Duisburg, 26. April 2017 -
Armutszuwanderung von Menschen aus Südosteuropa ist ein
Thema, welches in Nordrhein-Westfalen in besonderem Maß
die Städte Dortmund, Duisburg und Gelsenkirchen trifft.
Die Zuwanderer, die in ihren Heimatstaaten oft in
bitterer Armut und ohne Perspektiven leben, werden meist
von kriminellen Schlepperbanden nach Deutschland geholt.
Hier werden sie immer wieder Opfer von skrupellosen
Vermietern, die Wuchermieten für Wohnungen verlangen, in
denen nicht die geringsten Standards eingehalten werden.
So fehlt es in diesen Schrottimmobilien häufig an Strom
und Wasser; selbst die einfachsten Brandschutzvorgaben
werden nicht eingehalten.
Die Oberbürgermeister der Städte Dortmund, Gelsenkirchen
und Duisburg begrüßen vor diesem Hintergrund ausdrücklich
das kürzlich durch die Landesregierung gestartete
Modellprojekt zum Ankauf von Schrottimmobilien. Ziel
des Projekts ist es, in den Großstädten, die aufgrund des
EU-Freizügigkeitsrechts eine besonders große
Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien haben,
unbewohnbaren Wohnraum vom Markt zu nehmen.
„Wir
wollen vor allem leerstehende Objekte ins Visier nehmen“,
so Duisburgs Oberbürgermeister Sören
Link. „Schrottimmobilien, die eine Gefahr für die
Bewohner und die Nachbarn darstellen, werden durch uns
konsequent für unbewohnbar erklärt. Durch die
Unterstützung der Landesregierung besteht jetzt die
Möglichkeit, vor Ort individuell zu handeln. Betroffene
Immobilien können nach Ankauf entweder saniert oder
abgerissen werden. Ganze Straßenzüge könnten so ein neues
Gesicht bekommen. Diese Unterstützung haben wir dringend
gebraucht."
„In Dortmund
werden wir diese Landesmittel konsequent im Sinne einer
nachhaltigen Quartiersentwicklung einsetzen“, so
Oberbürgermeister Ullrich Sierau. „Die
Problemimmobilien werden zur Verbesserung der
Lebensqualität im Quartier in Wert gesetzt. Wohnraum wird
so nicht vernichtet, sondern weiterentwickelt. Wir
arbeiten mit einem vielfältigen Instrumentarium, das auch
den Ankauf von Häusern vorsieht. Der systematische
integrierte Ansatz wird durch unseren schon 2008
gegründeten fachübergreifenden kommunalen Arbeitskreis
Problemhäuser betrieben und erfährt nun eine erfreuliche
Förderung durch das Land NRW.“
Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski
ergänzt: „Oft reicht es aus, einzelne Immobilien vom Markt
zu nehmen, um einen ganzen Wohnbereich vor dem Abrutschen
zu bewahren. Die Landesinitiative zum Ankauf von
Schrottimmobilien eröffnet uns nun die Möglichkeit, hier
gezielt zu handeln. Diese Initiative müssen wir allerdings
auch in den kommenden Jahren fortsetzen.“
Flankiert durch das 2014 in Kraft getretene
Wohnungsaufsichtsgesetz begrüßen die Oberbürgermeister
ausdrücklich, dass sich so das Instrumentarium, das den
Städten zur Verfügung steht, erweitert. Frank Baranowski
erläutert: „In Gelsenkirchen haben wir im Jahr 2016 76
Wohneinheiten schließen können, die erhebliche Mängel
aufwiesen. Oft hat unser Interventionsteam
menschenunwürdige Verhältnisse vorgefunden. Da reagieren
wir zum Schutz der Bewohner sofort.“
„Das neue Wohnungsaufsichtsrecht ist die richtige Lösung,
um Verwahrlosung und Verantwortungslosigkeit am
Mietwohnungsmarkt entgegenzutreten“, so Ullrich Sierau.
„Vermietern und Vermieterinnen, die die Gelegenheit zur
freiwilligen Beseitigung von Wohnungsmängeln und
-missständen nicht nutzen, erhalten ordnungsrechtliche
Anordnungen und müssen mit Geldbußen bis zu 50.000 Euro
rechnen. Die konsequente Anwendung des
Wohnungsaufsichtsgesetzes zeigt einen hohen Wirkungsgrad.“
Außerdem setzen Städte und Land zukünftig noch
stärker auf behördenübergreifende Zusammenarbeit: Bei den
Aktionstagen gegen Sozialmissbrauch haben Dortmund,
Gelsenkirchen und Duisburg bereits erfolgreich mit den
Landes- und Bundesbehörden zusammengearbeitet. Dabei
stießen sie beispielsweise auf organisierte
Scheinarbeitsverhältnisse, Sozialleistungsmissbrauch oder
Steuerbetrug.
„Trotz sehr unterschiedlicher
Betroffenheit der einzelnen Städte sind diese gemeinsamen
Aktionen äußerst sinnvoll“, erklärt Oberbürgermeister
Ullrich Sierau. „So lassen sich kriminelle Netzwerke und
Strukturen aufdecken.“
Oberbürgermeister Frank
Baranowski fügt hinzu: „Hier geht es zum Beispiel auch um
den Missbrauch beim Bezug von Kindergeld. Wenn
Geburtsbescheinigungen für Kinder vorgelegt werden, die
gar nicht existieren, ist dies kriminell. Wir dürfen
nicht zulassen, dass unsere Regeln der Freizügigkeit und
auch unsere sozialen Systeme durch kriminelle
Geschäftemacher missbraucht werden. Da hat sich der
Austausch unter den betroffenen Kommunen und Behörden als
sehr hilfreich erwiesen.“
Zugleich
stehen den Städten jeweils 250.000 Euro aus Landesmitteln
für unterstützende und integrationsfördernde Maßnahmen
bereit, die passgenau vor Ort eingesetzt werden können, in
Duisburg beispielsweise für die Ausweitung des
erfolgreichen Bruckhausener Modells der
Quartiershausmeister.
Ullrich Sierau weist in
diesem Zusammenhang auf das Zwei-Säulen-Modell der Stadt
Dortmund beim Thema Zuwanderung aus Süd-Ost-Europa hin.
„Wir setzen auf Hilfe und Repression“, so Sierau.
„Repressive Maßnahmen, um organisierten Sozialmissbrauch
und kriminelle Schleuserstrukturen zu bekämpfen, und Hilfe
dort, wo Menschen eine neue Lebensperspektive suchen.
Dieser Ansatz hilft, das Menschen eine eigenständige
Lebensperspektive entwickeln können.“
„Mit unserem Handlungskonzept engagieren wir uns für eine
gelingende Integration“, erläutert Frank Baranowski. „Von
mobilen Kindertagesstätten über internationale
Förderklassen bis hin zu Sprachkursen gibt es vielfältige
Angebote. Denn ob die Integration von Zuwanderern gelingt,
das entscheidet sich bei uns, in den Städten. Wir vor Ort
kennen unsere Verantwortung. Genau diese Verantwortung
erwarte ich aber auch von den anderen staatlichen Ebenen.
Es kann und darf nicht sein, dass wir weithin bekannte
gesamtgesellschaftliche, ja gesamteuropäische Problemlagen
haben, die am Ende einfach auf den Schultern der
Ruhrgebietsstädte abgeladen werden. Ich verlange da sehr
rasch konkrete Vorschläge vom Bund und der EU, welchen
finanziellen Beitrag sie leisten!“
Dass auch der Bund seinen Verpflichtungen nachkommen muss,
darüber sind sich die drei Oberbürgermeister einig. Dazu
Oberbürgermeister Sören Link: „Die EU-Zuwanderung in
unsere Sozialsysteme muss auf nationaler Ebene unterbunden
werden. Der derzeitige Zustand widerspricht europäischem
Recht - hier sehe ich die Bundesregierung in der Pflicht
zu handeln. Wir benötigen außerdem für die Zuwanderer aus
Südosteuropa dringend Regelungen zur gesundheitlichen
Versorgung der Menschen, speziell der Kinder. Das darf am
Ende nicht bei den Kommunen hängen bleiben. Den Preis
dafür, dass dieses Problem immer noch nicht gelöst wurde,
zahlen vor allem die betroffenen Menschen."
Die AG Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien des
Deutschen Städtetages erfasst regelmäßig die nach wie vor
bestehenden Problemkonstellationen, darauf weist Ullrich
Sierau hin. Der Dortmunder Oberbürgermeister sieht neben
der medizinischen Versorgung der Menschen nach wie vor
dringenden Handlungsbedarf bei der Verbesserung der
Lebenssituation der Zuwandernden in den Herkunftsstaaten.
„Zudem brauchen die Ankunftsstädte einen
öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, den
unbürokratischen Zugang zu Förderstrukturen, einen
Soziallastenausgleichsfonds und die Erhöhung der
Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung
im SGB II“, so Sierau. „Da hat der Bund gegenüber
den Kommunen eine Bringschuld.“
Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski ergänzt:
„Entscheidend ist auch welchen Beitrag der Bund übernimmt,
um die Zuwanderung aus Südosteuropa zu gestalten.
All das kann nicht ganz allein Aufgabe der Städte und
Gemeinden sein, während der Bund die ,Schwarze Null‘
feiert.“
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