Neue Werte

Düsseldorf/Duisburg, 12. Juli 2023 - Die Wahrscheinlichkeit,
dass die deutsche Wirtschaft in den kommenden drei Monaten
eine Rezession durchläuft, ist auf knapp 80 Prozent
gestiegen. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass die
Konjunktur auch im Sommerquartal nicht aus der akuten
Schwächephase herausfindet. Das signalisiert der
Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der
Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen
bündelt.
Für den Zeitraum von Juli bis Ende September weist der
Indikator eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 78,5 Prozent
aus, nachdem sie im Juni für die folgenden drei Monate noch
49,3 Prozent betrug. Der nach dem Ampelsystem arbeitende
Indikator zeigt daher „rot“, was eine akute Rezessionsgefahr
markiert. Dass das Rezessionsrisiko für die kommenden Monate
kurzfristig so deutlich gestiegen ist, geht wesentlich auf
die Eintrübung von Finanzmarktindikatoren zurück, was das
IMK auch mit der Leitzinserhöhung durch die Europäische
Zentralbank (EZB) im Juni in Verbindung bringt.
Auch Stimmungsindikatoren wie der ifo-Geschäftsklimaindex
zeigen nach unten. Aus der Realwirtschaft kämen zwar nicht
nur negative Signale, erklärt IMK-Konjunkturexperte Dr.
Thomas Theobald. So haben sich die Auftragseingänge für die
Industrie nach den aktuellsten verfügbaren Daten für Mai
etwas erholt. Das wird aber überlagert von negativen Trends
wie der zuletzt sehr schwachen Entwicklung der Produktion im
Bausektor und bei energieintensiven Branchen wie der
Chemieindustrie.
Die Aussichten für die deutsche Exportwirtschaft sind
angesichts einer lahmenden Weltkonjunktur verhalten. Hinzu
kommt die Konsumzurückhaltung vieler Haushalte. Ursache
dafür: Die Inflation sinkt zwar, abgesehen von
Sondereffekten, aktuell ist sie aber weiter hoch.
Schließlich beobachtet IMK-Experte Theobald „erste Anzeichen
der konjunkturellen Schwäche am Arbeitsmarkt“. Das betrifft
etwa den Rückgang bei den Stellenangeboten: Zwar sind bei
der Bundesagentur für Arbeit weiterhin viele unbesetzte
Stellen gemeldet, die Zahl ist aber in den vergangenen
Monaten spürbar gesunken.
„Die deutsche Wirtschaft erholt sich sehr viel zögerlicher
von der Rezession zur Jahreswende 2022/2023, als es viele
Prognostikerinnen und Prognostiker erwartet hatten“, sagt
Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des IMK. „Im
Gesamtjahr 2023 dürfte das deutsche Bruttoinlandsprodukt nun
spürbar unter dem Vorjahreswert liegen.“
In seiner aktuellen Konjunkturprognose geht das IMK von
einem BIP-Rückgang um 0,5 Prozent in diesem Jahr aus. Umso
wichtiger sei es, nun konjunkturelle Schadensbegrenzung zu
betreiben, argumentiert das Institut: „In dieser Gemengelage
sind die Risiken einer zu restriktiven Geldpolitik, wie sie
die EZB für ihre kommende Leitzinsentscheidung Ende Juli
schon in Aussicht gestellt hat, für die deutsche Wirtschaft
erheblich“, sagt Thomas Theobald.
Die stark gestiegenen Zinsen hätten Konjunktur und Nachfrage
bereits so deutlich gebremst, dass davon keine
Inflationsimpulse ausgingen. Die Notenbank sollte deshalb
von der für Juli angekündigten und von weiteren
Zinserhöhungen vorerst absehen. In den
IMK-Konjunkturindikator fließen zahlreiche Daten aus der
Real- und der Finanzwirtschaft zum jeweils vorliegenden
Veröffentlichungszeitpunkt ein. Darüber hinaus
berücksichtigt das Instrument Stimmungsindikatoren. Das IMK
nutzt die Industrieproduktion als Referenzwert für eine
Rezession, weil diese rascher auf einen Nachfrageeinbruch
reagiert als das Bruttoinlandsprodukt.
Der Konjunkturindikator wird monatlich aktualisiert.
IMK-Konjunkturindikator
MEHR ›
Die aktuelle Konjunkturprognose des IMK
MEHR ›
|