Neue Werte

Düsseldorf/Duisburg, 25. Mai 2023 - Das Risiko, dass die
deutsche Wirtschaft in den kommenden drei Monaten eine
Rezession durchläuft, ist zuletzt spürbar gestiegen. Das
signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für
Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der
Hans-Böckler-Stiftung, der Daten zu den wichtigsten
wirtschaftlichen Kenngrößen bündelt. Für den Zeitraum von
Mai bis Ende Juli weist der Indikator eine
Rezessionswahrscheinlichkeit von 37,6 Prozent aus, nachdem
sie im April für die folgenden drei Monate noch 26 Prozent
betrug.
Die statistische Streuung, ein Maß für die Unsicherheit von
Wirtschaftsakteuren, bleibt fast unverändert bei 21 Prozent.
Der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator schaltet wegen
der Eintrübung erstmals seit Januar von „gelb-grün“ auf
„gelb-rot“, was für eine erhöhte konjunkturelle Unsicherheit
steht. Allerdings bleiben die Werte für Mai bis Juli nach
wie vor deutlich unter der Schwelle für eine akute
Rezessionsgefahr. Die neue Drei-Monats-Prognose stehe daher
für „eine Fortsetzung des verhaltenen Wachstumskurses der
deutschen Wirtschaft“, analysiert IMK-Konjunkturexperte Dr.
Thomas Theobald.
Dass die Rezessionswahrscheinlichkeit gestiegen ist, geht
vor allem auf Entwicklungen im Verarbeitenden Gewerbe
zurück, insbesondere der Bauwirtschaft, der
energieintensiven Industrie und der Exportwirtschaft. Einige
Branchen wie die Automobilindustrie werden noch in
nennenswertem Umfang von Lieferengpässen gebremst – auch
wenn diese sich nach und nach auflösen. Zunehmend Sorge
macht den IMK-Experten das „wenig dynamische
außenwirtschaftliche Umfeld“.
Die US-Konjunktur schwächt sich aufgrund hoher Zinsen ab.
Gleichzeitig stützt sich die wirtschaftliche Erholung in
China, anders als in vergangenen Aufschwungsphasen, bislang
kaum auf kräftige Investitionen, von denen die deutsche
Exportwirtschaft profitieren könnte. Eine Stabilisierung bei
den Finanzmarkt- und den Stimmungsindikatoren, die das
IMK-Konjunkturradar ebenfalls auswertet, verhindert hingegen
eine stärkere Erhöhung der Rezessionswahrscheinlichkeit.
Realwirtschaftlich stützt der Dienstleistungsbereich aktuell
die Konjunktur.
„Das außenwirtschaftliche Umfeld ermöglicht der stark
exportorientierten deutschen Wirtschaft über die
Sommermonate wahrscheinlich nur ein maues Wachstum“, fasst
Konjunkturforscher Theobald den Ausblick zusammen. „Umso
wichtiger wäre es, dass die Europäische Zentralbank die
Leitzinsen nicht zu weit in den restriktiven Bereich erhöht
und die Binnennachfrage in Abwägung mit dem Ziel der
Preisstabilität nicht unverhältnismäßig dämpft.“
Die geldpolitische Straffung durch die vorangegangenen
Leitzinserhöhungen entfalte derzeit ihre volle Wirkung, was
sich am Einbruch der Kreditnachfrage ablesen lasse. Weitere
Zinsschritte sind aus Sicht des IMK derzeit nicht nötig. In
den IMK-Konjunkturindikator fließen zahlreiche Daten aus der
Real- und der Finanzwirtschaft zum jeweils vorliegenden
Veröffentlichungszeitpunkt ein. Darüber hinaus
berücksichtigt das Instrument Stimmungsindikatoren. Das IMK
nutzt die Industrieproduktion als Referenzwert für eine
Rezession, weil diese rascher auf einen Nachfrageeinbruch
reagiert als das Bruttoinlandsprodukt.
Der Konjunkturindikator wird monatlich aktualisiert.
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