Aktuelle Auswertung des
WSI-Tarifarchivs

Tarifliche Weihnachtsgeldzahlungen zwischen 250 und
3.836 Euro
Düsseldorf/Duisburg, 15. November 2023 - Weihnachtsgeld ist
für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein wichtiger
Beitrag zur Haushaltskasse vor den Festtagen – erst recht in
Zeiten nach wie vor hoher Inflation. Doch lediglich gut die
Hälfte der Beschäftigten in Deutschland kann sich darauf
freuen, in diesen Tagen die Sonderzahlung zu bekommen. Den
größten Unterschied macht, ob Beschäftigte nach Tarifvertrag
bezahlt werden oder nicht: Von den Beschäftigten mit Tarif
bekommen 77 Prozent Weihnachtsgeld – fast doppelt so viele
wie in Betrieben ohne Tarifvertrag, wo lediglich 42 Prozent
der Beschäftigten eine solche Zahlung erhalten.
Das ist das Ergebnis einer neuen Auswertung des
Internetportals Lohnspiegel.de, das vom Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der
Hans-Böckler-Stiftung betreut wird. Sie beruht auf einer
Online-Befragung, an der sich zwischen Anfang November 2022
und Ende Oktober 2023 mehr als 40.000 Beschäftigte beteiligt
haben (mehr Informationen zum Datensatz unten). Die Zahlung
von Weihnachtsgeld wird entweder durch Tarifverträge
geregelt oder beruht auf „freiwilligen“ Leistungen des
Arbeitgebers, die bei mehrjährigen Wiederholungen auch zum
Gewohnheitsrecht werden können und damit verpflichtend sind.
•
In der Praxis wird jedoch in Unternehmen ohne Tarifvertrag
deutlich seltener Weihnachtsgeld ausgezahlt, denn den festen
tariflichen Anspruch auf Weihnachtsgeld haben Gewerkschaften
und ihre Mitglieder schließlich über Jahrzehnte
durchgesetzt. Gleichzeitig ist auch die monatliche
Grundvergütung in tariflosen Betrieben im Durchschnitt
niedriger, sodass die Beschäftigten hier doppelt im Nachteil
sind. Wichtig zu wissen: In der Online-Umfrage von
Lohnspiegel.de werden die Beschäftigten explizit danach
gefragt, ob sie Weihnachtsgeld erhalten.
•
Das Statistische Bundesamt
berücksichtigt hingegen in einer eigenen Auswertung alle
Jahressonderzahlungen mit Auszahlung im November
beziehungsweise Dezember und kommt regelmäßig zu dem
Ergebnis, dass ein noch höherer Anteil der
Tarifbeschäftigten hiervon profitiert. „Auch wenn die
Preisschübe in den letzten Monaten nachgelassen haben, ist
das Weihnachtsgeld für viele Beschäftigte nach wie vor sehr
wichtig“, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Prof. Dr.
Thorsten Schulten.
„Die dauerhaft gestiegenen Lebenshaltungskosten bleiben
insbesondere im Niedriglohnsektor eine finanzielle
Herausforderung. Mit Tarifvertrag bestehen in der Regel
deutlich bessere Voraussetzungen, damit zurechtzukommen.“
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Weihnachtsgeld für verschiedene Beschäftigtengruppen
Neben der Tarifbindung lassen sich eine Reihe weiterer
Merkmale identifizieren, die die Chancen auf Weihnachtsgeld
beeinflussen (siehe auch die Abbildung 1 in der PDF-Version
dieser Pressemitteilung; Link unten): - West/Ost: Nach wie
vor gibt es bedeutsame Unterschiede zwischen Ost- und
Westdeutschland.
•
In Westdeutschland bekommen 55 Prozent, in Ostdeutschland nur
43 Prozent der Befragten Weihnachtsgeld. Dies hängt auch
damit zusammen, dass die Tarifbindung in Ostdeutschland
deutlich niedriger ist als im Westen. - Vollzeit/Teilzeit:
Unterschiede existieren auch hinsichtlich des
Beschäftigtenstatus: Bei Vollzeitbeschäftigten ist der
Erhalt von Weihnachtsgeld mit 54 Prozent etwas verbreiteter
als bei Teilzeitbeschäftigten, von denen 49 Prozent eine
entsprechende Sonderzahlung bekommen.
- Befristet/unbefristet: Ähnlich ausgeprägt sind die
Unterschiede zwischen Beschäftigten mit einem befristeten
oder einem unbefristeten Arbeitsvertrag. Während lediglich
48 Prozent der Befragten mit Befristung Weihnachtsgeld
erhalten, sind es bei den Unbefristeten 54 Prozent.
- Männer/Frauen: Männer erhalten mit 55 Prozent immer noch
etwas häufiger Weihnachtsgeld als Frauen, von denen 51
Prozent diese Sonderzahlung bekommen.
•
Große Unterschiede bei der Höhe des tarifvertraglichen
Weihnachtsgeldes
In den meisten großen Tarifbranchen existieren gültige
tarifvertragliche Bestimmungen zum Weihnachtsgeld oder einer
ähnlichen Sonderzahlung, die zum Jahresende fällig wird.
Dies zeigt eine aktuelle Auswertung des WSI-Tarifarchivs von
24 großen Branchen. Die Höhe der tarifvertraglich
vereinbarten Sonderzahlung unterscheidet sich dabei
erheblich: Bei den mittleren Entgeltgruppen reicht sie von
250 Euro in der Landwirtschaft bis zu 3.836 Euro in der
Chemischen Industrie. Nur wenige Branchen haben beim
Weihnachtsgeld einen Pauschalbetrag festgelegt.

•
In den meisten Fällen wird das Weihnachtsgeld als fester
Prozentsatz vom Monatsentgelt berechnet. In Branchen, in
denen für 2023 höhere Tarifentgelte vereinbart wurden, hat
sich auch das Weihnachtsgeld entsprechend erhöht. Ein
klassisches 13. Monatsentgelt im Sinne einer Sonderzahlung
von 100 Prozent eines Monatsentgeltes erhalten die
Beschäftigten in der Chemischen Industrie, Teilen der
Energiewirtschaft, in der Süßwarenindustrie, bei der
Deutschen Bahn AG, im Bankgewerbe sowie in einzelnen
westdeutschen Tarifregionen der Textilindustrie und dem
privaten Transport- und Verkehrsgewerbe.
In der Eisen- und Stahlindustrie
werden sogar 110 Prozent eines Monatsentgeltes gezahlt,
wobei hier Weihnachts- und Urlaubsgeld zu einer
Jahressonderzahlung zusammengelegt wurden. Mit 95 Prozent
eines Monatsentgeltes liegt das Weihnachtsgeld in der
Druckindustrie und in der Papier und Pappe verarbeitenden
Industrie leicht unterhalb eines vollen 13. Monatsentgeltes.
Im Versicherungsgewerbe werden 80 Prozent eines
Monatsgehalts gezahlt, im Einzelhandel in den westdeutschen
Tarifbereichen vorwiegend 62,5 Prozent, in den Tarifgebieten
der westdeutschen Metallindustrie überwiegend zwischen 25
und 55 Prozent und im Hotel- und Gaststättengewerbe in
Bayern 50 Prozent.
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Im öffentlichen Dienst (Gemeinden) beträgt die
Jahressonderzahlung, die an die Stelle des früher üblichen
Weihnachts- und Urlaubsgeldes getreten ist, je nach
Vergütungsgruppe zwischen 52 und 85 Prozent des
Monatsentgeltes. Zwischen den ost- und westdeutschen
Tarifgebieten bestehen in einigen Branchen nach wir vor
erhebliche Unterschiede. Ein (annähernd) gleich hohes
Weihnachtsgeld wird im Bank- und Versicherungsgewerbe, in
der Eisen- und Stahlindustrie, bei der Deutschen Bahn AG, in
der Papier und Pappe verarbeitenden Industrie (Arbeiter),
dem Kfz-Gewerbe, im öffentlichen Dienst (Gemeinden) und der
Landwirtschaft gezahlt.
•
In anderen Branchen können die Unterschiede mehrere hundert
Euro, in Einzelfällen wie im Bauhauptgewerbe auch noch über
tausend Euro ausmachen. Unter den großen Wirtschaftszweigen
sind Tarifbranchen ohne Weihnachtsgeld oder eine
vergleichbare Sonderzahlung die Ausnahme. Nach wie vor kein
Weihnachtsgeld gibt es im Gebäudereinigungshandwerk. Das
gleiche gilt für das ostdeutsche Bewachungsgewerbe, während
in einigen westdeutschen Regionen das Weihnachtsgeld erst ab
einer bestimmten Anzahl von Berufsjahren gezahlt wird.
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Als teilweiser Ausgleich für das fehlende Weihnachtsgeld wurde
im Gebäudereinigungshandwerk für die Jahre 2021 bis 2023
erstmals ein so genannter „Weihnachtsbonus“ vereinbart.
Hierbei können die Beschäftigten zwischen einem Zuschlag von
150 Prozent auf den Stundenlohn für ihre am 24.12. oder am
31.12. geleistete Arbeit oder einer bezahlten Freistellung
am 24.12. oder am 31.12. wählen.
•
Informationen zur WSI-Lohnspiegel-Datenbank
Für die Auswertung zur Häufigkeit von Weihnachtsgeld wurden
Angaben von 40.377 Beschäftigten mit mehr als einem Jahr
Berufserfahrung ausgewertet, die zwischen dem 1. November
2022 und dem 31. Oktober 2023 an einer kontinuierlichen
Online-Erhebung des WSI-Portals Lohnspiegel.de teilgenommen
haben. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, erlaubt aber
aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die
Arbeitswelt. Lohnspiegel.de ist ein nicht-kommerzielles
Angebot der Hans-Böckler-Stiftung.
Die Pressemitteilung mit
Abbildung und Tabelle.
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Prof. Dr. Thorsten Schulten Videostatement zum
Weihnachtsgeld
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