Hagen und
Hagener Impuls
Sehr aprilhaft, also wechselhaft ist das Wetter an diesem
Samstagvormittag im November 2007, als ich mich auf den Weg nach Hagen
mache. Mal regnet es kräftig und ergiebig, mal scheint die Sonne, mal
ist es stark bewölkt. Hagen liegt am südlichen Rande des VRR -Landes;
ich erreiche es mit Bus und Bahn via Düsseldorf und Wuppertal.
Der Hauptbahnhof ist eher durchschnittlich; praktisch daran: der
Busbahnhof liegt gleich vor der Haustüre. Ich habe Glück: Es kommt auch
prompt ein Bus, der mich in die Innenstadt bringt.
Großzügig und weitläufig ist diese gestaltet. Einkaufsmöglichkeiten gibt
es hier zuhauf. C&A ist genauso vertreten wie dm,Telekom, die
Wohlthatsche Buchhandlung, douglas, fielmann und viele andere
Verdächtige. Eine Sache fällt mir sofort ins Auge: Die örtlichen Garten-
und Landschaftsbaubetriebe haben hier Verkehrsinseln in der
Fußgängerzone zur Verfügung gestellt bekommen. Die Betriebe nutzen sie
sehr ansprechend zur Selbstdarstellung. Ob man das auch in Duisburg
verwirklichen kann?
Die evangelische Johanniskirche am anderen Ende der Fußgängerzone (am
Markt, der trotz des Regens an diesem Samstagmittag stattfindet) ist zu
meiner angenehmen Überraschung geöffnet. Das Kirchencafé ist seit einer
Viertelstunde geschlossen; so bliebt genug Gelegenheit für mich, mir
diese Kirche anzuschauen. Eine riesige Hallenkirche im gotischen Stil
liegt hier vor. Die Wände sind weiß gestrichen, an der Decke hängen 8
Kronleuchter. Die 8 Glasfenster (je 4 auf jeder Seite) bieten einfache
Glaskunst. Lediglich das Fenster am Altarraum ist aufwendiger gestaltet.
Ähren, Blütenblätter und Weintrauben sind hier zu sehen; den Sinnspruch
(der sich wie ein Band um die Bilder herum schlängelt) nach zu urteilen
geht es hier um das Abendmahl. Die Deckel - Kanzel, die an einer der
vorderen Säulen angebracht ist, zeigt verschiedene Heiligenbilder.
Der Altartisch ist gemauert. Ein grünes Antependium, ein Kreuz mit
künstlerisch gestalteter Jesusfigur und 4 Kerzen (auf jeder Seite des
Kreuzes je 2) befinden sich auf, ein Sprechmikrophon vor dem Altartisch,
ein Rednertisch davor. Rechts neben dem Altartisch erinnert ein Stein
mit Davidsstern an die jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens.
Der nahegelegene Rathausvorplatz ist sehr großzügig gestaltet. Hier
liegt die Volme - Galerie. Dies ist einer jener prächtigen
Einkaufstempel, wie sie für die Region typisch sind. H&M gibt es hier
genauso wie McPaper, Tchibo, Wehmeyer, Weltbild und Nanunana, um nur
einige Beispiele zu nennen.
Nach einer kurzen Mittagspause strebe ich dem Karl - Ernst - Osthaus -
Museum entgegen. Und muß erst einmal vor dem verschlossenen Eingangstor
stehenbleiben. Das Museumsgebäude wird renoviert - wann es
wiedereröffnet wird, kann ich nicht sagen.
So nebenbei bemerkt wundert mich eine Sache in dieser märkisch -
südwestfälischen Stadt dann doch. Außer KundenCenter der örtlichen
Verkehrsbetriebe und Stadtsparkasse entdecke ich keinerlei kommunale
Infrastruktur. Es ist so, als ob es Einrichtungen wie Stadtbücherei,
Stadtinformation, Volkshochschule oder städtische Museen nicht geben
würde. Ein Hinweisschild, das mir zeigt, wie ich laufen muß, hätte mir
ja schon gereicht.
Ganz in der Nähe der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer liegt
der Volkspark mit seinen vielen hübschen Skulpturen; bei besserem Wetter
ist er bestimmt ein beliebtes Ausflugsziel.
Die katholische St. Marien - Kirche liegt zentral in der Hagener
Innenstadt und ist einer jener schlichten, ruhigen und gotischen
Hallenkirchen, die durchaus einen Besuch wert sind.
Eine Strahlenmadonna bekomme ich in der Mitte des Raumes hängend zu
sehen, viele bunte, farbige Glasfenster mit biblischen Motiven, einen
schlichten Marienaltar, Bronzeplatten verschiedener alter Meister, der
Kreuzweg, ein großes Kreuz mit Jesusfigur (die vier letztgenannten
Stationen befinden sich in den Seitenschiffen) kommen zu.
Doch wie den Altarraum beschreiben? Altartisch und Sitzgelegenheiten
sind gemauert, Kreuz mit Jesusfigur und Lesepult überwiegend aus Holz.
Bei dem Einrichtungsgegenstand, den ich da am Ende des Raumes sehe,
wüsste ich noch nicht einmal den richtigen Namen; es fehlt auch prompt
eine Person, die ich fragen könnte. Ein gemaltes Marienbild sehe ich in
der Mitte; links und rechts unterhalb sehe ich je 2 Kerzen und
Blumenschmuck. Links des Gemäldes: ein Standbild, das einen König zeigt.
Das Standbild rechts des Gemäldes zeigt eine Königin. Zwei Engel und ein
Kind (Christus?), das von einem Strahlenkranz umgeben ist, kommen hinzu.
"Oh katholische Kirche, warum lässt du mich allein, wenn ich etwas wissen
möchte," murmele ich leise vor mich hin.
Von der kleinen Kapelle links des Altarraumes sei eigentlich nur
erwähnt, dass es sie gibt.
Trotz des Regens hat sich für mich der Ausflug in "das Tor zum
Sauerland" durchaus gelohnt.
Hagen
Irgendwo zwischen dem Ruhrgebiet und dem Sauerland gelegen, ist Hagen
inzwischen über 250 Jahre alt. Rund 204.000 Menschen leben hier.
?Entdecken Sie Hagen, wirbt die Hagen Touristik als städtische
Werbeträgerin. Und führt auch gleich einige Ausflugsziele auf.
Im Westfälischen Freilichtmuseum kann der Besucher die Geschichte der
Industrialisierung erleben. Das Museum erstreckt sich über einen 2,5 km
langen Abschnitt des Mäckinger Bachtales, einem Wiesental des vorderen
Sauerlandes. Auf einer Fläche von 42 Hektar präsentieren sich mehr als
60 historische Werkstätten und Fabrikbetriebe. Das Museum spannt einen
weiten historischen Bogen von den ländlichen und kleinstädtischen
Handwerksbetrieben des ausgehenden 18. Jahrhunderts über die
frühindustriellen Produktionsstätten bis hin zur Phase der
Hochindustrialisierung. Die alten Maschinen und Handwerksgeräte sind
nicht nur zu besichtigen. Geschultes Personal zeigt die Funktionsweise
der Geräte. Es erklärt auch die technischen Zusammenhänge. Die Besucher
können sich so an der Herstellung von Dingen des täglichen Bedarfs
beteiligen. Sie können Seile schlagen, Papier schöpfen oder Postkarten
drucken.
Das Karl Ernst Osthaus-Museum wurde 1902 als weltweit erstes Museum für
zeitgenössische Kunst unter dem Namen ?Museum Folkwang gegründet. Im
Jahre 1922 - nach dem Tode des Gründers und Mäzens Osthaus - ging seine
Sammlung, die Werke von Cèzanne, van Gogh, Renoir, Gauguin und vielen
anderen umfasste, nach Essen. Nach dem 2. Weltkrieg entstand eine neue
Sammlung, die wichtige Bilder des Expressionismus (Ernst Ludwig
Kirchner, August Macke, Franz Marc, Otto Mueller, Erich Heckel, Emil
Nolde und andere), wichtige Arbeiten von Lyonel Feininger, eine der
umfassendsten Christian Rohlfs - Sammlungen in öffentlichem Besitz sowie
eine Werkgruppe von Alexander Archipenko umfaßt. Einen weiteren
Höhepunkt bildet ein Werkkomplex aus dem frühen Schaffen des 1999
verstorbenen Hagener Malers und Ehrenbürger Emil Schumacher.
Der Altbau des Museums, dessen Innenraum von Henry van de Velde
gestaltet wurde, kann nach einer umfangreichen Rekonstruktion von 1992
heute wieder als ein Glanzstück des Jugendstils bewundert werden. In der
Fassung dieser museumsgeschichtlich bedeutenden Architektur entwickelt
sich ein Dialog zwischen der Sammlung moderner Kunst und der Sammlung
von Werken der zeitgenössischen Kunst. Besonders die Sammlung der
Gegenwartskunst, die seit über 10 Jahren in einer langfristig angelegten
Zusammenarbeit mit Künstlern (Michael Badura, Herman de Vries, Jan
Meyer- Rogge, Sigrid Sigurdson, Johan van Geluwe, Sally Weber und
andere) und Institutionen (The Museum of Jurassic Technology, Salon de
Fleurs, Museum of Museums) ausgebaut werden konnte, bietet eine
Alternative zur umliegenden Museumslandschaft.
Der von 1906 bis 1908 von Henry van de Velde erbaute Hohenhof war von
Anfang an weit mehr als nur der Wohnsitz von Karl Ernst Osthaus und
seiner Familie. Osthaus ließ dieses für die Entwicklung der
Jugendstilarchitektur bedeutende Haus als Ursprung der von ihm geplanten
Künstlerkolonie und Ausbildungsstätte ?Hohenhagen bauen, die in den
folgenden Jahren unter den Händen von Architekten wie Peter Behrens und
J. L. M. Lauweriks weiter Gestalt gewinnen konnte. Der Hohenhof war der
Ort, an dem Karl Ernst Osthaus wichtige Gäste begeistern konnte. Die
Geschichte des ?Hagener Impuls wird seit 1992 im Hohenhof dokumentiert.
Neben der nahezu vollständig erhaltenen Inneneinrichtung des Wohnhauses
von Karl Ernst Osthaus bilden eine große Sammlung zum Werk von Henry van
de Velde (1863 - 1957), Erzeugnisse der ?Hagener Silberschmiede, hier
vor allem mit Arbeiten von Lauweriks (1864 - 1932), die wichtigsten
Komplexe. Außerdem ist der Hohenhof einer der Ankerpunkte der ?Route der
Industriekultur, die der Kommunalverband Ruhrgebiet seit 1999 als
touristische Attraktion im Ruhrgebiet anbietet.
Idyllisch thront die ehemalige Residenz der Grafschaft Hohenlimburg über
dem gleichnamigen Hagener Stadtteil. Schon von weitem ist das Gebäude,
das 1242 als Burg Limburg und Sitz der Grafen von Isenberg-Limburg
erstmals urkundlich erwähnt wurde, sichtbar. Das Schloss ist die einzige
erhaltene Höhenburg Westfalens. Neben den Befestigungsanlagen sind vor
allem die Kanonen sehenswert, die nach einer gründlichen Restaurierung
besichtigt werden können. Das Museum im neuen Palas des Schlosses zeigt
Exponate zur fürstlichen Wohnkultur des 18. und 19. Jahrhunderts, zur
Geschichte des Schlosses, der früheren Grafschaft Limburg und der
Region.
Ein historisches Kleinod liegt verträumt in stiller Natur im Hagener
Norden und zwar ganz in der Nähe des Harkortsees. Das ehemalige Lehen
der Herren von Volmarstein blickt auf eine fast 800jährige wechselvolle
Geschichte zurück. Im 13. Jahrhundert wurde es als ein Rittergut erbaut,
im 14. Jahrhundert niedergebrannt, um 1500 wieder aufgebaut und dann
1856 im neugotischen Stil zum Schloss umgebaut. Kurz vor dem endgültigen
Verfall bildete sich eine Bürgerinitiative, die sich für den
Wiederaufbau und die Restaurierung engagierte. Die Stadt Hagen und das
Land Nordrhein- Westfalen realisierten dieses Vorhaben. Seit 1995 ist
das Wasserschloss Werdringen zu einem Kultur- und Begegnungszentrum
geworden.
Angefangen hat alles 1952 mit ein paar Tieren und wenigen Märchen. Heute
ist daraus ein Märchenland mit 21 Themenschwerpunkten und einer
computergesteuerten Tonanlage geworden. Neben Windmühlen, romantischen
Teichen und Bachläufen findet sich auch eine große Außen-
Eisenbahnanlage. Seit einiger Zeit sind im Märchenwald auch mehrere
Zwergziegen.
Hagener Impuls
Nic Tummers prägte 1974 den Begriff „Hagener Impuls“. Er
beschreibt einen bestimmten Abschnitt in der Geschichte Hagens,
als die Stadt Schauplatz für eine im internationalen Maßstab
wichtige Entwicklung war. Es geht dabei um die Jahre 1900 bis
1921. Der Hagener Karl Ernst Osthaus (1874 – 1921), seines
Zeichens Mäzen und Museumsgrüner, versuchte, eine Vision
beispielhaft in Hagen zu verwirklichen. Die Schönheit sollte
wieder zur herrschenden Macht im Leben zu werden. Als erstes
seiner kulturpolitischen Projekte eröffnete Osthaus 1902 das
Museum Folkwang. Es sollte schon bald als weltweites erstes
Museum für zeitgenössische Kunst berühmt werden. Doch das
Engagement von Osthaus war damit nicht erschöpft. Er wollte
vielmehr die soziale Realität einer ganzen Industriestadt
positiv verändern. Er setzte auf die Umgestaltung des
gesellschaftlichen Lebens durch Kunst. Osthaus bemühte sich
darum, bekannte und hervorragende Künstler in seine Heimatstadt
Hagen zu holen. Er wollte ihnen Aufträge verschaffen und eine
Künstlerkolonie, Werkstätten und ein Lehrinstitut gründen. Sein
Interesse galt der Architektur und dem Städtebau. Sie sollten
den Rahmen schaffen, innerhalb dessen das Gesamtkunstwerk
Gesellschaft entstehen und seine Utopie Realität werden könnte.
Henry van de Velde, J. L. M. Lauweriks, Richard Riemerschmid,
Bruno Taut, Peter Behrens sowie seine Schüler Heinrich und
Leopold Ludwigs entwarfen und schufen Bauten, die in der
Kunstgeschichte als Beispiele der neuen Architektur um 1900
einen festen Platz haben. Sie sind teilweise heute noch in Hagen
zu sehen.
Ein Beispiel für den Hagener Impuls ist das Stadttheater. Der
Bau wurde im Jahre 1911 vollendet. Architekt ist Ernst
Vetterlein aus Darmstadt. Für die klassizistische Fassade mit
einer die Portalzone unter dem Dreiecksgiebel vertikal
strukturierenden Pilastergliederung schuf die Berliner
Bildhauerin Milly Steger (1881 – 1948) vier überlebensgroße
Frauenakte. In ihrer streng der Vertikale folgenden, statischen
Haltung beziehen sie sich auf die hinter ihnen aufstrebenden
Säulen. Die beiden der Mitte zugewandten, von stilisierten
Gewandfalten gerahmten weiblichen Gestalten flankieren die
beiden mittleren frontal ausgerichteten Frauen. Es fehlt
jeglicher Hinweis auf ihre Bedeutung als symbolische oder
allegorische Wesen. Ihnen sind nur die herabgeglittenen Umhänge
als rein formales Zubehör beigegeben. Zusammen mit den
rekonstruierten, dunklen, bronzenen Eingangsportalen verleihen
die Monumentalskulpturen der Fassade einen feierlich ernsten
Klang. Karl Ernst Osthaus hatte die junge Künstlerin nach Hagen
geholt. Er konnte die Aktfiguren erfolgreich gegen die heftigen
Proteste der Bevölkerung verteidigen.
1898 faßte Osthaus den Entschluß, ein naturwissenschaftliches
Museum zu gründen. Er beauftragte den Berliner
Regierungsbaumeister Carl Gérard mit der Planung. Gérard entwarf
ein dreigeschossiges Gebäude im Neorenaissancestil. Als der
Rohbau mit der historistischen Fassade dann im Jahre 1900 stand,
wurde Osthaus der konventionelle Charakter des Ansatzes bewußt.
Auf der Suche nach neuen Anregungen entdeckte er den belgischen
Künstler und Gestalter Henry van de Velde. Van de Velde
entwickelte für die Innenarchitektur ein neues Konzept, das von
den Zeitgenossen als revolutionär empfunden wurde. Er umhüllte
die eisernen Stützen und Träger mit Stuck. Dieser Stuck verlieh
dem Bau eine organische Einheit und eine atmosphärische
Gesamtstimmung.
Osthaus änderte unter dem Einfluß van de Veldes auf die
inhaltliche Konzeption des Museums. Er wandte sich der
zeitgenössischen Kunst zu. Seine Sammlung war bald weltberühmt.
Sie umfaßte Werke von Cézanne, van Gogh, Hodler, Manet, Matisse,
Renoir, Rodin, Rohlfs, Seurat und Signac. Im Sommer 1902
eröffnete das Museum Folkwang. Der Knabenbrunnen von George
Minne wurde 1906 in der Brunnenhalle aufgestellt. 1912 stiftete
Milly Steger den Frauenkopf über den Eingangsportal. Als Osthaus
starb, verkauften seine Erben die Folkwang – Sammlung 1922.
Käufer: die Stadt Essen. 1992 wurden in einer großen
Rekonstruktion die wesentlichen Teile der verlorenen
Inneneinrichtung wiederhergestellt. Die Struktur und das
atmosphärische Raumgefühl konnten so wieder zur Geltung kommen.
Die heutige Sammlung umfaßt Werke der klassischen Moderne wie
der aktuellen Kunst.
Im Jahre 1906 beauftragte Karl Ernst Osthaus van de Velde, den
neuen Wohnsitz der Familie in Hohenhagen als „Gesamtkunstwerk“
zu planen. Der Hohenhof war als Abschluß eines terrassierten
Hanges gedacht. Der belgische Architekt konzipierte dafür einen
Bebauungsplan mit weiteren 16 Villen. Davon wurde jedoch keine
ausgeführt. Der Grundriß des Hohenhofs entspricht der Form eines
Doppelhakens. 1908 war der Hohenhof bezugsfertig. Das
Baumaterial steht (erwartungsgemäß?) in der bergisch –
märkischen Tradition. Das blauschwarze Gestein eines
benachbarten Steinbruchs verbindet sich harmonisch mit schwarzer
Niedermendiger Basaltlava und bläulichem Moselschiefer,
kombiniert mit weiß und grün für Türen und Fenster, wie Experten
den Bau beschreiben. Nur die östliche Hangfassade zeigt demnach
Achsensymmetrie. Die Eingangs- und Gartenseite spiegeln die
unregelmäßige Raumaufteilung wider. „Hier schuf van de Velde die
Innenarchitektur quasi vollständig aus einem Guß,“ ist zu hören.
Er gestaltete Möbel, Wanddekoration und Bodenbeläge, Lampen und
Stoffe, Geschirr und Besteck nach eigenen Entwürfen. Er tat dies
in Absprache mit dem Bauherrn.
Doch auch die Kunst kam hier nicht zu kurz. Die Skulptur „Die
Auserwählte“ von Ferdinand Hodler war die Empfangsraum zu
bewundern, „Herbst vor Paris“ von Edouard Vuillard im
Damenzimmer. Henri Matisse malte für den Wintergarten das
Fliesentriptychon „Nymphe und Satyr“. Die Treppenhausverglasung
und die starkfarbige Schablonenmalerei im Arbeitszimmer stammen
von Johan Thorn – Prikker. Sandsteinreliefs von Hermann Haller
flankieren das Hauptportal. Seit 1989 ist der Hohenhof eine
Abteilung des Karl Ernst Osthaus – Museums. Der Hohenhof diente
zwischen 1928 und 1976 als Handweberei, Gauverwalterschule,
Frauenklinik, und Pädagogische Hochschule sowie als Sitz
verschiedener Einrichtungen. Wegen dieser bewegten Geschichte
waren umfangreiche Restaurierungsarbeiten erforderlich. Sie sind
seit dem Jahre 2004 abgeschlossen.
1905 gelang es Karl Ernst Osthaus, eine Konferenz der
Zentralstelle für Volkswohlfahrt zum Thema „Die künstlerische
Gestaltung von Arbeiterwohnhäusern“ in Hagen zu veranstalten.
Hermann Muthesius, Karl Henrici, Paul Schulze – Naumburg und der
Münchener Gestalter Richard Reimerschmid kamen hier zu Wort. Im
Anschluß an die Tagung konnte Osthaus die Hagener
Textilindustrie für den Bau einer Arbeitersiedlung im
„Wasserlosen Tal“ gewinnen. Richard Riemerschmid (1868 – 1957)
erhielt den Auftrag für die Werkssiedlung. Er entwarf 1907 einen
Bebauungsplan für 84 Wohnhäuser, einen Gebäudekomplex mit
Gemeinschaftseinrichtungen und einem Kindergarten. Das Zentrum
sollte ein Marktplatz mit Brunnen sein. Für die einzelnen
Häuserreihen waren jeweils verschiedene Haustypen mit eigenen
Gärten vorgesehen. Insgesamt wurden lediglich fünf Häuser
gebaut. Daher ist die Planung der Gesamtanlage in der Praxis
nicht erkennbar.
Der „Hagener Verein für Feuerbestattung“ beschloß im Jahre 1905
den Bau eines Krematoriums, das das erste in Preußen sein
sollte. Der ursprüngliche Entwurf des Baumeisters Sander sah
einen monumentalen zinnenbekrönten Turmbau im neogotischen Stil
mitsamt einer verfallenen Ruine als Wartehäuschen vor. Entsetzt
von diesen Plänen engagierte Osthaus auf seine eigenen Kosten
Peter Behrens. Dieser Architekt fertigte einen Gegenentwurf an.
Es war der Überzeugungsarbeit von Osthaus zu verdanken, daß
Behrens sein Konzept bis 1907 durchführen konnte. Die romanische
Kirche San Miniato al Monte in Florenz diente als Vorlage für
das Bauwerk in streng geometrisch – stereometrischer Form. Die
Außenwände des kubischen Sakralbaus, der von dem Schornstein in
Form eines rechteckigen Turms flankiert wird, waren ursprünglich
mit Marmor verkleidet. Diese aufwendige Dekoration fiel jedoch
bald der Witterung zum Opfer. Die Fassaden mußten letztendlich
schlicht grau verputzt werden. Durch eine von sechs Pfeilern
getragene Vorhalle gelangt man in das feierliche Innere.
Blickfang ist die Apsis mit dem Goldmosaik von Emil Rudolf Weiß,
unter der sich, durch Stufen erhöht, der Katafalk vor einem
Säulenhalbrund aus schwarzem Marmor erhebt. Schwarzweiße,
geometrische Ornamente, zusammengestellt aus den Grundelementen
Kreis und Quadrat, geben dem Marmorfliesenboden und die
Sgraffitowände eine Struktur. Die umlaufende Orgelempore mit der
Säulenbrüstung setzt eine waagerechte Zäsur. Ein von Behrens
geplantes Columbarium wurde nicht ausgeführt. Der seitlich
angefügte Erweiterungsbau beherbergt die technischen Anlagen und
stammt aus dem Jahre 1984. 2002 wurde dann die
Originalbestuhlung wieder hergestellt.
Ein frühes Gemeinschaftswerk der Brüder Leopold und Heinrich
Ludwigs (1883 – 1964 und 1885 – 1916) ist das Verwaltungs- und
Lagergebäude der Spedition Schenker, früher Lehnkering, aus dem
Jahre 1911. Die Eindrücke, die Leopold Ludwigs auf einer
längeren USA – Reise gesammelt hatte, schlugen sich in der
Auffassung der Gesamtanlage nieder. Die Vierflügelanlage ist
über einem mächtigen Natursteinsockel in Backstein ausgeführt.
Henry van de Velde (1863 – 1957)
Nach einem klassischen Studium der Malerei an der Königlichen
Akademie der Schönen Künste in Antwerpen vervollständigte van de
Velde seine Ausbildung beim Salonmaler Carolus – Duran in Paris
und bei den Impressionisten in Barbizon. 1886 kehrte er in seine
Heimatstadt Antwerpen zurück. Zwei Jahre später wurde er
Mitglied der Brüsseler Künstlervereinigung „Les XX“. schon bald
darauf erschien seine erste kunstkritische Veröffentlichung. In
der Folgezeit entfernte er sich zunehmend von der Malerei.
Schließlich könne sie wenig zur Erneuerung der Gesellschaft
beitragen. Ab 1894 beschäftigte sich van de Velde ausschließlich
mit der angewandten Kunst und der Architektur. Sein erstes Haus
namens „Bloemenwerf“, in Brüssel gelegen, errichtete van de
Velde 1895 für sich und seine Frau Maria Séthe. In Frankreich
feierte er 1895 seinen ersten Erfolg als Innenausstatter. Er
wurde damit einer der wichtigsten Gründer des „Art nouveau“.
Über den Kunstkritiker und Verlegen Julius Meier – Graefe sowie
den Kunsthistoriker und Industriellen Eberhard von Bodenhausen
wuchs seine deutsche Kundschaft in einem solchen Umfang, daß van
de Velde 1899 eine Zweigstelle seines Geschäftes in Berlin
eröffnete. 1900 schloß van de Velde seine Brüsseler Werkstätten.
Er zog nach Berlin. Dort erwarteten ihn viele Wohnungs- und
Landeneinrichtungsaufträge.
In der deutschen und preußischen
Hauptstadt festigte sich seine Freundschaft zu Harry Graf Keßler.
Der ließ ihn 1902 als künstlerischen Berater für Industrie und
Kunsthandwerk durch den Großherzog von Sachsen – Weimar –
Eisenach nach Weimar berufen. Van de Velde entfaltete sich in
seinen Weimarer Jahren als Lehrer und Architekt. Er baute
überwiegend in Deutschland. Während des 1. Weltkrieges war der
Belgier in Deutschland nicht mehr erwünscht. In seiner
belgischen Heimat galt er als Verräter. Also ging er in die
Schweiz ins Exil. Nach zwei Jahren Aufenthalt in der Schweiz
führte ihn ein Auftrag des Mäzenaten – Ehepaars Kröller – Müller
nach Holland. 1920 bis 1926 war der Belgier persönlicher
Architekt der Kröller – Müllers für die Planung ihres
Privatmuseums sowie für deren Wohnhaus. Dank seiner
Künstlerfreunde und einflußreicher Auftraggeber konnte van der
Velde 1925 nach Belgien zurückkehren. Dort erwartete ihn eine
Professur für Architektur an der Universität Gent. Ein Jahre
später wurde er in Brüssel Direktor des neu gegründeten Institut
Supérieur des Arts Décoratifs (ISAD) in der alten Abtei „La
Cambre“. Daneben führt van de Velde auch weiterhin zahlreiche
Privataufträge aus. 1933 beauftragte ihn die belgische Regierung
mit dem Bau der Genter Universitätsbibliothek. Eisenbahnwaggons
für die belgische Eisenbahngesellschaft und die Einrichtung von
Schiffen kamen hinzu. 1936 zog er sich aus der Leitung des ISAD
zurück. Er wurde in Gent emeritiert. Während des Zweiten
Weltkrieges wirkte er unter deutscher Besatzung für den
Wiederaufbau. Wegen seiner Zusammenarbeit mit dem Referat für
Kunstschutz der deutschen Militärverwaltung wurde van de Velde
der Kollaboration verdächtigt. Man bat ihn, Belgien zu
verlassen. 1947 zog sich van de Velde in die Schweizer Berge
zurück. Dort verbrachte er die letzten 10 Jahre seines Lebens.
Er schrieb dort an seinen Memoiren. |