Einbringung des Haushaltsentwurfs 2011 in den Rat der Stadt
Duisburg am 17.01.2011 - Etatrede von Herrn Stadtkämmerer Dr.
Langner
Grundsteuererhöhung soll 2011 rund 7,4 und 2012 14 Millionen
Euro zusätzlich bringen
Ein Haushalt im Jahr 2 eines Haushaltssicherungskonzepts (HSK)
kann inhaltlich keine Überraschung beinhalten, es sei denn, die
Rahmenbedingungen hätten sich gravierend verändert.
Bei einem Haushaltssicherungskonzept geht es schließlich darum,
über einen Mehrjahreszeitraum durch eine Fülle von konkreten
Einzelmaßnahmen das strukturelle Defizit kontinuierlich runter
zu fahren. Nach der enormen politischen Kraftanstrengung, ein
solches Sanierungskonzept mit der selbst in der Duisburger
Konsolidierungshistorie einmaligen Zielgröße für jährliche
„echte“ Haushaltsentlastungen von rd. 120 Mio. Euro - also ohne
die politischen Forderungen an Bund und Land - im Rat zu
verabschieden, war es vornehmste Aufgabe der Verwaltung bei der
Aufstellung des Haushaltsentwurfs 2011, dieses
Haushaltssicherungskonzept zunächst möglichst 1 : 1 umzusetzen.
Inzwischen, viele Wochen nach Abschluss der verwaltungsinternen
Beratungen des Haushaltsentwurfs 2011, liegt die Bewertung des
Haushaltssicherungskonzepts durch die uns in diesen Fragen
übergeordnete Autorität, die Bezirksregierung Düsseldorf vor.
Wenn man versucht, deren Bewertung zusammenzufassen, dann lautet
die
Botschaft: Ein gewichtiger Schritt in die richtige Richtung,
aber ihr müsst noch „‘ne Schüppe drauflegen“. Solange Ihr das
nicht tut, bleiben Euch die Handlungsspielräume, die anderen
Städten eingeräumt werden, versperrt.
Damit stellt sich eine zentrale Frage: Wie angefüllt muss denn
die Schüppe sein, wie groß genau - in Euro gemessen - ist denn
die Zielverfehlung?
Darauf gibt die Haushaltsverfügung der Bezirksregierung vom
02.12.2010 leider keine konkrete Antwort. Sie erinnert lediglich
an die gesetzliche Zielvorgabe des § 76 GO NW, wonach ein
Haushaltssicherungskonzept nur dann
genehmigungsfähig ist, wenn die darin beinhaltete Haushalts-
Finanz- und Konsolidierungsplanung innerhalb eines
Vierjahreszeitraums den Haushaltsausgleich gewährleistet.
Damit kennen wir allerdings nur den maximalen Eckwert der
Zielverfehlung. Eine strukturelle Haushaltsentlastung von immer
noch rd. 135 Mio. Euro - zusätzlich zu den 120 Mio. Euro -
fehlt, um unseren Haushalt im Jahr 2014 auszugleichen.
Einen zusätzlichen Konsolidierungsbetrag von 135 Mio. Euro
angesichts der eigentlichen Ursachen für die desaströse
Defizitentwicklung allein aus eigener Kraft sozialverträglich
und ohne kommunale Strukturen zu zerschlagen darzustellen, ist
freilich völlig unrealistisch.
Dies räumt in erfrischender Deutlichkeit auch die Gemeinsame
Erklärung von neuer Landesregierung und kommunalen
Spitzenverbänden vom 10. September 2010 ein. Sie sieht den
entscheidenden Grund für die hohen Fehlbeträge in den kommunalen
Haushalten in NRW in den „seit Jahren stetig steigenden und
kommunal finanzierten Aufwendungen für soziale Leistungen und
die durch die Finanz- und Wirtschaftskrise wegbrechenden
Steuereinnahmen“.
Der eigentliche zentrale Inhalt dieser Gemeinsamen Erklärung,
meine Damen und Herren, ist freilich, dass erstmals von einer
nordrhein-westfälischen Landesregierung der Versuch unternommen
wird einen Weg aufzuzeigen, wie die Zielvorstellung
„Haushaltsausgleich“ dennoch auch in einer Stadt wie Duisburg
nicht mehr nur als bare Utopie gesehen, sondern in die Nähe
einer realistischen Handlungsoption gerückt werden kann.
Fünf Bausteine sind es, die auf diesem Weg eine Rolle spielen,
und ein jeder dieser fünf Bausteine ist es wert, dass ich ihn
hier näher beleuchte.
Der erste Baustein betrifft die finanzielle Ausstattung des
jährlichen Gemeindefinanzierungsgesetzes des Landes und die
Verteilungsmechanismen des kommunalen Finanzausgleichs. Hier
waren zum einen in der letzten Legislaturperiode durch zwei
Maßnahmen strukturelle Kürzungen von rd. 300 Mio. Euro
vorgenommen worden, die nunmehr - mit dem Beschluss des Landtags
zum Nachtragshaushalt 2010 erstmals geschehen - dauerhaft
zurückgenommen werden sollen. Duisburg profitiert hierbei mit
rd. 9 Mio. Euro p. a.
Zum Zweiten korrigiert die neue Landesregierung mit dem seit
Mitte Dezember vorliegenden Referentenentwurf zum
Gemeindefinanzierungsgesetz 2011 - jedenfalls in einem 1.
Schritt - ein inzwischen unerträglich gewordenes, vermutlich
längst verfassungswidriges Versäumnis. Für die Verteilung der
Landesmittel auf die einzelnen Städte und Gemeinden spielt u. a.
die Höhe der dort jeweils gemessenen Soziallasten eine Rolle.
Bis zuletzt - also noch im GFG 2010 - hat der Landesgesetzgeber
hierfür die Ergebnisse der
Jahresrechnungsstatistik des Jahres 1999 (!) zugrunde
gelegt. Dass diese elf Jahre alten Zahlen nicht mehr die heutige
Lebenswirklichkeit - fünf Jahre nach der Hartz 1V-Reform -
widerspiegeln, dürfte sogar jeder Grundschüler nachvollziehen
können. Durch die jetzt aufgegriffene Grunddatenanpassung - eine
viermal höhere Gewichtung der Soziallasten als bisher - ergibt
sich für die Stadt Duisburg eine rechnerische Besserstellung um
48 Mio. Euro jährlich. In unserem Haushalt 2011 niederschlagen
wird sich davon zunächst die Hälfte des Betrages, also 24 Mio.
Euro, da sich die Landesregierung mit Blick auf die ja
offensichtlich erheblichen Umverteilungswirkungen zwischen den
Kommunen - überwiegend zu Lasten des ländlichen Raums - dazu
entschlossen hat, diese überfällige Grunddatenanpassung
schrittweise zu vollziehen.
Das lauthalse Lamentieren des Städte- und Gemeindebundes gegen
diesen, die Lebenswirklichkeit in unseren Städten zum Ende des
Jahrzehnts widerspiegelnden Reformschritt ist völlig
unangemessen. Ich hoffe, dass sich die Landesregierung bei ihrem
morgigen Kabinettbeschluss und der Landtag bei seinen Beratungen
davon nicht beeinflussen lässt.
Der zweite Baustein, der geeignet ist den finanziellen Horizont
der Stadt Duisburg aufzuhellen, betrifft die aktuellen
Beratungen in Berlin in der von Herrn BMF Dr. Schäuble
geleiteten Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen. Hier geht
es u. a. um die Forderung der Städte, dass sich der Bund endlich
angemessen und dauerhaft an den auf Bundesrecht beruhenden
explodierenden Sozialkosten beteiligt. Die Unterbringung von
Hartz 1V-Empfängern, die Grundsicherung im Alter und bei der
Hilfe zur Pflege oder die Leistungen für behinderte Menschen,
dies alles betrifft mit immensem Kostenaufwand
Leistungsbereiche, die keine originär kommunale Aufgabenstellung
beinhalten. Ein erster öffentlich gewordener Diskussionsbeitrag
des Bundesfinanzministers lässt hier auf eine gewisse Entlastung
der Kommunen hoffen.
Der dritte Stein des Baukastens, der das Thema
Haushaltsausgleich auch in Duisburg wieder in den Blick geraten
lässt, ist ein neues innovatives Instrument der Landespolitik;
das gerade für unsere Stadt von existentieller Bedeutung sein
dürfte. In den Finanzverwaltungen der Aktionsbündnis-Städte
schon vor zwei Jahren konzeptionell erarbeitet, mit dem früheren
Finanzminister Dr. Linssen bereits andiskutiert, hat nun die
neue Landesregierung in der schon erwähnten Gemeinsamen
Erklärung mit den kommunalen Spitzenverbänden fest zugesagt,
beginnend mit dem Jahr 2011 eine finanzielle Hilfe zur
nachhaltigen Entschuldung besonders belasteter Kommunen zu
leisten.
Die nähere Ausgestaltung dieser Entschuldungshilfe - wer bekommt
Hilfe, in welcher Höhe, welche Auflagen müssen vom
Hilfeempfänger erfüllt werden - ist noch nicht bekannt, auch
liegt das dazu bei zwei renommierten Wissenschaftlern in Auftrag
gegebene Gutachten, das zunächst für Anfang November erwartet
wurde, noch nicht vor.
Meine Damen und Herren, warum ist eine wie auch immer
ausgestaltete Entschuldungshilfe für unsere Stadt von so
existentieller Bedeutung? In dem Vorwort zu unserem
Haushaltssicherungskonzept bin ich darauf schon vor einem Jahr
ausführlich eingegangen. Dieses Instrument zielt auf die
Beherrschung der tickenden Zeitbombe der inzwischen auf 1,7 Mrd.
Euro aufgelaufenen Kassenkredite. Unsere aktualisierte, auf der
konsequenten Umsetzung des Haushaltssicherungskonzepts fußende
Finanzplanung zeigt auf, dass die realistische Chance besteht,
das städtische Betriebsergebnis, d. h. das Ergebnis aus
laufender Verwaltungstätigkeit bis zum Jahr 2014 ausgeglichen zu
gestalten. Was dann als einziger Defizitverursacher verbliebe,
wäre das durch die horrenden Zinsaufwendungen weiter
anwachsende, aus eigener Kraft nicht beherrschbare negative
Finanzergebnis. Nicht nur, weil niemand von uns weiß, zu welchen
Irrationalitäten die internationalen und nationalen
Kapitalmärkte noch neigen mögen, eine auf den Sprengsatz
Kassenkredite zielende Entschuldungshilfe ist für diese Stadt
unverzichtbar und alternativlos.
Ich sage das hier bereits in aller Deutlichkeit: Denn zumindest
in einem Punkt dürfte das nordrhein-westfälische Konzept der
Entschuldungshilfe so ausgestaltet sein wie z. B. in
Rheinland-Pfalz. Die Annahme der Hilfe ist freiwillig, d. h. der
Rat der Stadt entscheidet, ob er die Hilfe annehmen will oder
nicht. Über die zweite Alternative auch nur eine Sekunde
nachzudenken - etwa weil mögliche Auflagen als zu hart empfunden
werden - wäre in unserer konkreten Situation ein
unverantwortliches Spiel mit dem Feuer.
Sind Auflagen zu erwarten? Und wenn ja welche? Einer möglichen
Antwort auf diese Fragen kann man sich nähern, wenn man die
mutmaßlichen Finanziers des Entschuldungsfonds und deren
jeweilige Interessenlage in den Blick nimmt.
Da ist zum einen das Land Nordrhein-Westfalen. Im Entwurf des
Haushalts 2011 sollen rd. 400 Mio. Euro als erste Tranche für
diesen Zweck bereitstehen. Wenn Vertreter der Landesregierung zu
dem Thema sprechen ist regelmäßig von einer „nachhaltigen“
Entschuldung der Kommunen die Rede. Mit „nachhaltig“ ist
gemeint, dass nach erfolgter Operation das Problem der
Verschuldung bei den mit Hilfe bedachten Kommunen endgültig
erledigt sein soll. Auf deutsch: Es soll kein Geld in ein Fass
ohne Boden gegeben werden, weil alles andere dem Steuerzahler
und Wähler kaum vermittelbar wäre. Keine neuerliche Verschuldung
ist denklogisch aber nur zu gewährleisten, wenn zukünftige
Haushalte dieser Kommunen zumindest ausgeglichen gestaltet sind.
Als Mitfinanzier bei dem Entschuldungsfonds hat die
Landesregierung nach bisher bekannt gewordenen Absichten auch
die finanzstärkeren Kommunen im Visier. Hier wird es darum
gehen, interkommunale Solidarität einzufordern, die - wenn sie
gelingen soll - nie und nimmer als Einbahnstraße ausgestaltet
sein kann. Denn die Reflexe in den Räten dieser finanzstarken
Kommunen gegenüber dem Ansinnen, Städten wie Duisburg,
Oberhausen, Hagen oder Wuppertal Entschuldungshilfe zu leisten,
sind leicht vorstellbar. Sie dürften den Reflexen nicht
unähnlich sein, die die meisten Bundesbürger - und damit auch
die meisten von uns - hatten bei der Diskussion über die
Kredithilfen für die ansonsten überschuldeten und wohl auch
zahlungsunfähigen Länder Griechenland und Irland. „Wir werden
wohl helfen müssen, aber doch wohl nur, wenn diesen Ländern ab
sofort strikteste Haushaltsdisziplin abverlangt wird“ war das
weitgehend einhellige Credo.
Damit
muss jedem hier im Raum klar sein, was mit der Formulierung in
der schon zitierten Gemeinsamen Erklärung der Landesregierung
und der kommunalen Spitzenverbände gemeint ist, wonach „die
Empfängerkommunen der Entschuldungshilfe eigene
Konsolidierungspotenziale konsequent auszuschöpfen haben.“
Damit haben wir dann auch den vierten Baustein auf dem Weg zu
einem wieder ausgeglichenen Haushalt der Stadt Duisburg. Wir
müssen - ich zitiere die Haushaltsverfügung vom 2. Dezember -
„selbst alle Möglichkeiten zur Konsolidierung unseres Haushalts
ausnutzen“, was nach Auffassung der Bezirksregierung als
zuständigem „Sprachrohr“ der Landesregierung bislang offenbar
noch nicht bzw. nicht ausreichend geschehen ist.
Meine Damen und Herren, damit schließt sich der Kreis und ich
bin wieder bei der Ausgangsfrage: Wie angefüllt muss denn die
Schüppe sein, die wir auf unser Haushaltssicherungskonzept noch
draufzulegen haben?
Wir kennen zum jetzigen Zeitpunkt nur die schon erwähnte
maximale Spannweite - bis zu 135 Mio. Euro. Wie viel davon durch
zusätzliche eigene Sparan- strengungen auszufüllen ist, wird
sich erst sagen lassen, wenn sämtliche Parameter der anderen
genannten Bausteine bekannt sind. Dies dürfte - so meine
Einschätzung - zur Mitte des Jahres der Fall sein.
Was wir aber schon ab heute tun können, tun müssen, ist uns -
und damit meine ich Verwaltung wie Politik gleichermaßen - auf
die sich dann abzeichnende Aufgabenstellung vorzubereiten. Die
erneute Überprüfung sämtlicher freiwilliger Leistungen im Lichte
der von der Bezirksregierung eingeforderten strengen Maßstäbe
muss sicher dazugehören.
Bei dieser Vorbereitung werden wir auch einen fünften, letzten
Baustein mit in den Blick nehmen können. Die Düsseldorfer
Regierungsfraktionen haben vor vier Wochen im Landtag einen
Gesetzentwurf eingebracht, wonach im § 76 Abs. 2 Satz 3 der
Gemeindeordnung die Festlegung des Zeitraums der mittelfristigen
Finanzplanung als Frist für den Haushaltsausgleich gestrichen
wird. Anders ausgedrückt: Ab spätem Frühjahr - die notwendige
Landtagsmehrheit hier mal unterstellt - wird der bisherige für
ein Haushaltssicherungskonzept verbindliche
Konsolidierungszeitraum von vier Jahren für die Städte und
Gemeinden, die keinen originär ausgeglichenen Haushalt
aufweisen, aufgehoben sein.
Durch diese Änderung entfällt zwar nicht das
Haushaltssicherungsrecht mit der Verpflichtung der Vorlage und
Genehmigung eines auf die frühestmögliche Wiedererreichung eines
strukturellen Haushaltsausgleichs angelegten
Haushaltssicherungskonzepts. Der Konsolidierungszeitraurn und
damit auch die Größe der Konsolidierungsschritte in den
einzelnen Jahren wird aber gegenüber der Kommunalaufsicht
verhandelbar.
Frau Regierungspräsidentin Lütkes hat in diesem Zusammenhang in
dem sog. „Haushaltsgespräch“, das sie mit Herrn
Oberbürgermeister Sauerland und mir am 26. November geführt
hatte, der Stadt das Angebot unterbreitet, in nächster Zukunft
mit der Kommunalaufsicht zu einer vertraglichen Vereinbarung zu
kommen, in der sich auch der Rat der Stadt zu konkreten, einem
regelmäßigen Controlling unterworfenen Konsolidierungszielen und
-schritten verpflichtet. Im Gegenzug könnten dann wieder jene
Duldungsspielräume eingeräumt werden, die uns mit der
Haushaltsverfügung vom 2. Dezember noch bis auf weiteres versagt
werden: bei den freiwilligen Leistungen, bei die
Personalwirtschaft betreffenden Entscheidungen oder bei der
Aufbringung kommunaler Eigenanteile zur Nutzung von
Förderprogrammen.
Damit sich aber niemand möglichen Illusionen hingibt: Weder wird
ein — ich überspitze mal — „HSK Duisburg 2050“, also ein
Hinausschieben des Haushaltsausgleichs auf den „Sankt
Nimmerleinstag“ akzeptabel sein. Noch ergibt sich aus der hier
beschriebenen Öffnung der Gemeindeordnung eine Minderung des
Spardrucks, jedenfalls nicht für Städte wie Duisburg, deren
bilanzielle Überschulung eingetreten ist. Denn in einem
entscheidenden Punkt bleibt die Gemeindeordnung unverändert, das
strikte Überschuldungsverbot gilt weiterhin. Das aber heißt: Für
eine Genehmigungsfähigkeit unseres Haushaltssicherungskonzeptes,
für die Wiedereinräumung von Duldungsspielräumen müssen wir in
der zeitlichen Perspektive nicht nur den strukturellen
Haushaltsausgleich darstellen, sondern darüber hinaus jährliche
Haushaltsüberschüsse erwirtschaften, die in der Summe geeignet
sind, das zwischenzeitlich negative Eigenkapital in der Bilanz
auf zumindest 1 Euro plus wieder aufzufüllen.
Damit ist jeder Schritt, der dazu beiträgt, das negative
Eigenkapital nicht über Gebühr anwachsen zu lassen, ein Schritt
auf dem hier heute skizzierten Weg zur Rückgewinnung kommunaler
Handlungsfähigkeit. Zu einer solchen vorausschauenden Politik
gehört auch, bereits heute jene Handlungsnotwendigkeiten und
Handlungsmöglichkeiten zu erkennen, an denen morgen ohnehin kein
Weg vorbeiführt.
Ein solches Handlungsfeld beinhaltet das Ausschöpfen der eigenen
Möglichkeiten zur Steigerung der städtischen Ertragslage. Hilfe
von Dritten zu erwarten ist schwerlich vorstellbar, wenn andere
potentielle Hilfeempfänger uns in dieser Hinsicht deutlich
voraus sind.
Die Verwaltung schlägt Ihnen daher zur Ergänzung unseres
Haushaltssicherungskonzepts eine maßvolle Anhebung der
Grundsteuer in zwei Schritten vor: von 500 v.H. auf 550 v.H. im
Jahr 2011 und schließlich auf 590 v.H. im Jahr 2012. Wie Sie der
Einzelvorlage zur Grundsteuererhöhung entnehmen können, würden
wir damit dem guten Beispiel anderer Nothaushaltskommunen —
allen voran der Stadt Essen — folgen, die einen solchen Schritt
als festen Bestandteil bereits in die erste Auflage ihres
Haushaltssicherungskonzepts integriert haben.
Ich erachte die Grundsteuererhöhung
als ein wirkungsvolles Instrument, weil sie den
Haushalt strukturell und nachhaltig entlastet. Sie ist aber auch
ein gerechtes Instrument, weil sie zum einen alle Bürger an den
Finanzierungslasten ihrer Stadt beteiligt, gleichzeitig aber
auch je nach Wohntyp — Einfamilienhaus, Mehrfamilienhaus — und
Wohnlage über den sog. Einheitswert der unterschiedlichen
Leistungsfähigkeit der Steuerzahler Rechnung trägt. Schließlich
bleiben jene sozial schwächeren Mitbürger, die über die
staatlichen Transfersysteme z.B. Kompensation bei den Mietkosten
erfahren, von weiteren Belastungen verschont.
Maßvoll in der Wirkung für den Einzelnen, lässt sich eine
beachtliche Wirkung für die Gesamtheit erzielen. Ich will Ihnen
Beispiele sagen. Der Besitzer eines durchschnittlichen
Eigenheims in Wehofen wird nach dem ersten Schritt 3,60 Euro,
nach dem zweiten Schritt insgesamt 6,50 Euro pro Monat mehr
zahlen. Für den ausgewählten Besitzer einer Eigentumswohnung in
Ruhrort fällt eine monatliche Mehrbelastung nach der ersten
Erhöhung von 2,30 Euro, in der Endstufe von insgesamt 4,15 Euro
an. Für die zur Miete in einem 8- Familienhaus in
Mittelmeiderich wohnende Familie erhöhen sich die
Mietnebenkosten — so der Hauseigentümer die Grundsteuererhöhung
auf die Mieter überwälzt — im ersten Schritt um monatlich 90
Cent, in der zweiten Stufe um dann insgesamt 1,60 Euro. Dies
sind Beispiele, die im konkreten Fall natürlich abhängig von der
Grundstücksgröße und —lage variieren werden.
Es bleibt aber dabei, wir sprechen in allen Fällen über Beträge,
die — zumal die letzte Grundsteuererhöhung bereits 10 Jahre
zurückliegt — das Portmonee des einzelnen Bürgers wirklich nur
in Grenzen strapazieren, die in der Summe aber eine enorme
Wirkung erzeugen. In diesem Jahr wird das Grundsteueraufkommen
um 7,6 Mio. Euro, im Jahr 2012 um dann insgesamt 14 Mio. Euro
anwachsen.
Meine Damen und Herren, völlig anders als noch vor einem Jahr
konnte ich Ihnen heute fünf Bausteine beschreiben, die zusammen
genommen das Potential haben, eine Dynamik zur Rückgewinnung
kommunaler Handlungsfreiheit auch in unserer Stadt zu entfalten.
Die überaus erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung in
Deutschland trägt das ihre bei, untermauert sie doch unsere
Einnahmeerwartung in der mittelfristigen Finanzplanung
insbesondere bei der Gewerbesteuer zurück auf das Niveau vor der
Finanz- und Wirtschaftskrise.
Wirkte sich vor noch gar nicht langer Zeit gerade auch im Lichte
der
Auswirkungen der Finanzkrise das seinerzeit ja durchaus
zutreffende Bild der
Vergeblichkeitsfalle bei manchen von uns eher lähmend aus, so
sind jetzt wichtige Weichenstellungen auf Landesebene,
hoffentlich auch auf Bundesebene erkennbar, die ein Gesamtbild
ergeben, in dem Defätismus kein Platz mehr haben sollte. Die
Perspektive, dass die entscheidenden Federstriche des Bildes
nicht mehr auf Dauer im Düsseldorfer Regierungspräsidium
gezeichnet werden, ist gegeben. Wir müssen dann aber auch
wirklich bereit sein, den Stift an den gefragten Stellen selbst
in die Hand zu nehmen.
Was heißt das nun konkret für die kommenden Wochen und Monate?
Wir sollten zunächst alle Anstrengungen unternehmen, den
kurzfristig ja noch unvermeidlichen Zuwachs der bilanziellen
Oberschuldung so gering wie möglich zu halten. Diese
Notwendigkeit ergibt sich im übrigen auch, weil es deutliche
Anzeichen gibt, dass ein weiteres Aufstocken unseres
Kassenkreditbedarfs auf den Finanzmärkten über kurz oder lang
nicht nur wegen der ab 2013 greifenden neuen Kapital — und
Liquiditätsvorgaben im Bankensektor (Basel III) an Grenzen
stoßen kann.
Zu diesen Anstrengungen gehört insbesondere, dass das
beschlossene Haushaltssicherungskonzept in allen seinen
Einzelmaßnahmen konsequent umgesetzt wird. Nicht möglicherweise
noch so nachvollziehbare Individualinteressen — sowohl in den
Fachbereichen der Verwaltung wie auch in den Fachausschüssen des
Rates — dürfen den Ausschlag geben, sondern die mit Beschluss
des Rates eingegangene Selbstverpflichtung zur Einhaltung
konkreter Konsolidierungsziele darf allein maßgebend sein. Und
wenn im Einzelfall eine HSK-Maßnahme nicht umgesetzt werden kann
oder soll, dann muss in der jeweiligen Fachzuständigkeit im
Interesse und zum Wohle des Ganzen haushaltsentlastende
Kompensation in mindestens gleicher Größenordnung aufgezeigt
werden. Der nächste Controlling-Bericht zum
Haushaltssicherungskonzept wird zeigen, dass wir hinsichtlich
seiner konsequenten Umsetzung noch besser werden können.
Auch die rückwirkend zum 1. Januar geltende Grundsteueranhebung
gehört zu den kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen.
Zum anderen sollten wir die kommenden Wochen und Monate nutzen,
uns auf das nach meiner Erwartung zur Mitte des Jahres
konkretisierende Szenario vorzubereiten. Wenn dann hoffentlich
alle derzeit noch Unbekannten aus den beschriebenen Bausteinen
feststehen — d.h. welche Stadt bekommt Hilfen in welcher Höhe
und zu welchen Bedingungen, welchen Betrag wird der Bund
leisten, wie positioniert sich die Bezirksregierung zur Frage
der Ausweitung des Konsolidierungszeitraumes — werden wir einen
Strich darunter ziehen und sehen können, was an zusätzlichem
Konsolidierungsbedarf noch übrig bleibt.
Für diese sich dann stellenden und zu erledigenden eigenen
Hausaufgaben sollten wir dann auch rasch handlungsfähig sein.
Dies können wir schaffen, wenn wir schon ab morgen mit einer
erneuten flächendeckenden Aufgabenkritik, diesmal unter Anlegung
der in der Haushaltsverfügung beschriebenen strengen Maßstäbe,
beginnen.
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