15 - 17. Dezember 2009 |
Oberverwaltungsgericht:
Erörterungstermin in den immissionsschutzrechtlichen Verfahren um
das E.ON Kraftwerk Datteln
Heute hat vor dem 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts ein
nichtöffentlicher Erörterungstermin in den beiden anhängigen
Verfahren um das E.ON Kraftwerk Datteln stattgefunden. Gegen das
Vorhaben klagen der BUND und ein Waltroper Landwirt; Beklagte ist
die Bezirksregierung Münster, zum Verfahren beigeladen ist die E.ON
Kraftwerke GmbH.
Gegenstand der Verfahren sind der immissionsschutzrechtliche
Vorbescheid und Teilgenehmigungen für das Vorhaben.
Der 8. Senat hatte zu dem Erörterungstermin geladen, um an einem
"runden Tisch" den weiteren Zeitplan zu erörtern, nachdem der 10.
Senat des Oberverwaltungsgerichts - auf den Normenkontrollantrag des
Landwirtes aus Waltrop hin - mit Urteil vom 3. September 2009 den
Bebauungsplan Nr. 105 - E.ON Kraftwerk - der Stadt Datteln für
unwirksam erklärt hatte (Az.: 10 D 121/07.NE). Dieses Verfahren ist
derzeit beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.
An dem Erörterungstermin nahmen im Einverständnis mit den
Beteiligten neben den Beteiligten und deren Prozessbevollmächtigten
zeitweise auch Vertreter des Umweltministeriums NRW, des
Wirtschaftsministeriums NRW, der Regionalplanungsbehörde
(Regionalverband Ruhr) und der Stadt Datteln teil.
In dem Erörterungstermin wurde der aktuelle Stand der derzeitigen
Landes-, Regional- und Bauleitplanung in Bezug auf das geplante
Kraftwerk erörtert. Ferner wurde über das weitere Vorgehen in den
anhängigen Klageverfahren beraten.
Nach Erörterung mit dem Senat beantragten die Beteiligten
übereinstimmend das Ruhen beider Verfahren bis zum Ergehen der
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über den Bebauungsplan
und der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auf den
Vorlagebeschluss des Senats vom 5. März 2009 zu der Frage, in
welchem Umfang Umweltorganisationen klagen dürfen.
Aktenzeichen: 8 D 117/07.AK und 8 D 38/08.AK
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen: Unzuständige Behörde erläßt
mehr als 100.000 Widerspruchsbescheide
Essen. Die Bezirksregierung Münster hat in den letzten beiden Jahren
in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts mehr als 100.000
Widerspruchsbescheide erlassen, ohne dafür zuständig zu sein. Das
ergibt sich aus einem heute verkündeten Urteil des 10. Senats des
Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW). Die
Bezirksregierung Münster sei zum Erlass der zahlreichen
Widerspruchsbescheide – allein 75.000 im Jahr 2009 - sachlich nicht
zuständig gewesen. Nach Ansicht der Essener Richter mus vielmehr
jeweils die Kommune (Kreis oder kreisfreie Stadt) als
Ausgangsbehörde auch den Widerspruch erlassen. Seit der Auflösung
der staatlichen Versorgungsämter in NRW zum 1.1.2008 und des
Übergangs ihrer Aufgaben auf die Kommunen handelten diese im Bereich
des Schwerbehindertenrechts als Selbstverwaltungsbehörden.
Im von ihm entschiedenen Fall hielt der Senat trotz des
Verfahrensfehlers eine Nachholung des Vorverfahrens nicht für
erforderlich. Der beklagte Kreis Bergisch Gladbach sei gleichzeitig
Ausgangs- und Widerspruchsbehörde. Ein anderes Ergebnis eines
erneuten Widerspruchsverfahrens sei nicht zu erwarten. Eine Pflicht
zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens in diesem und den
zahlreichen Parallelfällen hätte zudem einen „personellen und
finanziellen Super-Gau für die Kommunen“ bedeutet, wie der
Vorsitzende Richter in der mündlichen Urteilsbegründung ausführte.
In der Sache blieb die auf Anerkennung des Merkzeichens „G“ -
erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr
- gerichtete Klage des Klägers aus Odenthal aus medizinischen
Gründen erfolglos. Der Senat sprach ihm aber u.A. wegen des
rechtswidrigen Widerspruchsbescheids einen teilweisen Anspruch auf
Erstattung seiner Anwaltskosten zu.
Wegen der Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision zum
Bundessozialgericht zugelassen. Das Urteil ist daher noch nicht
rechtskräftig
Sozialgericht Aachen: Augenoptiker zur
Auskunft verpflichtet
Am 08.12.2009 hat die 13. Kammer des Sozialgerichts Aachen unter dem
Vorsitz von Richter am Sozialgericht Ulrich Irmen in drei mit
Spannung erwarteten Urteilen verschiedene Augenoptiker dazu
verpflichtet, Auskunft über Leistungs- und Abrechnungsvorgänge für
den Zeitraum 2001 bis 2003 zu erteilen. Die Klägerin, eine
gesetzliche Krankenkasse, hatte diese Auskünfte verlangt, nachdem
sie und andere Krankenkassen Hinweise auf vermeintliche Fehler und
Auffälligkeiten bei der Abrechnung von Sehhilfen durch Augenoptiker
erhalten hatte. Daraufhin begann sie - federführend auch für andere
gesetzliche Krankenkassen - mit der Überprüfung der Abrechnungen aus
den Jahren 2001 bis 2003. In den vom Sozialgericht Aachen
entschiedenen Fällen ging es um insgesamt ca. 3.400 jeweils
namentlich benannte Abrechnungsfälle, bezüglich derer Auskunft
verlangt wurde. Die beklagten Augenoptiker vertraten die Auffassung,
die Auskunftsbegehren seien rechtswidrig, da es an einer rechtlichen
Grundlage fehle. Das Sozialgericht Aachen hat demgegenüber nunmehr
festgestellt, dass nach dem Ergebnis der Vorermittlungen, die ein
von den Krankenkassen gebildeter Steuerungsausschuss
"Abrechnungsmanipulation" durchgeführt hat, jedenfalls der Verdacht
besteht, dass es in den Jahren 2001 bis 2003 zu Falschabrechnungen
zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen gekommen sein kann. In
einem solchen Fall, so die Aachener Richter, sind die Augenoptiker,
die nach der gesetzlichen Systematik ihre Leistungen für die
gesetzliche Krankenkassen an deren Versicherte erbringen, nach Treu
und Glauben verpflichtet, die Krankenkassen in die Lage zu
versetzen, diesem Verdacht nachzugehen. Hierfür ist die begehrte
Auskunft unerlässlich. Auch die Tatsache, dass es um Abrechnungen
geht, die bereits mehrere Jahre zurückliegen, hindert den
Auskunftsanspruch nicht. Die Ansprüche sind weder verjährt noch
verwirkt.
Gegen die Urteile des Sozialgerichts ist die Berufung zum
Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Essen
zulässig. Sollten die Entscheidungen rechtskräftig werden, können in
einem zweiten Schritt die Abrechnungen überprüft und ggf. überzahlte
Rechnungsbeträge bei den Augenoptikern geltend gemacht werden. Neben
den nunmehr entschiedenen Aachener Fällen sind allein in
Nordrhein-Westfalen noch ca. 200 weitere Fälle mit der gleichen
Problematik anhängig (Sozialgericht Aachen, Urteile vom 08.12.2009,
S 13 (2) KR 112/07; S 13 (2) KR 114/07; S 13 KR 136/07).
Arbeitsgericht Düsseldorf: Kündigungsschutzverfahren einer
Mitarbeiterin der CDU Nordrhein-Westfalen
Vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf hat heute eine Güteverhandlung in
einem Kündigungsschutzverfahren einer Mitarbeiterin gegen die CDU
Nordrhein-Westfalen stattgefunden. Streitgegenstand sind zwei
fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigungen. Die beklagte
Partei wirft der Klägerin vor, vertrauliche Informationen
ungenehmigt weiter gegeben zu haben. Dies hat die Klägerin
zurückgewiesen. Eine gütliche Einigung konnte nicht erzielt werden.
Die Verhandlung wird vor der 12. Kammer am 15. März 2009 um 11.00
Uhr in Saal 004 fortgesetzt.
Arbeitsgericht Düsseldorf – 12 Ca 8794/09 |
Bundesverfassungsgericht:
Vorratsdatenspeicherung nur in Fällen von schweren Straftaten
Landessozialgericht: Hartz- IV- Empfänger brauchen nicht in
Obdachlosenunterkunft zu wohnen |
Bundesverfassungsgericht:
Vorratsdatenspeicherung nur in Fällen von schweren Straftaten
15. Dezember 2009 -Der
nordrhein-westfälische Innenminister Dr. Ingo Wolf sieht sich auch
nach der heutigen mündlichen Verhandlung des
Bundesverfassungsgerichtes in seiner Kritik zur
Vorratsdatenspeicherung bestätigt. "Das Gericht folgt damit unserer
Auffassung, dass die Weitergabe der Daten nur in Fällen von schweren
Straftaten erfolgen darf. Darauf haben wir bereits im Bundesrat
ausdrücklich hingewiesen", sagte Innenminister Dr. Ingo Wolf heute
(15.12.) in Düsseldorf. "Alles andere ist ein unverhältnismäßiger
Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger."
Nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) dürfen - jeweils für sechs
Monate - Telefon- und Internetverbindungsdaten gespeichert werden.
Dies sind bei Telefongesprächen beispielsweise die Rufnummern des
Anrufenden und des angerufenen Anschlusses sowie Beginn und Ende des
Gesprächs. "Hier wird gespeichert, wer mit wem wann und wie lange
telefoniert hat und damit auch zahlreiche Kommunikationsdaten von
unbescholtenen Bürgern, ohne dass hierzu ein Anlass besteht",
kritisierte Wolf.
Die heutige mündliche Verhandlung machte deutlich, dass nach
Auffassung der Karlsruher Richter die Nutzung der gespeicherten
Daten nur unter strengen Auflagen zulässig sein soll. So dürfen
gespeicherte Telefon- und Internetverbindungsdaten nur in Fällen
schwerster Kriminalität an die Strafverfolgungsbehörden weiter
gegeben werden. Dabei muss der entsprechende Verdacht durch
Tatsachen belegt sein und die Ermittlungen anders nicht möglich
oder wesentlich erschwert werden. Wolf: "Das ist auch richtig. Denn
hier gilt es das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
einerseits und das Strafverfolgungsinteresse des Staates
andererseits miteinander in Einklang zu bringen und dabei den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren."
Ein Hartz- IV- Empfänger braucht nicht in einer
Obdachlosenunterkunft zu wohnen
Ein Hartz-
IV- Empfänger braucht nicht in einer Obdachlosenunterkunft zu
bleiben, sondern ist berechtigt, eine eigene Wohnung anzumieten. Das
hat jetzt das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) in
einem Eilverfahren entschieden. Die Essener Richter gaben damit
einem 59- jährigen Mann aus Velbert Recht, dem die zuständige
Gemeinde ein Zimmer in einem Übergangsheim in Heiligenhaus
zugewiesen hatte.
Der Hartz-IV- Empfänger war von dort ohne Zustimmung der zuständigen
Hartz- IV- Behörde in eine von ihm selber angemietete Wohnung nach
Velbert gezogen. Die Behörde hatte sich vorab geweigert, die Kosten
der neuen Wohnung zu übernehmen; sie hielt sie für überhöht. Nach
dem Umzug wollte die Hartz-IV-Behörde dem Kläger wegen ihrer
fehlenden Zustimmung weiter nur die Mietkosten für das Zimmer in dem
Übergangsheim in Höhe von 184 € erstatten. Dem haben die Essener
Richter jetzt widersprochen.
Der Umzug des Klägers sei erforderlich gewesen; die Behörde habe ihn
nicht auf die Obdachlosenunterkunft verweisen können. Allerdings
sprachen die Essener Richter dem Kläger mit 323 € pro Monat für 16
Monate nur einen Teil der von ihm verlangten monatlichen Miete und
Nebenkosten von insgesamt 380 € für die neue Wohnung zu. Nach
Einschätzung der Richter lag der Mietpreis der vom Kläger gemieteten
Wohnung über der angemessenen Referenzmiete von 5,40 € pro
Quadratmeter.
Der Beschluss ist rechtskräftig (Beschluss vom 26.11.2009 –L 19 B
297/09 AS ER; Vorinstanz SG Düsseldorf, Beschluss vom 31.8.2009 – S
5 AS 137/09 ER, SG Düsseldorf)
Landessozialgericht: Hunderte von Widerspruchsbescheiden im
Schwerbehindertenrecht rechtswidrig?
Der 10. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW)
entscheidet am Mittwoch, 16.12.2009 ab 9:30 Uhr im Saal 2221 in vier
Verfahren von Klägern aus NRW über die grundsätzliche Zuständigkeit
der Bezirksregierung Münster als Widerspruchsbehörde in
Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts nach dem 9. Buch des
Sozialgesetzbuchs. Mit Jahresbeginn 2008 hat NRW die staatlichen
Versorgungsämter aufgelöst und ihre Aufgaben auf die Kommunen
(Landkreise und kreisfreie Städte) übertragen. Über die Widersprüche
gegen die entsprechenden Bescheide der Kommunen – wie die
Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – entscheidet seitdem
die
Bezirksregierung Münster. Würde der entscheidende Senat indes die
zugrunde liegenden gesetzlichen Aufgaben als
Selbstverwaltungsangelegenheiten der Kommunen einordnen, wären diese
auch für den Erlass der Widerspruchsbescheide sachlich zuständig.
Alle bisher seit 2008 von der Bezirksregierung Münster erlassenen
Widerspruchsbescheide wären dann rechtswidrig ergangen. Welche
Folgen das für die laufenden Klageverfahren haben kann, bleibt
abzuwarten. |
Finanzgericht Münster: Solidaritätszuschlag verfassungsgemäß |
8. Dezember 2009 - Der 1. Senat des
Finanzgerichts Münster hält den Solidaritätszuschlag für das Jahr
2007 für verfassungsgemäß (Urteil vom 8. Dezember 2009, 1 K 4077/08
E).
Der Senat teilt damit nicht die Auffassung des Niedersächsischen
Finanzgerichts, das dem Bundesverfassungsgericht jüngst die Frage
der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlages für das Jahr
2007 vorgelegt hat.
Es sei – so der Senat in seiner mündlichen Urteilsbegründung –
höchstrichterlich geklärt, dass eine Ergänzungsabgabe im Sinne des
Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG nicht nur befristet erhoben werden dürfe;
die Erhebung des Solidaritätszuschlags sei unter diesem
Gesichtspunkt nicht zu beanstanden.
Zudem könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Bedarf für die
Erhebung des Solidaritätszuschlages im Jahr 2007 gedeckt gewesen
sei. Die im sog. Solidarpakt II vorgesehene Absenkung der
Ergänzungszuweisungen an die Länder Berlin, Brandenburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
bestätige, dass die Kosten der deutschen Einheit, die tragendes
Motiv des Gesetzgebers zur Einführung des Solidaritätszuschlages
gewesen seien, als begrenzt eingeschätzt würden. Ihre Deckung könne,
auch wenn der Zeitraum als langfristig zu bezeichnen sei, durch die
Erhebung der Ergänzungsabgabe erfolgen.
Der Senat hat die Revision zugelassen. |
Sozialgericht: Kindergeld zu Unrecht angerechnet
Lottogewinn ist anrechenbares
Einkommen
Der Weg zur Arbeit: Unfälle
genießen nur unter engen Voraussetzungen gesetzlichen
Unfallversicherungsschutz |
1. Dezember 2009 - Das entschied die
8. Kammer des Sozialgerichts Detmold auf die Klage eines
Arbeitslosengeld-II-Beziehers. Diesem war seitens der beklagten
Arbeitsgemeinschaft das Kindergeld als Einkommen auf seinen
Leistungsanspruch angerechnet worden.
Wie sich später herausstellte, hatte die Familienkasse für den
streitigen Zeitraum jedoch zu Unrecht Kindergeld festgesetzt, da die
Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorlagen. Sie forderte deshalb
die Leistung zurück. Eine solche Rückforderung muss auch die
Arbeitsgemeinschaft berücksichtigen – so das Sozialgericht Detmold –
wenn sie das Kindergeld vorher als Einkommen angerechnet hat.
Zwar ist grundsätzlich das Kindergeld nach den maßgeblichen
Vorschriften als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen und zu
berücksichtigen. Dies gilt jedoch nicht, wenn es von vornherein mit
einer Rückzahlungspflicht verbunden ist.
Da in einem solchen Fall die Einkünfte nicht endgültig zur
Verwendung zur Verfügung stehen und deshalb nach wirtschaftlicher
Betrachtungsweise zur Bestreitung des Lebensunterhaltes auch nicht
verwendet werden können, stellen sie kein Einkommen dar. Im hier
streitigen Zeitraum war das ausgezahlte Kindergeld bereits zum
Zeitpunkt der Auszahlung mit der Rückzahlungsverpflichtung belastet
und stand daher dem Leistungsbezieher unter wirtschaftlichen
Gesichtspunkten nicht zur Deckung seines Lebensunterhaltes zur
Verfügung.
Unerheblich ist, dass die Familienkasse die
Rückzahlungsverpflichtung erst durch einen späteren, nach Ablauf der
streitigen Bewilligungszeiträume erlassenen Bescheid konkretisiert
hat. Soweit sich die Arbeitsgemeinschaft auf den für das
Bundessozialhilfegesetz entwickelten Grundsatz „keine Sozialhilfe
für die Vergangenheit“ beruft, ist dieser nach Ansicht des
Sozialgerichts in diesem Zusammenhang nicht auf das SGB II
übertragbar.
Urteil vom 31.03.2009 – S 8 AS 61/08
(nicht rechtskräftig - Aktenzeichen des Landessozialgerichts NRW - L
19 AS 35/09)
§ 11 Absatz 1 SGB II
Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder
Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der
Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen,
die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes
vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem
Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder
Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren
Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Der Kinderzuschlag nach
§ 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen
Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für
minderjährige Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur
Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird.
Lottogewinn ist anrechenbares Einkommen
Die Arbeitplus hat zu Recht einen Lottogewinn als Einnahme
angerechnet und Arbeitslosengeld-II-Leistungen entsprechend
reduziert. Dies entschied die 13. Kammer des Sozialgerichts Detmold
auf die Klage eines Arbeitslosengeld-II-Empfängers, der die
Auffassung vertrat, dieser Lottogewinn dürfe nicht als Einkommen
angerechnet werden. Er habe schließlich nur gewinnen können, weil er
seit dem Jahr 2001 dieses Los halte. Dementsprechend habe er seit
dieser Zeit mehr investiert, als er letztendlich als Gewinn
herausbekommen habe. Dieser Argumentation folgte das Gericht nicht.
Vielmehr verwies es darauf, dass Glückspielgewinne allgemein als
Einkommen qualifiziert werden, wobei Einkommen nach den insoweit
maßgeblichen Vorschriften grundsätzlich alles ist, was jemand nach
Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen, das, was er vor
der Antragstellung bereits hatte. Insbesondere hat die Zahlung der
Beiträge für das Los nicht wie z.B. bei dem Verkauf von
Wertgegenständen lediglich zu einer Vermögensumschichtung geführt,
indem z.B. Wertgegenstände gegen Bargeld ausgetauscht wurden.
Die vor dem Bewilligungszeitraum von dem
Arbeitslosengeld-II-Empfänger gezahlten Losbeiträge scheiden ohnehin
aus, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits begrifflich nicht mehr zu
seinem Vermögen gehört haben. Auch hat er durch die Zahlung der
Beiträge nicht im unmittelbaren zeitlichen und kausalen Zusammenhang
eine andere Vermögensposition erworben. Lediglich die letzte Zahlung
war für den jetzigen Gewinn ursächlich. Das Gericht widersprach
auch der Annahme, dass durch die ständige Teilnahme an der Lotterie
seine Gewinnchancen erhöht würden. Auch wenn immer die gleiche
Losnummer gespielt werde, sei die Gewinnchance vielmehr immer gleich
niedrig. Ein zufälliges Ereignis werde nicht wahrscheinlicher, weil
es längere Zeit nicht eingetreten sei – so das Sozialgericht. Selbst
für die Zahlung von 15 € in dem Gewinnmonat habe der Kläger nicht
unmittelbar eine vermögenswerte Gegenleistung erhalten.
Die Gewinnchance sei so niedrig gewesen, dass von einem
Vermögenswert nicht gesprochen werden könne. Die Wahrscheinlichkeit
für eine Niete betrage beim Lotto 95,75% bei einer
Gesamtausschüttung von 50% der Einnahmen. Entgegen der Ansicht des
Klägers waren auch die gezahlten Monatsbeiträge für die Lotterie
nicht vom Einkommen abzusetzen. Die mit der Erzielung des Einkommens
verbundenen notwendigen Ausgaben müssen der Höhe nach bei
vernünftiger Wirtschaftsführung anfallen. Diese Voraussetzungen sah
das Sozialgericht nicht als gegeben an. Bei vernünftiger
Wirtschaftsführung hätte der Leistungsempfänger bei der geringen
Gewinnwahrscheinlichkeit die Lose nicht erwerben dürfen.
Urteil vom 23.10.2009 – S 13 AS 3/09 (nicht rechtskräftig)
Hartz-IV-Bezüge sind zu mindern, wenn Eltern ihren Kindern
zur Überbrückung von finanziellen Engpässen Geld zukommen lassen
Das Sozialgericht Detmold wies die Klage eines 37-jährigen
Arbeitsuchenden ab, der gegen einen Rückforderungsbescheid der Arge
gewandt hatte. Grund für die Rückforderung waren mehrere
Überweisungen seiner Eltern im Gesamtwert von 630 €, die seinem
Konto innerhalb der letzten 6 Monate gutgeschrieben worden waren.
Die Arge berechnete erneut den Bedarf des Klägers für die
Vergangenheit unter Berücksichtigung der Zahlungen der Eltern und
forderte den Unterschiedsbetrag gegenüber den bereits gewährten
Leistungen zurück.
Der Kläger konnte nicht mit seiner Argumentation gehört werden, bei
den Zahlungen habe es sich um kleinere Unterstützungsleistungen
gehandelt, die er zurückzuzahlen habe, wenn er wieder Arbeit
gefunden hat. Denn - so das Sozialgericht - auch darlehensweise
gewährte Mittel stellen eine dem Leistungsempfänger tatsächlich zur
Verfügung stehende und damit den Bedarf mindernde Einnahme dar.
Insbesondere ist nicht von Bedeutung, ob der Leistungsempfänger
möglicherweise zur Rückzahlung verpflichtet ist. Zwar kann sich die
Rückzahlungsverpflichtung unmittelbar auf die finanzielle Situation
eines Hilfebedürftigen auswirken, etwa weil er zur unverzüglichen
Tilgung des Darlehens durch Raten verpflichtet ist. Für eine solche
Interpretation sahen die Richter jedoch keinen Anlass. Da der
Zeitpunkt der Rückzahlungsverpflichtung unbestimmt und sich auf ein
in der Zukunft liegendes Ereignis - nämlich die Wiederaufnahme einer
Erwerbstätigkeit - bezieht, wird durch die Gewährung des Darlehens
der aktuelle Vermögensstand des Leistungsempfängers vermehrt.
Urteil vom 19.08.2009 – S 18 (23) AS 107/08
(nicht rechtskräftig, Aktenzeichen des Landessozialgerichts NRW - L
20 AS 45/09)
Der Weg zur Arbeit: Unfälle genießen nur unter engen
Voraussetzungen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz
Eine 51-jährige Altenpflegerin wollte sich an einem Morgen im
Februar 2008 auf den Weg zur Arbeit machen. Vor ihrer Garage, in der
sie ihr eigenes Auto geparkt hatte, stand der Pkw ihres Sohnes, der
mit ihr in einem Haus lebt. Sie holte sich einen Ersatzschlüssel und
parkte den Wagen ihres Sohnes um. Da sie offensichtlich vergessen
hatte, bei abschüssiger Garagenauffahrt die Handbremse anzuziehen,
wurde sie unmittelbar nach dem Verlassen des Fahrzeugs von der noch
offenen Fahrzeugtür erfasst, zu Boden geworfen und von dem Vorderrad
des Autos im Bereich des linken Knies überrollt. Sie erlitt hierbei
eine komplexe Schädigung des Kniegelenks.
Die angegangene Berufsgenossenschaft hatte den Unfall nicht als
Arbeitsunfall anerkannt und Leistungen der Klägerin verweigert. Zu
Recht, meinte das Sozialgericht in seiner Entscheidung vom
22.10.2009. Das Umparken des Fahrzeugs ihres Sohnes steht nämlich
nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsschutz,
den die Klägerin während ihrer Tätigkeit als Altenpflegerin genießt.
Der Gesetzgeber hat in § 8 Absatz 2 Sozialgesetzbuch, 7. Buch
bestimmte typische Vorbereitungshandlungen selbst dem
Versicherungsschutz unterstellt, weil insoweit ein über die
eigentliche berufliche Tätigkeit hinausreichendes soziales
Schutzbedürfnis besteht. Der Weg vom und zum Ort der Tätigkeit ist
damit eine klassische Vorbereitungshandlung und als solche vom
gesetzlichen Unfallversicherungsschutz erfasst.
Hierzu gehört das Verhalten der Klägerin jedoch nach Auffassung der
Kammer nicht. Auch wenn sie das Fahrzeug ihres Sohnes umgesetzt hat,
um ihren Arbeitsweg anzutreten, war die Situation für sie nicht
unvorhersehbar. Nur wenn sich quasi durch "höhere Gewalt" auf dem
Weg zur Arbeit ein Hindernis ereignet, kann der innere Zusammenhang
mit der versicherten Tätigkeit angenommen werden. Ein solcher Fall
lag jedoch bei der Klägerin nicht vor. Sie hätte ohne Weiteres ihren
Sohn dazu anhalten können, den Pkw wegzufahren. Selbst wenn er sich
nicht im Haus befunden hätte, steht die Einhaltung innerfamiliärer
Absprachen nicht in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit der
im Unfallversicherungsrecht geschützten Tätigkeit.
Urteil vom 22.10.2009 – S 14 U 74/09 (nicht rechtskräftig) § 8 SGB
VII
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den
Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit
(versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen
auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem
Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit
zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der
Tätigkeit,
2. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem
Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a) Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen
in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten
oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut
anzuvertrauen oder
b) mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein
Fahrzeug zu benutzen,
3. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem
Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56
des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt
leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der
beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder
deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit
zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung,
wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von
dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft
haben,
5. das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren,
Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer
Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf
Veranlassung der Unternehmer erfolgt.
(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der
Verlust eines Hilfsmittels. |
Besteuerung von Erwerbsminderungsrenten
verfassungsgemäß |
1. Dezember 2009 - Der 8. Senat des
Finanzgerichts Münster hat in einem heute veröffentlichen Urteil vom
29. Oktober 2009 (8 K 1745/07 E) klargestellt, dass aus seiner Sicht
keine verfassungsrechtlichen Bedenken an der ab 2005 geltenden
Rentenbesteuerung bestehen und zwar auch nicht in Bezug auf die neu
geregelte Besteuerung von Erwerbsminderungsrenten.
Im Streitfall hatte die Klägerin eine Rente wegen voller
Erwerbsminderung bezogen. Das Finanzamt besteuerte diese in der
Vergangenheit mit einem Ertragsanteil von 4 %, im Streitjahr 2005
hingegen - wie von der Neuregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG
vorgesehen - mit einem Anteil von 50 %. Nach Auffassung der Klägerin
verstößt die Erhöhung des steuerpflichtigen Anteils um das 12,5-
fache gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die
Eigentumsgarantie. Zudem - so die Klägerin - liege ein Verstoß gegen
das Gleichbehandlungsgebot vor, da die Erwerbsminderungsrente, die
lediglich für einen Zeitraum von zwei Jahren bewilligt werde, nicht
mit einer "normalen" Altersrente vergleichbar sei.
Der 8. Senat folgte dem nicht. Der durch das Alterseinkünftegesetz
geänderte § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG erfasse - dies bestätige die
Gesetzesbegründung - alle Leistungen aus den gesetzlichen
Rentenversicherungen, d.h. auch Renten wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit und Hinterbliebenenrenten. Für eine Fortgeltung der
Begünstigungsregelung des § 55 Abs. 2 EStDV fehle die gesetzliche
Grundlage. Das Gericht sah weder verfassungsrechtliche Bedenken in
Bezug auf die seit 2005 geltende Besteuerung der Altersrenten.
Es schloss sich hierzu der Auffassung des Bundesfinanzhofes (Urteil
vom 26. November 2008 X R 15/07) an. Noch erkannte es in der seit
2005 deutlich erhöhten Besteuerung von Erwerbsminderungsrenten einen
Grundrechtsverstoß. Die erhebliche steuerliche Mehrbelastung stelle
keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Eigentumsgarantie der
Klägerin dar. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei
ebenfalls nicht gegeben. Vielmehr sei - so das Gericht - die vom
Alterseinkünftegesetz vorgesehene Gleichbehandlung von "regulären"
Alterseinkünften und Erwerbsminderungsrenten sogar folgerichtig und
geboten.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der
Sache zugelassen.
|
Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts:
Ladenöffnung an allen vier Adventssonntagen in Berlin nicht
verfassungsgemäß |
1. Dezember 2009 - Bei der
sogenannten Föderalismusreform I im Jahr 2006 wurde die
Gesetzgebungskompetenz für das Recht des Ladenschlusses auf die
Länder
übertragen. Das Abgeordnetenhaus von Berlin beschloss daraufhin das
am 17. November 2006 in Kraft getretene Berliner Ladenöffnungsgesetz
(Berl¬LadÖffG). Dieses sieht vor allem schon kraft Gesetzes und ohne
die Erfüllung weiterer Voraussetzungen die Freigabe aller vier
Adventssonntage in Folge in der Zeit von 13.00 bis 20.00 Uhr für die
Ladenöffnung vor. Vier weitere Sonn- und Feiertage jährlich können
„im öffentlichen Interesse“ durch Allgemeinverfügung der
Senatsverwaltung freigegeben werden. Zusätzlich dürfen an zwei
weiteren Sonn- oder Feiertagen Verkaufsstellen aus Anlass
„besonderer Ereignisse,
insbesondere von Firmenjubiläen und Straßenfesten“, von 13.00 bis
20.00 Uhr offen gehalten werden. Daneben gibt es eine Reihe von
warengruppenspezifischen sowie orts- und anlassbezogenen
Ausnahmebestimmungen. Die Ladenöffnung an Werktagen ist vollständig
freigegeben (24 Stunden-Öffnungsmöglichkeit).
Inzwischen haben alle Bundesländer bis auf den Freistaat Bayern den
Ladenschluss durch Landesgesetz geregelt. Im Grundsatz sehen alle
Landesgesetze vor, dass an Sonn- und Feiertagen keine Ladenöffnung
erfolgt. Als Ausnahmeregelungen weisen die meisten anderen
Bundesländer vier Sonn- und Feiertage zur Freigabe aus,
Baden-Württemberg lediglich drei, Brandenburg hingegen sechs.
Zumeist ist eine Ladenöffnung an den Adventssonntagen ausgeschlossen
oder zumindest nur an einem einzigen Adventssonntag im Jahr
gestattet. Neben Berlin sehen nur die Gesetze über den Ladenschluss
von Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt keinen besonderen Schutz
der Adventssonntage vor. Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden
sich die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische
Oberlausitz (1 BvR 2857/07) und das Erzbistum Berlin (1 BvR 2858/07)
gegen die im Vergleich zur früheren gesetzlichen Regelung und zu den
Ladenöffnungsbestimmungen in den anderen Bundesländern
weitergehenden Ladenöffnungsmöglichkeiten an Sonn- und Feiertagen in
Berlin (vgl. auch Pressemitteilung Nr. 48/2009 vom 7. Mai 2009).
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat
entschieden, dass die Regelung zur Ladenöffnungsmöglichkeit an allen
vier Adventssonntagen (§ 3 Abs. 1 Alternative 2 Berl¬LadÖffG) mit
Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Artikel 140 GG und Art.
139 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) unvereinbar ist.
Er hat die verfassungsbeschwerdeführenden Kirchen für
beschwerdebefugt erachtet.
Die Frage, ob und inwieweit sich Religionsgemeinschaften im Wege
einer
Verfassungsbeschwerde auf die verfassungsrechtliche Sonn- und
Feiertagsgarantie des Art. 139 WRV (i.V.m. Art. 140 GG) berufen
können, war in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
bisher noch nicht geklärt. Diese Garantie ist nicht im
Grundrechtskatalog des Grundgesetzes, sondern in den sogenannten
Weimarer Kirchenartikeln verankert, die Bestandteil des
Grundgesetzes sind ( Art. 140 GG).
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerden für zulässig gehalten, weil die
Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung in ihrem
Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG jedenfalls in Verbindung mit
der objektivrechtlichen Sonn- und Feiertagsgarantie hinreichend
dargetan hatten. Die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung ist
dann gegeben, wenn die Verfassungsbeschwerde eine bislang vom
Bundesverfassungsgericht noch nicht entschiedene, offene
verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die die Annahme eines
verfassungsbeschwerdefähigen Rechts jedenfalls nicht von vornherein
ausschließt. Das ist hier hinsichtlich der Frage eines etwaigen
Überwirkens der objektivrechtlichen Schutzgarantie des Art. 140 GG
in Verbindung mit Art. 139 WRV auf das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1
und 2 GG im Sinne einer Konkretisierung und Stärkung des
Grundrechtsschutzes der Fall.
Die in der angegriffenen Regelung vorgesehene Möglichkeit der
Ladenöffnung an allen vier Adventssonntagen ist mit den
Schutzpflichtanforderungen aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung
mit Art. 140 GG und Art. 139 WRV nicht mehr in Einklang zu bringen.
Das gesetzliche Schutzkonzept für die Gewährleistung der Sonn- und
Feiertagsruhe muss diese Tage erkennbar als solche der Arbeitsruhe
zur Regel erheben; die Ausnahme davon bedarf eines dem
Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes. Bloße wirtschaftliche
Interessen von Verkaufsstelleninhabern und alltägliche
Erwerbsinteressen der Käufer für die Ladenöffnung genügen dafür
grundsätzlich nicht. Zudem müssen bei einer flächendeckenden und den
gesamten Einzelhandel erfassenden Freigabe der Ladenöffnung
rechtfertigende Gründe von besonderem Gewicht vorliegen, wenn
mehrere Sonn- und Feiertage in Folge über jeweils viele Stunden hin
freigegeben werden sollen. Vor diesem Hintergrund unterschreitet die
voraussetzungslose siebenstündige Öffnung an allen vier
Adventssonntagen ohne hinreichend gewichtige Gründe das
verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß des Sonntagsschutzes.
Die Regelung über die Öffnung aufgrund Allgemeinverfügung an vier
weiteren
Sonn- und Feiertagen trägt nur bei einschränkender Auslegung den
Erfordernissen des vom Gesetzgeber zu gewährleistenden
Mindestschutzes
Rechnung. Die für verfassungswidrig erklärte Adventssonntagsregelung
bleibt noch bis zum 31. Dezember 2009 anwendbar, so dass die
Ladenöffnung an den vier Adventssonntagen in diesem Jahr in Berlin
noch möglich ist.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu
Grunde:
Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG
wird in seiner Bedeutung als
Schutzverpflichtung des Gesetzgebers durch den objektivrechtlichen
Schutzauftrag für den Sonn- und Feiertagsschutz aus Art. 139 WRV (i.V.m.
Art. 140 GG) konkretisiert, der neben seiner weltlich-sozialen
Bedeutung in einer religiös-christlichen Tradition wurzelt. Danach
ist ein Mindestniveau des Schutzes der Sonntage und der gesetzlich
anerkannten hier der kirchlichen Feiertage durch den Gesetzgeber zu
gewährleisten.
Das Schutzkonzept, das den Regelungen zur Ladenöffnung an Sonn- und
Feiertagen im Land Berlin zu Grunde liegt, wird der
Schutzverpflichtung des Landesgesetzgebers aus Art. 4 Abs. 1 und 2
GG in seiner Konkretisierung durch Art. 139 WRV in Verbindung mit
Art. 140 GG nicht hinreichend gerecht. Zwar greift das Berliner
Ladenöffnungsgesetz weder gezielt in die Religionsfreiheit der
Beschwerdeführer ein, noch liegt in den verschiedenen Bestimmungen
und Optionen zur Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen das
„funktionale Äquivalent“ eines Eingriffs, weil es sich mit den hier
angegriffenen Vorschriften an die
Verkaufsstelleninhaber und nicht an die Religionsgemeinschaften
richtet.
Allerdings beschränkt sich die Religionsfreiheit nicht auf die
Funktion eines Abwehrrechts, sondern gebietet auch im positiven
Sinn, Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die
Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf
weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern. Diese Schutzpflicht
trifft den Staat auch gegenüber den als Körperschaften des
öffentlichen Rechts verfassten Religionsgemeinschaften. Es ist aber
grundsätzlich Sache des
Gesetzgebers, ein Schutzkonzept aufzustellen und normativ
umzusetzen. Dabei kommt ihm ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und
Gestaltungsspielraum zu.
Allein aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG lässt sich keine staatliche
Verpflichtung herleiten, die religiös-christlichen Feiertage und den
Sonntag unter den Schutz einer näher auszugestaltenden generellen
Arbeitsruhe zu stellen und das Verständnis bestimmter
Religionsgemeinschaften von nach deren Lehre besonderen Tagen
zugrunde zu legen. Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG erfährt
aber eine
Konkretisierung durch die Sonn- und Feiertagsgarantie nach Art. 140
GG in Verbindung mit Art. 139 WRV; die Sonn- und Feiertagsgarantie
wirkt ihrerseits als in der Verfassung getroffene Wertung auf die
Auslegung und Bestimmung des Schutzgehalts von Art. 4 Abs. 1 und 2
GG ein und ist deshalb auch bei der Konkretisierung der
grundrechtlichen Schutzpflicht des Gesetzgebers zu beachten. Art.
139 WRV enthält einen Schutzauftrag an den Gesetzgeber, der im Sinne
der Gewährleistung eines Mindestschutzniveaus dem Grundrechtsschutz
aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG insoweit Gehalt gibt.
Die funktionale Ausrichtung der sogenannten Weimarer Kirchenartikel
auf die Inanspruchnahme des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG
gilt auch für die Gewährleistung der Tage der Arbeitsruhe und der
seelischen Erhebung in Art. 139 WRV, obgleich in dieser Norm selbst
der religiös-christliche Bezug nicht ausdrücklich erwähnt wird. Denn
Art. 139 WRV ist nach seiner Entstehungsgeschichte, seiner
systemischen Verankerung in den sogenannten Kirchenartikeln und
seinen
Regelungszwecken ein religiöser, in der christlichen Tradition
wurzelnder Gehalt eigen, der mit einer dezidiert sozialen,
weltlich-neutral ausgerichteten Zwecksetzung einhergeht. Die Sonn-
und Feiertagsgarantie fördert und schützt daher nicht nur die
Ausübung der Religionsfreiheit. Die Gewährleistung der Arbeitsruhe
sichert eine wesentliche Grundlage für die Rekreationsmöglichkeiten
des Menschen und zugleich für ein soziales Zusammenleben und ist
damit auch Garant für die Wahrnehmung von anderen Grundrechten, die
der Persönlichkeitsentfaltung dienen. Die Sonn- und
Feiertagsgarantie kommt etwa dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6
Abs. 1 GG) ebenso zugute wie der Erholung und Erhaltung der
Gesundheit (vgl. Art. 2 Abs. 2 GG). Ihre Bedeutung resultiert
wesentlich auch aus dem zeitlichen Gleichklang der Arbeitsruhe. Art.
139 WRV erweist sich so als verfassungsverankertes Grundelement
sozialenZ
usammenlebens und staatlicher Ordnung und ist als Konnexgarantie zu
verschiedenen Grundrechten zu begreifen.
Die Pflicht des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität
steht einer Konkretisierung des Schutzgehalts des Art. 4 Abs. 1 und
2 GG durch Art. 139 WRV nicht entgegen. Denn die Verfassung selbst
unterstellt den Sonntag und die Feiertage, soweit sie staatlich
anerkannt sind, einem besonderen staatlichen Schutzauftrag und nimmt
damit eine Wertung vor, die auch in der christlich-abendländischen
Tradition wurzelt und kalendarisch an diese anknüpft.
Art. 139 WRV statuiert für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen unter
anderem ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Grundsätzlich hat die
typische „werktägliche Geschäftigkeit“ an Sonn- und Feiertagen zu
ruhen, wobei der Schutz des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139
WRV nicht auf einen religiösen oder weltanschaulichen Sinngehalt der
Sonn- und Feiertage beschränkt ist. Die Regelung zielt in der
säkularisierten Gesellschafts- und Staatsordnung aber auch auf die
Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung,
Erholung und
Zerstreuung. Dabei soll die von Art. 139 WRV ebenfalls erfasste
Möglichkeit seelischer Erhebung allen Menschen unbeschadet einer
religiösen Bindung zuteil werden.
Auf dieser Grundlage ergibt sich, dass gesetzliche Schutzkonzepte
für die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe erkennbar diese
Tage als solche der Arbeitsruhe zur Regel erheben müssen.
Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Ladenöffnung bedeutet dies,
dass die Ausnahme eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden
Sachgrundes bedarf. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der
Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse
(„Shopping-Interesse“) potenzieller Käufer genügen grundsätzlich
nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten
Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an
Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen. Darüber hinaus müssen
Ausnahmen als solche für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben und
dürfen nicht auf eine weitgehende Gleichstellung der sonn- und
feiertäglichen Verhältnisse mit den Werktagen und ihrer
Betriebsamkeit hinauslaufen.
Dem Regel-Ausnahme-Gebot kommt generell umso mehr Bedeutung zu, je
geringer das Gewicht derjenigen Gründe ist, zu denen der Sonn- und
Feiertagsschutz ins Verhältnis gesetzt wird und je weitergreifender
die Freigabe der Verkaufsstellenöffnung in Bezug auf das betroffene
Gebiet sowie die einbezogenen Handelssparten und Warengruppen
ausgestaltet ist. Deshalb müssen bei einer flächendeckenden und den
gesamten Einzelhandel erfassenden Freigabe der Ladenöffnung
rechtfertigende Gründe von besonderem Gewicht vorliegen, wenn
mehrere Sonn- und Feiertage in Folge über jeweils viele Stunden hin
freigegeben werden sollen.
Bei der Einordnung und Bewertung der Durchbrechungen der Arbeitsruhe
an Sonn- und Feiertagen kommt der Ladenöffnung großes Gewicht zu.
Das Erreichen des Ziels des Sonntagsschutzes - des religiös wie des
weltlich motivierten - setzt das Ruhen der typischen werktäglichen
Geschäftigkeit voraus. Gerade die Ladenöffnung prägt wegen ihrer
öffentlichen Wirkung den Charakter des Tages in besonderer Weise.
Von ihr geht eine für jedermann wahrnehmbare Geschäftigkeits- und
Betriebsamkeitswirkung aus, die typischerweise den Werktagen
zugeordnet wird. Dadurch werden notwendig auch diejenigen betroffen,
die weder arbeiten müssen noch einkaufen wollen, sondern Ruhe und
seelische Erhebung suchen, namentlich
auch die Gläubigen christlicher Religionen und die
Religionsgemeinschaften selbst, nach deren Verständnis der Tag ein
solcher der Ruhe und der Besinnung ist. Dem Bedarfsdeckungs- und
Versorgungsargument kommt wegen der fast vollständigen Freigabe der
werktäglichen Öffnungszeiten (24-Stunden-Öffnung) in Berlin an Sonn-
und Feiertagen nur noch geringe Bedeutung zu.
Die Besonderheit der Berliner Adventssonntagsregelung (§ 3 Abs. 1
Alternative 2 BerlLadÖffG) besteht darin, dass schon kraft Gesetzes
ohne irgendeine weitere Voraussetzung vier Sonntage in Folge für die
Dauer von jeweils sieben Stunden zur Ladenöffnung freigegeben
werden. Diese Vorschrift hält der Anforderung, dass die Sonntagsruhe
die Regel ist, nicht stand, weil sie einen in sich geschlossenen
Zeitblock von etwa einem Zwölftel des Jahres vollständig vom
Grundsatz der Arbeitsruhe ausnimmt. Daran ändert der allgemein
gehaltene Hinweis in der
Gesetzesbegründung auf die Metropolfunktion Berlins nichts. Auch
darin spiegeln sich lediglich bloße Umsatz- und
Erwerbsinteressen wider. Der Sache nach läuft die Regelung mithin
darauf hinaus, den Sonn- und Feiertagsschutz für die Dauer eines
Monates für die Verkaufsstellen, die den äußeren Charakter des Tages
auch angesichts der Zahl der unmittelbar wie mittelbar Betroffenen
und der Öffentlichkeitswirkung maßgeblich prägen, aufzuheben, ohne
dass für eine derart intensive Beeinträchtigung eine hinreichend
gewichtige Begründung gegeben würde oder sonst erkennbar wäre, die
dem verfassungsrechtlichen Rang des Sonntagsschutzes gerecht werden
könnte.
Die weitere Regelung, wonach die Senatsverwaltung im öffentlichen
Interesse ausnahmsweise die Öffnung von Verkaufsstellen an höchstens
vier (weiteren) Sonn- oder Feiertagen durch Allgemeinverfügung
zulassen kann (§ 6 Abs. 1 BerlLadÖffG), ist mit dem Grundrecht der
Beschwerdeführer aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art.
140 GG und Art. 139 WRV bei einschränkender Auslegung vereinbar.
Hinsichtlich der Zahl von vier Tagen lässt sich gegen die Regelung
im
Blick auf die Gesamtzahl von regelhaft 52 Sonntagen im Jahr und von
insgesamt neun je nicht zwingend auf einen Sonntag fallenden
weiteren Feiertagen nichts erinnern, zumal bestimmte Feiertage von
dieser Öffnungsmöglichkeit ausgenommen sind. Da die Freigabe zudem
durch Allgemeinverfügung erfolgt, bedarf es einer
Verwaltungsentscheidung, die die Möglichkeit eröffnet, die jeweils
betroffenen Interessen und Rechtsgüter konkret in eine Abwägung
einzubeziehen. Den
verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der allgemein gehaltenen
Voraussetzung für die Ausnahmeregelung, dass die Öffnung „im
öffentlichen Interesse“ liegt, kann durch eine die Wertung des Art.
139 WRV berücksichtigende Auslegung Rechnung getragen werden. Eine
solche Auslegung verlangt ein öffentliches Interesse solchen
Gewichts, das die Ausnahmen von der Arbeitsruhe rechtfertigt, wobei
auch insoweit das alleinige Umsatz- und Erwerbsinteresse auf Seiten
der Verkaufsstelleninhaber und das alltägliche „Shoppinginteresse“
auf der
Kundenseite nicht genügt. Darüber hinaus bedürfen diese
Öffnungsmöglichkeiten durch Allgemeinverfügung bei
verfassungskonformer Auslegung einer uhrzeitlichen Eingrenzung, die
die Vorschrift selbst nicht ausdrücklich vorsieht.
Die weiteren angegriffenen Bestimmungen, die das Schutzkonzept des
Landesgesetzgebers mit Ausnahmen versehen, begegnen keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelung zur Öffnung der
Verkaufsstellen an allen vier Adventssonntagen bleibt trotz der
Feststellung der Verfassungswidrigkeit
unter Berücksichtigung der Berufsausübungsfreiheit der
Verkaufsstelleninhaber, ihres in die Regelung gesetzten Vertrauens
und der von ihnen für die Vorweihnachtszeit des Jahres 2009
getroffenen Dispositionen in diesem Jahr noch anwendbar. Ob und wie
der Berliner Landesgesetzgeber seine Schutzkonzeption anpasst,
obliegt seiner Gestaltungsmacht nach Maßgabe der Grundsätze dieser
Entscheidung.
Die Entscheidung ist zur Beschwerdebefugnis der
Religionsgemeinschaften und zur Konkretisierung des Art. 4 Abs. 1
und 2 GG durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV mit 5 : 3
Stimmen, hinsichtlich der Anforderungen des Art. 140 GG in
Verbindung mit Art. 139 WRV einstimmig ergangen. |
Dienstag, 10.
November 2009 |
Sozialgericht: Anspruch auf
Erwerbsminderungsrente:
Wer tatsächlich arbeitet, ist auch arbeitsfähig
Das Sozialgericht Düsseldorf hat entschieden, dass ein
schwerbehindeter Kläger aus Krefeld, der nach einem Hirninfarkt 1
1/2 Jahre krank war und anschließend mit einer
Wiedereingliederungsmaßnahme ins Erwerbsleben zurückkehrte, einen
Rentenanspruch hat; auch wenn er bis zum Eintritt der auf anderen
medizinischen Gründen beruhenden Erwerbsunfähigkeit nach der
Wiedereingliederung lediglich ca. 7 Wochen voll gearbeitet hat.
Die Kammer sah die rentenrechtlichen Voraussetzungen, dass der
Kläger die letzten fünf Jahre vor Eintritt des Versicherungsfalls
mindestens 3 Jahre Pflichtbeiträge entrichtet hat, als erfüllt an.
Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten sei der Leistungsfall,
also die dauernde Erwerbsunfähigkeit, nicht schon mit dem
Hirninfarkt Ende 2004 eingetreten. Der Kläger habe nach Abschluss
der Wiedereingliederung von Juni 2006 bis Ende Juli 2006 seine
berufliche Tätigkeit von einem speziell ausgestatteten
Heimarbeitsplatz als Vollzeittätigkeit ausgeübt.
Die entgegenstehende Auffassung der Beklagten, dass die
Wiedereingliederungsmaßnahme letztlich erfolglos gewesen sei, sei in
keiner Weise nachvollziehbar. Allein der Umstand, dass der Kläger
vollschichtig gearbeitet habe - und dies nach gutachterlichen
Feststellungen ohne Gefährdung der Gesundheit - zeige, dass die
zwischenzeitlich durch den Hirninfarkt eingetretene
Erwerbsunfähigkeit wieder aufgehoben war. Im Anschluss an die
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei davon auszugehen, dass
derjenige, der tatsächlich arbeite, auch arbeitsfähig sei.
Der weitere Einwand der Beklagten, dass es sich bei der vom Kläger
verrichteten Tätigkeit um Arbeit im geschützten Raum handele, sei
angesichts des Umstandes, dass die Beklagte sehr wohl
Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit des Klägers entgegen
genommen habe und es sich im Übrigen um eine gut dotierte Tätigkeit
gehandelt habe, in keinster Weise nachvollziehbar und stelle eine
mit dem Grundgesetz nicht vereinbare Diskriminierung behinderter
Beschäftigter dar.
Urteil vom 07.09.2009 - Az.: S 52 (10) R 191/07 - rechtskräftig
Verwaltungsgericht:
Schweineschnitzel darf als „Wiener Schnitzel vom Schwein“ verkauft
werden
Ein Fleischhersteller aus Rheda-Wiedenbrück darf eines seiner
Produkte weiterhin mit der Bezeichnung „Wiener Schnitzel vom
Schwein“ in den Handel bringen. Das entschied das Verwaltungsgericht
Arnsberg mit Urteil vom 26. Oktober 2009. Nachdem das
Fleischerzeugnis der Unternehmensgruppe über einen großen
Lebensmitteldiscounter vertrieben worden war, hatte die
Lebensmittelüberwachung des Kreises Soest die Bezeichnung
beanstandet und ein Bußgeld festgesetzt.
Zur Begründung hatte der Kreis ausgeführt: Lebensmittel dürften
nicht in einer zur Täuschung oder Irreführung des Verbrauchers
geeigneten Weise gekennzeichnet werden. Das sei hier jedoch der
Fall, da nach allgemeiner Verkehrsanschauung das Charakteristische
an einem „Wiener Schnitzel“ sei, dass es aus Kalbfleisch hergestellt
worden sei. Die Eignung zur Täuschung bzw. Irreführung werde auch
durch den Zusatz „vom Schwein“ nicht beseitigt; vielmehr sei die
Verwendung des Begriffs „Wiener Schnitzel“ gerade deshalb erfolgt,
um bei dem Verbraucher den Eindruck eines höherwertigen Produkts
hervorzurufen.
Das Unternehmen hatte mit seiner hiergegen gerichteten
Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg Erfolg. Das
Gericht stellte fest, der Kreis Soest habe der Klägerin zu Unrecht
einen Verstoß gegen lebensmittelrechtliche
Kennzeichnungsvorschriften vorgeworfen, weil die Produktbezeichnung
weder irreführend noch zur Täuschung der Verbraucher geeignet sei.
Zwar könne sich die Beklagte für ihre Sicht der Dinge auf die von
der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission beschlossenen sog.
Leitsätze berufen, wonach ein „Wiener Schnitzel“ ein solches aus
Kalbfleisch sei.
Für das Gericht seien die Leitsätze jedoch nicht bindend. Unter
Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben komme es auch allein
darauf an, wie ein „durchschnittlich informierter, aufmerksamer und
verständiger Durchschnittsverbraucher“ die Bezeichnung
wahrscheinlich verstehen werde. In Deutschland existiere aber nicht
mehr eine allgemeine Verkehrsauffassung des Inhalts, dass ein als
„Wiener Schnitzel“ bezeichnetes Fleischprodukt immer aus Kalbfleisch
bestehen müsse. Die Mehrzahl der Verbraucher verstehe unter dem
Begriff nicht mehr ausschließlich ein Kalbsschnitzel, sondern
panierte Schnitzel schlechthin.
Das belege u.a. die in vielen Gaststätten und Kantinen sowie
Rezeptsammlungen zu findende entsprechende Begriffsverwendung (auch
wenn daneben noch die Begriffsbezeichnung „Schnitzel Wiener Art“
vorkomme). Im konkreten Fall komme hinzu, dass durch den Zusatz „vom
Schwein“ für jedermann sofort und ohne jeden Restzweifel erkennbar
sei, dass im konkreten Fall ein Schweineschnitzel und eben gerade
kein Kalbsschnitzel angeboten werde; theoretisch denkbare
Restzweifel könnten schließlich durch einen zumutbaren Blick in die
Zutatenliste endgültig beseitigt werden. Eine Irreführungs- oder
Täuschungseignung der von der Klägerin gewählten Bezeichnung scheide
danach aus.
Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster
gestellt werden.
Aktenzeichen: 3 K 3516/08 |
Freitag, 6.
November 2009 |
Landessozialgericht:
Partnermonate im Elterngeld sind nicht verfassungswidrig
Essen. Es ist nicht verfassungswidrig, dass zusammenlebende Eltern
nur dann für 14 Monate Elterngeld erhalten können, wenn jeder der
beiden Elternteile mindestens zwei Monate lang Elterngeld bezieht
(Partnermonate). Das hat jetzt das Landessozialgericht
Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) im Fall einer verheirateten Mutter aus
Münster entschieden. Sie hatte ihre Benachteiligung gegenüber
Alleinerziehenden gerügt, weil sie ohne Partnermonate ihres
Ehemanns nur 12 Monate Elterngeld, Alleinerziehende dagegen 14
Monate Elterngeld beziehen könne. Die Essener Richter folgten der
Argumentation der Klägerin nicht: Das verfassungsrechtliche
Gleichbehandlungsgebot habe den Gesetzgeber vielmehr sogar
verpflichtet, allein Erziehende nicht schlechter zu behandeln als
zusammen lebende Eltern und ihnen deshalb genauso lange Elterngeld
zu gewähren wie den Eltern.
Die von der Klägerin gerügte verfassungswidrige Benachteiligung
verheirateter Paare gegenüber so genannten „Patchworkfamilien“
vermochte das LSG ebenso wenig zu erkennen. Der Gesetzgeber brauche
nicht alle denkbaren vielfältigen Fallkonstellationen zu regeln, die
der Sammelbegriff „Patchworkfamilie“ bezeichne. Er habe sich
vielmehr auf die erkennbar häufigsten und typischen Konstellationen
beschränken dürfen. Die Klägerin hatte beanstandet, in
Patchworkfamilien könnten Mütter 14 Monate Elterngeld beziehen,
obwohl sie mit einem neuem Partner zusammen lebten.
Auch den von der Klägerin behaupteten Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1
Grundgesetz (Schutz von Ehe und Familie) durch die Partnermonate
verneinten die Essener Richter. Der nur durch die Partnermonate
mögliche Bezug von Elterngeld für zwei zusätzliche Monate zwinge
zusammenlebende Eltern nicht zu einer bestimmten Ausgestaltung des
Familienlebens. Die Regelung mache Familien lediglich ein Angebot,
das sie annehmen oder ausschlagen könnten. Ein verfassungswidriger
Eingriff in die allein von den Eltern zu bestimmende Gestaltung des
Familienlebens liege darin nicht.
Nach dem Bundeselterngeldgesetz ‑ § 4 - haben zusammen lebende
Eltern insgesamt nur einen Anspruch auf 12 Monate Elterngeld. Zwei
weitere Monate können sie nur dann beanspruchen, wenn jeder der
beiden Elternteile mindestens zwei Monate lang Elterngeld bezieht
und sich bei den Eltern für zwei Elterngeldbezugsmonate
Erwerbseinkommen vermindert.
Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.
(LSG NRW, Beschluss 12.10.2009 ‑ L 13 EG 27/09; Vorinstanz SG
Münster, Urteil vom 20.4.2009 – S 2 EG 28/08). |
Dienstag, 3.
November 2009 |
Arbeitsgericht Oberhausen: Fristlose
Kündigung wegen Stromdiebstahls - letzter Akt
Aufgrund zahlreicher Nachfragen der letzten beiden Wochen werden
abschließend folgende Informationen bekannt gegeben.
Wie in der Mitteilung vom 05.08.2009 veröffentlicht, hat das unter
dem Aktenzeichen 4 Ca 1228/09 (vgl. Pressemitteilung vom 31.07.2009)
beklagte Unternehmen durch seine Prozessbevollmächtigten die
Kündigung zurück genommen.
Daraufhin hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber dem
Arbeitsgericht Oberhausen erklärt, dass der Rechtsstreit in der
Hauptsache erledigt sei und beantragt, dass das Gericht der
Arbeitgeberin die Kosten des Verfahrens auferlegen möge.
Das Gericht hat beide Parteien über die Kostenfolge dieses Antrags
belehrt.
Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Klage
insgesamt zurückgenommen und auf eine Kostenentscheidung verzichtet.
Nachdem dann auch die Beklagte auf eine Kostenentscheidung
verzichtete, ist der Rechtsstreit hier insgesamt beendet und
abgeschlossen. |
Montag, 2.
November 2009 |
Verwaltungsgericht Düsseldorf:
Klage der Stadt Oberhausen gegen die Anordnung der Bezirksregierung
Düsseldorf, die Kindergartenbeiträge zu erhöhen, erfolglos
Mit soeben verkündetem Urteil vom heutigen Tage hat die 1. Kammer
des Verwaltungsgerichts Düsseldorf die Klage der Stadt Oberhausen
gegen die kommunalaufsichtliche Anordnung der Bezirksregierung
Düsseldorf, die Kindergartenbeiträge in den höheren
Einkommensgruppen um 20% zu erhöhen, abgelehnt. Zur Begründung
führte sie aus: Die kommunalaufsichtliche Anordnung der
Bezirksregierung sei rechtmäßig.
Nach Wegfall der Landeszuschüsse im Jahr 2006 sei die Stadt Oberhausen,
die schon seit Jahren nicht mehr über einen ausgeglichenen Haushalt
verfüge, nach der Gemeindeordnung verpflichtet, die finanzielle
Mehrbelastung in zumutbarem Umfang an die Eltern weiterzugeben.
Dem habe sich der Rat der Stadt jedoch verweigert, weshalb die
Bezirksregierung im Wege der Kommunalaufsicht habe einschreiten
dürfen. Da die nach Einkommensstufen gestaffelten
Kindergartenbeiträge seit 1993 unverändert geblieben seien und
darüber hinaus die steuerliche Absetzbarkeit von
Kinderbetreuungskosten verbessert worden sei, seien die
vorgenommenen Erhöhungen der Finanzsituation der Stadt Oberhausen
angemessen. Gegen das Urteil kann beim Oberverwaltungsgericht für
das Land Nordrhein-Westfalen Antrag auf Zulassung der Berufung
gestellt werden. Aktenzeichen: 1 K 3437/07
Oberverwaltungsgericht NRW:
Internet-Glücksspiel kann in Nordrhein-Westfalen verboten werden
Der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 30.
Oktober 2009 entschieden, dass das Veranstalten öffentlicher
Glücksspiele im Internet in Nordrhein-Westfalen verboten werden
kann.
Die in Gibraltar ansässige Antragstellerin, nach eigenen Angaben
weltweit größter Veranstalter von Sportwetten, bietet neben solchen
Wetten weitere Glücksspiele, u. a. Casinospiele, im Internet an. Die
Bezirksregierung Düsseldorf (Antragsgegnerin) als insoweit für
Nordrhein-Westfalen allein zuständige Behörde untersagte der
Antragstellerin, im Internet öffentliches Glücksspiel im Sinne des
Glücksspielstaatsvertrags zu veranstalten. Gegen dieses sofort
vollziehbare Verbot erhob die Antragstellerin beim
Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage und beantragte zugleich, die
Vollziehung des Verbots vorläufig auszusetzen. Diesem Antrag gab das
Verwaltungsgericht Düsseldorf nur insoweit statt, als sich das
Verbot auf Gebiete außerhalb Nordrhein-Westfalens erstrecke. Gegen
diese Entscheidung haben sowohl die Antragstellerin als auch die
Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt, über die das
Oberverwaltungsgericht nunmehr mit dem eingangs genannten Beschluss
zu Lasten der Antragstellerin entschieden hat.
Zur Begründung hat es ausgeführt: Bei verständiger Würdigung des
Verbots werde der Antragstellerin die Veranstaltung öffentlichen
Glücksspiels nur insoweit untersagt, als das Angebot in
Nordrhein-Westfalen abrufbar sei und damit von Nordrhein-Westfalen
aus eine Teilnahme am Glücksspiel ermöglicht werde. Dieses Verbot
sei nach dem Glücksspielstaatsvertrag gerechtfertigt; der
Glücksspielstaatsvertrag sei seinerseits mit dem Grundgesetz und mit
dem Europarecht vereinbar.
Nach dem Glücksspielstaatsvertrag könne die zuständige Behörde u. a.
die Veranstaltung unerlaubter Glücksspiele untersagen. Diese
Voraussetzungen seien hier erfüllt. Die Antragstellerin veranstalte
in Nordrhein-Westfalen per Internet Glücksspiele, weil dort die
Möglichkeit zur Teilnahme geboten werde. Das Veranstalten von
Glücksspielen im Internet sei verboten und damit unerlaubt.
Das im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehene Verbot stelle zwar einen
Eingriff in die durch das Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit dar.
Dieser sei aber gerechtfertigt. Er diene dem legitimen Ziel, die
Bevölkerung, insbesondere Kinder und Jugendliche, vor den Gefahren
der Glücksspielsucht und der mit Glücksspielen verbundenen Folge-
und Begleitkriminalität zu schützen, und sei verhältnismäßig.
Das Verbot beschränke zwar zugleich auch den europarechtlich
geschützten freien Dienstleistungsverkehr. Diese Beschränkung sei
aber, wie sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
ergebe, gerechtfertigt, weil sie den zuvor genannten zwingenden
Gründen des Allgemeininteresses diene und nicht unverhältnismäßig
sei. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.
Aktenzeichen: 13 B 736/09 |
Mittwoch, 28.
Oktober 2009 |
Verwaltungsgericht: Leserbriefe
eines Lehrers zu Recht missbilligt
Das Verwaltungsgericht Münster hat durch den Beteiligten heute
bekannt gegebenes Urteil vom 16. Oktober 2009 die Klage eines
Lehrers aus Rheine abgewiesen, der sich gegen die ihm von der
Bezirksregierung Münster erteilte Missbilligung wegen verschiedener
Äußerungen in Leserbriefen gewandt hatte.
Der Kläger steht als Beamter im Dienst des Landes
Nordrhein-Westfalen und ist als Lehrer an einer Schule in Rheine
tätig. Er ist in der Stadt kulturell und politisch engagiert. Im
Rahmen seines gesellschaftlichen und politischen Engagements hatte
er wiederholt Leserbriefe geschrieben, unter anderem zwei
Leserbriefe zum Stadtparteitag der CDU in Rheine, die am 22. und 24.
November 2007 in der „Münsterländischen Volkszeitung“ veröffentlicht
worden waren. Unter dem 21. Mai 2008 hatte die Bezirksregierung
Münster dem Kläger wegen verschiedener Äußerungen in diesen
Leserbriefen eine Missbilligung erteilt und für den Fall der
Wiederholung die Einleitung eines Disziplinarverfahrens angekündigt.
Konkret hatte sie die verwendeten und gegen einen örtlichen
Parteivorsitzenden gerichteten Ausdrücke „Spaltpilz“, „Volksfront“,
„Kraftmeier“, „flegelhaften Anwürfen“, „boshaft ignorant“,
„Miesmacherei und Diffamierung“, „perfide Zielorientierung“ und
„Vasallen“ beanstandet. Demgegenüber machte der Kläger unter anderem
geltend: Die gerügten Äußerungen seien von ihm als Privatperson ohne
Bezug zu seiner Stellung als Beamter abgegeben worden. Mit den
Leserbriefen habe er lediglich Stellungnahmen zu öffentlichen
Äußerungen anderer Personen abgegeben. Dabei seien seine Äußerungen
durch die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit geschützt.
Dieser Auffassung folgte das Gericht jedoch nicht. In den
Entscheidungsgründen des Urteils heißt es unter anderem: Die
Bezirksregierung Münster gehe rechtsfehlerfrei davon aus, dass die
Leserbriefe des Klägers vom 22. und 24. November 2007 mit seinen
Pflichten als Beamter auch in Ansehung der im Grundgesetz
verankerten Meinungsfreiheit nicht im Einklang stünden. Der Beamte
müsse sich bei politischer Betätigung generell so verhalten, dass
das Vertrauen der Allgemeinheit auf strikte Sachlichkeit und
Objektivität seiner Amtsführung nicht gefährdet werde. Er dürfe
sich, wenn kein unmittelbarer Bezug zu dem dienstlichen
Aufgabenbereich bestehe, zu jedem Thema äußern. Dabei dürfe er auch
deutlich und plakativ vereinfachend argumentieren. Er müsse sich
aber mit der gebotenen Sachlichkeit und Distanz in Wort und Schrift
äußern. Nur wenn der Beamte einer ihrerseits in Wortwahl und
Darstellung überzogenen Äußerung entgegentrete, dürfe er dies in
entsprechender Art und Weise ohne die sonst gebotene Zurückhaltung
tun. Demgegenüber stellten die von der Bezirksregierung
missbilligten Äußerungen des Klägers nicht nur plakative
Zuspitzungen von Sachargumenten dar, sondern seien im Wesentlichen
auch auf eine Persönlichkeitsherabwürdigung des Betroffenen
gerichtet. Das sei für den demokratischen Meinungsbildungsprozess
abträglich, weil der Betroffene sich gegen Herabwürdigungen nicht
mit Sachargumenten wehren könne und solche Herabwürdigungen darauf
gerichtet seien, die eigene Meinung unabhängig von ihrer
Überzeugungskraft mit sachfremden Mitteln durchzusetzen. Solche
Diskussionsbeiträge, die auch Vorbildwirkung für die Schüler des
Klägers entfalteten, ließen - im Widerspruch zu seinem Lehrauftrag -
weder Duldsamkeit noch Achtung vor der Überzeugung des Anderen
erkennen. Meinungsäußerungen Dritter, die von ihrer zugespitzten
Formulierung und der Verwendung abwertender Begriffe her die
entsprechenden Äußerungen des Klägers in seinen Leserbriefen
rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. (Az.: 4 K 1765/08 - nicht
rechtskräftig) |
Freitag, 23.
Oktober 2009 |
Verwaltungsgericht: Verbot des
Ausschanks von Alkohol bestätigt
Mit Beschluss vom heutigen Tage, der den Verfahrensbeteiligten
soeben bekannt gegeben worden ist, hat die 12. Kammer des
Verwaltungsgerichts Düsseldorf den Antrag eines Gastwirtes aus
Mönchengladbach – Rheydt auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
zurückgewiesen. Der Antrag wendet sich gegen die sofortige
Vollziehung einer Allgemeinverfügung des Oberbürgermeisters der
Stadt Mönchengladbach vom 21. Oktober 2009, soweit sie die
Veräußerung von Alkohol und alkoholischen Getränken am Samstag, den
24. Oktober 2009 in der Zeit von 9.00 Uhr bis 15.30 Uhr in Teilen
der Stadt verbietet und auch den Gastwirt an seinem Standort
betrifft. In der schriftlichen Begründung ihrer Entscheidung führt
die Kammer im Wesentlichen Folgendes aus: Nach den vorliegenden
polizeilichen Erkenntnissen sei ohne das Verbot wegen des geplanten
Bundesligafußballspiels zwischen den Mannschaften von Borussia
Mönchengladbach und dem 1. FC Köln mit massiven gewalttätigen
Ausschreitungen zu rechnen, zu denen im Internet bereits aufgerufen
worden sei. Das Interesse an der Verhinderung derartiger Störungen
der öffentlichen Sicherheit wiege höher als das Interesse eines
Gastwirtes, anlässlich solcher Veranstaltungen alkoholische Getränke
auszuschenken. Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde beim
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen möglich.
Az.: 12 L 1623/09 |
Dienstag, 13.
Oktober 2009
|
Sozialgericht: Verlust von Arbeitslosengeld II bei großer Erbschaft
Verfügt ein Erblasser zu Gunsten eines „Hartz IV“-
Leistungsbeziehers, dass die Erbschaft nur insoweit ausgezahlt wird,
als bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen weiterhin bezogen
werden können, darf die Grundsicherungsbehörde gleichwohl ihre
Leistungen einstellen.
Dies entschied das Sozialgericht Dortmund im Falle eines 52-jährigen
Langzeitarbeitslosen aus Dortmund, der von seiner Mutter eine
Erbschaft im Wert von rund 240.000,- Euro gemacht hat. In ihrem
notariellen Testament hatte die Mutter verfügt, ihr Bruder habe als
Testamentsvollstrecker und Nacherbe dafür Sorge zu tragen, dass der
Nachlass möglichst erhalten bleibe und ihr Sohn als Vorerbe in den
Genuss der Früchte des Nachlasses komme, ohne dass ihm öffentliche
Zuwendungen verloren gingen. Geldbeträge u.a. für Geschenke zu
Feiertagen, Urlaube, Kleidung, die Befriedigung geistiger und
künstlerischer Bedürfnisse, Hobbys, Mitgliedschaften in Vereinen und
für gesundheitliche Belange könnten ausgezahlt werden, soweit dies
nicht zur Anrechnung auf Zuwendungsansprüche nach dem
Sozialgesetzbuch führe.
Das JobCenter/Arbeitsgemeinschaft Dortmund stellte daraufhin die
Zahlung von Arbeitslosengeld II (Alg II) ein. Das Sozialgericht
Dortmund lehnte es ab, die Behörde im Wege des Erlasses einer
einstweiligen Anordnung zur Weiterzahlung von Alg II zu
verpflichten. Der Antragsteller könne kurzfristig seinen
Lebensunterhalt durch die Verwertung von in seinem Besitz
befindlichen Aktien sicherstellen. Zur Beendigung seiner
Hilfebedürftigkeit sei er gehalten, das sittenwidrige Testament
anzufechten. Die Testierfreiheit könne nicht so weit gehen, dass dem
Erben sämtliche Annehmlichkeiten wie Hobbys und Reisen aus dem
Nachlass finanziert würden, während für den Lebensunterhalt der
Steuerzahler aufkommen solle. Anders als in Fällen des sog.
Behindertentestamentes benötige der gesunde und erwerbsfähige
Antragsteller nicht die Fürsorge seiner Mutter, um seinen
Lebensunterhalt zu bestreiten. Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom
25.09.2009, Az.: S 29 AS 309/09 ER
Landessozialgericht: Streit über Verkehrverstoß auf dem Arbeitsweg
nicht versichert
Wer als Radfahrer auf dem Heimweg von der Arbeit einem
Autofahrer den Weg versperrt, um ihn wegen eines vermeintlichen
Verkehrsverstoßes zur Rede zu stellen, verliert den Schutz der
gesetzlichen Unfallversicherung. Das hat jetzt das
Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) im Fall eines
56-jährigen Radlers aus Köln entschieden und damit eine
anderslautende Entscheidung des Sozialgerichts Köln aufgehoben.
Der Kläger wurde auf dem Nachhauseweg in der Kölner Innenstadt von
einem türkischen Pkw-Fahrer in einer Tempo-30-Zone nach seiner
Ansicht mehrfach geschnitten. Er stellte sich daraufhin vor einer
Ampel dem Pkw in den Weg und hinderte ihn an der Weiterfahrt, um den
Fahrer zur Rede zu stellen. Als Fahrer und Beifahrer ausstiegen,
setzte sich der PKW - offenbar versehentlich - in Bewegung und brach
dem Kläger das Waden- und Schienbein. Er musste stationär im
Krankenhaus behandelt werden.
Nach Ansicht der Essener Richter umfasst der Schutz der gesetzlichen
Unfallversicherung für Wegeunfälle das Verhalten des Klägers nicht.
Er habe damit vielmehr seinen versicherten Heimweg von der Arbeit
mehr als nur geringfügig unterbrochen und eigenwirtschaftliche
Interessen verfolgt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig
(Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. 09. 2009 ‑
S 5 U 298/08; Vorinstanz Sozialgericht Köln, Urteil vom 24.10.2008
‑ L 18 U 9/ 08).
|
Donnerstag, 24.
September 2009
|
Oberverwaltungsgericht NRW: E.ON darf 4. und 5. Teilgenehmigung
für Steinkohlekraftwerk Datteln zur Zeit nicht weiter ausnutzen
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat
heute in drei Eilverfahren beschlossen, dass die gegen die 4. und 5.
Teilgenehmigung gerichteten Klagen des BUND bzw. eines Waltroper
Landwirtes aufschiebende Wirkung haben, nicht jedoch die gegen die
3. Teilgenehmigung gerichtete Klage. Damit können die mit der 4. und
5. Teilgenehmigung genehmigten Anlagen(teile) zur Zeit nicht weiter
errichtet werden. Für die Entscheidungen kam es nicht auf die Frage
an, ob die Teilgenehmigungen rechtmäßig oder rechtswidrig sind; denn
die aufschiebende Wirkung einer Klage tritt kraft Gesetzes ein, wenn
die angefochtene Genehmigung nicht sofort vollziehbar ist.
Nachdem der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts mit Urteil vom 3.
September 2009 den Bebauungsplan Nr. 105 - E.ON Kraftwerk - der
Stadt Datteln auf Antrag eines Waltroper Landwirtes für unwirksam
erklärt hat (Az.: 10 D 121/07.NE), haben der Landwirt und der BUND
am 11. und 14. September 2009 ihre im 8. Senat anhängigen
immissionsschutzrechtlichen Klagen gegen den Vorbescheid und die 1.
Teilgenehmigung auch auf die 3. bis 5. Teilgenehmigung erstreckt.
Die Genehmigungsbehörde (Bezirksregierung Münster) hat daraufhin
E.ON mitgeteilt, dass für die 5. Teilgenehmigung von einer
aufschiebenden Wirkung der Klagen auszugehen sei, so dass diese
Genehmigung ab sofort nicht weiter ausgenutzt werden könne.
Demgegenüber sei hinsichtlich der 3. und 4. Teilgenehmigung das
Klagerecht wegen Zeitablaufs verwirkt. E.ON und der BUND haben
jeweils gegen diese Feststellungen der Genehmigungsbehörde
Eilanträge gestellt.
Der 8. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat heute - auf die
Eilanträge von E.ON hin - festgestellt, dass den beiden Klagen gegen
die 5. Teilgenehmigung, die vom 17. Oktober 2008 datiert und
verschiedene größere Errichtungsmaßnahmen (u.a. Kesselhaus und
Rauchgasleitung, Kohle-, Ammoniak- und Grobaschelager, Heizöltank)
zum Gegenstand hat, nicht offensichtlich unzulässig sind, so dass
ihnen aufschiebende Wirkung zukommt.
Auf den Eilantrag des BUND hin hat der 8. Senat festgestellt, dass
dessen Klage gegen die 3. Teilgenehmigung vom 12. Dezember 2007
wegen Nichteinhaltung der Jahresfrist nach § 2 Abs. 4 Satz 1
Umweltrechtsbehelfsgesetz verspätet erhoben und damit offensichtlich
unzulässig ist. Zur Begründung hat der Senat darauf hingewiesen,
dass der BUND in einem weiteren beim Oberverwaltungsgericht
anhängigen Rechtsstreit (Klage gegen den wasserrechtlichen
Planfeststellungsbeschluss) bereits Anfang des Jahres 2008 von dem
Erlass der 3. Teilgenehmigung Kenntnis erlangt habe. Die 3.
Teilgenehmigung umfasst die Errichtung u.a. der Dampfkesselanlage
mit zugehörigen Einrichtungen, die Rauchgasentschwefelung mit
Kalksteinmehlsilo und das Schaltanlagengebäude.
Demgegenüber hält der Senat die Klage des BUND gegen die 4.
Teilgenehmigung, die E.ON am 21. Juli 2008 erteilt worden ist und
u.a. den Gleisanschluss für die Ammoniak- und die
Brennstoffanlieferung einschließlich Werksbahnhof sowie
brandschutztechnische Einrichtungen umfasst, nicht für
offensichtlich unzulässig. Es bestehen nach Ansicht des Senats keine
ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der BUND in der Zeit vor dem
14. September 2008 von der 4. Teilgenehmigung Kenntnis hätte
erlangen können, mit der Folge, dass ansonsten die einjährige
Klagefrist abgelaufen gewesen wäre. Der mit der 4. Teilgenehmigung
genehmigte Bau des Gleisanschlusses wurde erst kürzlich - am 8.
September 2009 - begonnen; die früheren Arbeiten zur Realisierung
der 4. Teilgenehmigung betrafen Änderungen an vorhandenen Anlagen
und waren schon deshalb auf der unübersichtlichen Großbaustelle
nicht im Einzelnen wahrnehmbar. Erst recht konnten sie nicht einer
bestimmten Teilgenehmigung zugeordnet werden.
Für alle drei Teilgenehmigungen gilt nicht eine einmonatige
Klagefrist, weil die Genehmigungen den Betroffenen nicht individuell
oder öffentlich bekannt gegeben worden sind. Eine derartige
Bekanntgabe war von E.ON nicht beantragt worden.
Das Oberverwaltungsgericht hat aus Gründen der Dringlichkeit den
Beteiligten vorab (nur) das Ergebnis bekannt gegeben (sog.
Tenorbeschlüsse). Die nähere Begründung der Entscheidungen wird in
der nächsten Woche erfolgen.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar. Aktenzeichen: 8 B 1342/09. AK, 8 B
1343/09.AK, 8 B 1344/09.AK |
Mittwoch, 23.
September 2009
|
Landessozialgericht NRW zu
Ausschreibung von Rabattverträgen für wirkstoffgleiche
Medikamente
Krankenkassen dürfen bei der Ausschreibung von Rabattverträgen
für wirkstoffgleiche Medikamente den Zuschlag an drei
pharmazeutische Unternehmen gleichzeitig erteilen; dies verstößt
nicht gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot oder das
Diskriminierungsverbot. Das hat jetzt das Landessozialgericht
Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) als erstes Landessozialgericht in
Deutschland entschieden. Die Essener Richter hielten es für
zulässig, dass in bestimmten Fällen erst der Apotheker auswählt,
welches der mehreren vom Rabattvertrag umfassten Arzneimittel er
- nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften und der bestehenden
vertraglichen Vereinbarungen – an den Versicherten abgibt.
Apotheker seien verantwortliche Teilnehmer an der
Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.
Das LSG NRW hob damit eine entgegenstehende Entscheidung der
Vergabekammer des Bundes auf; sie hatte eine Beschränkung auf
nur ein Unternehmen je Vergabelos gefordert. Die Ausschreibung
betraf 18 verschiedene Wirkstoffe und war mit einem
prognostizierten Umsatzvolumen von 164 Millionen Euro jährlich
verbunden. Die Entscheidung ist rechtskräftig (Beschluss vom
3.9.2009 -L 21 KR 51/09 SFB).
|
Freitag, 18.
September 2009
|
Landesarbeitsgericht: Verzehr von Brotaufstrich - fristlose
Kündigung unwirksam!
Das Landesarbeitsgericht hat am 18.09.2009 das
Berufungsverfahren 13 Sa 640/09 – Vorinstanz Arbeitsgericht Dortmund
– 2 Ca 4882/08 – entschieden.
In dem Verfahren stritten die Parteien um die Wirksamkeit einer
außerordentlichen Kündigung, die das beklagte Bäckereiunternehmen
ausgesprochen hat, weil der Kläger ein zuvor von ihm gekauftes
Brötchen, das er mit Brotaufstrich belegt hat, verzehrte.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten
zurückgewiesen und somit das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund
bestätigt. Nach Auffassung der Berufungskammer kann grundsätzlich
auch der Diebstahl von geringwertigen Gegenständen, die dem
Arbeitgeber gehören, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Es ist jedoch eine umfassende Abwägung der Interessen der Parteien
notwendig, die hier zugunsten des Klägers ausging. Dabei ist hier zu
berücksichtigen, dass der Kläger als Betriebsratsmitglied nur
außerordentlich kündbar war und daher im Rahmen der
Interessenabwägung zu überprüfen ist, ob dem Arbeitgeber die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der fiktiven
ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten ist. Das ist hier zu bejahen,
da es anders als der Arbeitgeber bei der Kündigung noch glaubte, nur
um den Verzehr des Brotaufstrichs ging, dessen Wert unter 10 Cent
anzusiedeln ist. Daher kam es auch nicht mehr darauf an, ob der
Einwand des Klägers, er habe nur probiert, zutreffend ist oder
nicht. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zum
Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen. |
Dienstag, 15. September 2009 |
Sozialgericht: Vertrauensschutz für
Hartz IV-Empfänger bei Überzahlungen
Ist für Bezieher von Arbeitslosengeld II anhand der
Bewilligungsbescheide nicht ohne weiteres erkennbar, dass die
Grundsicherungsbehörde Einkommen unzureichend angerechnet hat, darf
die Behörde Überzahlungen für zurückliegende Zeiträume nicht
zurückverlangen. Dies entschied das Sozialgericht Dortmund im Falle
einer dreiköpfigen Familie aus Hemer, von der die
Arbeitsgemeinschaft Märkischer Kreis (ARGE) die Erstattung von
2314,- Euro an Leistungen nach dem SGB II verlangte. Die ARGE hatte
über einen Zeitraum von zwei Jahren mehrere Neuberechnungsbescheide
erlassen, weil die Eheleute über wechselnde Beschäftigungen und
Einkommen verfügten. In diesem Zusammenhang vergaß der
Sachbearbeiter, das Kindergeld für die Tochter auf deren
Leistungsanspruch durchgehend anzurechnen.
Auf die Klage der Familie hat das Sozialgericht Dortmund die
Erstattungsbescheide der ARGE aufgehoben. Zwar sei das Kindergeld
als Einkommen auf den Leistungsanspruch der Tochter anzurechnen. Der
Rücknahme der Bewilligungsbescheide stehe jedoch ein
Vertrauensschutz der Kläger entgegen. Diese hätten die Leistungen
für den Lebensunterhalt der Familie verbraucht.
Die Eltern hätten die erforderliche Sorgfalt nicht in besonders
schwerem Maße verletzt, so dass ihre Unkenntnis von der Überzahlung
nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhe. Sie hätten davon ausgehen
dürfen, dass die Behörde ihre Angaben zum Kindergeld vollständig
berücksichtige. Wegen der komplizierten Gestaltung der
Bewilligungsbescheide und der schwankenden Leistungshöhe auf Grund
der Anrechnung wechselnder Erwerbseinkommen sei die fehlerhafte
Berechnung der Leistungen für einen juristischen Laien nicht
augenfällig gewesen. Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 22.07.2009,
Az.: S 28 AS 228/08 |
Dienstag, 31. März 2009 |
Arbeitsgericht Wuppertal: Kündigung
wegen des Vorwurfs des Diebstahls eines Pakets Binden
Das Wuppertaler Arbeitsgericht hat mit Urteil vom heutigen Tage die
fristlose Kündigung einer Verkäuferin eines Dicounters wegen des
Vorwurfs des Diebstahls eines Paketes Binden im Wert von 0,59 € für
rechtsunwirksam erklärt.
Die seit 2001 beschäftigte Klägerin benötigte nach Geschäftsschluss an
einem Samstag noch ein Paket Binden. In Absprache mit einer Kollegin
nahm sie ein Paket Binden mit und hinterlegte den Geldbetrag von 0,59
EURO auf einem Tisch im Aufenthaltsraum. Als am darauf folgenden Montag
die Bezirksleiterin die Filiale besuchte und fragte nach, wem das Geld
auf dem Tisch gehöre, erklärte die Klägerin, dass dies ihr Geld sei und
steckte es ein. Eine Bezahlung der Binden erfolgte nicht mehr.
Nach Auffassung der Kammer konnte der Klägerin nicht mit der notwendigen
Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass sie zum Zeitpunkt des
Einsteckens des Geldbetrages die Arbeitgeberin schädigen und sich selbst
bereichern wollte. Gegen das Urteil kann die Arbeitgeberin Berufung beim
Landesarbeitsgericht Düsseldorf einlegen. Az.: 4 Ca 3853/08 |