Neue Studie

Düsseldorf/Duisburg, 16. August 2023 - Frauen wenden weitaus
mehr Zeit als Männer für Arbeit im Haushalt und für
Sorgearbeit in der Familie auf, und zwar auch, wenn sie
gleichzeitig einer Erwerbstätigkeit nachgehen, ist aus
verschiedenen Untersuchungen bekannt. Eine neue Studie zeigt
nun: Das gilt nicht nur für praktisch-manuelle Tätigkeiten
wie kochen, aufräumen, putzen oder etwa die Körperpflege von
Kleinkindern oder alten Familienmitgliedern, sondern auch
für die Organisation des Alltags.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in Paarbeziehungen von
Erwerbstätigen überwiegend die Frau darum kümmert und sich
dafür verantwortlich fühlt, dass wichtige private Aufgaben
erledigt und Termine gehalten werden, liegt bei 62 Prozent.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das vor allem der Mann
übernimmt, beträgt hingegen lediglich 20 Prozent. Leben
Kinder im Haushalt, ist die Diskrepanz noch spürbar größer,
ergibt die Untersuchung des Wirtschafts- und
Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der
Hans-Böckler-Stiftung.*
Einkaufslisten machen, Abendessen planen, den Nachwuchs vom
Kindergarten abholen, Termin für die Vorsorgeuntersuchung
bei der Kinderärztin machen, zwischendurch den kranken
Schwiegervater anrufen und an die Unterlagen für die
Steuererklärung denken: All das und noch viel mehr gehört
zur Alltagsorganisation, die neben der Erwerbsarbeit eine
Menge Zeit und Nerven kosten kann. Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler sprechen abstrakter auch von „unsichtbarer
Denkarbeit“ oder „Mental Load“, geht es doch um Voraus- und
Mitdenken, den Überblick wahren, Wege finden, das scheinbar
Unvereinbare vereinbar zu machen.
Die WSI-Forscherin Dr. Yvonne Lott und ihre Ko-Autorin Paula
Bünger haben untersucht, wie erwerbstätige Frauen und Männer
diese Planungsaufgaben untereinander aufteilen. Und welche
Belastung aus dieser kognitiven und emotionalen Arbeit
resultiert. Um Licht ins Dunkel zu bringen, haben Lott und
Bünger im Rahmen der Erwerbspersonenbefragung der
Hans-Böckler-Stiftung rund 2200 erwerbstätige oder
arbeitsuchende Personen zum Thema Mental Load befragen
lassen. Ihre Studie ist die erste umfassende Untersuchung in
Deutschland zu diesem Thema.
Die Interviewten sollten sagen, wer im Haushalt für die
Alltagsorganisation hauptsächlich zuständig ist, und
angeben, als wie belastend sie diese Aufgabe empfinden.
Ergebnis: Frauen übernehmen den überwiegenden Teil der
Planungsarbeit. Nach dem statistischen Modell der
Wissenschaftlerinnen liegt die „Wahrscheinlichkeit, die
notwendigen Alltagsaufgaben im Haushalt zu planen,
organisieren und an sie zu denken, für Frauen bei 62
Prozent, für Männer lediglich bei 20 Prozent“.
Unter Frauen in Teilzeitbeschäftigung ist die
Wahrscheinlichkeit höher als bei Vollzeitbeschäftigten, aber
selbst bei Letzteren liegt sie bei 57 Prozent (Abbildung).
Generell ist eine gleichmäßige Aufteilung des Mental Loads
noch seltener, wenn Kinder im Haushalt leben. Erwerbstätige
Frauen mit Kindern übernehmen mit einer Wahrscheinlichkeit
von 74 Prozent den Großteil des Alltagsmanagements (Frauen
ohne Kinder: 56 Prozent). Auch die empfundene Belastung
durch die Planungsarbeit unterscheidet sich zwischen den
Geschlechtern.

Auf einer Skala von null bis sieben kommen Frauen im Schnitt
auf 3,2, Männer auf 2,8. Beachtenswert sei zudem, schreiben
Lott und Bünger, „dass sich Frauen in Teilzeit ebenso wie
Frauen in Vollzeit durch kognitive Arbeit belastet fühlen.
Es scheint also nicht so zu sein, dass Frauen durch kürzere
Arbeitszeiten mehr mentale Entlastung im Alltag erfahren und
etwa mit mehr Entspannung und Energie kognitive Arbeit
erledigen.“
Der Mental Load sei „eine zentrale Dimension
partnerschaftlicher beziehungsweise geschlechtsspezifischer
Ungleichheit“, der auf verschiedenen Ebenen begegnet werden
müsse, konstatieren die Forscherinnen. Politik und
Unternehmen seien gefordert, bessere Anreize zu setzen, um
solche Ungleichheiten zu reduzieren. Es gelte, den „ins
Stocken geratenen Wandel der Geschlechterarrangements
anzukurbeln“ – auch auf der betrieblichen Ebene, wo
wesentliche Gründe für den geringen Fortschritt zu finden
seien.
Denn einerseits würden Frauen trotz ihrer Erwerbstätigkeit
nach wie vor oft als Hauptsorgeverantwortliche betrachtet.
Andererseits habe für viele jüngere Männer zwar eine aktive
Teilnahme am Familienleben einen deutlich höheren
Stellenwert als früher. Doch: „Die Leitbilder und
Lebensziele für eine aktive Vaterschaft stehen oft im
Konflikt mit traditionellen Anforderungen und Erwartungen,
die von Vorgesetzen oder Kolleg*innen vorgebracht werden“,
schreiben die Forscherinnen.
Eine Maßnahme, um das zu ändern, könnten etwa
Führungskräfteschulungen sein, die zum Wandel der
Betriebskultur beitragen. Darüber hinaus müssten Väter aktiv
auf die betrieblichen und gesetzlichen Angebote zur
Vereinbarkeit von Familie und Beruf angesprochen und bei
deren Inanspruchnahme unterstützt werden.
*Yvonne Lott, Paula Bünger Mental
Load: Frauen tragen die überwiegende Last, WSI Report Nr.
87, August 2023
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