SIHK zu Hagen Frau Carmen Knollmann Bahnhofstraße 18 58095 Hagen
Duisburg, 14. Februar 2011 Auseinandersetzung Gutachter Nockemann
Sehr geehrte Frau Knollmann,
im Anschluss an unser Schreiben, genauer: an unsere Beschwerde über die gutachterliche Tätigkeit des Herrn Derricks (Schreiben vom 12.02.2011), in dem wir Ihnen den Anfang der Geschichte unseres Beweissicherungsverfahrens (Selbständiges Beweisverfahren) beschrieben hatten, möchten wir jetzt diese Geschichte mit einer weiteren Beschwerde fortführen. Dieses Mal geht es um die gutachterliche Tätigkeit des Herrn Nockemann.
Herr Nockemann
also wurde vom Gericht mit einem Folgegutachten beauftragt, nachdem sich Herr Derricks nach langem und intensivem Nachdenken – vielleicht erinnern Sie sich noch an unsere Darstellung – für inkompetent erklärt hatte, zur Frage der merkantilen Wertminderung durch die Baumängel Stellung zu nehmen. Zum Zeitpunkt seiner Beauftragung am 10.03.2010 lief das Beweissicherungsverfahren bereits seit Sommer 2007.
Wie auch
Herr Derricks ließ sich Herr Nockemann, den wir prompt nach Auftragserteilung mit den von ihm in Rechnung gestellten 1.137.- € bezahlten, die offenkundig in Ihrem Hause übliche Bearbeitungszeit von etwas mehr als vier Monaten. Nach der Ortbesichtigung am 29.04.2010 erreichte das Gutachten am 28.07.2010 seinen Auftraggeber (gut, es sind sogar etwas mehr als 4 ½ Monate, auf ein paar Wochen mehr oder weniger soll es nun aber auch nicht
mehr ankommen).
Die Überschreitung der verfahrenstechnisch vorgesehenen Bearbeitungszeit von mehr als 100% sei aber zumindest angemerkt. Die von Frau Knollmann (vgl. E-Mail vom 21.01.2011) in diesem Zusammenhang als Begründung für die Bearbeitungszeit von „knapp vier Monaten“ (wie schon gesagt, auf ein paar Wochen kommt es nicht an) angebotenen „Schulferien“, die bei der Bewertung der eingetretenen Verzögerung zu berücksichtigen seien, erscheinen uns (wie Ihnen in Ihrer Mail,
Herr Ficke, Sie verweisen ja auch eigens auf die „guten Anmerkungen von Frau Kollmann“) übrigens unmittelbar einsichtig. Wir haben selber auch Kinder und fahren während der Schulferien immer an die See, was nur manchmal zu Verstimmungen mit unseren Arbeitgebern führt. Mehrheitlich schließen sie sich aber der Haltung von Frau Kollmann an und verschonen uns Eltern während der Schulferienzeit mit Arbeitsaufträgen. Selbst ohne Kinder – so meinen wir inzwischen – sollte Gutachtern eine angemessene
Zeit zur Erholung von ihrer aufreibenden Tätigkeit zugestanden werden, wobei 12 Wochen im Jahr (auf dieses Quantum addieren sich nach unserer Einschätzung die Schulferienzeiten) eher die untere als die obere Grenze darstellen sollte.
Wie schon gesagt, interessanter als die Verzögerung erscheint uns das Nockemannsche Ergebnis zur Frage des merkantilen Minderwerts, der uns durch die Bauschäden entstanden ist (oder – nur um dem Gutachten und dem Gericht nicht vorzugreifen – entstanden sein
könnte). Hier erwarteten wir von seinem Gutachten endlich den letzten Baustein zu einer ersten Klärung und neutralen Feststellung des Sachstandes.
Ich darf Ihnen nun diese abschließende Einlassung des Gutachters Nockemann kurz präsentieren: „Die in den Gutachten Derricks beschriebenen Mängel und deren Beseitigung lösen aus bewertungstechnischer Sicht keinen merkantilen Minderwert aus. Voraussetzung allerdings ist eine fachgerechte und mängelfreie
Behebung der Mängel. Der Unterzeichner weist jedoch darauf hin, dass selbst bei fachgerechter Sanierung der Mängel optische Mängel aller Voraussicht nach bleiben werden. Bezüglich des Versetzen des Giebelfensters (Beweisfrage 1 e) empfiehlt der Unterzeichner die Ausführung zu überdenken.“
So weit Herr Nockemann. Um ganz offen zu Ihnen zu sein und Ihnen sofort reinen Wein einzuschenken: Wir sind so klug als wie zuvor.
Lassen Sie uns das kurz erläutern, denn dieser Text lässt in unseren Augen eine ganze Reihe von Fragen unbeantwortet – unter anderem auch die entscheidende nach dem merkantilen Minderwert. Lässt sich nun nach „mängelfreier Behebung der Mängel“ (einer übrigens auch stilistisch sehr interessanten Formulierung) aus den verbleibenden „optischen Mängel(n)“ kein merkantiler Minderwert ableiten?
Warum erwähnt der Gutachter diese verbleibenden
„optischen Mängel“ dann in seinem Gutachten? Ist es so, dass er meint, dass „optische Mängel“ eben keinerlei merkantilen Minderwert bedeuten können? Widerspricht das nicht – hier würde uns Ihre Einschätzung interessieren – einer Art Augenscheinplausibilität? Lassen Sie uns auch diesen Gedanken an einem Beispiel deutlicher machen: Wenn Sie in einem Handelsgeschäft einen Kühlschrank kaufen wollten, der sichtbar ein paar retuschierte tiefe Kratzer zeigt, würden Sie dann nicht – wenn Sie nicht überhaupt vom
Kauf dieses Kühlschranks Abstand nähmen – auf einen Preisnachlass drängen, selbst wenn der Verkäufer Sie darauf hinweist, dass die tiefen Kratzspuren doch keine Bedeutung für die Kühlfunktion haben? Würde das nicht für einen merkantilen Minderwert sprechen?
In unseren Augen lässt dieses Gutachten in seiner Formulierung eine gehörige Portion Interpretationsspielraum. Man kann herauslesen, dass der Gutachter – das wäre die wörtliche Lesart – keinen merkantilen Minderwert erkennen kann, wenn alle
Mängel beseitigt würden. Man kann allerdings auch – wenn man den Akzent auf die verbleibenden optischen Mängel verschiebt – einen merkantilen Minderwert supponieren. Herr Nockemann will es vermutlich dem Gericht bei der Urteilsfindung auch nicht allzu einfach machen. Vielleicht ist das auch die Gutachterformulierung, die ein weiteres Gutachten nahelegt?
Betrachten wir jetzt ergänzend die Ausführungen zum Giebelfenster (vgl. Zitat oben), dann erreicht das Gutachten hier
die Qualität eines Orakelspruchs. Was will uns Herr Nockemann mit der Empfehlung, das Versetzen des Giebelfensters „zu überdenken“, sagen? Will er sagen, dass er es eigentlich nicht ganz so schlimm findet, dass das Fenster nicht wie geplant mittig angebracht wurde? Wie steht diese mögliche Einschätzung in Zusammenhang mit dem erteilten Auftrag, nämlich zu ermitteln, welcher Schaden entstanden ist? Unser Wunsch war eben, dass das Fenster ordnungsgemäß und mittig
eingebaut wird und sein Auftrag war schlicht zu quantifizieren, welchen finanziellen Aufwand es bedeutet, das Fenster dorthin zu bauen, wo es eigentlich vorgesehen war.
Eine klare Aussage – vielleicht vermögen Sie oder das Gericht hier etwas in der Art zu erkennen, nur wir nicht – scheint uns der Text nicht zu sein. Dabei wäre das, folgt man den gängigen Beschreibungen der Anforderungen an Texte von Sachverständigen, ein wesentliches Qualitätsmerkmal eines Gutachten. Ein
Sachverständiger sollte nämlich neben der fachlichen Kompetenz immer auch über eine besondere sprachliche Kompetenz verfügen, oder in den Worten einer gängigen Enzyklopädie: Ein Sachverständiger „besitzt ebenfalls die Fähigkeit, die Beurteilung dieses Sachverhaltes in Wort und Schrift nachvollziehbar darzustellen“ (Wikipedia, Stichwort „Sachverständiger“, Zugriff am 13.02.2011, 19:01 Uhr). Wie schon eingestanden: Uns fällt es schwer, hier eine klare Aussage herauszufiltern
und wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie unserem Verständnis hier – möglichst bitte schriftlich – auf die Sprünge helfen könnten. Wir sind sehr gespannt auf Ihre Lesehilfe.
Wir halten den Text von Herr Nockemann aus den beschriebenen Gründen für eines Gutachten nicht würdig und bitten Sie hiermit, diesem Missstand durch Nachbesserung abzuhelfen und – auch wenn es vermutlich Usus ist – uns zu erläutern, wie es zu den überlagen Bearbeitungszeiten bei der Erstellung von Gutachten
kommt.
Beste Grüße Familie Rolf Angenendt
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