Hohe Belastung aber
weiter weit verbreitet
Düsseldorf/Duisburg,
2. Februar 2023 - Die
staatlichen Entlastungsmaßnahmen zur Abfederung der
Energie- und Inflationskrise kommen bei der
Bevölkerung stärker an als noch vor einigen Monaten
und dürften aktuell und in nächster Zeit die
Konsumnachfrage in Deutschland stabilisieren. Das
ergibt eine neue Studie des Instituts für
Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der
Hans-Böckler-Stiftung auf Basis der repräsentativen
IMK-Energiepreisbefragung.*
Vor allem Paare und Familien schätzen ihre konkrete
Entlastung durch die Pakete der Bundesregierung
mittlerweile höher ein als noch im vergangenen
Sommer. Zugleich ist zwischen August und Dezember
der Anteil der Menschen etwas gesunken, die Ausgaben
für Energie als erhebliche oder sogar sehr schwere
finanzielle Belastung für sich wahrnehmen und
deshalb andere Ausgaben kürzen wollen. Trotzdem ist
sowohl die wahrgenommene Belastung als auch der
Spardruck für viele weiter enorm, insbesondere bei
Haushalten mit niedrigeren oder mittleren Einkommen.
Eine gewisse Entspannung zeigt sich insbesondere bei
Verbraucherinnen und Verbrauchern, die Gas beziehen:
Im August bewerteten fast zwei Drittel von ihnen die
Kosten dafür als „eher schwere“ oder „sehr schwere“
finanzielle Belastung. Im Dezember taten das 56
Prozent, obwohl der Gaspreis zwischenzeitlich weiter
angezogen hatte. Auch unter Haushalten, die mit
Fernwärme oder Öl heizen, gingen die
Belastungsquoten etwas zurück, ebenso bei den
Treibstoffkosten, mit Blick auf die Stromkosten
stagnierten sie.
Gleichzeitig ist der
Anteil der Menschen etwas gesunken, die wegen der
hohen Energiepreise etwa für Nahrungsmittel,
Bekleidung, Wohnungseinrichtung, Verkehr, Freizeit,
Gaststättenbesuche oder Urlaub weniger Geld ausgeben
wollen. In den meisten Bereichen sahen sich aber
auch im Dezember zwischen 51 und 61 Prozent der
Befragten unter dem Druck, ihre Ausgaben 2023 etwas
oder sogar erheblich einzuschränken. Und nach wie
vor beabsichtigt rund ein Viertel der Befragten,
selbst bei Ausgaben für Nahrungs- und Genussmittel
kürzer zu treten.
Für die Untersuchung ließ
das IMK zwischen dem 6. und dem 21. Dezember 2022
rund 1600 repräsentativ ausgewählte Personen
zwischen 18 und 75 Jahren befragen. Diese Personen
hatten bereits im August und im Mai an der Umfrage
teilgenommen. Während der Befragungswelle im
Dezember wurden die Preisbremsen für Gas, Fernwärme
und Strom verabschiedet. Ein Teil der Umfrage fiel
in den Zeitraum, in dem die Übernahme der
Dezember-Abschläge für Haushalte mit Gas- und
Fernwärmebezug wirksam wurde.
„Die neuen Ergebnisse zeigen, dass die Politik der
Bundesregierung der für Herbst und Winter
befürchteten Belastungswelle etwas die Spitze nehmen
konnte. Obwohl die Inflationsrate zum Jahresende
noch einmal spürbar höher war als im Sommer, kommt
der Teuerungsdruck bei vielen Menschen mit etwas
weniger Wucht an“, ordnet Prof. Dr. Sebastian
Dullien die neuen Befunde ein. „Ganz offenbar nehmen
viele Verbraucherinnen und Verbraucher die
Preisbremsen als wirksame Maßnahmen wahr“, sagt der
wissenschaftliche Direktor des IMK, der die Studie
zusammen mit dem IMK-Verteilungsexperten Dr. Jan
Behringer verfasst hat.
Auffällig ist zudem nach
Analyse der Wissenschaftler, dass die Wirkung der
Entlastungspakete I und II im Dezember von den
Befragten als deutlich höher eingeschätzt wurde als
noch im August, obwohl beispielsweise die darin
enthaltenen Steuervergünstigungen im August schon in
Kraft und weitere Leistungen bereits beschlossen
waren. Das gilt vor allem für Paare ohne Kinder und
für Familien. So hatten kinderlose Paarhaushalte
ihre Entlastung durch die ersten beiden Pakete im
August durchschnittlich bei lediglich 368 Euro
angesetzt und damit um mehr als 50 Prozent
unterschätzt.
Im Dezember lag die wahrgenommene Entlastung
hingegen rund 130 Euro höher, sie wurde somit noch
um etwa 40 Prozent unterschätzt. Bei Paaren mit
Kindern stieg der wahrgenommene Entlastungsbetrag
von knapp 580 Euro auf nun 770 Euro und näherte sich
damit deutlich an die tatsächliche Entlastung an
(siehe Abbildung 3). „Diese Beobachtungen deuten
darauf hin, dass vielen Haushalten das volle Ausmaß
der ersten beiden Entlastungspakete erst mit der
Auszahlung der Energiepreispauschale bewusst
geworden ist“, schreiben Dullien und Behringer.
Unter dem Strich lasse sich aus den Befragungsdaten
schließen, dass die Entlastungspakete und
Preisbremsen der Bundesregierung derzeit einen
spürbaren Beitrag zur Stabilisierung des
Privatkonsums in Deutschland leisten. Das helfe auch
der Konjunktur, konstatieren die Ökonomen. Sie
warnen gleichwohl davor, den positiven Trend zu
überschätzen.
„Die Situation hat sich etwas entspannt und ist
besser als noch vor einigen Monaten erwartet.
Weitere Impulse werden in nächster Zeit von den
Tariferhöhungen in verschiedenen Branchen kommen,
die 2022 ausgehandelt wurden und in diesem Jahr
wirksam werden“, erklärt IMK-Experte Behringer. „Für
sehr viele Menschen ist die finanzielle Situation
aber nach wie vor fragil. Deutliche
Einkommensverbesserungen sind für sie, aber auch
gesamtwirtschaftlich, sinnvoll und notwendig.“
*Jan Behringer, Sebastian Dullien Entlastungspakete
und Energiepreisbremse stabilisieren Konsum in
Deutschland. Ergebnisse aus der
IMK-Energiepreisbefragung.
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