Neue Daten des IMK Inflationsmonitors
Düsseldorf, 17. Juni 2023 - Ärmere Alleinlebende von
Teuerung erneut am stärksten belastet Die Inflationsrate in
Deutschland ist im Mai spürbar gesunken, war mit 6,1 Prozent
aber immer noch sehr hoch. Deutlich überdurchschnittlich von
der Teuerung belastet sind weiterhin Alleinlebende mit
niedrigen Einkommen. Sie hatten im Mai eine Inflationsrate
von 6,9 Prozent zu tragen, die höchste im Vergleich
verschiedener Haushaltstypen.
Dagegen
verzeichneten Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen eine
Teuerungsrate von 5,4 Prozent – und wie schon seit Anfang
2022 die niedrigste haushaltsspezifische Belastung. Die
soziale Spreizung bei der Inflation betrug damit 1,5
Prozentpunkte, nachdem es im April 1,9 Prozentpunkte waren.
Dass ärmere Haushalte besonders stark durch die Inflation
belastet sind, liegt daran, dass Nahrungsmittel und
Haushaltsenergie in ihren Warenkörben ein sehr hohes Gewicht
haben. Diese Güter des Grundbedarfs sind nach wie vor die
stärksten Preistreiber: Im Mai war ihr Beitrag zur
allgemeinen Inflation noch sieben Mal (bei Nahrungsmitteln)
beziehungsweise neunmal (Haushaltsenergie) so groß wie im
langjährigen Mittel.
Im Vergleich der letzten Monate hat die Preisdynamik bei
Nahrungsmitteln und Haushaltsenergie aber nachgelassen,
weshalb die haushaltsspezifischen Raten nun weniger weit
auseinanderliegen als zuvor. Das ergibt der neue IMK
Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.*
Die IMK-Inflationsexpertin Dr. Silke Tober und IMK-Direktor
Prof. Dr. Sebastian Dullien berechnen mit dem IMK
Inflationsmonitor seit Anfang 2022 jeden Monat die
spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative
Haushaltstypen. Am größten war die soziale Differenz bei den
Inflationsraten bislang im Oktober 2022 mit 3,1
Prozentpunkten. Eine leicht überdurchschnittliche
Teuerungsrate mussten im Mai auch Familien mit niedrigen
Einkommen schultern (6,2 Prozent). Sie hatten zwischen
Februar 2022 und Februar 2023 durchgehend die höchste
Inflationsbelastung unter allen Haushaltstypen aufgewiesen,
in den ersten beiden Monaten 2023 zusammen mit
einkommensarmen Alleinlebenden.
Dass die ärmeren Familien nun nicht mehr so stark
hervorstechen, beruht auf zuletzt deutlich rückläufigen
Kraftstoffpreisen. Diese schlagen sich rechnerisch im
Ausgabenportfolio von Familien spürbar nieder. Arme
Alleinstehende besitzen hingegen selten ein Auto, weshalb
ihre Inflationsrate davon weniger beeinflusst wird. Die
übrigen untersuchten Haushaltstypen lagen im Mai bei oder
knapp unterhalb der allgemeinen Inflationsrate von 6,1
Prozent. Ersteres gilt für Alleinerziehende, für
Alleinlebende und für kinderlose Paare mit jeweils mittleren
Einkommen.
Bei Familien mit mittleren und mit hohen Einkommen sowie bei
Alleinlebenden mit höheren Einkommen schlug die Inflation
mit jeweils 5,9 Prozent zu Buche. Trotz des nachlassenden
Drucks bei den Preisen für Haushaltsenergie und
Lebensmitteln spielen diese Kostenfaktoren für Haushalte mit
niedrigeren Einkommen weiterhin eine besonders große Rolle,
wie der Detailvergleich zeigt. Bei ärmeren Alleinlebenden
trugen sie im Mai 4,7 Prozentpunkte zu 6,9 Prozent
haushaltsspezifischer Inflationsrate bei.
Bei Familien mit zwei Kindern und niedrigeren Einkommen
summierten sie sich auf 4,4 Prozentpunkte, bei Familien mit
mittleren Einkommen immerhin noch auf 3,3 Prozentpunkte. Das
Problem wird vor allem für Haushalte mit niedrigen Einkommen
dadurch verschärft, dass die Alltagsgüter, die sie vor allem
kaufen, kaum zu ersetzen sind und viele nur geringe
finanzielle Rücklagen haben.
Bei Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen trugen
Nahrungsmittel und Haushaltsenergie hingegen lediglich 1,9
Prozentpunkte zur Inflationsrate von 5,4 Prozent bei. Bei
ihnen wie den Haushalten mit höheren Einkommen waren dagegen
beispielsweise die deutlich gestiegenen Preise für
Wohnungsinstandhaltung, Restaurantbesuche und Übernachtungen
oder Reisen ein spürbarer Faktor bei der spezifischen
Teuerung. Für die kommenden Monate erwarten die Fachleute
des IMK, dass die starken Preisschübe als Folge der Pandemie
und des Überfalls Russlands auf die Ukraine weiter
auslaufen.
Mittlerweile sinkt auch die sogenannte Kernrate der
Inflation – die Teuerung ohne Energie und Nahrungsmittel –,
wenn auch langsamer als die Inflationsrate insgesamt. Das
liegt daran, dass die Energiepreise die Produktions- und
Transportkosten nahezu aller Güter und Dienstleistungen
beeinflussen, was aber sowohl beim Anstieg als auch beim
Rückgang zeitversetzt geschieht.
Insgesamt werde die Inflation „bei hinreichendem Wettbewerb
in den kommenden Monaten auch ohne weitere Zinserhöhungen
der Europäischen Zentralbank weiter sinken, und es sind
teilweise auch Preisrückgänge zu erwarten“, schreiben Tober
und Dullien. Die Forschenden gehen davon aus, dass der
Rückgang des Preisdrucks unterstützt wird „durch die
Auflösung noch vorhandener Lieferengpässe und eine
Verringerung der teilweise überhöhten Gewinnmargen“, die
etliche Unternehmen im Windschatten der allgemein starken
Preissteigerungen aufgeschlagen haben.
„Beides dürfte die Wirkung der etwas stärkeren
Lohnentwicklung kompensieren, so dass die Inflationsrate
spätestens im Verlauf von 2024 wieder in der Nähe des
Inflationsziels der EZB von zwei Prozent liegen dürfte.“
Informationen zum Inflationsmonitor
Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen
Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen
Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für
zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von
Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu
Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt
und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung
errechnen.

Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus
der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative
Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern
und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro),
höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem
Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit
einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen;
Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem
(1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr
als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte
ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen
3600 und 5000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird
monatlich aktualisiert.
*Sebastian Dullien, Silke Tober IMK
Inflationsmonitor – Inflationsunterschiede zwischen
Haushalten im Mai 2023 deutlich geringer. IMK Policy Brief
Nr. 152, Juni 2023
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