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'Traumzeit 2023' im Duisburger Landschaftspark Nord
Stephan Sadowski


Duisburg, 22. Juni 2023 - Teil II
Befindlichkeiten kennen die belgischen Art-Rocker „Deus“ nur zu genüge, denn schräg und unberechenbar ist ihr Sound auch in den neuen Stücken, die die fünf Musiker nach fast zehnjähriger Abstinenz als Haupt-Act am Freitag auf der Cowperplatz-Bühne spielen. Vom Kultalbum „In a bar, under the Sea“ aus dem Jahre 1996, mit dem „Deus“ dem zu der Zeit ausklingenden Grunge rockhistorisch den Garaus bereiteten, ist nur noch der Opener „Fell off the Floor, Man“ übriggeblieben. Aber ihre transzendentalen, vertrackten Gittarenriffs fetzen so hypnotisch in die Menge, dass man eine kollektive Bewusstseinserweiterung, wenn man sich darauf einlässt, erfährt - also das, was das eigentliche Ziel einer „Traumzeit“ bei den australischen Aborigines ist. Schon mit schamanischem Getrommel beginnen die Mannen um Bandleader Tom Barman ihr Set, um im illustren Gitarren- und Geigengemetzel, vieles vom neuen Album „How to replace it“, zu enden. „Wow, das hat gefetzt“, meint auch Studentin Kara aus Essen. „Thank you for The Roses“, meint ein anderer Besucher.

Der Newcomer des Festivals sicherlich ist die Tübinger Band Temmis: Ein Hingucker für viele junge Mädchen (oder auch Homosexuelle?) war der Sänger Roman im schwarzen, halbdurchlässigen Netzhemd – und als er zum abgefahrenen von Joy Division inspirierten New-Wave-Techno-Post-Punk wie ein halbbetrunkener Jim Morrison sich am Mikrofon festhielt und torkelte, dazu den Song „Raucherpause“ ins Publikum schrie, das überzeugte auch die Altrocker im Publikum.  Das vielleicht schönste Konzert fand danach ebenfalls an der Hochofenbühne statt, Low-Fi-Folk von „Dekker“. „Es tut mir leid, dass ich erst dieses Jahr hier sein kann und für euch spielen darf“, sagt der Sänger mit dem braunen Schlapphut auf dem Kopf auf Englisch. Und zaubert (Spoileralarm) verzückende, einfühlsame Folksongs aus selbigem. „Das klingt wie Crosby, Stills, Nash und Young“, meint ein älterer Besucher. Nein, vielmehr erinnert sein Gesang an den jungen Marvin Gaye, besonders wenn er in den hohen Falsett fliegt, und wenn dann noch die vortrefflichen, aussparenden Gitarrenarrangements einsetzen, dann meint man „The Band“, ohne Bob Dylan, würde „Dekker“ dabei begleiten.

Die Frauenquote war vergleichsweise geringer unter den Acts, was aber als reale Abbildung der Wirklichkeit in der Musikindustrie betrachtet werden darf. Sorcha Richardson, Stina Holmquist, die Blush Always mit Sängerin Katja Seiffert setzten mit feinen Konzerten zumindest einen Kontrapunkt. Ein enttäuschender Auftritt war der von Interpol: die Band aus New York mit dem gefühlten No-Hit-Wonder, denn sie kratzen immer nur an der Grenze zur Gefälligkeit, waren schlecht abgemischt und Sänger Paul Banks war kaum zu verstehen, wie er sich freigeistig wie einst „The Smiths“-Sänger Morrissey durch das Gitarrengewusel seiner Mitstreiter hangeln wollte.

Auch für Altbiertrinker waren die drei Tage eine schwierige Zeit: An den von einer großen Duisburger Brauerei gesponserten Getränkeständen gab es leider nur Pils und Softdrinks.

Ansonsten überwiegen die positiven Momente, denn die kulinarische Meile bot von veganem Chili, bis hin zu indischen und fernöstlichen Spezialitäten so ziemlich alles, natürlich auch Currywurst mit Pommes...und auch musiktechnisch freut man sich auf die „Traumzeit 2024“, wenn in dieser Richtung weiter programmiert wird....