Städtetour West


Hagen und
Hagener Impuls

Sehr aprilhaft, also wechselhaft ist das Wetter an diesem Samstagvormittag im November 2007, als ich mich auf den Weg nach Hagen mache. Mal regnet es kräftig und ergiebig, mal scheint die Sonne, mal ist es stark bewölkt. Hagen liegt am südlichen Rande des VRR -Landes; ich erreiche es mit Bus und Bahn via Düsseldorf und Wuppertal.
Der Hauptbahnhof ist eher durchschnittlich; praktisch daran: der Busbahnhof liegt gleich vor der Haustüre. Ich habe Glück: Es kommt auch prompt ein Bus, der mich in die Innenstadt bringt.
Großzügig und weitläufig ist diese gestaltet. Einkaufsmöglichkeiten gibt es hier zuhauf. C&A ist genauso vertreten wie dm,Telekom, die Wohlthatsche Buchhandlung, douglas, fielmann und viele andere Verdächtige. Eine Sache fällt mir sofort ins Auge: Die örtlichen Garten- und Landschaftsbaubetriebe haben hier Verkehrsinseln in der Fußgängerzone zur Verfügung gestellt bekommen. Die Betriebe nutzen sie sehr ansprechend zur Selbstdarstellung. Ob man das auch in Duisburg verwirklichen kann?
Die evangelische Johanniskirche am anderen Ende der Fußgängerzone (am Markt, der trotz des Regens an diesem Samstagmittag stattfindet) ist zu meiner angenehmen Überraschung geöffnet. Das Kirchencafé ist seit einer Viertelstunde geschlossen; so bliebt genug Gelegenheit für mich, mir diese Kirche anzuschauen. Eine riesige Hallenkirche im gotischen Stil liegt hier vor. Die Wände sind weiß gestrichen, an der Decke hängen 8 Kronleuchter. Die 8 Glasfenster (je 4 auf jeder Seite) bieten einfache Glaskunst. Lediglich das Fenster am Altarraum ist aufwendiger gestaltet. Ähren, Blütenblätter und Weintrauben sind hier zu sehen; den Sinnspruch (der sich wie ein Band um die Bilder herum schlängelt) nach zu urteilen geht es hier um das Abendmahl. Die Deckel - Kanzel, die an einer der vorderen Säulen angebracht ist, zeigt verschiedene Heiligenbilder.
Der Altartisch ist gemauert. Ein grünes Antependium, ein Kreuz mit künstlerisch gestalteter Jesusfigur und 4 Kerzen (auf jeder Seite des Kreuzes je 2) befinden sich auf, ein Sprechmikrophon vor dem Altartisch, ein Rednertisch davor. Rechts neben dem Altartisch erinnert ein Stein mit Davidsstern an die jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens.
Der nahegelegene Rathausvorplatz ist sehr großzügig gestaltet. Hier liegt die Volme - Galerie. Dies ist einer jener prächtigen Einkaufstempel, wie sie für die Region typisch sind. H&M gibt es hier genauso wie McPaper, Tchibo, Wehmeyer, Weltbild und Nanunana, um nur einige Beispiele zu nennen.
Nach einer kurzen Mittagspause strebe ich dem Karl - Ernst - Osthaus - Museum entgegen. Und muß erst einmal vor dem verschlossenen Eingangstor stehenbleiben. Das Museumsgebäude wird renoviert - wann es wiedereröffnet wird, kann ich nicht sagen.
So nebenbei bemerkt wundert mich eine Sache in dieser märkisch - südwestfälischen Stadt dann doch. Außer KundenCenter der örtlichen Verkehrsbetriebe und Stadtsparkasse entdecke ich keinerlei kommunale Infrastruktur. Es ist so, als ob es Einrichtungen wie Stadtbücherei, Stadtinformation, Volkshochschule oder städtische Museen nicht geben würde. Ein Hinweisschild, das mir zeigt, wie ich laufen muß, hätte mir ja schon gereicht.
Ganz in der Nähe der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer liegt der Volkspark mit seinen vielen hübschen Skulpturen; bei besserem Wetter ist er bestimmt ein beliebtes Ausflugsziel.
Die katholische St. Marien - Kirche liegt zentral in der Hagener Innenstadt und ist einer jener schlichten, ruhigen und gotischen Hallenkirchen, die durchaus einen Besuch wert sind.
Eine Strahlenmadonna bekomme ich in der Mitte des Raumes hängend zu sehen, viele bunte, farbige Glasfenster mit biblischen Motiven, einen schlichten Marienaltar, Bronzeplatten verschiedener alter Meister, der Kreuzweg, ein großes Kreuz mit Jesusfigur (die vier letztgenannten Stationen befinden sich in den Seitenschiffen) kommen zu.
Doch wie den Altarraum beschreiben? Altartisch und Sitzgelegenheiten sind gemauert, Kreuz mit Jesusfigur und Lesepult überwiegend aus Holz. Bei dem Einrichtungsgegenstand, den ich da am Ende des Raumes sehe, wüsste ich noch nicht einmal den richtigen Namen; es fehlt auch prompt eine Person, die ich fragen könnte. Ein gemaltes Marienbild sehe ich in der Mitte; links und rechts unterhalb sehe ich je 2 Kerzen und Blumenschmuck. Links des Gemäldes: ein Standbild, das einen König zeigt. Das Standbild rechts des Gemäldes zeigt eine Königin. Zwei Engel und ein Kind (Christus?), das von einem Strahlenkranz umgeben ist, kommen hinzu.
"Oh katholische Kirche, warum lässt du mich allein, wenn ich etwas wissen möchte," murmele ich leise vor mich hin.  Von der kleinen Kapelle links des Altarraumes sei eigentlich nur erwähnt, dass es sie gibt.
Trotz des Regens hat sich für mich der Ausflug in "das Tor zum Sauerland" durchaus gelohnt.

Hagen

Irgendwo zwischen dem Ruhrgebiet und dem Sauerland gelegen, ist Hagen inzwischen über 250 Jahre alt. Rund 204.000 Menschen leben hier. ?Entdecken Sie Hagen, wirbt die Hagen Touristik als städtische Werbeträgerin. Und führt auch gleich einige Ausflugsziele auf.
Im Westfälischen Freilichtmuseum kann der Besucher die Geschichte der Industrialisierung erleben. Das Museum erstreckt sich über einen 2,5 km langen Abschnitt des Mäckinger Bachtales, einem Wiesental des vorderen Sauerlandes. Auf einer Fläche von 42 Hektar präsentieren sich mehr als 60 historische Werkstätten und Fabrikbetriebe. Das Museum spannt einen weiten historischen Bogen von den ländlichen und kleinstädtischen Handwerksbetrieben des ausgehenden 18. Jahrhunderts über die frühindustriellen Produktionsstätten bis hin zur Phase der Hochindustrialisierung. Die alten Maschinen und Handwerksgeräte sind nicht nur zu besichtigen. Geschultes Personal zeigt die Funktionsweise der Geräte. Es erklärt auch die technischen Zusammenhänge. Die Besucher können sich so an der Herstellung von Dingen des täglichen Bedarfs beteiligen. Sie können Seile schlagen, Papier schöpfen oder Postkarten drucken.
Das Karl Ernst Osthaus-Museum wurde 1902 als weltweit erstes Museum für zeitgenössische Kunst unter dem Namen ?Museum Folkwang gegründet. Im Jahre 1922 - nach dem Tode des Gründers und Mäzens Osthaus - ging seine Sammlung, die Werke von Cèzanne, van Gogh, Renoir, Gauguin und vielen anderen umfasste, nach Essen. Nach dem 2. Weltkrieg entstand eine neue Sammlung, die wichtige Bilder des Expressionismus (Ernst Ludwig Kirchner, August Macke, Franz Marc, Otto Mueller, Erich Heckel, Emil Nolde und andere), wichtige Arbeiten von Lyonel Feininger, eine der umfassendsten Christian Rohlfs - Sammlungen in öffentlichem Besitz sowie eine Werkgruppe von Alexander Archipenko umfaßt. Einen weiteren Höhepunkt bildet ein Werkkomplex aus dem frühen Schaffen des 1999 verstorbenen Hagener Malers und Ehrenbürger Emil Schumacher.
Der Altbau des Museums, dessen Innenraum von Henry van de Velde gestaltet wurde, kann nach einer umfangreichen Rekonstruktion von 1992 heute wieder als ein Glanzstück des Jugendstils bewundert werden. In der Fassung dieser museumsgeschichtlich bedeutenden Architektur entwickelt sich ein Dialog zwischen der Sammlung moderner Kunst und der Sammlung von Werken der zeitgenössischen Kunst. Besonders die Sammlung der Gegenwartskunst, die seit über 10 Jahren in einer langfristig angelegten Zusammenarbeit mit Künstlern (Michael Badura, Herman de Vries, Jan Meyer- Rogge, Sigrid Sigurdson, Johan van Geluwe, Sally Weber und andere) und Institutionen (The Museum of Jurassic Technology, Salon de Fleurs, Museum of Museums) ausgebaut werden konnte, bietet eine Alternative zur umliegenden Museumslandschaft.
Der von 1906 bis 1908 von Henry van de Velde erbaute Hohenhof war von Anfang an weit mehr als nur der Wohnsitz von Karl Ernst Osthaus und seiner Familie. Osthaus ließ dieses für die Entwicklung der Jugendstilarchitektur bedeutende Haus als Ursprung der von ihm geplanten Künstlerkolonie und Ausbildungsstätte ?Hohenhagen bauen, die in den folgenden Jahren unter den Händen von Architekten wie Peter Behrens und J. L. M. Lauweriks weiter Gestalt gewinnen konnte. Der Hohenhof war der Ort, an dem Karl Ernst Osthaus wichtige Gäste begeistern konnte. Die Geschichte des ?Hagener Impuls wird seit 1992 im Hohenhof dokumentiert. Neben der nahezu vollständig erhaltenen Inneneinrichtung des Wohnhauses von Karl Ernst Osthaus bilden eine große Sammlung zum Werk von Henry van de Velde (1863 - 1957), Erzeugnisse der ?Hagener Silberschmiede, hier vor allem mit Arbeiten von Lauweriks (1864 - 1932), die wichtigsten Komplexe. Außerdem ist der Hohenhof einer der Ankerpunkte der ?Route der Industriekultur, die der Kommunalverband Ruhrgebiet seit 1999 als touristische Attraktion im Ruhrgebiet anbietet.
Idyllisch thront die ehemalige Residenz der Grafschaft Hohenlimburg über dem gleichnamigen Hagener Stadtteil. Schon von weitem ist das Gebäude, das 1242 als Burg Limburg und Sitz der Grafen von Isenberg-Limburg erstmals urkundlich erwähnt wurde, sichtbar. Das Schloss ist die einzige erhaltene Höhenburg Westfalens. Neben den Befestigungsanlagen sind vor allem die Kanonen sehenswert, die nach einer gründlichen Restaurierung besichtigt werden können. Das Museum im neuen Palas des Schlosses zeigt Exponate zur fürstlichen Wohnkultur des 18. und 19. Jahrhunderts, zur Geschichte des Schlosses, der früheren Grafschaft Limburg und der Region.
Ein historisches Kleinod liegt verträumt in stiller Natur im Hagener Norden und zwar ganz in der Nähe des Harkortsees. Das ehemalige Lehen der Herren von Volmarstein blickt auf eine fast 800jährige wechselvolle Geschichte zurück. Im 13. Jahrhundert wurde es als ein Rittergut erbaut, im 14. Jahrhundert niedergebrannt, um 1500 wieder aufgebaut und dann 1856 im neugotischen Stil zum Schloss umgebaut. Kurz vor dem endgültigen Verfall bildete sich eine Bürgerinitiative, die sich für den Wiederaufbau und die Restaurierung engagierte. Die Stadt Hagen und das Land Nordrhein- Westfalen realisierten dieses Vorhaben. Seit 1995 ist das Wasserschloss Werdringen zu einem Kultur- und Begegnungszentrum geworden.
Angefangen hat alles 1952 mit ein paar Tieren und wenigen Märchen. Heute ist daraus ein Märchenland mit 21 Themenschwerpunkten und einer computergesteuerten Tonanlage geworden. Neben Windmühlen, romantischen Teichen und Bachläufen findet sich auch eine große Außen- Eisenbahnanlage. Seit einiger Zeit sind im Märchenwald auch mehrere Zwergziegen.

Hagener Impuls
Nic Tummers prägte 1974 den Begriff „Hagener Impuls“. Er beschreibt einen bestimmten Abschnitt in der Geschichte Hagens, als die Stadt Schauplatz für eine im internationalen Maßstab wichtige Entwicklung war. Es geht dabei um die Jahre 1900 bis 1921. Der Hagener Karl Ernst Osthaus (1874 – 1921), seines Zeichens Mäzen und Museumsgrüner, versuchte, eine Vision beispielhaft in Hagen zu verwirklichen. Die Schönheit sollte wieder zur herrschenden Macht im Leben zu werden. Als erstes seiner kulturpolitischen Projekte eröffnete Osthaus 1902 das Museum Folkwang. Es sollte schon bald als weltweites erstes Museum für zeitgenössische Kunst berühmt werden. Doch das Engagement von Osthaus war damit nicht erschöpft. Er wollte vielmehr die soziale Realität einer ganzen Industriestadt positiv verändern. Er setzte auf die Umgestaltung des gesellschaftlichen Lebens durch Kunst. Osthaus bemühte sich darum, bekannte und hervorragende Künstler in seine Heimatstadt Hagen zu holen. Er wollte ihnen Aufträge verschaffen und eine Künstlerkolonie, Werkstätten und ein Lehrinstitut gründen. Sein Interesse galt der Architektur und dem Städtebau. Sie sollten den Rahmen schaffen, innerhalb dessen das Gesamtkunstwerk Gesellschaft entstehen und seine Utopie Realität werden könnte.
Henry van de Velde, J. L. M. Lauweriks, Richard Riemerschmid, Bruno Taut, Peter Behrens sowie seine Schüler Heinrich und Leopold Ludwigs entwarfen und schufen Bauten, die in der Kunstgeschichte als Beispiele der neuen Architektur um 1900 einen festen Platz haben. Sie sind teilweise heute noch in Hagen zu sehen.
Ein Beispiel für den Hagener Impuls ist das Stadttheater. Der Bau wurde im Jahre 1911 vollendet. Architekt ist Ernst Vetterlein aus Darmstadt. Für die klassizistische Fassade mit einer die Portalzone unter dem Dreiecksgiebel vertikal strukturierenden Pilastergliederung schuf die Berliner Bildhauerin Milly Steger (1881 – 1948) vier überlebensgroße Frauenakte. In ihrer streng der Vertikale folgenden, statischen Haltung beziehen sie sich auf die hinter ihnen aufstrebenden Säulen. Die beiden der Mitte zugewandten, von stilisierten Gewandfalten gerahmten weiblichen Gestalten flankieren die beiden mittleren frontal ausgerichteten Frauen. Es fehlt jeglicher Hinweis auf ihre Bedeutung als symbolische oder allegorische Wesen. Ihnen sind nur die herabgeglittenen Umhänge als rein formales Zubehör beigegeben. Zusammen mit den rekonstruierten, dunklen, bronzenen Eingangsportalen verleihen die Monumentalskulpturen der Fassade einen feierlich ernsten Klang. Karl Ernst Osthaus hatte die junge Künstlerin nach Hagen geholt. Er konnte die Aktfiguren erfolgreich gegen die heftigen Proteste der Bevölkerung verteidigen.
1898 faßte Osthaus den Entschluß, ein naturwissenschaftliches Museum zu gründen. Er beauftragte den Berliner Regierungsbaumeister Carl Gérard mit der Planung. Gérard entwarf ein dreigeschossiges Gebäude im Neorenaissancestil. Als der Rohbau mit der historistischen Fassade dann im Jahre 1900 stand, wurde Osthaus der konventionelle Charakter des Ansatzes bewußt. Auf der Suche nach neuen Anregungen entdeckte er den belgischen Künstler und Gestalter Henry van de Velde. Van de Velde entwickelte für die Innenarchitektur ein neues Konzept, das von den Zeitgenossen als revolutionär empfunden wurde. Er umhüllte die eisernen Stützen und Träger mit Stuck. Dieser Stuck verlieh dem Bau eine organische Einheit und eine atmosphärische Gesamtstimmung.
Osthaus änderte unter dem Einfluß van de Veldes auf die inhaltliche Konzeption des Museums. Er wandte sich der zeitgenössischen Kunst zu. Seine Sammlung war bald weltberühmt. Sie umfaßte Werke von Cézanne, van Gogh, Hodler, Manet, Matisse, Renoir, Rodin, Rohlfs, Seurat und Signac. Im Sommer 1902 eröffnete das Museum Folkwang. Der Knabenbrunnen von George Minne wurde 1906 in der Brunnenhalle aufgestellt. 1912 stiftete Milly Steger den Frauenkopf über den Eingangsportal. Als Osthaus starb, verkauften seine Erben die Folkwang – Sammlung 1922. Käufer: die Stadt Essen. 1992 wurden in einer großen Rekonstruktion die wesentlichen Teile der verlorenen Inneneinrichtung wiederhergestellt. Die Struktur und das atmosphärische Raumgefühl konnten so wieder zur Geltung kommen. Die heutige Sammlung umfaßt Werke der klassischen Moderne wie der aktuellen Kunst.
Im Jahre 1906 beauftragte Karl Ernst Osthaus van de Velde, den neuen Wohnsitz der Familie in Hohenhagen als „Gesamtkunstwerk“ zu planen. Der Hohenhof war als Abschluß eines terrassierten Hanges gedacht. Der belgische Architekt konzipierte dafür einen Bebauungsplan mit weiteren 16 Villen. Davon wurde jedoch keine ausgeführt. Der Grundriß des Hohenhofs entspricht der Form eines Doppelhakens. 1908 war der Hohenhof bezugsfertig. Das Baumaterial steht (erwartungsgemäß?) in der bergisch – märkischen Tradition. Das blauschwarze Gestein eines benachbarten Steinbruchs verbindet sich harmonisch mit schwarzer Niedermendiger Basaltlava und bläulichem Moselschiefer, kombiniert mit weiß und grün für Türen und Fenster, wie Experten den Bau beschreiben. Nur die östliche Hangfassade zeigt demnach Achsensymmetrie. Die Eingangs- und Gartenseite spiegeln die unregelmäßige Raumaufteilung wider. „Hier schuf van de Velde die Innenarchitektur quasi vollständig aus einem Guß,“ ist zu hören. Er gestaltete Möbel, Wanddekoration und Bodenbeläge, Lampen und Stoffe, Geschirr und Besteck nach eigenen Entwürfen. Er tat dies in Absprache mit dem Bauherrn.
Doch auch die Kunst kam hier nicht zu kurz. Die Skulptur „Die Auserwählte“ von Ferdinand Hodler war die Empfangsraum zu bewundern, „Herbst vor Paris“ von Edouard Vuillard im Damenzimmer. Henri Matisse malte für den Wintergarten das Fliesentriptychon „Nymphe und Satyr“. Die Treppenhausverglasung und die starkfarbige Schablonenmalerei im Arbeitszimmer stammen von Johan Thorn – Prikker. Sandsteinreliefs von Hermann Haller flankieren das Hauptportal. Seit 1989 ist der Hohenhof eine Abteilung des Karl Ernst Osthaus – Museums. Der Hohenhof diente zwischen 1928 und 1976 als Handweberei, Gauverwalterschule, Frauenklinik, und Pädagogische Hochschule sowie als Sitz verschiedener Einrichtungen. Wegen dieser bewegten Geschichte waren umfangreiche Restaurierungsarbeiten erforderlich. Sie sind seit dem Jahre 2004 abgeschlossen.
1905 gelang es Karl Ernst Osthaus, eine Konferenz der Zentralstelle für Volkswohlfahrt zum Thema „Die künstlerische Gestaltung von Arbeiterwohnhäusern“ in Hagen zu veranstalten. Hermann Muthesius, Karl Henrici, Paul Schulze – Naumburg und der Münchener Gestalter Richard Reimerschmid kamen hier zu Wort. Im Anschluß an die Tagung konnte Osthaus die Hagener Textilindustrie für den Bau einer Arbeitersiedlung im „Wasserlosen Tal“ gewinnen. Richard Riemerschmid (1868 – 1957) erhielt den Auftrag für die Werkssiedlung. Er entwarf 1907 einen Bebauungsplan für 84 Wohnhäuser, einen Gebäudekomplex mit Gemeinschaftseinrichtungen und einem Kindergarten. Das Zentrum sollte ein Marktplatz mit Brunnen sein. Für die einzelnen Häuserreihen waren jeweils verschiedene Haustypen mit eigenen Gärten vorgesehen. Insgesamt wurden lediglich fünf Häuser gebaut. Daher ist die Planung der Gesamtanlage in der Praxis nicht erkennbar.
Der „Hagener Verein für Feuerbestattung“ beschloß im Jahre 1905 den Bau eines Krematoriums, das das erste in Preußen sein sollte. Der ursprüngliche Entwurf des Baumeisters Sander sah einen monumentalen zinnenbekrönten Turmbau im neogotischen Stil mitsamt einer verfallenen Ruine als Wartehäuschen vor. Entsetzt von diesen Plänen engagierte Osthaus auf seine eigenen Kosten Peter Behrens. Dieser Architekt fertigte einen Gegenentwurf an. Es war der Überzeugungsarbeit von Osthaus zu verdanken, daß Behrens sein Konzept bis 1907 durchführen konnte. Die romanische Kirche San Miniato al Monte in Florenz diente als Vorlage für das Bauwerk in streng geometrisch – stereometrischer Form. Die Außenwände des kubischen Sakralbaus, der von dem Schornstein in Form eines rechteckigen Turms flankiert wird, waren ursprünglich mit Marmor verkleidet. Diese aufwendige Dekoration fiel jedoch bald der Witterung zum Opfer. Die Fassaden mußten letztendlich schlicht grau verputzt werden. Durch eine von sechs Pfeilern getragene Vorhalle gelangt man in das feierliche Innere. Blickfang ist die Apsis mit dem Goldmosaik von Emil Rudolf Weiß, unter der sich, durch Stufen erhöht, der Katafalk vor einem Säulenhalbrund aus schwarzem Marmor erhebt. Schwarzweiße, geometrische Ornamente, zusammengestellt aus den Grundelementen Kreis und Quadrat, geben dem Marmorfliesenboden und die Sgraffitowände eine Struktur. Die umlaufende Orgelempore mit der Säulenbrüstung setzt eine waagerechte Zäsur. Ein von Behrens geplantes Columbarium wurde nicht ausgeführt. Der seitlich angefügte Erweiterungsbau beherbergt die technischen Anlagen und stammt aus dem Jahre 1984. 2002 wurde dann die Originalbestuhlung wieder hergestellt.
Ein frühes Gemeinschaftswerk der Brüder Leopold und Heinrich Ludwigs (1883 – 1964 und 1885 – 1916) ist das Verwaltungs- und Lagergebäude der Spedition Schenker, früher Lehnkering, aus dem Jahre 1911. Die Eindrücke, die Leopold Ludwigs auf einer längeren USA – Reise gesammelt hatte, schlugen sich in der Auffassung der Gesamtanlage nieder. Die Vierflügelanlage ist über einem mächtigen Natursteinsockel in Backstein ausgeführt.
Henry van de Velde (1863 – 1957)
Nach einem klassischen Studium der Malerei an der Königlichen Akademie der Schönen Künste in Antwerpen vervollständigte van de Velde seine Ausbildung beim Salonmaler Carolus – Duran in Paris und bei den Impressionisten in Barbizon. 1886 kehrte er in seine Heimatstadt Antwerpen zurück. Zwei Jahre später wurde er Mitglied der Brüsseler Künstlervereinigung „Les XX“. schon bald darauf erschien seine erste kunstkritische Veröffentlichung. In der Folgezeit entfernte er sich zunehmend von der Malerei. Schließlich könne sie wenig zur Erneuerung der Gesellschaft beitragen. Ab 1894 beschäftigte sich van de Velde ausschließlich mit der angewandten Kunst und der Architektur. Sein erstes Haus namens „Bloemenwerf“, in Brüssel gelegen, errichtete van de Velde 1895 für sich und seine Frau Maria Séthe. In Frankreich feierte er 1895 seinen ersten Erfolg als Innenausstatter. Er wurde damit einer der wichtigsten Gründer des „Art nouveau“. Über den Kunstkritiker und Verlegen Julius Meier – Graefe sowie den Kunsthistoriker und Industriellen Eberhard von Bodenhausen wuchs seine deutsche Kundschaft in einem solchen Umfang, daß van de Velde 1899 eine Zweigstelle seines Geschäftes in Berlin eröffnete. 1900 schloß van de Velde seine Brüsseler Werkstätten. Er zog nach Berlin. Dort erwarteten ihn viele Wohnungs- und Landeneinrichtungsaufträge.
In der deutschen und preußischen Hauptstadt festigte sich seine Freundschaft zu Harry Graf Keßler. Der ließ ihn 1902 als künstlerischen Berater für Industrie und Kunsthandwerk durch den Großherzog von Sachsen – Weimar – Eisenach nach Weimar berufen. Van de Velde entfaltete sich in seinen Weimarer Jahren als Lehrer und Architekt. Er baute überwiegend in Deutschland. Während des 1. Weltkrieges war der Belgier in Deutschland nicht mehr erwünscht. In seiner belgischen Heimat galt er als Verräter. Also ging er in die Schweiz ins Exil. Nach zwei Jahren Aufenthalt in der Schweiz führte ihn ein Auftrag des Mäzenaten – Ehepaars Kröller – Müller nach Holland. 1920 bis 1926 war der Belgier persönlicher Architekt der Kröller – Müllers für die Planung ihres Privatmuseums sowie für deren Wohnhaus. Dank seiner Künstlerfreunde und einflußreicher Auftraggeber konnte van der Velde 1925 nach Belgien zurückkehren. Dort erwartete ihn eine Professur für Architektur an der Universität Gent. Ein Jahre später wurde er in Brüssel Direktor des neu gegründeten Institut Supérieur des Arts Décoratifs (ISAD) in der alten Abtei „La Cambre“. Daneben führt van de Velde auch weiterhin zahlreiche Privataufträge aus. 1933 beauftragte ihn die belgische Regierung mit dem Bau der Genter Universitätsbibliothek. Eisenbahnwaggons für die belgische Eisenbahngesellschaft und die Einrichtung von Schiffen kamen hinzu. 1936 zog er sich aus der Leitung des ISAD zurück. Er wurde in Gent emeritiert. Während des Zweiten Weltkrieges wirkte er unter deutscher Besatzung für den Wiederaufbau. Wegen seiner Zusammenarbeit mit dem Referat für Kunstschutz der deutschen Militärverwaltung wurde van de Velde der Kollaboration verdächtigt. Man bat ihn, Belgien zu verlassen. 1947 zog sich van de Velde in die Schweizer Berge zurück. Dort verbrachte er die letzten 10 Jahre seines Lebens. Er schrieb dort an seinen Memoiren.