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„Özü Sözü Bir Şiirler“/„Wahrhaftige Gedichte“ von Ali Yakar
Stephan 'Der Kult-Attaché' Sadowski

Duisburg, 6. März 2023 - Er gilt als Mittler zwischen den Kulturen und durfte sich vor einiger Zeit ins Goldene Buch Rheinhausens eintragen. Ali Yakar hat sich einen Namen im Duisburger Westen gemacht, spätestens als er als Gewerkschafter der IG-Metall im Kruppschen Arbeitskampf in Erscheinung trat und als freier Journalist für verschiedene Zeitungen, wie Hürriyet und Milliyet, aber auch für die NRZ Artikel über die Ereignisse verfasste. Seit dieser Zeit, Ende der 80er-Jahre, schreibt er regelmäßig Gedichte, jetzt ist sein zwölfter Lyrikband erschienen. Das hat uns zu einem Treffen mit dem 71-Jährigen veranlasst, auf dem Wohnzimmertisch seiner Wohnung hat er eine Vielzahl von Ehrungen, Büchern und Zeitdokumenten für uns aufgebahrt.

Herr Yakar, Sie sind als Kind eines „Gastarbeiters“ bei Krupp als 18-Jähriger Ende der 60er-Jahre nach Deutschland gekommen, leben jetzt 50 Jahre in Rheinhausen. Inwieweit fühlen sie sich hier integriert?

Ali Yakar: Es ist ein schwieriges Thema. Als ich hier ankam, wurde ich wegen fehlender Sprachkenntnisse und meines Aussehens kritisch beäugt. Das war allerdings in den 70er-Jahren. Ich habe schnell die Sprache gelernt, und sie so zu meinem Werkzeug als Journalist und Schriftsteller gemacht. Die Leute haben das besonders respektiert. Heute als Rentner besuche ich gerne die Fussballspiele meiner Enkelkinder. Fußball hat ja auch eine besonders integrative Wirkung unter den Menschen und ich wurde in der Gemeinschaft der anderen Eltern sehr gut aufgenommen. 

Sie waren einer der ersten Mitglieder der türkischen Aleviten-Gemeinde, die ihren Sitz jetzt in der ehemaligen Krupp-Menage am Tor 1 hat. Was sagen Sie zu den Schmierereien, die man vor kurzem an der Front der Gemeinde gefunden hat?

Das waren Leute, die leider nichts im Kopf haben. Aus welchem Grund sie das gemacht haben, bleibt die Frage. Ob es jetzt Rechtsradikale waren, das kann natürlich sein. Genauso gut können es politisch anders Denkende aus der Türkei gewesen sein. Wir haben ja bald Wahlen dort und ich könnte mir andererseits auch vorstellen, dass es politische Gegner waren, die uns feindlich gesinnt sind. Wir als Aleviten-Gemeinde stehen der sozialdemokratischen Partei in der Türkei sehr nahe.

Das Buch „Özü Sözü Bir Şiirler“ (dtsch. „Wahrhaftige Gedichte“) von Ali Yakar, ist beim ÖnelVerlag erschienen. Es ist zu beziehen beim Autor selbst unter Tel. 0157/85074655 für 15 Euro (email: aliyakar@live.de). Das Buch hat mehr als 200 Gedichte auf 222 Seiten, elf sind auf Deutsch geschrieben.

Ali Yakar, geboren 1952 in Etiler, kam in den 70er-Jahren nach Rheinhausen und arbeitete als Metallarbeiter auf dem Krupp-Werk, später dann bei der Hütte Krupp-Mannesmann (HKM). 1987 fing er an journalistische Texte für Zeitungen zu verfassen, bekam eine eigene Fernsehsendung auf „Kanal Europa“. 1989 erschien sein erstes Buch mit Gedichten. Bis heute hat er zwölf Bücher mit Geschichten und Gedichten verfasst. Ali Yakar ist zum zweiten Mal verheiratet, hat drei Töchter, zwei Söhne und sechs Enkelkinder.
 

Inwieweit spielt ihre Religion, also der Islam, in Ihrem Leben, aber auch in den Gedichten für Sie eine Rolle?

Ich fühle mich als Alevit von Gott gereinigt, das heißt Gott nimmt mich so, wie ich bin – nämlich als Mensch. Für mich sind Koran, Religion und Mohammed wichtig. Aber ich muss nicht, wie die Sunniten es tun, jetzt fünf mal am Tag beten, um diese Reinigung zu erfahren, oder in die Moschee gehen. In den Gedichten beschäftige ich mich eher nur am Rande mit Religion, ein Gedicht heißt zum Beispiel „Gott ist mein Freund“. Darin versuche ich meine Beziehung auszudrücken zu Gott, wie zu einem Freund.

Wovon handeln die Gedichte denn meistens?

In der Regel von Liebe und Freundschaft. Mir hat einmal ein Iman einer Moschee gesagt, dass er und ich die gleiche Botschaft haben, nämlich den Respekt und die Achtsamkeit im Umgang zwischen den Menschen zu vermitteln. Gute Lebensweisheiten für Jugendliche würden in meinen Texten aufgezeigt, sagte er.  Aber auch Naturdarstellungen sind ein Teil darin, ich versuche die Realität in den Versen abzubilden, ohne allerdings zu politisch zu werden. Der Heimatbegriff ist ein Thema, wobei ich inzwischen denke, dass ich in Rheinhausen beheimatet bin, allerdings noch oft an die Kindheit in der Türkei zurück denke. Gerade jetzt bin ich in Gedanken bei den Opfern und Angehörigen des schrecklichen Erdbebens an der Grenze zu Syrien.

Von den weit über 1000 Gedichten, die Sie in den zwölf Büchern veröffentlicht haben, sind aber nur wenige auf Deutsch. Woran liegt das?

Es gibt bestimmte Redewendungen und Gedankenspiele im Türkischen, die kann man nicht so ohne Weiteres übersetzen. Das misslingt meistens bei der Übertragung, zum Glück hat mir ein guter Freund da geholfen. Außerdem müssen meine drei Töchter, die alle perfekt beide Sprachen sprechen, beim Gegenlesen der Übersetzung helfen.

Sie haben in all der Zeit des Rheinhauser Arbeitskampfes an der Seite so manches bekannten Politikers gestanden. Welche Ereignisse erinnern Sie besonders?

Ja, es waren einige von Franz Steinkühler bis Oskar Lafontaine, die sich ebenfalls engagiert hatten und sich hier die Klinke in die Hand gegeben haben. Vor allem denke ich aber an den ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Johannes Rau, an seine menschliche Art, und wie er sich damals dafür eingesetzt hat, Ausbildungsplätze für türkische Jugendliche bei HKM zu schaffen. Und der damalige NRW-Innenminister Herbert Schnoor geht mir nicht aus dem Kopf. Ihm habe ich damals beigebracht, uns Türken als Mitbürger zu bezeichnen und nicht mehr als Arbeitsmigranten. Später gab es ja dann das Ausländerwahlrecht auf kommunaler Ebene für ausländische Mitbürger, das war auch immer mein Ziel als Gewerkschafter und SPD-Mitglied gewesen.