Untersuchung zum Equal-Pay-Day
Gender Pay Gap, Arbeitszeiten,
Führungspositionen:
Düsseldorf/Duisburg, 3. März 2023 - Eine neue
Studie liefert geschlechtsspezifische Daten für
viele Branchen. Frauen sind am Arbeitsmarkt
weiterhin in vielerlei Hinsicht benachteiligt,
insbesondere mit Blick auf Arbeitszeit und
Einkommen. Das geht aus einer neuen Untersuchung
hervor, die das Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der
Hans-Böckler-Stiftung zu Equal-Pay-Day und
Internationalem Frauentag vorlegt*.
WSI-Expertin Dr. Yvonne Lott hat dafür gemeinsam mit
einem Team von SowiTra in Berlin die neuesten
verfügbaren Daten des Statistischen Bundesamts und
der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet, die die
Jahre 2021 und 2022 beschreiben. Der Überblick
liefert detaillierte Informationen zu
geschlechtsspezifischen Arbeitsbedingungen in
zahlreichen Branchen, etwa erstmals zu
branchenspezifischen Gender Pay Gaps 2022.
Die Ergebnisse zeigen, dass Geschlechterungleichheit
über fast alle Wirtschaftszweige hinweg besteht,
allerdings teilweise unterschiedlich ausgeprägt. Die
Frauen-Erwerbsquote ist zwar in den vergangenen
Jahrzehnten deutlich gestiegen. Viele Bereiche in
der Wirtschaft sind aber nach wie vor Männerdomänen
– vor allem in der Industrie. Dort beträgt der
Frauenanteil in der Hälfte der für die Studie
untersuchten Branchen weniger als 30 Prozent. Ganz
hinten liegen der Maschinenbau, der Hoch- und
Tiefbau sowie Bauinstallation und Ausbaugewerbe mit
jeweils 17 Prozent, auf dem ersten Platz landet die
Textilindustrie mit 56 Prozent.
In den Dienstleistungen ist der Anteil der
Arbeitnehmerinnen generell höher. Drei Branchen sind
sogar klar frauendominiert: Im
Gesundheitswesen sind 80 Prozent der Beschäftigten
weiblich, im Sozialwesen 76 Prozent, in Erziehung
und Unterricht 72 Prozent. Am
geringsten ist hier die Quote im Personen- und
Güterverkehr mit 21 Prozent und in Kfz-Handel und
Reparatur mit 22 Prozent. Bei der
Arbeitszeit ergibt sich über alle Branchen hinweg
ein identisches Muster: Männer arbeiten deutlich
häufiger in Vollzeit. Der entsprechende Anteil
reicht bei ihnen von 53 Prozent in der Gastronomie
bis zu 87 Prozent unter anderem in der
Energieversorgung und der Metallerzeugung.
Bei den Frauen reicht das Spektrum von 21 Prozent im
Bereich Gebäudebetreuung, Garten- und Landschaftsbau
bis zu 67 Prozent in der Automobilindustrie. Die
Differenz zwischen den Vollzeit-Quoten von Männern
und Frauen schwankt zwischen 15 und 46
Prozentpunkten. In 45 von 46 Branchen liegen Frauen
bei der Bezahlung hinten Auch der Vergleich der
Bruttostundenlöhne fällt meist zuungunsten der
Frauen aus.
In der Gesamtwirtschaft beträgt der Gender Pay Gap,
Stand 2022, 18 Prozent – Männer verdienen
branchenübergreifend im Durchschnitt 24,36 brutto
pro Stunde, Frauen 20,05 Euro. In 45 der 46
Branchen, für die die WSI-Auswertung erstmals Daten
aus dem Jahr 2022 liefern kann, verdienen Frauen
weniger als Männer.
Der Gender Pay Gap reicht dabei von 4 Prozent im
Personen- und Güterverkehr (Männer: 17,15 Euro,
Frauen: 16,49 Euro) über beispielsweise 5 Prozent im
Sozialwesen (19,78 vs. 18,70 Euro), 7 Prozent in der
Metallerzeugung (27,06 vs. 25,23 Euro), 19 Prozent
in der Papierindustrie (23,87 vs. 19,37 Euro) bis zu
30 Prozent im Gesundheitswesen (31,29 vs. 22,05
Euro) und sogar 32 Prozent in der Rechts- und
Steuerberatung (31,06 vs. 21,26 Euro).
Einzige Ausnahme sind die Postdienste: Der
Brutto-Stundenlohn der Frauen ist hier mit 16,26
Euro pro Stunde zwei Prozent höher als der von
Männern mit 15,93 Euro – allerdings auf einem im
Vergleich der Branchen insgesamt recht niedrigen
Verdienstniveau. Minijobs sind überwiegend
Frauensache: In 26 von 35 Branchen, für die Daten
ausgewertet wurden, sind Frauen häufiger
ausschließlich geringfügig beschäftigt als Männer.
Nur in zwei Branchen ist es umgekehrt, in den
übrigen Bereichen fällt die Differenz nicht ins
Gewicht.
Besonders groß ist sie im Bereich Bauinstallation
und Ausbaugewerbe, wo 23 Prozent der Frauen und 7
Prozent der Männer betroffen sind, sowie in der
Land- und Forstwirtschaft, wo es 39 gegenüber 23
Prozent sind. Leichte Vorteile haben Frauen in
verschiedenen Branchen bei befristeten
Beschäftigungsverhältnissen, die bei weiblichen
Beschäftigten etwas seltener sind.
Branchenübergreifend unterscheiden sich die Quoten
bei Frauen und Männern allerdings nicht. Chefs gibt
es dagegen nach wie vor häufiger als Chefinnen.
In 26 von 34 Branchen, für die dazu Daten vorliegen,
arbeiten Frauen seltener in leitender Stellung als
Männer. Besonders ausgeprägt ist die Ungleichheit in
dieser Hinsicht im Bereich Erziehung und Unterricht,
wo 50 Prozent der Männer, aber nur 28 Prozent der
Frauen eine Leitungsposition inne haben. In sieben
Branchen gibt es keine nennenswerten Unterschiede
zwischen den Geschlechtern. Der einzige Bereich, in
dem Frauen die Nase vorn haben, ist der Personen-
und Güterverkehr.
Die Forschenden stellen fest, dass noch viel zu tun
ist, um die Geschlechtergleichheit durchzusetzen.
Dazu beitragen könnte ein Gleichstellungsgesetz für
die Privatwirtschaft, das Unternehmen verpflichtet,
Gleichstellungsstrategien zu entwickeln und
umzusetzen. Darüber hinaus empfehlenswert wären ein
angemessener Mindestlohn – von dem Frauen besonders
profitieren – sowie eine Stärkung der Mitbestimmung.
Die Daten aus dem Report:
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*Svenja Pfahl, Eugen Unrau, Yvonne Lott, Maike
Wittmann Stand der Gleichstellung von Frauen und
Männern in Deutschland in ausgewählten Branchen. WSI
Report Nr. 80, Februar 2023
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