Duisburg, 06. September 2018 - Mein
Name ist Heike, ich bin 25 Jahre alt, und ich möchte euch
gerne von meinen Work-and-Travel-Erfahrungen im Ausland
berichten. Während meines Studiums blieb die Zeit in den
Semesterferien häufig nur mäßig sinnvoll genutzt. Während
Freunde und Kommilitonen ein Auslandspraktikum machten oder
in den Urlaub flogen, hatte ich kein Geld und ging wenn
überhaupt fleißig zur Krankengymnastik.
Kurz zu
meiner Person: ich habe einen angeborenen Gehfehler und
benötige für sehr weite Strecken einen Rollstuhl oder
E-Rolli. Das ist zwar ein Grund, aber kein Hindernis. Kurzer
Hand beschloss, dass ich mit meiner Behinderung nicht auf
meinen persönliche Auslandserfahrung verzichten muss – ein
Work and Travel in Neuseeland sollte es werden. Doch das
will gut geplant sein!
Die Planung
Zunächst musste ich mir Gedanken darüber machen wie lange
und wo ich überhaupt im Ausland meinen Aufenthalt machen
möchte. In der Regel kann man bis zu einem Jahr in einem
anderen Land bleiben. Zwar gibt es für unterschiedliche
Work-and-Travel-Reisen zahlreiche Agenturen und
Vermittlungen, über die man den Auslandsaufenthalt machen
kann, der finanzielle Aspekt spielt allerdings auch noch
eine Rolle. Da ich mir extra noch ein Urlaubssemester
genommen hatte und mich in der Länge meines Reisezeitraums
nicht einschränken wollte, wollte ich kein unnötiges Geld
für eine teure Agentur ausgeben. Sicherlich, die Vorteile
bei der Wahl einer Agentur wären gewesen, dass ich mich um
nichts hätte kümmern müssen, was natürlich für mich in
meiner Bewegungseinschränkung viel einfacher gewesen wäre.
Aber mit ein bisschen Vorabrecherche im Internet habe ich
trotzdem ein paar Jobs gefunden, die ich auch mit meiner
Behinderung gut machen konnte.
Voraussetzungen
Visum Um überhaupt ins Land einreisen zu
können, musste ich mich rechtzeitig um ein gültiges Visum
kümmern. Mit meinen damals 24 Jahren passte ich genau in die
Altersgruppe des Working Holiday Visums. Das wird von
der neuseeländischen Regierung nämlich nur bis zum
Höchstalter von 30 Jahren ausgestellt. Außerdem erforderlich
waren der Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit bei
deutschem Wohnsitz, ein gültiger Reisepass und gute
Englischkenntnisse. Um nochmal auf den Kostenpunkt
zurückzukommen: um in das Land einreisen zu können, benötigt
man, für etwaige Notfälle, Rücklagen von bis zu 4.200
neuseeländischen Dollar. Die Beschaffung des Visums geht
allerdings leicht von Hand – kein Warten bei Botschaften
oder Konsulaten. Man kann es ganz einfach auf der Immigration
New Zealand Website beantragen. Für die erstmalige
Ausstellung des Visums sind 120 Dollar fällig geworden. Den
selben Preis zahlt man übrigens auch, wenn man nochmal um
drei Monate verlängert.
Krankenversicherung
Für eine so lange Reise ins Ausland reichte leider keine
normale Urlaubskrankenversicherung, da ich ja quasi in der
Zeit in Neuseeland und nicht in Deutschland lebte. Ich habe
mich erstmal bei meiner Versicherung erkundigt, habe dann
aber letztendlich bei DAAD Gruppenversicherung gleich eine
Auslandskrankenversicherung mitgebucht. Klar, dass die bei
mir als gehbeinderter Person deutlich teurer ausfiel als bei
anderen. Grundsätzlich gilt aber für jeden, der ins Ausland
reist: medizinische Kosten müssen erst einmal vorgestreckt
werden. Da das schnell ziemlich teuer werden kann, ist die
Sache mit den 4.200 Notfalldollar gar nicht so unklug. Im
Übrigen würde ich jedem empfehlen vor solch einer großen
Reise einen Gesundheitscheckup zu machen und Impfungen
auffrischen zu lassen.
Erfahrungen im Land
Ein Auenland zwischen Bergen und Meer, ein wenig jobben und
viel Party feiern. So hatte ich mir Frodos Reich
vorgestellt. Und wirklich, es war letztendlich wundervoll.
Aber so einfach wie ich mir das zunächst vorgestellt hatte,
war es auch nicht immer, zumal das Geld auch mal knapp
wurde. Als Working Traveller mit E-Rolli im Gepäck, ist es
natürlich kaum möglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu
reisen, die behindertengerecht sind. Von meiner körperlichen
Verfassung hätte ich es ohnehin nicht geschafft den Rolli
und mein Gepäck zwölf Monate durch die Gegend zu tragen. Ich
entschloss mich also ein Auto zu kaufen. Das war einerseits
wesentlich billiger, als die teuren und selten fahrenden
Busse zu nehmen und andererseits war ich dann nicht an feste
Routen gebunden. Bei meiner Ankunft habe ich den Rolli
zunächst am Flughafen aufbewahren lassen und mich sogleich
auf die Suche gemacht. Leider musste ich schnell die
Erfahrung machen, dass viele Unterkünfte im Gegensatz zu
anderen Gebäuden nicht barrierefrei waren. Wie andere
Backpacker in sogenannten dorms wohnen, mit all
meinen Sachen und dem Rolli, das kam nicht in Frage. Auch
was die Jobsuche anging, entpuppte sich der Beginn meines
Aufenthaltes zunächst als Abenteuer. Leider hatte ich nicht
bedacht, dass ich nicht die einzige Work and Travel
Touristin sein könnte und bin am ersten Tag relativ lange
auf der Suche nach einem Hostel gewesen. Da ich leider wegen
meiner Behinderung viel schneller erschöpft bin als andere,
war der Start erst einmal recht mühselig. Bis ich eine
Unterkunft gefunden hatte, die im Erdgeschoss lag und
barrierefrei zugänglich war, verging eine gefühlte Ewigkeit.
Am nächsten Tag war das aber schon wieder vergessen und
ich erkundete die Stadt. Drei Tage später saß ich sogar
schon im Auto, auf dem Weg nach Mount Manganui. Hier hatte
ich mir über das Internet meinen ersten Job ergattert:
Rezeptionistin in einem kleinen Hotel. Da der Chef dann auch
gleich in den Urlaub verschwand, wurde ich ganz schön ins
kalte Wasser geworfen. Von dieser überraschenden Feuertaufe
habe ich allerdings nur profitiert. Ich habe durch
Erfahrungen wie diese im Laufe meiner Reise viel über mich
selbst gelernt und Minderwertigkeitskomplexe und Hemmungen,
die ich stets wegen meiner Behinderung hatte, abbauen
können. All die Menschen und Jobs, die ich im Laufe der
Reise kennengelernt habe, haben mein Selbstbewusstsein
gestärkt. Natürlich konnte ich nicht kellnern, klettern oder
einen sportlichen Job machen. Und auch wenn es nicht immer
auf Anhieb klappte mit einer Anstellung, wenn ich eine
hatte, war sie meistens auch behindertengerecht. Ob Schafe
scheren auf der Farm, Rezeptionistin oder Büroaushilfe,
alles hat auf seine Art und Weise Spaß gemacht.
Vor- und Nachteile Für meinen Begriff
überwiegen die Vorteile des Work and Travel. Neben der
Erweiterung meiner Sprachkenntnisse und meiner
Lebenserfahrung konnte ich vor allem in die, bis dato
unbekannte, Arbeitswelt hineinschnuppern. Ich habe gelernt
noch viel selbstständiger mit meiner Behinderung umzugehen
und mich auch von Rückschlägen nicht abschrecken zu lassen.
Was die Informationen vor Abreise angeht, ist man ohne eine
Agentur erstmal einem ziemlichen Tohuwabohu ausgesetzt.
Neben der Organisation ist das Suchen nach einem geeigneten
Job wohl am aufwendigsten für mich gewesen. Im Gegensatz zu
vielen anderen Backpackern konnte ich ja nicht alles ausüben
und musste immer schauen, dass ich auch mal sitzen konnte.
Abschließend kann ich aber dennoch voller Stolz
sagen: Ich würde es jederzeit wieder machen.
Dieser Bericht wurde bereits vor fünf Jahren in 'work
and travel.co' veröffentlicht. Da das Thema aber immer
aktuell ist, haben wir gerne dem Wunsch der Autorin
entsprochen und ihren Artikel auch bei uns eingestellt.
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