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							Abendarbeit schädlich für Vereinbarkeit 
  Düsseldorf/Duisburg, 
							8. Februar 2023 - Abends an den Schreibtisch, um 
							Erwerbstätigkeit und Familienleben besser unter 
							einen Hut zu bringen? Das ist für die überwältigende 
							Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 
							keine Option, zeigt eine neue Studie des 
							Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts 
							(WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
 
 Wenn Beschäftigte die Wahl hätten, bis wann sie 
							täglich arbeiten, würden sich nur gut drei Prozent 
							für einen Feierabend nach 18 Uhr entscheiden.* In 
							der politischen Arena werden immer wieder 
							Forderungen nach einer Aufweichung der gesetzlichen 
							Arbeitszeitregeln laut. Eines der Argumente, die 
							unter anderem Arbeitgeberverbände oder 
							CSU-Politikerinnen nennen: Beruf und Privatleben 
							unter einen Hut zu bringen, falle leichter, wenn 
							Beschäftigte sich bei Bedarf auch abends an den 
							Schreibtisch setzen können – etwa, wenn die Kinder 
							schlafen.
 
 Mit realen Arbeitszeitwünschen hat das aber kaum 
							etwas zu tun, ergibt die Untersuchung von 
							WSI-Forscherin Dr. Yvonne Lott. Sie hat Daten von 
							über 2300 sozialversicherungspflichtig 
							Vollzeitbeschäftigten analysiert, die im November 
							2022 an der Erwerbspersonenbefragung der 
							Hans-Böckler-Stiftung teilgenommen haben. Das 
							Ergebnis: Knapp 97 Prozent der Arbeitnehmerinnen und 
							Arbeitnehmer möchten spätestens um 18 Uhr mit der 
							Erwerbsarbeit abschließen. Nur ein Bruchteil würde 
							gern von diesem Zeitrahmen abweichen.
 
 Das gilt für Eltern genauso wie für andere 
							Beschäftigte. Die aktuellen Befragungsergebnisse 
							stehen im Einklang mit dem Stand der Forschung, 
							betont die Soziologin. Lott referiert zahlreiche 
							empirische Studien, die festgestellt haben, dass 
							Arbeit am Abend die Work-Life-Balance 
							beeinträchtigen kann. Sie sei nicht vereinbar mit 
							dem Rhythmus des sozialen Lebens. Schließlich sei 
							die moderne Erwerbsgesellschaft als „Abend- und 
							Wochenendgesellschaft“ strukturiert, „in der die 
							Zeit am Abend und am Wochenende als sozial besonders 
							wertvoll eingeschätzt wird“.
 
 Arbeit am Abend begünstige Stress, Schlafprobleme 
							und emotionale Erschöpfung bei betroffenen 
							Beschäftigten, so die Forschungslage. Wenn die 
							Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem 
							verschwimmen, könne es zu Konflikten kommen, die 
							unter anderem das Wohlbefinden von Kindern 
							gefährden. Auch Partnerinnen und Partner litten dann 
							vermehrt unter Stress und Depressionen und seien 
							weniger zufrieden mit dem Zusammenleben. Negativ 
							könne sich nicht nur stundenlange Arbeit am Abend 
							auswirken, sondern bereits gelegentliche Mails oder 
							die Erreichbarkeit für Anrufe. Für ihre eigene 
							Analyse hat Lott Antworten auf die Frage 
							ausgewertet, wann Beschäftigte ihren Arbeitstag am 
							liebsten beginnen und beenden würden, wenn sie 
							selbst entscheiden könnten.
 Demnach möchte der größte Teil je nach Arbeitsbeginn 
							zwischen 14 und 17 Uhr Feierabend machen. Frauen 
							wollen im Schnitt rund eine Stunde früher aufhören 
							als Männer, ansonsten finden sich ähnliche Muster, 
							auch bei Eltern und Kinderlosen. Den Wunsch, bis 
							nach 18 Uhr zu arbeiten, äußern lediglich 3,4 
							Prozent aller Befragten. Dass Abendarbeit in der 
							Realität deutlich häufiger vorkommt, habe also 
							nichts mit den Interessen von Beschäftigten zu tun, 
							sondern verschärfe in vielen Fällen 
							Vereinbarkeitskonflikte.
 
 „Beschäftigte, und das gilt auch für Eltern, wollen 
							nicht bis 22 Uhr oder 23 Uhr am Abend arbeiten. Was 
							sie wollen, ist ein Feierabend spätestens um 17 Uhr 
							beziehungsweise 16 Uhr“, schreibt die WSI-Expertin. 
							Wenn es darum geht, Vereinbarkeitsprobleme zu lösen, 
							liege eine andere Lösung auf der Hand: Die 
							Einführung der Viertagewoche würde Spielraum für 
							private Verpflichtungen schaffen. Weil dadurch die 
							Produktivität nachweislich steigt, könnten 
							Beschäftigte und Unternehmen gleichermaßen 
							profitieren.
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 *Yvonne Lott
 
 
 
 
 
 
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