Euregio Rhein Waal |
Regionalpolitik ist ein zentrales
Arbeitsgebiet der EU. Nicht ein Europa der (starken) Nationalstaaten,
sondern ein Europa der Regionen ist das Ziel dieser Politik. Sichtbares
Zeichen dieser Bemühungen sind die euregios. Insgesamt 18 dieser
euregios gibt es inzwischen über ganz Europa verteilt. ?Hier geht es um
das Subsidiaritätsprinzip. Warum soll nicht vor Ort entschieden werden,
was lokal besser entschieden werden kann als durch eine nationale
Zentrale, fragt Roland Wolf, Pressesprecher der euregio Rhein Waal. Man schrieb das Jahr 1969, als sich erst mal Städte und Gemeinden aus dem deutsch niederländischen Grenzgebiet zusammentaten. Der zwanglose Verband wollte Fragen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bearbeiten. ?Die Kommunalpolitiker merkten, dass man gerade im deutsch niederländischen Grenzgebiet doch viel gemeinsam hatte. Zu Zeiten des römischen Weltreiches gab es hier keine Grenze, das Land gehöre als ganzes zu Rom. Über lange Zeit hinweg gab es einen regen und fruchtbaren kulturellen, wirtschaftlichen und geistigen Austausch. Erst mit dem Aufkommen der Nationalstaaten wurde hier eine künstliche Grenze geschaffen. Sie führte dazu, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl verschwand. Der Niederrhein, aber auch sein holländisch Pendant gerieten in eine gefährliche Randlage. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sollte dem abhelfen. Eine Entwicklung, die durch das Zusammenwachsen auf europäischer Ebene nur noch gefördert wurde. Die Stadt Duisburg, die Kreise Kleve und Wesel, die Industrie- und Handelskammer Duisburg Wesel Kleve, der Landschaftsverband Rheinland auf deutscher Seite sowie die Regionen Achterhoek, West Velowe, Arnheim Nijmegen, Noord Limburg, Noordost Brabant und Revierengebied sowie der KvK Centraal Gelderland gehören der euregio heute an. 1993 organisierte sich die euregio als grenzüberschreitender öffentlich rechtlicher Zweckverband. ?Die euregio Rhein Waal erstreckt sich von Duisburg bis nach Wageningen und zählt insgesamt etwa 2,5 Millionen Einwohner: 1,15 Mio. in Deutschland, 1,35 Mio. in den Niederlanden, heißt es in einer Studie der euregio. ?Die Siedlungsstruktur wird geprägt durch zwei städtische Ballungsgebiete, nämlich Duisburg und Umgebung auf deutscher Seite sowie Arnheim Nijmegen und Umgebung auf niederländischer Seite. Hinzu kommen noch einige eher ländlich strukturierte Gebiete. Aus nationalstaatlicher Sicht befinden sich sowohl der niederländische als auch der deutsche Teil der euregio in einer ziemlichen Randlage. Im Zuge der wirtschaftlichen und politischen Integration der Europäischen Union hat sich die Lagesituation jedoch grundlegend gewandelt: Im Europäischen Binnenmarkt liegt die euregio Rhein Waal ausgesprochen zentral inmitten des europäischen Kernraums, den man gelegentlich auch als ?blaue Banane, als ?Rückgrat Europas oder als ?CCC Region (Central Cities and Capitals) bezeichnet hat. Der gesamte Raum der euregio und speziell der niederländische städtische Knotenpunkt Arnheim Nijmegen (KAN) und die Stadt Duisburg befinden sich in einem dynamischen Prozeß des Strukturwandels. Logistik, so heißt auch hier das Zauberwort der kommenden Jahre. Gerade das Gebiet um Arnheim Nijmegen soll als Transportregion gefördert werden, wobei Straße, Schiene, Wasserweg, Luft und Telematik gleichermaßen genutzt werden sollen. ?Im Zusammenhang damit steht die rasche Entwicklung der Region zu einem Zentrum von Dienstleistungen, insbesondere von logistischen Diensten, wie es in der bereits erwähnten Studie heißt. Doch Logistik ist nicht nur in den Niederlanden das Zauberwort. ?Die Stadt Duisburg erfährt zur Zeit einen besonders einschneidenden Strukturwandel, der durch den Verlust von mehr als 100.000 Arbeitsplätzen bei Kohle und Stahl in den letzten 3 Jahrzehnten ausgelöst wurde, fahren Dr. Jan van Megen, Prof. Dr. Hans Heinrich Blotevogel und Prof. Dr. Horst Lademacher als Autoren der Studie fort. ?Während die Zukunft der Steinkohle ungewiß ist und zu wenig Optimismus Anlaß gibt, kann als sicher gelten, dass Duisburg auch in Zukunft das wichtigste Zentrum der Eisen- und Stahlindustrie Deutschlands bleiben wird. Die wirtschaftliche Grundlage Duisburgs und seiner Nachbarstädte wird aber in Zukunft nicht mehr so einseitig von der Montanindustrie geprägt sein. Als ein zweiter Pfeiler der regionalen Ökonomie entwickelt sich derzeit die Verkehrs- und Logistikwirtschaft. In Duisburg und am Niederrhein entsteht ein multimodulares Güterverkehrszentrum, das auch den ehemals stark von der Montanindustrie des Ruhrgebiets geprägten Duisburger Hafen als Komponente einbezieht. Mit ca 47 Mio. Tonnen Jahresumschlag (1997) ist das Duisburger Hafensystem der größte Binnenhafen der Erde, doch wird seine Zukunft weniger im Umschlag von Massengütern liegen, sondern im Container- und kombinierten Ladungsverkehr sowie vor allem in hallenbezogenen Dienstleistungen und Verarbeitungen. Weitere Neuansätze des Strukturwandels liegen laut dieser Studie im hochtechnologischen Bereich, z. B. auf den Gebieten der Mikroelektronik, Mechatronik, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Umwelttechnologie. Doch wo greift hier die Arbeit der euregio? Verschiedene Schwerpunkte bearbeitet die euregio: die Raumplanung etwa, oder die wirtschaftliche Entwicklung, Technologie und Innovation, Tourismus sowie Qualifizierung und Arbeitsmarkt. ?Gerade der Tourismus ist für mich ein gutes Beispiel für die sehr gute Arbeit der euregio erzählt Wolf. ?Der Niederrhein ist eine uralte Kulturlandschaft. Hier gibt es viele wunderhübsche Herrensitze, die nicht weithin sichtbar auf einem Hügel sitzen, sondern etwas abseits der Hauptwanderwege entdeckt werden wollen. Nicht nur Schloß Moyland mit der Sammlung der Brüder van der Grinten (Stichwort Beuys) ist ein Beispiel für den kulturellen Reichtum der Gegend. Kulturtourismus, Ferien auf dem Bauernhof und grenzüberschreitende Fahrradtouren sind hier die Stichworte. Die Betuwelinie ist hier genauso ein Thema wie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Technologiezentren, Sport, Kultur oder die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung. ?Wir sind hier der Koordinator der einzelnen Projekte. Wichtig ist, dass die Ideen von den Menschen selber kommen. Wir können lediglich die Finanzierung unterstützen. Wir erhalten Geld von der EU sowie den Wirtschaftsministerien Nordrhein Westfalen und Gelderland sowie die Mitgliedsbeiträge und können sie dann an die Projekte weitergeben. Doch es sind nicht nur die wirtschaftlichen Realitäten, die Wolf interessieren. ?Ich möchte auch hier in Deutschland über das Leben und Arbeiten in den Niederlanden informieren. Wo kann ich in den Niederlanden lernen und studieren? In Deutschland gibt es viele Arbeitslose Früher sind die Niederländer nach hier gekommen, um zu arbeiten. Heute ist die Situation andersherum. Heute werden in den Niederlanden Arbeitskräfte gesucht. Warum geht niemand drüben zur Arbeit? Wir leiden an unserer Überheblichkeit, weil wir nichts von unserem Nachbarn wissen. Wir fragten nie, was wir lernen können. Wir waren 10 Jahre mit der Einigung beschäftigt; in dieser Zeit konnten die Niederländer ihre Sozialversicherung modernisieren. Wir haben da sicherlich noch allerhand Nachholbedarf, was unser Verhältnis zu unseren Nachbarn angeht. Europa und die Integration. Wann wird es wohl mehr geben als nur den kleinen deutsch niederländischen Grenzverkehr? Andreas Rüdig |