgen. Mieter müssen immer dann zu Schneeschieber und Streumittel greifen, wenn ihnen per Mietvertrag die Räum- und Streupflicht übertragen wurde und das ist eher die Regel als die Ausnahme. Passiert ein Unfall, weil die Winterpflichten nur ungenügend erledigt oder gleich ganz vergessen wurden, kann der Säumige für die Folgen verantwortlich gemacht werden. Ohne private Haftpflichtversicherung ein teures Vergessen: Neben Behandlungskosten lassen sich vom Geschädigten auch Verdienstausfall oder Schmerzensgeld geltend machen.

Räum- und Streupflicht
Wann und wie oft Schnee schieben oder Streuen angesagt sind? Auf diese Frage gibt es keine Auskunft von der Stange: Ausschlaggebend ist immer die jeweilige Satzung, mit der jede Kommune den Winterdienst regelt. Oftmals kann man sich auf den Websites von Städten und Gemeinden schlaumachen. Ein anderer Weg ist ein Anruf beim örtlichen Bau- oder Ordnungsamt. Hier lässt sich erfragen, in welchem Zeitraum der Griff zum Schneeschieber erforderlich ist und wie breit der freie Gehweg sein muss.

Die Häufigkeit des Schneeräumens hängt letztlich von der Witterung und von der Verkehrsbedeutung eines Weges ab. Bei extremem Schneefall oder Glatteisbildung ist gerade auf stark frequentierten Wegen außergewöhnlicher Einsatz gefordert. Nur wenn Räumen und Streuen witterungsbedingt zwecklos sind, kann man warten, bis beispielsweise der Schneefall nachlässt oder ganz aufhört.

Auch müssen Wege meist nicht in ihrer gesamten Breite geräumt werden. In der Regel genügt es, einen Streifen frei zu schaufeln oder auf einer bestimmten Breite zu streuen. Eine Faustregel besagt: Zwei Fußgänger müssen auf dem geräumten Weg aneinander vorbeigehen können. Kommunen können diese Frage aber auch klar in ihrer Satzung regeln.

Allerdings kann niemand im Winter einen durchgängig eis- oder schneefreien Bürgersteig erwarten. Wer in der kalten Jahreszeit unterwegs ist, muss mit winterlichen Straßenverhältnissen rechnen und sich entsprechend vorsichtig bewegen. Dazu gehört es auch, Winterschuhe zu tragen, die ein entsprechend tiefes und rutschfestes Profil haben. 

 

Maskenpflicht im Umfeld von Geschäften außer Vollzug gesetzt

Münster, 10. Februar 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute den Eilantrag einer Antragstellerin aus Gelsenkirchen zur Maskenpflicht nach der nordrhein-westfälischen Coronaschutz­verordnung im Wesentlichen abgelehnt. Erfolg hatte der Antrag allerdings hinsichtlich der Bestimmung, wonach unabhängig von der Einhaltung eines Mindestabstands im unmittelbaren Umfeld von Einzelhandelsgeschäften auf dem Grundstück des Geschäftes, auf den zu dem Geschäft gehörenden Parkplatzflächen und auf den Zuwe­gungen zu dem Geschäft eine Alltagsmaske zu tragen ist. Insoweit hat das Oberver­waltungsgericht durch seinen Eilbeschluss die Coronaschutzverordnung vorläufig außer Vollzug gesetzt.
Zur Begründung hat der 13. Senat ausgeführt: Auch wenn der wissenschaftliche Dis­kurs über die Eignung insbesondere von Alltagsmasken als Mittel zur Vermeidung von Infektionen mit SARS-CoV-2 nicht abgeschlossen sei, sei auf der Grundlage der gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisse davon auszugehen, dass das Tra­gen einer Mund-Nasen-Bedeckung oder eines Mund-Nasen-Schutzes („OP-Maske“) andere vor einer Infektion schütze. Es gebe bislang auch keine stichhaltigen An­haltspunkte dafür, dass durch das ‑ regelmäßig zeitlich begrenzte - Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung oder eines Mund-Nasen-Schutzes die Aufnahme von Sau­erstoff oder die Abatmung von Kohlendioxid objektiv in gesundheitsgefährdender Weise beeinträchtigt werde.

Dass die Coronaschutzverordnung inzwischen für be­stimmte, vom Verordnungsgeber als besonders infektionsträchtig identifizierte Be­reiche das Tragen einer medizinischen Maske („OP-Maske“ oder nach Wahl des Trägers Masken des Standards FFP2 bzw. KN95/N95) und nicht - als milderes Mit­tel - weiterhin das Tragen einer Alltagsmaske vorsehe, sei ebenfalls verhältnismäßig. Denn Alltagsmasken erbrächten nicht die in den technischen Normen definierten Leistungsnachweise, wie sie für medizinische Masken vorgesehen seien, und böten deswegen jedenfalls in der Regel weniger Schutz.   Erfolg hatte der Eilantrag lediglich hinsichtlich der Bestimmung, wonach unabhängig von der Einhaltung eines Mindestabstands im unmittelbaren Umfeld von Einzelhan­delsgeschäften auf dem Grundstück des Geschäftes, auf den zu dem Geschäft gehörenden Parkplatzflächen und auf den Zuwegungen zu dem Geschäft eine Alltags­maske zu tragen ist.

Diese Regelung genügt nach Auffassung des 13. Senats nicht den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen. Der Begriff des „unmittelbaren Umfelds“ sei nicht hinreichend klar. Der Wortlaut lasse die Auslegung zu, dass es sich dabei nur um einen Radius von vielleicht einigen wenigen Metern vom Ein­gangsbereich des Geschäfts aus gesehen handele. Denkbar sei aber auch, dass hiermit ein deutlich größerer Bereich - wie ihn der Verordnungsgeber z. B. für das Verzehrverbot in einem Umkreis von 50 Metern um eine gastronomische Einrichtung bei einem Außer-Haus-Verkauf von Speisen und Getränken gewählt habe - gemeint sei.
Auch die Begründung der Verordnung gebe hierüber keinen näheren Aufschluss. Erfasst werden sollten durch die Regelung danach solche Bereiche, in denen es vor­nehmlich aufgrund räumlicher Gegebenheiten typischerweise dazu kommen könne, dass der Mindestabstand nicht durchgehend eingehalten werde. Dies ermögliche dem Regelungsadressaten keine präzise Bestimmung des Bereichs, in dem die Maskenpflicht vor Einzelhandelsgeschäften gelten solle. Diese Unklarheiten wögen deswegen besonders schwer, weil ein Verstoß gegen die Maskenpflicht bußgeldbe­wehrt sei. Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 1932/20.NE


Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Verweigerung einer Erlaubnis zum Erwerb eines Arzneimittels zum Zweck der Selbsttötung
05. Februar 2021 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der ein Ehepaar die Erlaubnis zum Erwerb eines tödlichen Arzneimittels zum Zweck der Selbsttötung begehrt. Diese Erlaubnis wurde zuvor vom Bundesinstitut für Arzneimittel verweigert und dessen Entscheidung anschließend von den Fachgerichten bestätigt.

Die Entscheidungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und der Fachgerichte ergingen zeitlich noch vor dem Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 u. a. -, mit dem ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitetes Recht auf selbstbestimmtes Sterben anerkannt und der Straftatbestand der gewerbsmäßigen Suizidbeihilfe (§ 217 StGB) für nichtig erklärt wurde.

Die Kammer hat entschieden, dass die gegenständliche Verfassungsbeschwerde unzulässig ist. Die Möglichkeit der Beschwerdeführer, ihren Wunsch nach einem selbstbestimmten Lebensende zu verwirklichen, sei infolge der Entscheidung des Zweiten Senats und der darin ausgesprochenen Nichtigerklärung des § 217 StGB wesentlich verbessert. Aufgrund dieser grundlegend veränderten Situation seien sie nunmehr zunächst gehalten, durch aktive Suche nach suizidhilfebereiten Personen im Inland, durch Bemühungen um eine ärztliche Verschreibung des gewünschten Wirkstoffs oder auf anderem geeignetem Weg ihr anerkanntes Recht konkret zu verfolgen.


Überschwemmungsschäden sind in der Kasko mitversichert

Coburg/Duisburg, 04. Februar 2021 - In mehreren Bundesländern sind die Pegel dramatisch gestiegen und einzelne Flüsse schon über die Ufer getreten. Wenn Straßen und Wege überflutet werden, sind auch ganz schnell dort geparkte Autos in Gefahr. Was ist zu tun, wenn das Auto nasse Füße kriegt? Ist solch ein Schaden versichert? Wird ein geparktes Auto durch plötzlich auftretendes Hochwasser beschädigt, ist dies ein typischer Teilkasko-Schaden, bestätigt die HUK-COBURG. Betroffene sollten so schnell wie möglich mit ihrer Versicherung Kontakt aufnehmen. Am besten ist ein Anruf noch von der Schadenstelle aus.

Versichert ist übrigens nicht allein das Auto, auch fest eingebaute Teile wie Navigationssystem, Telefon oder Autoradio mit Lautsprechern sind miteingeschlossen. Dasselbe gilt für Zubehör, das - wie zum Beispiel der Kindersitz - gesetzlich vorgeschrieben ist oder der Pannenhilfe dient. Neben spezifischen Versicherungsfragen gibt es auch wissenswerte technische Details. Niemand sollte versuchen, den Motor eines überschwemmten Autos selbst zu starten. Auch wenn das Wasser abgeflossen ist, droht noch Gefahr. Sobald es in den Motorblock eindringt, kann der Ölfilm reißen.

Für bewegliche Teile des Motorblocks, wie zum Beispiel Kolben, heißt das: Wird der Motor einfach gestartet, reibt Metall auf Metall. Ohne Schmiermittel ist ein Motor ruck zuck kaputt. Darum muss das Auto auf jeden Fall abgeschleppt und fachgerecht gereinigt werden. Die Reinigung schließt natürlich den Innenraum mit ein. Vorsicht ist auch an anderer Stelle geboten. Wer sich mit dem Auto einem Hochwassergebiet nähert, sollte es weiträumig umfahren.
Selbst geringe Wasserhöhen bergen die Gefahr eines Wasserschlags, dabei gelangt durch den Ansaugstutzen unter der vorderen Stoßstange Wasser in den Motorblock. Wichtig zu wissen: Wer Motorschäden geltend machen will, die während einer Fahrt durch das Wasser oder durch Restwasser im Motor entstanden sind, muss eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen haben.


Erfolglose Wahlprüfungsbeschwerde bezogen auf das Fehlen gesetzlicher Regelungen zur paritätischen Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts bei der Bundestagswahl
02. Februar 2021 - Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eine Wahlprüfungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Deutschen Bundestages, mit dem ein Einspruch gegen die Wahl zum 19. Deutschen Bundestag am 24. September 2017 zurückgewiesen wurde, als unzulässig verworfen.

Die Beschwerdeführerinnen rügen angesichts des geringen Anteils weiblicher Mitglieder im Deutschen Bundestag das Fehlen gesetzlicher Regelungen zur paritätischen Ausgestaltung der Landeslisten und Wahlkreiskandidaturen durch die politischen Parteien. In der Wahlprüfungsbeschwerde wird jedoch nicht hinreichend begründet, dass der Bundesgesetzgeber zu einer solchen paritätischen Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts der politischen Parteien verpflichtet ist. Darüber, ob eine solche gesetzliche Regelung zur paritätischen Ausgestaltung der Landeslisten und Wahlkreiskandidaturen mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, hatte der Senat daher nicht zu entscheiden.


Bundesgerichtshof legt EuGH Fragen zur Pflicht von Internethändlern vor, über Herstellergarantien zu informieren

Bundesgerichtshof - Karlsruhe, 11. Februar 2021 - I ZR 241/19
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen vorgelegt, mit denen geklärt werden soll, inwieweit Internethändler Verbraucher über Herstellergarantien für die angebotenen Produkte informieren müssen.
Sachverhalt: Die Parteien vertreiben Taschenmesser im Wege des Internethandels. Die Beklagte bot auf der Internetplattform Amazon ein Schweizer Offiziersmesser an. Die Angebotsseite enthielt unter der Zwischenüberschrift "Weitere technische Informationen" einen Link mit der Bezeichnung "Betriebsanleitung". Nach dem Anklicken dieses Links öffnete sich ein Produktinformationsblatt, das folgenden Hinweis auf eine Garantie des Herstellers enthielt: "Die Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik zwei Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt."

Weitere Informationen zur Garantie enthielt das Produktinformationsblatt nicht. Die Klägerin hat beantragt, der Beklagten zu verbieten, den Absatz von Taschenmessern an Verbraucher mit Hinweisen auf Garantien zu bewerben, ohne hierbei auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf hinzuweisen, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und ohne den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes anzugeben.

Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß wegen eines Verstoßes gegen § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG zur Unterlassung verurteilt. Bei Fernabsatzverträgen ist der Unternehmer nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB verpflichtet, den Verbraucher "gegebenenfalls" über das Bestehen und die Bedingungen von Garantien zu informieren.

Das Oberlandesgericht hat angenommen, diese Informationspflicht bestehe jedenfalls, wenn das Warenangebot - wie im Streitfall - einen Hinweis auf das Bestehen einer Garantie enthalte. Der Inhalt dieser Informationspflicht sei unter Rückgriff auf § 479 Abs. 1 BGB zu bestimmen. Nach dieser Vorschrift muss eine Garantieerklärung unter anderem den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und die Angabe des räumlichen Geltungsbereichs des Garantieschutzes enthalten.

Das Oberlandesgericht hat gemeint, diese Angaben müssten auch zur Erfüllung der hier in Rede stehenden Informationspflicht gemacht werden. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union drei Fragen zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher zur Vorabentscheidung vorgelegt. Diese Vorschrift wird durch § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB nahezu gleichlautend in deutsches Recht umgesetzt.

 Zum einen soll durch den Gerichtshof der Europäischen Union geklärt werden, ob allein schon das bloße Bestehen einer Herstellergarantie die Informationspflicht nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU auslöst oder - falls dem nicht so ist - die Informationspflicht durch die bloße Erwähnung einer Herstellergarantie im Angebot des Unternehmers ausgelöst wird oder dann, wenn die Erwähnung für den Verbraucher ohne weiteres erkennbar ist.

Darüber hinaus ist fraglich, ob eine Informationspflicht auch besteht, wenn für den Verbraucher ohne weiteres ersichtlich ist, dass der Unternehmer nur Angaben des Herstellers zur Garantie zugänglich macht. Schließlich wird der Gerichtshof der Europäischen Union um Beantwortung der Frage gebeten, ob die nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU erforderliche Information über das Bestehen und die Bedingungen einer Herstellergarantie dieselben Angaben enthalten muss wie eine Garantie nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, oder ob weniger Angaben genügen. Die zuletzt genannte Bestimmung ist durch § 479 Abs. 1 BGB in deutsches Recht umgesetzt worden.

Vorinstanzen: LG Bochum - Urteil vom 21. November 2018 - I-13 O 110/18 OLG Hamm - Urteil vom 26. November 2019 - I-4 U 22/19 Die maßgeblichen Vorschriften lauten: § 3 Abs. 1 UWG Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. § 3a UWG Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Artikels 246a des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche zu informieren.

§ 479 Abs. 1 BGB Eine Garantieerklärung (§ 443) muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss enthalten: 1. den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf, dass sie durch die Garantie nicht eingeschränkt werden, und 2. den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für die Geltendmachung der Garantie erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers. Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB Der Unternehmer ist nach § 312d Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs verpflichtet, dem Verbraucher folgende Informationen zur Verfügung zu stellen: […] 9. gegebenenfalls das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien, […] Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU

Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes: […] m) gegebenenfalls den Hinweis auf das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und gewerblichen Garantien; […] Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG

Die Garantie muss darlegen, dass der Verbraucher im Rahmen der geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften über den Verbrauchsgüterkauf gesetzliche Rechte hat, und klarstellen, dass diese Rechte von der Garantie nicht berührt werden; -in einfachen und verständlichen Formulierungen den Inhalt der Garantie und die wesentlichen Angaben enthalten, die für die Inanspruchnahme der Garantie notwendig sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers.


 

Januar 2021

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde einer Verlegerin gegen Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung
28. Januar 2021 - Das Bundesverfassungsgericht hat eine neue Pressemitteilung veröffentlicht. Hierzu lautet der Kurztext: Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts einer Verfassungsbeschwerde einer Verlegerin eines Magazins stattgegeben, die sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen richtet, die die Beschwerdeführerin zum Abdruck einer Gegendarstellung verurteilen.
Die Beschwerdeführerin veröffentlichte einen Artikel, der sich mit Steuersparmodellen im Zusammenhang mit maltesischen Gesellschaften deutscher Unternehmen und Privatpersonen befasst. Es wird unter anderem darüber berichtet, dass der Antragsteller des Ausgangsverfahrens eine Firma im Firmenregister in Malta eintragen ließ, deren Geschäftszweck insbesondere der Kauf, Betrieb, Verleih und Bau von „Schiffen jeder Art“ sei. Zudem wird unter anderem erklärt, dass es ein „paar naheliegende Gründe [gebe], nach Malta zu gehen, wenn die Firma das Wort „Yachting“ im Namen trägt“.

Die Beschwerdeführerin wurde daraufhin von den Fachgerichten zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung verurteilt. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Entgegen der Entscheidung der Fachgerichte handelt es sich bei der streitgegenständlichen Passage nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um ein Werturteil, welches nicht gegendarstellungsfähig ist.


83-Jährige Essener haben keinen Anspruch auf unverzügliche Impfung
22. Januar 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute die Beschwerde von 83-jährigen Eheleuten aus Essen gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen abge­lehnt, nach dem diese keine unverzügliche Corona-Schutzimpfung beanspruchen können. Das im eigenen Hausstand lebende Ehepaar hatte geltend gemacht, aufgrund seines Alters gehöre es zu der Gruppe von Personen, die nach der Coronavirus-Impfverordnung des Bundes mit höchster Priorität einen Anspruch auf Impfung hät­ten.
Es sei daher rechtswidrig, dass in der Stadt Essen zunächst alle Bewohnerinnen und Be­wohner der Pflegeheime, auch wenn diese das achtzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, und die dort tätigen Personen geimpft würden. Das Verwal­tungsgericht Gelsenkirchen lehnte am 11. Januar 2021 den Eilantrag der Eheleute ab, mit dem sie erreichen wollten, dass die Stadt Essen ihnen unverzüglich eine Möglichkeit zur Corona-Schutzimpfung verschafft.
Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg. Zur Begründung hat der 13. Senat in Auseinandersetzung mit den mit der Beschwer­de dargelegten Gründen ausgeführt: Die Priorisierung zugunsten der Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sei nicht zu beanstanden. Zwar gehörten die über 80-Jährigen ebenso wie die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen der Impfgruppe mit höchster Priorität an. Die Coronavirus-Impfverordnung sehe aber ausdrücklich vor, dass innerhalb dieser Gruppe auf Grundlage infektiologischer Erkenntnisse bestimm­te Anspruchsberechtigte vorrangig berücksichtigt werden könnten.
Danach habe die Landesregierung darauf abstellen dürfen, dass die Bewohner von Alten- und Pflege­heimen typischerweise ein höheres Expositionsrisiko hätten, weil sie im Alltag auf eine Vielzahl von Kontakten als notwendige Hilfestellungen angewiesen seien und sich nicht auf den selbstgewählten Kontakt zu Angehörigen oder anderen naheste­henden Personen beschränken könnten. Dass zeitgleich auch die in diesen Einrich­tungen tätigen Personen die Impfung erhalten könnten, sei in der Coronavirusimpf­verordnung selbst angelegt. Diese fasse Bewohner und Personal als einheitliche Untergruppe von Impfberechtigten zusammen.
Das sei dem naheliegenden Umstand geschuldet, dass so ein möglichst umfassender Schutz der besonders gefährdeten Bewohner von Alten- und Pflegeheimen erreicht werden könne, wenn ‑ wie erhofft ‑ eine Impfung tatsächlich die Weitergabe des Virus verhindere. Ob die Eheleute mit ihrem Begehren richtigerweise die Stadt Essen als untere Gesundheitsbehörde in Anspruch genommen haben, hat der Senat danach offen gelassen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 58/21 (I. Instanz: VG Gelsenkirchen 20 L 1812/20)

Weiterhin kein Präsenzunterricht
22. Januar 2021 - Das Oberverwaltungsgericht hat heute einen Eilantrag gegen die Coronabetreuungsverordnung des Landes abgelehnt, mit dem die Antragstellerin die sofortige Rück­kehr zum Präsenzunterricht erreichen wollte. Nach der aktuellen Coronabetreuungsverordnung ist in der Zeit vom 11. bis 31. Januar 2021 die schulische Nutzung von öffentlichen Schulen, Ersatzschulen und Ergänzungsschulen unter anderem zu Un­terrichtszwecken untersagt.

Hiergegen wandte sich eine Viertklässlerin aus Köln mit der Begründung, die Schließung der Schulen verletze ihr Recht auf Bildung und schulische Förderung. Der derzeit praktizierte Distanzunterricht stelle zumal für Grundschüler keine geeignete Unterrichtsform dar. Der für das Infektionsschutzrecht zuständige 13. Senat hat zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung ausgeführt, die verordneten Schulschließungen seien in der derzeitigen Lage voraussichtlich verhältnismäßig.

Angesichts der landesweit nach wie vor hohen Zahl an Neuinfizierungen überschreite der Verordnungsgeber ‑ auch unter Berücksichtigung des besonderen Bildungsauftrags von Grundschulen ‑ den ihm zustehenden Einschätzungs- und Prognosespielraum nicht, wenn er aktuell dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Gesundheitsschutz der Bevölkerung den Vorrang einräume.
Die mit der Schließung der Schulen einhergehenden Folgen für die betroffenen Schüler und deren Eltern in sozialer, psychischer und auch öko­nomischer Hinsicht seien zwar zum Teil gravierend. Diese würden aber zumindest teilweise durch digitale oder analoge Unterrichts- und Lernangebote abgefedert, auch wenn das “Lernen auf Distanz“ gerade bei jüngeren Schülern kein vollwertiges Äquivalent zu einem Präsenzunterricht darstelle.
Im Übrigen sei auch zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber zunächst mit dem sogenannten Teillockdown ab Anfang November letzten Jahres anderen Maßnahmen den Vorzug gegeben und versucht habe, durch starke Einschränkungen in anderen Bereichen eine Eindäm­mung der Infektionstätigkeit zu erreichen, um den normalen Schulbetrieb aufrechterhalten zu können. Erst als sich gezeigt habe, dass sich die Verbreitung des Virus dadurch nicht in der erhofften Weise eindämmen ließ, habe er neben weiteren Ver­schärfungen auch die (zeitweise) Umstellung auf Distanzunterricht eingeführt. Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 47/21.NE

Eilantrag gegen Coronaeinreiseverordnung abgelehnt
7. Januar 2021 - Wer aus ausländischen Risikogebieten nach Nordrhein-Westfalen zurückkehrt, muss sich weiterhin grundsätzlich in Quarantäne begeben, aus der er sich - mit Ausnahme der Einreise aus dem Vereinigten Königreich und Südafrika - bereits vor Beginn durch eine freiwillige Testung bei der Einreise oder eine unmittelbar nachfolgende Testung befreien kann. Das Oberverwaltungsgericht hat heute den Antrag des Eigentümers eines Motorschiffs in der Normandie abgelehnt, die entsprechenden Regelungen der nordrhein-westfälischen Coronaeinreiseverordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen.

 Mit Beschluss vom 20. November 2020 hatte das Oberverwaltungsgericht wesent­liche Teile der damals geltenden Coronaeinreiseverordnung außer Vollzug gesetzt, die für Reiserückkehrer aus dem Ausland eine zehntägige häusliche Quarantäne vorsah. In Reaktion auf den Nach­weis unterschiedlicher Mutationen des Coronavirus im Vereinigten Königreich und in Südafrika hat das Land am 20. Dezember 2020 eine neue Coronaeinreiseverord­nung erlassen und darin eine zehntägige Quarantäne für Reiserückkehrer aus diesen Ländern vorgesehen.

Die Bestimmungen wurden einige Tage später um eine Rege­lung ergänzt, mit der Einreisende aus anderen ausländischen Risikogebieten zur Vornahme eines PCR- oder eines Schnelltests vor oder unmittelbar nach der Ein­reise verpflichtet wurden. Hiergegen hatte sich der Antragsteller zunächst gewandt. Nachdem während des Verfahrens Zweifel entstanden waren, ob die vom Land in Anspruch genommene Verordnungsermächtigung des Infektionsschutzgesetzes zu Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit ermächtigt, wie sie mit der Verpflichtung zur Vornahme eines Coronatests mittels Abstrichs aus dem Nasen- und/oder Rachenraum voraussichtlich verbunden sind, hat das Land die Coronaeinreisever­ordnung Anfang Januar 2021 erneut geändert.

Danach gilt nunmehr auch für Einrei­sende aus anderen Risikogebieten als dem Vereinigten Königreich oder Südafrika eine Absonderungspflicht, deren Eintreten aber bereits vor dem Beginn durch eine freiwillige Testung bei der Einreise oder eine unmittelbar nachfolgende Testung aus­geschlossen werden kann. Hiergegen richtete sich zuletzt der Eilantrag des Antragstellers, der eine Reise zu seinem Boot in die Normandie beabsichtigt, die derzeit als Risikogebiet ausgewiesen ist. Er machte unter anderem einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehand­lungsgrundsatz geltend. Für Personen, die Nordrhein-Westfalen nicht verlassen oder sich in einem anderen Bundesland mit vergleichbaren Inzidenzwerten aufgehalten hätten, bestehe jedenfalls keine geringere Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Corona­virus angesteckt zu haben, als für Personen, die nach Frankreich reisten.

Der 13. Senat lehnte den Antrag ab und führte zur Begründung unter anderem aus: Es sei voraussichtlich unbedenklich, dass der Verordnungsgeber von einem dringen­den Handlungsbedarf ausgehe und die Absonderungspflicht mit Freitestungsmög­lichkeit als einen nennenswerten Beitrag zur Eindämmung der Pandemie sehe. Sie solle dazu dienen, den Eintrag von Infektionen - auch solchen mit neuen Virusstäm­men - nach Deutschland zu entdecken, um sodann Schutzmaßnahmen gegen eine Weiterverbreitung ergreifen zu können.
Die Situation stelle sich im Hinblick auf den nunmehr im gesamten Bundesgebiet geltenden sogenannten strengen Lockdown und die zwischenzeitlich im Vereinigten Königreich entdeckte, möglicherweise deut­lich ansteckendere Virusmutante anders dar als noch im November, als der Senat eine allgemeine Absonderungspflicht für sämtliche Einreisende aus Risikogebieten noch beanstandet hatte. Die Einschätzung, dass eine Reise in der Regel mit mehr Kontakten und damit einer höheren Infektionsgefahr verbunden sei als ein Verbleib im Bundesgebiet, erscheine unter den gegenwärtigen Umständen plausibel.
Eine Reisetätigkeit könne bei zulässiger typisierender Betrachtung häufige und vielfältige zwischenmenschliche Kontakte zur Folge haben, die bei einem Verbleib im Bundes­gebiet unter den gegenwärtigen Bedingungen mit der nahezu vollständigen Schlie­ßung des Einzelhandels, von Kultur, Sport- und Freizeitstätten, der Gastronomie und der Beherbergungsbetriebe sowie einschneidenden Kontaktbeschränkungen im pri­vaten Bereich weitgehend ausgeschlossen seien. Die Regelungen seien auch nicht deshalb ungeeignet, weil man sich auch durch einen Schnelltest „freitesten“ könne. Auch durch Maßnahmen, die keine vollständige Sicherheit böten, Folgeansteckun­gen zu vermeiden, könne ein nennenswerter Beitrag zur Eindämmung der Pandemie geleistet werden.

Die mit der Absonderungspflicht einhergehenden Beeinträchtigun­gen könnten - auch schon im Vorhinein - durch die Durchführung eines (Schnell-)Tests abgewendet werden, der ein nur niedrigschwelliger, in der Regel folgenloser Eingriff sei. Die vom Einreisenden zu tragenden Kosten von etwa 30 bis 40 Euro be­wegten sich - jedenfalls wenn man sie ins Verhältnis zu einer Reisetätigkeit setze - in einem sehr überschaubaren Umfang. Ein Gleichheitsverstoß ergebe sich insbeson­dere nicht daraus, dass die vom Verordnungsgeber unterstellten typischen infek­tionsbegünstigenden Reisekontakte nicht bei jeder Art von Reise in jedes erdenkliche Zielland bestünden.
Der Verordnungsgeber dürfe seiner Regelung vielmehr eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde legen, die insbesondere den gegenwärtig hoch belasteten Gesundheitsämtern eine einfache Durchsetzung und Überprüfung der geltenden Vorgaben für Reiserückkehrer ermögliche. Der Beschluss ist unanfechtbar. Aktenzeichen: 13 B 2046/20.NE

 

Düsseldorfer Tabelle
Die zum 1. Januar 2021 aktualisierte Düsseldorfer Tabelle ist ab sofort auf der Internetseite des Oberlandesgerichts Düsseldorf verfügbar. 
Die Änderungen betreffen im Wesentlichen die Bedarfssätze minderjähriger und volljähriger Kinder. Die Düsseldorfer Tabelle ist Richtlinie und Hilfsmittel für die Bemessung des angemessenen Unterhalts im Sinne des § 1610 BGB und wird von allen Oberlandesgerichten zur Bestimmung des Kindesunterhalts verwandt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf gibt sie seit dem 1. Januar 1979 heraus. Ihr Inhalt beruht auf Koordinierungsgesprächen aller Oberlandesgerichte und der Unterhaltskommission des Familiengerichtstages e.V.
In dem Pandemiejahr 2020 konnten keine persönlichen Koordinierungstreffen stattfinden, sondern haben sich die Beteiligten ausschließlich digital abgestimmt.
1. Bedarfssätze  
a. Minderjährige
Die Anhebung der Bedarfssätze minderjähriger Kinder beruht auf der Erhöhung des Mindestbedarfs gemäß der "Dritten Verordnung zur Änderung der Mindestunterhaltsverordnung vom 3. November 2020" (BGBl I 2020, 2344).
Der Mindestunterhalt beträgt danach ab dem 1. Januar 2021:  für Kinder der 1. Altersstufe (bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres) 393 EUR (Anhebung um 24 EUR), für Kinder der 2. Altersstufe (bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres) 451 EUR ( Anhebung um 27 EUR), für Kinder der dritten Altersstufe (vom 13. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit)  528 EUR (Anhebung um 31 EUR). 
Diese Beträge entsprechen den Bedarfssätzen der ersten Einkommensgruppe (bis 1.900 EUR) der Düsseldorfer Tabelle. Die Anhebung der Bedarfssätze der ersten Einkommensgruppe führt zugleich zu einer Änderung der Bedarfssätze der folgenden Einkommensgruppen. Sie werden wie in der Vergangenheit ab der 2. bis 5. Gruppe um jeweils 5 % und in den folgenden Gruppen um jeweils 8 % des Mindestunterhalts angehoben.
b. Volljährige Die Bedarfssätze volljähriger Kinder werden zum 01.01.2021 gleichfalls angehoben. Wie in 2020 betragen sie 125 % der Bedarfssätze der 2. Altersstufe.
c. Studierende
Der Bedarfssatz des Studierenden (m/w/d), der nicht bei seinen Eltern oder einem Elternteil lebt, bleibt gegenüber 2020 mit 860 EUR unverändert.
2. Anrechnung des Kindergelds
Auf den Bedarf des Kindes ist nach § 1612b BGB das Kindergeld anzurechnen. Dieses beträgt ab dem 1. Januar 2021:  für ein erstes und zweites Kind 219 EUR, für ein drittes Kind: 225 EUR, ab dem vierten Kind: 250 EUR.

Das Kindergeld ist bei minderjährigen Kindern in der Regel zur Hälfte und bei volljährigen Kindern in vollem Umfang auf den Barunterhaltsbedarf anzurechnen. Die sich nach Abzug des Kindergeldanteils ergebenden Beträge sind in den im Anhang der Tabelle beigefügten "Zahlbetragstabellen" aufgelistet. 3. Selbstbehalte
Die Selbstbehalte bleiben gegenüber 2020 unverändert. Lediglich bei Ansprüchen auf Elternunterhalt ist mit Rücksicht auf die Regelungen des Angehörigenentlastungsgesetzes von der Angabe eines konkreten Betrags abgesehen worden. Die Steigerung des Regelsatzes auf 446 EUR für volljährige Alleinstehende hat noch keine Anhebung des notwenigen Selbstbehalts veranlasst. Sollte aber der Regelsatz weiter steigen, bedürfen die Selbstbehalte wahrscheinlich zum 1. Januar 2022 einer Anpassung.

4. Einkommensgruppen
Die Einkommensgruppen bleiben 2021 unverändert. Wie in der Vergangenheit endet die Tabelle mit einem bereinigten Einkommen bis zu 5.500,00 EUR (10. Einkommensgruppe, 160% des Mindestbedarfs). Der Bundesgerichtshof befürwortet mit Beschluss vom 16.09.2020 (XII ZB 499/19) eine Fortschreibung der Einkommensgruppen. Dieser Wunsch in der am 09.11.2020 veröffentlichten Entscheidung konnte für die Tabelle 2021 nicht mehr umgesetzt werden. Eine etwaige Fortschreibung der Einkommensgruppen und Bedarfssätze über die 10. Einkommensgruppe hinaus bleibt deshalb der Düsseldorfer Tabelle 2022 vorbehalten.
Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs kommt eine prozentuale Erhöhung der Bedarfssätze in Betracht, wenn das bereinigte Einkommen des Barunterhaltspflichtigen die 10. Einkommensgruppe überschreitet. Alle Informationen zur Düsseldorfer Tabelle einschließlich der aktuellen Leitlinien sind auf der Homepage des Oberlandesgerichts Düsseldorf veröffentlicht: https://www.olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer_Tabelle/index.php.