
|
|
Mitten aus dem Leben... |
|
KiBiz NRW teilweise verfassungswidrig - Ausschluss der Förderung
privatgewerblicher Träger verstößt gegen Art. 3 des Grundgesetzes
|
31. August 2011 - Der Ausschluss privatgewerblicher Träger von
Kindertagesstätten von der im Kinderbildungsgesetz NRW (KiBiz)
vorgesehenen finanziellen Förderung verstößt nach vorläufiger
Einschätzung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes.
Zu diesem Schluss kam die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Aachen
am heutigen Tag (31.08.2011) in einem Verfahren, in welchem eine
privatgewerbliche Betreiberin einer Kindertagesstätte von der Stadt
Aachen für das Jahr 2008/2009 einen Betriebskostenzuschuss verlangt.
Nach § 20 KiBiz werden dem Träger einer Einrichtung nur dann
Betriebskostenzuschüsse gewährt, wenn es sich um eine Kirche, eine
Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts, einen anerkannten
Träger der freien Jugendhilfe oder eine Elterninitiative handelt.
Die Förderung gewerblicher Träger sieht das Gesetz nicht vor.
Das Gericht konnte keinen sachlichen Grund für den Ausschluss der
gewerblichen Träger feststellen, so dass es diesen Ausschluss für
grundgesetzwidrig hält.
Eine Entscheidung in dem Verfahren hat das Gericht nicht getroffen,
weil die prozessrechtlichen Folgen der angenommenen
Verfassungswidrigkeit der Vorschrift noch vertiefter Erörterung mit
den Verfahrensbeteiligten bedürfen. Die Sache wurde vertagt, um den
Beteiligten Gelegenheit zu geben, zu den prozessrechtlichen Fragen
Stellung zu nehmen.
Hintergrund ist, dass es den Gerichten grundsätzlich verwehrt ist,
die Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift selbst festzustellen.
Vielmehr sind die Gerichte in einem solchen Fall gehalten, dem
Bundesverfassungsgericht das Verfahren vorzulegen. Nur das
Bundesverfassungsgericht ist befugt, über die Gültigkeit einer
Vorschrift zu entscheiden (sog. Verwerfungsmonopol). Ob hier eine
derartige Richtervorlage nach Art. 100 GG in Betracht kommt, wird
noch zu klären sein.
Aktenzeichen 8 K 590/09
|
G-8-Schüler haben den gleichen Anspruch auf Schülerfahrkosten wie
Schüler anderer Schulformen |
29. August 2011 - Schüler der 10. Klasse eines G-8-Gymnasiums
haben den gleichen Anspruch auf Gewährung von Fahrkosten wie Schüler
der 10. Klasse anderer Schulformen. Dies entschied die 9. Kammer des
Verwaltungsgerichts Aachen mit zwei nunmehr veröffentlichten
Urteilen vom 17. Juni 2011 (9 K 1205/10) und 15. Juli 2011 (9 K
1210/10).
Die Schülerfahrkostenverordnung sieht vor, dass Fahrkosten für den
Besuch der nächstgelegenen Schule der gewählten Schulform dann zu
gewähren sind, wenn der Schulweg für Schüler der Sekundarstufe I
mehr als 3,5 km und für Schüler der Sekundarstufe II mehr als 5 km
beträgt. Die klagenden Schüler der 10. Klasse besuchen ein
G-8-Gymnasium und wohnen knapp 4 km von den nächstgelegenen Schulen
entfernt.
Die beklagte Stadt hatte argumentiert, dass bei G-8-Schülern nach
dem Schulgesetz die Sekundarstufe II mit der Klasse 10 beginne, so
dass die Entfernungsgrenze von 5 km zur Anwendung komme. Das Gericht
sieht hierin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Für
Schüler der 10. Klasse an Gesamt-, Real- und Hauptschulen gelte die
Entfernungsgrenze von 3,5 km, während allein für Gymnasiasten der
10. Klasse eine andere Entfernungsgrenze gelten solle. Dies verstoße
gegen das Grundgesetz. Auch die zulässigerweise generalisierende
Festlegung von Entfernungsgrenzen dürfe die Frage, ob ein Schulweg
besagter Länge für einen Schüler körperlich zumutbar sei, nicht
außer acht lassen. Insoweit gebe es keinen Grund, Gymnasiasten die
Bewältigung eines Schulwegs von 5 km ein Jahr früher zuzumuten als
den Schülern anderer Schulformen.
Gegen die Urteile ist Berufung eingelegt worden. Hierüber
entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen in Münster.
Aktenzeichen VG 9 K 1205/10 (OVG 19 A 1846/11) und VG 9 K 1210/10
(OVG 19 A 1889/11)
|
Einsatz elektronischer Fußfesseln |
29. August 2011 - Justizminister Thomas Kutschaty hat heute (Montag,
29. August 2011) in Wiesbaden mit seinem Amtskollegen aus
Baden-Württemberg den Staatsvertrag über die Einrichtung einer
"Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder" - kurz
GÜL - unterzeichnet. Hessen und Bayern hatten den Staatsvertrag
bereits zuvor unterzeichnet.
"Damit ist eine wichtige Hürde für die flächendeckende Umsetzung der
Elektronischen Aufenthaltsüberwachung genommen", sagte der Minister
im Anschluss an die Simulation einer elektronischen Überwachung in
der hessischen Landeshauptstadt. "Auch wenn sich Rückfalltaten durch
die Überwachung nicht sicher verhindern lassen werden, so geht von
der Möglichkeit, den Aufenthaltsort rückwirkend genau bestimmen zu
können, eine erhebliche Abschreckungswirkung aus."
Die Elektronische Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) ist seit dem 1.
Januar dieses Jahres im Strafgesetzbuch geregelt. Sie wird im Zuge
der Führungsaufsicht angewendet, der - unter bestimmten
Voraussetzungen - wegen eines schwerwiegenden Delikts verurteilte
Straftäter nach ihrer Entlassung aus dem Strafvollzug unterstehen.
Geht von einem Probanden weiterhin eine besondere Gefahr aus, so
kann ihm das zuständige Gericht die Weisung erteilen, ein
technisches Überwachungsgerät - die so genannte elektronische
Fußfessel - zur Feststellung seines Aufenthalts mittels GPS bei sich
zu tragen.
Unmittelbar nach Inkrafttreten der Neuregelung hatten
Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen mit der
Erarbeitung des Konzeptes zur technischen und organisatorischen
Umsetzung der EAÜ begonnen. Dieses sieht eine zentrale technische
Überwachung und eine Übermittlung der Ereignismeldungen an die GÜL
vor, die rund um die Uhr besetzt sein und die Aufgabe haben wird,
die bei ihr eingehenden Daten auszuwerten. Auf dieser Grundlage wird
die Überwachungsstelle in der Lage sein, die zuständigen Stellen in
den Ländern ohne Zeitverzug auf Gefahrensituationen hinzuweisen.
Mit dem Abschluss des Staatsvertrags kann nun mit dem Aufbau der GÜL,
die ihren Sitz in Hessen haben wird, begonnen werden.
"Dass es vier Ländern in nur wenigen Monaten gelungen ist, ein
Konzept zu diesem in Deutschland völlig neuen Instrument der
Führungsaufsicht zu erstellen, ist ein ermutigendes Beispiel für
eine länderübergreifende Zusammenarbeit", unterstrich Justizminister
Kutschaty. Zugleich dankte er für die Kooperationsbereitschaft
Hessens, das aufgrund eines dort bereits laufenden Projekts der
freiwilligen Aufenthaltsüberwachung über eine technische
Infrastruktur verfügt, die nun auch für die EAÜ genutzt werden kann.
Minister Kutschaty: "Ein teurer und zeitintensiver Alleingang eines
jeden Landes war keine wirkliche Alternative."
Mehrere Länder haben bereits ihren Wunsch bekundet, sich an dem
"Vier-Länder-Konzept" zu beteiligen. Mecklenburg-Vorpommern erklärte
heute unmittelbar nach Unterzeichnung des Staatsvertrags durch die
Minister Kutschaty und Stickelberger seinen Beitritt. Nach den
derzeitigen Planungen wird die GÜL ihren Echtbetrieb voraussichtlich
Anfang 2012 aufnehmen können.
"Bei der Sicherheit der Bevölkerung darf es keine Kompromisse
geben", betonte Minister Kutschaty, der außerdem vor wenigen Tagen
einen Vorschlag für eine Unterbringung hochgefährlicher und
psychisch gestörter Gewalt- und Sexualstraftäter gemacht hat. "Das
bedeutet, dass wir einerseits Entlassene unterstützen, damit sie
ihren Weg in die Gesellschaft zurück finden. Andererseits werden wir
uns im Rahmen des rechtlich Möglichen für den Schutz der
Allgemeinheit vor rückfallgefährdeten Straftätern einsetzen."
|
Finanzgericht Köln: Kein Ehegattensplitting
bei Zweitfrau |
1.
August 2011 - Eine Zusammenveranlagung mit der im Koma liegenden
Ehefrau kommt nicht in Betracht, wenn der Ehemann bereits mit einer
neuen Partnerin zusammenlebt und aus dieser Beziehung ein Kind
hervorgegangen ist. Dies hat der 10. Senat des FG Köln in seinem
Urteil vom 16. Juni 2011 (10 K 4736/07) entschieden.
In dem Verfahren klagte ein Mann auf Zusammenveranlagung mit seiner
im Wachkoma liegenden Ehefrau, die in einem Pflegeheim untergebracht
war.
Zur Haushaltsführung und Versorgung der beiden ehelichen Kinder nahm
der Kläger gegen Kost und Logis eine Frau auf, die im Streitjahr vom
Kläger ein Kind bekam. Das Finanzamt lehnte daraufhin die
Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner Ehefrau ab.
Dies bestätigte der 10. Senat. Er hielt es wie das Finanzamt für
ausgeschlossen, die Kindsmutter lediglich als “Hausangestellte“ zu
sehen. Der Senat ging vielmehr spätestens mit der Geburt des
gemeinsamen Kindes von der Begründung einer neuen Lebens- und
Wirtschaftsgemeinschaft aus, durch die die Gemeinschaft mit der im
Koma liegenden Ehefrau aufgehoben worden sei. Nach dem
grundgesetzlichen Gebot der Einehe (Art. 6 GG) könnten bei einer
Person nicht gleichzeitig zwei Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften
vorliegen.
Der 10. Senat hat die Revision gegen sein Urteil zum BFH zugelassen,
weil bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden sei, ob
besondere Lebensumstände das gleichzeitige Vorliegen von zwei
Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften rechtfertigen könnten.
|
Fristlose Kündigung eines Fußballtrainers
wegen Arbeitsverweigerung |
13. Juli
2011 - Vor der 14. Kammer des LAG Hamm (Vorsitzender: Ralf Henssen)
wird am 19.07.2011 ein Kündigungsrechtsstreit verhandelt, dem
folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Der 45 Jahre alte Kläger wurde im Juli 2009 bei dem beklagten Verein
in Siegen eingestellt. Er wurde als Trainer der ersten Mannschaft
eingesetzt, die am Spielbetrieb der 5. Fußballliga (NRW-Liga)
teilnimmt. Bereits Ende Oktober 2009 stellte der beklagte Verein den
Kläger von seiner Arbeitsverpflichtung frei. Die Trainerstelle bei
der ersten Mannschaft wurde neu besetzt.
Danach forderte der beklagte Verein den Kläger mehrfach erfolglos
auf, zur Arbeit zu erscheinen. Der Verein mahnte den Kläger dreimal
ab und sprach am 1. Februar 2010 eine fristlose Kündigung aus.
Der Verein stützt die Kündigung darauf, dass der Kläger
unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei. Der Kläger meint
demgegenüber, er sei ausschließlich als Cheftrainer der ersten
Mannschaft eingestellt worden. Eine andere Tätigkeit schulde er
nicht. Den Aufforderungen, zur Arbeit zu erscheinen, sei er nicht
nachgekommen, weil im Hinblick auf die Neubesetzung der
Trainerstelle bei der ersten Mannschaft mit einer vertragsgemäßen
Beschäftigung nicht zu rechnen gewesen sei.
Das Arbeitsgericht Siegen hat mit dem Urteil vom 5. Oktober 2010 die
Kündigungsschutzklage abgewiesen. Zur Begründung hat das
Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe seine
Arbeit beharrlich verweigert. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag
sei der Kläger als „Trainer“ eingestellt gewesen. Daher habe er
keinen Anspruch darauf, ausschließlich als Trainer der ersten
Mannschaft eingesetzt zu werden.
Der Kläger hat gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt,
über die das LAG Hamm zu entscheiden hat.
Termin 19.07.2011, 11.00 Uhr, Saal 2 |
Veranstalter eines "Public-Viewing-Events"
haftet |
4. Juli
2011 - Ein Veranstalter eines „Public-Viewing-Events“ ist für die
Sicherheit von stehenden Zuschauern auf einer Sitztribüne
verantwortlich und wird nicht durch eine ordnungsbehördliche
Genehmigung entlastet.
Dies hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05.11.2010
entschieden und folgte damit dem erstinstanzlichen Urteil des
Landgericht Essen (Urteil vom 22.12.2009, 17 O 219/08).
Die Beklagte, eine Event-GmbH, zeigte während der
Fußballweltmeisterschaft 2006 im Rahmen eines „Public-Viewing-Events“
Länderspiele und errichtete hierzu mit ordnungsbehördlicher
Genehmigung eine dreistöckige Sitztribüne, die nicht mit Geländern
abgesichert war.
Aus dem Stand stürzte der Kläger gemeinsam mit einem anderen Zuschauer aus
80 cm Höhe zu Boden und brach sich hierbei den Arm. Der Kläger war
mehrere Monate arbeitsunfähig und verklagte die Veranstalterin
erfolgreich unter anderem auf Zahlung von Schmerzensgeld und
Schadensersatz.
Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflichten als
Veranstalterin verletzt und hafte daher dem Kläger für die
entstandenen Schäden. Die Veranstalterin sei für die Sicherheit der
auf der Sitztribüne stehenden Zuschauer verantwortlich und werde
nicht durch die ordnungsbehördliche Genehmigung entlastet, führte
der Senat aus und folgte damit dem Landgericht Essen.
Anders als die erste Instanz beurteilte der Senat das Mitverschulden
des Klägers mit 50 statt mit 25%. Die Gefahr sei bei wiederholten
tumultartigen Bewegungen unter den Zuschauern auf der Bühne
offensichtlich gewesen. Der Kläger hätte sich durch vorsichtiges
Verhalten vor Schaden schützen und den Tribünenrand meiden können,
führte der Senat aus und sprach dem Kläger Schmerzensgeld in Höhe
von 10.000 Euro und weiteren Schadensersatz in Höhe von etwa 3.300
Euro zu.
(Urteil vom 05.11.2010, I-9 U 44/10)
|
Arbeitszimmer trotz privater Mitbenutzung
steuerlich absetzbar |
1. Juli
2011 - Die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer können auch bei
erheblicher Privatnutzung in Höhe des beruflichen bzw. betrieblichen
Nutzungsanteils steuerlich abgezogen werden. Dies entschied der 10.
Senat des Finanzgerichts Köln in seinem Urteil vom 19. Mai 2011 (10
K 4126/09).
In dem Verfahren beantragte ein Unternehmer den Abzug von 50 % der
Kosten für einen jeweils hälftig als Wohnzimmer und zur Erledigung
seiner Büroarbeiten genutzten Raum. Der Senat gab der Klage
grundsätzlich statt. Er beschränkte allerdings die steuerliche
Anerkennung als Betriebsausgaben auf 1.250 €, da das
Wohn-/Arbeitszimmer im Urteilsfall nicht den Mittelpunkt der
gesamten betrieblichen Tätigkeit darstellte. Der 10. Senat stützt
seine Entscheidung im Wesentlichen auf den Beschluss des Großen
Senats des Bundesfinanzhofs zur Aufteilung von gemischt veranlassten
Reisekosten vom 21. September 2009 (GrS 1/06).
Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Denn das Finanzgericht
Baden-Württemberg hat in einer kürzlich veröffentlichten
Entscheidung vom 2. Februar 2011 |
Arbeitszimmer als Mittelpunkt der beruflichen
Tätigkeit |
29. Juni
2011 - Der 11. Senat des Finanzgerichts Düsseldorf (Az.: 11 K
2591/09 E) hat sich in seinem Urteil vom 05.05.2011 ausführlich mit
den Kriterien für die steuerliche Absetzbarkeit von Aufwendungen für
ein häusliches Arbeitszimmer befasst. Er hat das Vorliegen eines
„Arbeitszimmers“ angenommen (kein betriebsstättenähnlicher Raum
trotz Ausstattung mit Kommunikationsgeräten, Kenntlichmachung als
Außendienstbüro, Nutzung für Besprechungen), auch ein „häusliches“
Arbeitszimmer bejaht (kein substantieller Publikumsverkehr, kein
fremdes Personal), aber das Arbeitszimmer als Mittelpunkt der
gesamten beruflichen Tätigkeit qualifiziert (Abwicklung der Projekte
im Arbeitszimmer mit größerem Gewicht als die Präsenz beim Kunden). |
Kein Schadensersatz
wegen überlanger Verfahrensdauer |
24. Juni
2011 - Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat mit Urteil
vom 17.06.2011 entschieden, dass dem Kläger unter dem Gesichtspunkt
der Amtshaftung kein Schadensersatzanspruch gegen das beklagte Land
wegen überlanger Verfahrensdauer eines Zivilprozesses zusteht. Damit
hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil des
Landgerichts Dortmund jetzt bestätigt (U. v. 16.12.2005 – 8 0
36/05).
Der Kläger, ein Transportunternehmer, hatte 1984 eine Baufirma auf
Zahlung restlichen Werklohns verklagt. Dieses Verfahren zog sich
über Jahre hin. Während des laufenden Berufungsverfahrens geriet die
Baufirma in Insolvenz. Der Kläger konnte seine Forderung in der
Folgezeit nur noch zum Teil realisieren. Seinen Ausfallschaden hat
der Kläger vom beklagten Land mit der Behauptung ersetzt verlangt,
das Verfahren sei von den beteiligten Gerichten pflichtwidrig nicht
ausreichend gefördert worden.
Dieses Begehren blieb jetzt ohne Erfolg. Nach Aufhebung der zunächst
ergangenen – für den Kläger teilweise erfolgreichen - Entscheidung
des Senats vom 08.01.2010 (vgl. Pressemitteilung vom 15.01.2010)
durch den Bundesgerichthof (U. v. 04.11.2010 – III ZR 32/10) hatte
sich der Senat erneut mit diesem Streitfall zu befassen.
Der Senat hat nach den verbindlichen Maßstäben des
Bundesgerichtshofs, wann eine Haftung wegen verzögerlicher
Sachbearbeitung in Betracht kommt, insgesamt 20 Monate
amtspflichtwidrige zögerliche richterliche Bearbeitung im Vorprozess
festgestellt. Diese Verzögerung habe aber nicht zu dem vom Kläger
geltend gemachten Schaden geführt. Nach den Feststellungen des
Senats sei auszuschließen, dass der Kläger bei einem - ohne die
Verzögerung - im August 2001 ergangenem Berufungsurteil bis zu der
im November 2001 beantragten und im Februar 2002 erfolgten
Insolvenzeröffnung der Baufirma noch Zahlung hätte erlangen können.
(Urteil vom 17.06.2011, I-11 U 27/06) |
Genehmigung der Gemeinschaftsschule Finnentrop
rechtswidrig |
9. Juni
2011, Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - Die
Errichtung der Gemeinschaftsschule „Perspektivschule Finnentrop“
setzt eine Änderung des Schulgesetzes voraus. Die
Schulversuchsermächtigung in diesem Gesetz ist hierfür keine
ausreichende Rechtsgrundlage. Das hat der 19. Senat des
Oberverwaltungsgerichts heute in zwei Eilverfahren entschieden. Er
hat damit die beiden Eilentscheidungen des Verwaltungsgerichts
Arnsberg von April bestätigt, das die Schule ebenfalls vorläufig
gestoppt hatte. Es hatte damit Eilanträgen der beiden Nachbarstädte
Attendorn und Lennestadt stattgegeben.
Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Genehmigung der
Gemeinschaftsschule sei offensichtlich rechtswidrig. Wesensmerkmal
eines Schulversuchs sei, dass er der Erprobung von Reformmaßnahmen
diene. Die Schulverwaltung müsse einen Erprobungsbedarf darlegen,
also eine Ungewissheit über die Eignung der Gemeinschaftsschule als
einer neuen Schulform in Nordrhein-Westfalen, mit der längeres
gemeinsames Lernen in der Sekundarstufe I ermöglicht und trotz des
demografischen Wandels ein wohnortnahes Schulangebot gesichert
werden solle. Lege man die Angaben der Schulverwaltung zugrunde, sei
die Eignung der Gemeinschaftsschule zur Erreichung dieser
Reformziele jedoch nicht zweifelhaft, sondern stehe bereits fest.
Das Schulministerium habe nachvollziehbar und schlüssig einen Bedarf
für Änderungen des gegliederten Schulsystems dargelegt, nicht aber,
inwiefern diese Reformen zuvor noch durch einen Schulversuch erprobt
werden müssten. Im Gegenteil gehe das Ministerium selbst von der
Eignung der Gemeinschaftsschule aus. In seinem „Leitfaden“ heiße es
etwa, diese Schule sei „die Antwort“ auf die dort im Einzelnen
beschriebenen Probleme. Auch sei nicht ersichtlich, dass das
Ministerium die Erfahrungen mit Gemeinschaftsschulen in
Schleswig-Holstein, Berlin und Sachsen einbezogen habe. Es habe
nicht erläutert, welcher Erprobungsbedarf in Nordrhein-Westfalen
trotz der Erkenntnisse aus diesen Bundesländern noch bestehe.
Die Beschlüsse sind unanfechtbar. Az.: 19 B 478/11, 19 B 479/11
Justizminister Kutschaty: Heutige Entscheidung des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur
Sicherungsverwahrung bringt weitere Rechtssicherheit
Der EGMR hat heute in zwei Fällen entschieden, dass die
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht gegen die
Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Beide
Beschwerdeführer bleiben weiterhin in der Sicherungsverwahrung in
Aachen. Es handelt sich zum einen um den Fall einer von Anfang an
unbefristeten Sicherungsverwahrung. Zum anderen ist ein sog. Altfall
betroffen, bei dem jedoch die früher geltende Höchstdauer von 10
Jahren noch nicht erreicht worden ist.
Justizminister Thomas Kutschaty begrüßte heute (Donnerstag, 9. Juni
2011) in Düsseldorf die Straßburger Entscheidung. "Der Gerichtshof
hat einstimmig festgestellt, dass die mit der Verurteilung
angeordnete Sicherungsverwahrung nicht gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention verstößt. Der EGMR ist seiner Linie treu
geblieben. Wir haben die Entscheidung erwartet", erklärte der
Minister. Er betonte, dass die Urteile für Rechtssicherheit sorgen.
Der Minister hob mit Blick auf das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 hervor, dass der EGMR für
den Bundesgesetzgeber den konventionsrechtlichen Rahmen für die
anstehende Reform der Sicherungsverwahrung klar umrissen hat.
Für die Neuregelung der Sicherungsverwahrung, die nach dem Urteil
des Bundesverfassungsgerichts nötig geworden ist, erwarte
Nordrhein-Westfalen nunmehr die Vorlage von Eckpunkten durch den
Bund. Sodann werden sich die Länder intensiv in den Reformprozess
einbringen. Die Vorbereitungen hierzu laufen bereits.
Jedenfalls, so betonte der Minister erneut, werde die Sicherheit der
Bevölkerung für die Landesregierung auch weiterhin oberste Priorität
haben.
|
|
|
|
|