WM-Bandencheck

 

 

 

Amiens, 30. April  GSG 18!

 Bandencheck: Die Hockeyweb-Kolumne von Alexander Brandt

BandencheckIch habe mir Spitznamen für unsere grandiose Teenie-Reihe Gawlik-Schütz-Gogulla überlegt. "Kid Line" ist mir zu simpel. "Die drei Ausrufezeichen" fand ich ganz nett. Aber am besten gefällt mir "GSG 18". Falls dieser Spitzname noch irgendwo anders erscheint, bitte Tantiemen an mich, danke.

Mythen und Legenden ranken sich mittlerweile um dieses fantastische Turnier in Amiens. In der Nacht vor dem Spiel D-GB trafen zwei deutsche Journalisten in einem Pub auf den britischen Nationaltrainer. Irgendwann zu vorgerückter Stunde, nach langen, interessanten Gesprächen und kuriosen Getränken, als der ältere der beiden Deutschen bereits friedlich auf dem Tresen eingeschlafen war, schlossen der jüngere und der Brite eine Wette ab: Wenn Deutschland gegen GB mit vier oder mehr Toren gewönne, sollte der Trainer auf der Pressekonferenz sein Hemd ausziehen und übergeben (das Hemd, nicht sich), bei acht und mehr Toren hätten alle Hüllen fallen müssen. Im Falle eines britischen Sieges hingegen hätte sich der Journalist auf derselben PK nackt ausziehen, bei einer Niederlage mit einem Tor Differenz sein Hemd an den Briten übergeben müssen. So kompliziert können die im Suff noch denken.

Vor dem Spiel gegen GB machte die Geschichte natürlich schnell die Runde, umso gespannter waren wir alle während des Spiels. Die Stimmung wuchs mit jedem Tor der Deutschen, ab dem vierten Treffer riefen die Ersten "ausziehen!" und selten hatten wir uns dermaßen auf eine PK gefreut wie diesmal. Britanniens Trainer Rick Strachan, der mit seinem Grinsen an den Schauspieler Robin Williams erinnert, begrüßte seine "german friends" und erklärte in seinem Statement zum Spiel, er hätte es lieber gesehen, wenn sein Team mit weniger als vier Toren Unterschied verloren hätte. Ein echter Insider-Joke. Nach dem Spiel händigte er den Kollegen sein Polo-Shirt aus, das sie mit Triumph ins Pressezentrum trugen. Den eigentlich fälligen Komplett-Strip erließ man dem armen Coach gnädig.

Diese Geschichte gehörte natürlich den beteiligten Herren, doch arbeiten sie leider für ganz seriöse Medien, die den Quatsch nie veröffentlichen würden, so blieb es dem Trottel vom Bandencheck überlassen, die Anekdote mit freundlicher Genehmigung der handelnden Personen zu übermitteln. Bitte schön, die Namen sind der Redaktion bekannt und tun nichts zur Sache.

Die spielerische Qualität dieses Turniers bekommen wir im wahrsten Sinne des Wortes zu spüren. Das Pressezentrum hängt unter der Hallendecke, trotzdem krachen beim Warmspielen der B-Teams immer wieder Pucks gegen die Fensterscheiben direkt neben unseren Köpfen. Die Streuung der Präzisionsschützen bei diesem erlesenen Turnier ist wirklich beachtlich. Ganz großes Bahnhofskino. Hier wird das Spiel wohl deswegen nicht auf einem Videowürfel, sondern auf zwei Leinwänden übertragen. Weil die im Gegensatz zu einem Bildschirm nachgeben, wenn sie abgeschossen werden.

Beim Spiel gegen Ungarn war Promi-Alarm! René Fasel persönlich gab sich die Ehre, man erblickte ausserdem Markus Kuhl, Rodion Pauels, Gernot Tripcke und Ivo Jaschik. Amiens ist an diesem Wochenende der Nabel der Eishockey-Welt, wer hätte das je erwartet. Bei dieser gewaltigen Prominenz ist kaum nachvollziehbar, warum es heute in Strömen regnet. Eigentlich müsste doch die Sonne vom strahlend blauen Himmel scheinen!

Am Sonntag Morgen bot sich uns im Pressezentrum ein ganz besonderes Bild: Auf dem Eis lief Andy Renz einige Pirouetten – bekleidet mit einem Sweatshirt, einer kurzen Radlerhose und Socken, die bis zum Knie hochgezogen waren. Ein unglaubliches Bild! Vor allem die Socken! Wenn ich jedes Mal einen Euro bekommen hätte, wenn eine Frau zu mir sagte "zieh die Socken runter!", dann könnte ich mir jetzt ein anständiges Hotel leisten! Wir brüllten sofort nach den Fotografen, aber als die zum Eis runter rannten, ergriff Renzi die Flucht. Feigling.  Gruß vom Socken-Runterzieher Alexander Brandt

Amiens, 29. April

 Bandencheck: Die Hockeyweb-Kolumne von Alexander Brandt

Amiens, 29. April - BandencheckWas für ein Turnier ist diese B-WM, Dramatik pur rund um die Uhr! Und das meine ich auch so, denn die reale Dramatik spielt sich weniger auf dem Eis (dank der bisher souveränen Vorstellung unserer Jungs) als vielmehr nachts im Hotel ab. Ich habe das Glück, einige Prachtexemplare deutscher Fankultur auf derselben Etage begrüßen zu dürfen, die mich jede Nacht freundlich wecken, wenn sie sturzbetrunken auf ihre Zimmer rollen. Das ist normalerweise halb so wild, vorgestern Nacht allerdings spielte sich ein Drama von Shakespearschem Ausmaß direkt vor meinem Zimmer ab, als Hörspiel allerdings, denn ich blieb im Bett und lauschte notgedrungen. Ich hätte auch die Bullen holen können, aber denen die Situation in meinem Schul-Französisch zu erklären wäre anstrengender gewesen, als einfach liegen zu bleiben und auf das baldige Ableben der Suffköppe zu hoffen. Zwei Herren trieben es in jener Nacht besonders wild, die Fans nehmen zwar ohnehin zu keiner Zeit Rücksicht darauf, dass sie sich in einem Hotel befinden und nicht in ihrer Stammkneipe, damit hat man sich schon abgefunden, aber das war dann doch des Schlechten zuviel. Jedenfalls versuchte einer der beiden, eine Tür einzutreten und einzuschlagen, der andere stand daneben und kicherte hysterisch. Nach gefühlten drei Stunden erschien eine Frau auf dem Parkett, wie es in Dramen üblich ist, und brüllte: "Macht Euch doch nicht lächerlich, der soll doch f***** wen er will!" Offensichtlich spielte sich hinter der verschlossenen Tür noch etwas ab, was angesichts des Lärms allerdings wenig Spaß gemacht haben dürfte.

Am nächsten Morgen ging ich zum Frühstück und entdeckte vor den Zimmern der Fans "bitte nicht stören"- Schilder. Wie ironisch. Ich erwog kurz, gegen die Türen zu hämmern und zu brüllen "von mir aus könnt Ihr f***** wen Ihr wollt", ließ es aber bleiben. Die waren mit sich selbst schon genug gestraft.

Bestraft werden nun auch die bösen deutschen Journalisten, die sich bisher einfach so frei in der Halle bewegt und ihre Arbeit gemacht haben, das geht doch nicht, da muss man doch was unternehmen! Plötzlich stehen überall Ordner, Interviews gibt es nur noch in der "Mixed Zone" und wehe, man geht den gleichen Weg wieder zurück, den man gekommen ist! Waren die Franzosen nicht immer für ihr "Laissez-faire" berühmt? Jetzt führen sie sich auf, als seien sie Deutsche, aus unseren Eishallen ist man massive Arbeitsbehinderung durch offizielles Personal ja seit Jahren gewöhnt. Vielleicht liegt das an der Globalisierung, dass sich manche Franzosen so teutonisch aufführen, wir werden alle gleich geschaltet. Wenn man hier in Frankreich den Fernseher einschaltet, sieht man genau denselben Mist wie zuhause, Dschungel-Camp, Superstar-Casting, US-Serien. Kein Wunder, dass sich alle gleich verhalten, wenn alle das Gleiche sehen.

Unsere Laune wurde dadurch aber nicht verdorben, Deutsche sind hier fröhlich bei der Arbeit, ja gibt´s denn sowas? Und bis auf den einen oder anderen Funktionsträger sind die Franzosen ausgesprochen nett und hilfsbereit. Und die Fans führen nachts Theaterstücke für uns auf. Eigentlich können wir uns hier über nichts beklagen. Trotzdem wollen wir nächstes Jahr lieber nach Moskau oder St. Petersburg, was sind wir doch undankbar. Also doch wieder typisch deutsch.
Den einen oder anderen Gegenspieler von der B-WM werden wir möglicherweise in der kommenden Saison in Deutschland wieder sehen, hier spitzeln gleich mehrere Trainer und Manager. Die Herren Fritzmeier, Egen und Hegen sind hier, selbst aus der Regionalliga wurden Vertreter gesichtet, vielleicht will man sich einen Israeli sichern.Aus dem Lager unserer Mannschaft hört man, dass die Verpflegung jetzt einwandfrei ist, man hat sich mit dem Küchenchef auf die nötigen Kohlenhydrate geeinigt. Dann müssen wir nur noch mit Gulaschkanonen auf die ungarischen Spatzen schießen und einen Punkt gegen die Gastgeber holen, das muss doch möglich sein, verdammt... Jetzt ist erstmal Training, da unten stehen schon die Franzmänner. Also Fritzmeier und Reindl. Gruß vom globalisierten Alexander Brandt

Amiens, 28. April

 Brand(t)herd: Die Hockeyweb-Vorschau auf die kommenden Spiele

Hockeyweb LogoWeltmeister! Weltmeister???   Drei Spiele, drei Siege für Deutschland bei der B-WM und gegen Insel-Af...äh - Bewohner haben die Jungs von Uwe Krupp souverän gespielt. Hut ab vor der Leistung der "drei Ausrufezeichen" Gawlik, Schütz und Gogulla! Und Respekt vor dem Trainer, der etablierte Spieler zuhause ließ, um die drei Jungs mitzunehmen. Jetzt werde ich mal übermütig und sage den Gewinn der B-WM für Deutschland voraus. Wenn die Jungs so konzentriert weiter spielen, muss es eigentlich auch gegen Ungarn und Fronkraisch klappen, auch wenn Uwe Krupp, der hier in Amjäng eine souveräne Vorstellung als Bundestrainer abliefert, das Wort "eigentlich nicht mag und sich immer ein wenig darüber ärgert, dass wir Journalisten nie zufrieden sind.
Ich tippe mal 5:2 gegen Ungarn und 4:2 gegen Frankreich.  Devils? Kenne ich nicht!  Die New York Rangers sind endlich mal wieder in den Play-offs, jetzt drohen sie aber, ausgerechnet im Hudson-Derby unterzugehen. Na gut, dafür laufen die anderen Runden sehr manierlich. Ich freue mich besonders für San José mit unseren beiden Jungs Goc und Ehrhoff, sowie für Buffalo, das von Experten vor der Saison nieder gemacht wurde und nun schon die ganze Saison tolles Eishockey zeigt. Und in Toronto wird man sich mal fragen müssen, ob man weiter an Holzfällern wie Tie Domi festhalten, oder dafür nicht lieber Eishockeyspieler verpflichten sollte. Die

Zeit der harten Jungs ist zum Glück vorüber, die Zukunft liegt bei den Läufern und Technikern und das tut der gesamten Sportart gut. In der nächsten Runde sollten Buffalo, Montreal, New Jersey und Ottawa im Osten aus dem Osten stehen, sowie Edmonton, Calgary, San José und Colorado im Westen. Damit wäre die Hälfte aus Kanada, das gab es auch schon lange nicht mehr! Aber auch egal, solange WIR Weltmeister werden. B, na gut...   Alexander Brandt

Amiens, 27. April

 Bandencheck: Die Hockeyweb-Kolumne von Alexander Brandt
Amiens, 27. April -
BandencheckIm Westen nichts Neues. Gestern war spielfrei, bis auf das Nachhol-Schützenfest der Ungarn gegen Israel, das wohl wieder absteigen wird. Unsere Spieler beklagen sich über das schlechte Essen im Hotel, man ißt jetzt anderswo, einige Spieler wurden auch mit Pizzen in den Händen gesichtet. Das hätte es beim Hans nicht gegeben! Der wurde jetzt als Neuzugang in Hannover gemeldet, also auch da gibt es nichts Neues, das wissen wir ja schon seit Wochen.

Wir sind auf das Spiel gegen die Briten gespannt, die haben ziemliche Hirten in ihren Reihen, hoffentlich tun die unseren Filigrantechnikern nicht weh.

Ein Sonderlob haben sich die deutschen Fans verdient. Gegen Japan haben sie das gesamte zweite Drittel hindurch gesungen, sind am Ende des Spiels noch rüber auf die andere Hallenseite gegangen, sodass wir im Dolby 5.1 Surround saßen. Kleiner Tipp für Fans, die am Wochenende noch anreisen: Geht hier unbedingt essen (außer im Holiday Inn) und bringt viel Zeit und noch mehr Geld mit. Gestern gönnte ich mir zum Nachtisch ein Stück Käsekuchen (ich bin Käsekuchen-Fanatiker), das Teil sollte 6 Euro kosten und ich erwartete etwas in der Größe meines Oberschenkels. Dann servierte man mir aber ein Stück in der Größe meines Gehirns, also irgendwo zwischen Walnuss und Spiegelei.

Rundum empfehlenswert ist das Lachs-Restaurant an der Kathedrale. Wer wie ich mit französischen Speisekarten nicht gerade ständig im Badezimmer verschwindet, schaut am besten auf die Teller der anderen Gäste und bestellt dann das, was den besten Eindruck macht. Aber bitte diskret, liebe Fans. Nicht den Franzmann von seinem Tisch wegschieben, an seinem Teller riechen und dann brüllen "Dös will I a!"
Zwischendurch schauen wir hier auf die NHL-Ergebnisse und ich lasse meine Rangers-Mütze wohl lieber im Hotel. Ich muss schon genug Spott ertragen, weil ich jetzt Doug Mason als Trainer in Köln bearbeiten darf. Was die Haie ausgerechnet mit dem wollen, werde ich dauernd gefragt. Hat der große Boss den Geldhahn zugedreht? Oder haben die Haie einen Trainer in Sicht, der erst ab November Zeit hat? Ich krame meinen Lieblingsspruch raus, den ich auch bei vermeintlich untauglichen Spielerverpflichtungen immer benutze: Lasst ihn doch erstmal arbeiten, dann können wir ihn immer noch fertig machen.

Was gibt es sonst noch? Man glaubt, dass wir in der kommenden Saison die Stadt Bremen in der DEL willkommen heißen dürfen, mal sehen, ob uns der Tripcke dazu was erzählen wird. Sowohl Straubing als auch Bremerhaven schaffen die nötige Punktzahl wohl nur, wenn sie umziehen. Wir brauchen ja noch ein Thema für den Sommer.

Zurück nach Amiens: So eine B-WM hat auch Vorteile, zum Beispiel ist hier alles recht locker, man kann kommen und gehen wie man will, es gibt zwar die berühmten Zonen und genau eingeteilte Akkreditierungen, aber wir rennen hin wo wir wollen und niemand hindert uns, wir stellen ja auch nichts an. Lustig sind die Pressekonferenzen, nach dem Spiel gegen Israel wurde Uwe Krupp für den israelischen Trainer gehalten und gefragt, ob es religiöse Gründe gäbe, am Dienstag nicht zu spielen. Hä? Nach dem Japan-Spiel kam kein Moderator zur PK und wir zogen das einfach ohne durch, geht auch. Es waren nur Deutsche anwesend, trotzdem wurden die Fragen an Uwe Krupp aus Höflichkeit gegenüber dem japanischen Vertreter Mark Mahon auf Englisch gestellt, bis der dann irgendwann erwähnte, dass er vorzüglich deutsch parliert. Nee, was sind wir doof.

So, jetzt muss ich schnell zur Apotheke, durch das Schwimmbad-Klima im Pressezentrum brauche ich täglich drei Aspirin. Manchmal beschlägt meine Brille beim reingehen, so drückend ist es hier. Ist halt nur eine B-WM. Wir witzeln schon, wo wir nächstes Jahr hinfahren dürfen, falls es mit dem Aufstieg nicht klappt. Spanien wäre cool. Groß im kommen ist auch Armenien, das gerade einen historischen Sieg geschafft hat. Armenien ist 45. der 45 Teams umfassenden Weltrangliste. Gruß vom Aspirinatiker Alexander Brandt

Amiens, 25. April

Bandencheck: Die Hockeyweb-Kolumne von Alexander Brandt
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BandencheckMontag. Es ist schwül. Nein, nicht in der Stadt Amiens, sondern in der Eishalle. Sie befindet sich in einem Hallenkomplex zusammen mit einer Trainingsfläche und einem Schwimmbad. Das tropische Klima dieses Bades prägt das gesamte Areal, man sitzt und schwitzt. Das Pressezentrum befindet sich genau zwischen Eishalle und Schwimmbad, mit Einblick in beide Hallen, Rechts trainieren die Japaner, links rutschen Mädels ins Wasser. Wären sie 15 Jahre älter, würden wir wohl links sitzen. Uwe Krupp beobachtet die Japaner und macht sich Notizen. Woran orientiert der sich? Die sehen alle gleich aus und tragen keine Nummern auf den Trainingstrikots! Vielleicht notiert er sich die Übungen, weil er die auch mal ausprobieren will? Ansonsten ist der Bundestrainer lockerer als zuletzt. "Unser Scouting Staff hat das Training der Israelis beobachtet und uns informiert", sagt er.

Wir staunen. So was haben wir, ein Scouting Staff? Wer ist das? "Franz Reindl", grinst Uwe. Der hat offensichtlich berichtet, dass die Israelis nur 15 Mann haben, die nicht Schlittschuh laufen können. Der Eindruck bestätigt sich später im Spiel. Beim 8:0 kommentiere ich, dass Don Jackson jetzt den Torhüter vom Eis nehmen würde. Kollege Werner Nieleck meint beobachtet zu haben, dass das Eis vor dem israelischen Tor abschüssig sei. Spannung kommt beim Spiel nicht auf, hinterher aber, und wie! Als wir unsere Texte in die Laptops hacken, bricht die Internet-Verbindung zusammen, nichts geht mehr. Ich versuche es altmodisch mit meiner Handy-Karte, aber das geht plötzlich auch nicht mehr. Panik, Schweiß. Immer mit der Ruhe, Windows noch mal starten. Ein Berliner Kollege läuft Amok, er muss in zehn Minuten liefern. Wir überlegen, was wir tun können, um die verloren geglaubte Partie noch zu drehen. Torwart rausnehmen? Der ist schon lange draußen. Meine Handykarte funktioniert wieder. "Hey, ich bin drin!" Sofort beginnt eine wüste Prügelei um meinen Laptop, jeder will seine Texte zuerst verschicken. Am Ende ist es noch mal gut gegangen, Shakehands und alles ist vergessen.

Wir haben ein wenig Angst um Marco Sturm, den die meisten Spieler wohl nur mit unfairen Mitteln bremsen können. "Das ist der gewohnt", sagt Uwe Krupp. "Wer in der NHL 30 Tore schiesst, steht immer im Target." Aber Marco hat andere Sorgen: "Ich darf den Jungs in Boston nicht erzählen, dass ich gegen Israel gespielt und im Holiday Inn gewohnt habe, sonst werde ich nur noch verarscht." Das Holiday Inn macht in der Tat nicht den besten Eindruck, es liegt am Bahnhof und man findet es nur zufällig als Seiteneingang zu einem großen Supermarkt. Die Zimmer sollen auch nicht so toll sein. Jetzt fühle ich mich mit meinem Aussenklotel plötzlich aufgewertet. Manche Kollegen sind besser untergebracht, aber bei denen steht früh um 5.30 Uhr die Müllabfuhr vor dem Fenster, während ich ruhig schlafen kann. Naja, fast. Um halb zwei zog jemand über die Flur und brummte "Die Deutschen sind wieder da, besoffen wie jedes Jahr". Fein, jetzt mach schön Sitz und gib Ruhe.

Die Halle war klar in deutscher Hand und es gab auch keine peinlichen Sprüche beim Spiel gegen Israel. "Schiessen, einfach schiessen" war noch das Missverständlichste. Die Deutschen prägen auch das Stadtbild, sie repräsentieren eindrucksvoll die Kultur unseres Volkes. Zum Beispiel die drei Düsseldorfer, die mit einem Fass Bier auf einer Parkbank sitzen und trinken. Und trinken.

Eines habe ich allerdings nicht verstanden: Die Fans riefen "Tripcke raus!" Der war gar nicht da! Um rausgeworfen zu werden, muss er doch erstmal drin sein, oder? Davon abgesehen, kann man schlechte Nachrichten nicht dadurch beseitigen, dass man ihren Überbringer köpft, man sollte sich lieber die Verursacher zur Brust nehmen. Überall lese ich "Pro Aufstieg". Na es gibt ihn doch, den Aufstieg. Und jetzt gibt es auch noch Overtime. Und Penaltyschiessen. Und die Drittelpausen werden verlängert. Das wird bestimmt den Getränkeverkauf in den Arenen ankurbeln, wenn man dort künftig einen halben Tag verbringen muss, um ein Eishockeyspiel zu sehen. Es fehlen nur noch Werbe-Unterbrechungen während der Spiele. Aber das kriegen wir auch noch hin und dann stellen wir am besten Feldbetten auf, damit die Zuschauer zwischendurch ein Stündchen schlafen können. Ein Cricket-Spiel dauert mehrere Tage. Schaffen wir auch! Gruß vom schwitzenden Alexander Brandt

Amiens- Tag 1 - Ankunft, 23. April 2006

Amiens, 23. April - BandencheckSonntag Nachmittag, Ankunft in Amiens. Die Autobahn stimmt, jetzt noch die Ausfahrt 34 erwischen und am Kreisverkehr rechts. Da kommt schon die Ausfahrt 33, gleich bin ich angekommen! Die nächste Ausfahrt ist die 32, scheiße. Rausfahren, wenden und wieder zurück. Jetzt aber, 34 raus und am Kreisverkehr rechts. Moment, ich bin ja von der anderen Seite gekommen, also wieder zurück. An einer Ecke erblicke ich einen Doppelzentner in einem Schwenninger Trikot, der gegen einen Zaun pinkelt. Hier bin ich bestimmt richtig und siehe da, schon stehe ich vor meinem Hotel. Ich checke ein und betrete mein Zimmer. Ein Bett, ein Waschbecken, ein Tisch – irgendwas fehlt hier. Ah, ein Badezimmer? Gibt es auf dem Flur. Super, ich soll mir mit dem Schwenninger ein Klo teilen? Obwohl, vielleicht nimmt der immer den Zaun. Es ist halt nur eine B-WM, da muss man Abstriche machen. Egal, jetzt erstmal in die Stadt zur Eishalle. Die ist schnell gefunden, das Coliseum liegt sehr zentral und sieht sehr neu aus. Als ich die Halle betrete, trainiert die deutsche Mannschaft gerade, wie passend. Die ersten Kollegen sind auch schon da, Marco Sturm gibt ein Interview für das israelische TV, ich rede kurz mit Andy Renz, die Spieler sind mit den Bedingungen sehr zufrieden. Kurze Plaudereien mit Sven Felski, Ernst Höfner und Klaus Merk, alle schwärmen von der tollen Stadt. Von einer Journalistin, die Beiträge über das israelische Team macht, erfahren wir, dass die Israelis kein Testspiel hatten. Sie waren für eine Woche in Tschechien und sollten eigentlich ein Spiel machen, aber dann waren die Spieler des Gegners im Osterurlaub verschwunden. Jetzt freuen sie sich darauf, mal gegen Marco Sturm spielen zu dürfen.

Journalisten sind ja bekanntlich nur zum Fressen und Saufen beim Sport, folglich gehe ich mit einem Kollegen erstmal auf Kneipensuche. Wir werden an einem schönen Kanal mehr als fündig, Amiens ist eine wunderschöne Stadt mit langen Straßen, Fußgängerzonen und einer gigantischen Kathedrale, in welche die berühmte Notre Dame de Paris zweimal reinpassen würde. Per Handy lotsen wir die anderen eintreffenden Journalisten zu uns (Eishockey-Deutschland ist klein, man kennt sich), schließlich sitzen wir zu fünft in einer Kneipe und trinken auf Greg Poss, der großen Anteil daran hat, dass wir heute in dieser herrlichen Stadt zusammensitzen dürfen. Dann wird spekuliert, erwartet uns eine Woche des Grauens, ein schreckliches Gegurke, oder ein souveräner Auftritt? Uwe Krupps Team wird mißtrauisch unter die Lupe genommen. Die Einen kritisieren, dass er zu viele junge Spieler dabei hat, während die bekannten Namen daheim bleiben mussten. Würden Spieler wie Hock, Morczinietz, Kathan hier auf diesem B-Niveau nicht Slalom mit den Gegnern fahren? Andere wieder halten Krupps Personalpolitik für genau richtig. Ich selbst dresche hohle Phrasen: Warten wir erstmal ab, in einer Woche sind wir schlauer.

Dann wird noch ordentlich darüber gelästert, dass Hans Zach in Essen nach dem Spiel gegen Österreich mit DEB-Präsident Esken heftig debattierte, um wieviel Kohle es da wohl gegangen sein mag? Lästern macht immer wieder Spaß, vor allem ,weil jeder von uns aus einer anderen Stadt kommt und Geschichten von seinem jeweiligen Klub beisteuert. Das ist das eigentlich Schöne an diesen Turnieren. Noch einen Toast auf Greg Poss und dann ab ins Hotel.
 Schalom.Gruß vom ewig lästernden Alexander Brandt