Neue Werte des IMK
Inflationsmonitors
Düsseldorf/Duisburg,
14. September 2023 - Die Inflationsrate in Deutschland ist
im August leicht auf 6,1 Prozent gesunken, gegenüber 6,2
Prozent im Juli. Gleichzeitig ging die haushaltsspezifische
Inflation für Alleinlebende mit niedrigen Einkommen von 6,5
auf ebenfalls 6,1 Prozent zurück.
Auch Familien mit niedrigen
Einkommen lagen im August bei der Teuerungsrate im
allgemeinen Durchschnitt. Damit hatten ärmere Haushalte
erstmals seit Beginn der drastischen Teuerungswelle Anfang
2022 keine überdurchschnittliche Inflationsrate mehr zu
tragen. Die soziale Spreizung bei den Teuerungsraten ist
dementsprechend noch einmal spürbar kleiner geworden, ein
Rest bleibt aber auch im August: Alleinlebende mit sehr
hohen Einkommen lagen mit 5,7 Prozent etwas unter dem
Durchschnitt, wie schon seit Anfang 2022 verzeichnen sie die
niedrigste haushaltsspezifische Belastung.
Die Differenz betrug damit im August 0,4 Prozentpunkte,
nachdem es im Juli noch 1,0 Prozentpunkte waren. Das ergibt
der neue IMK Inflationsmonitor des Instituts für
Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der
Hans-Böckler-Stiftung.* Die Forschenden erwarten in den
kommenden Monaten einen weiteren Rückgang der Inflation und
empfehlen der Europäischen Zentralbank (EZB), die Zinsen bei
der morgigen monatlichen Sitzung nicht noch weiter
anzuheben.
•
Da geldpolitische Maßnahmen erst mit einigem
Zeitverzug wirken, hätten die kräftigen Zinserhöhungen der
letzten Zeit ihre volle Wirkung noch längst nicht entfaltet,
und die Inflationsrate dürfte auch ohne weitere Straffung in
Richtung auf das Inflationsziel sinken. Eine durch zu hohe
Zinsen verschärfte wirtschaftliche Flaute und steigende
Arbeitslosigkeit würden Haushalte mit niedrigen Einkommen
besonders hart treffen, warnen die Studienautor*innen Dr.
Silke Tober und Prof. Dr. Sebastian Dullien.
Die IMK-Inflationsexpertin Tober und IMK-Direktor Dullien
analysieren mit dem Monitor seit Anfang 2022 jeden Monat die
Trends der Inflation und berechnen spezifische
Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die
sich nach Personenzahl und Einkommen unterscheiden. Ärmere
Haushalte sind während der aktuellen Teuerungswelle stark
durch die Inflation belastet, weil sie einen großen Teil
ihres schmalen Budgets für Nahrungsmittel und
Haushaltsenergie ausgeben müssen. Diese Güter des
Grundbedarfs sind nach wie vor die stärksten Preistreiber.
•
Im Laufe der letzten Monate
hat die Preisdynamik dort aber
nachgelassen, so dass die einkommensspezifischen Differenzen
seit Monaten rückläufig sind und deutlich niedriger als auf
dem Höhepunkt im Oktober 2022, als es 3,1 Prozentpunkte
waren. Während die haushaltsspezifische Teuerung bei
Alleinlebenden mit niedrigen Einkommen im August noch einmal
spürbar sank und nun erstmals seit einem Jahr nicht mehr
überdurchschnittlich ist, stagnierte sie bei Familien mit
niedrigen Einkommen bei 6,1 Prozent. Zwischen Februar 2022
und Februar 2023 hatten diese Familien durchgehend die
höchste Inflationsbelastung tragen müssen, in den ersten
beiden Monaten 2023 zusammen mit den einkommensarmen
Alleinlebenden.
•
Dass sich die Teuerungsrate bei
ärmeren Familien zunächst etwas schneller Richtung
Durchschnitt bewegt hat, zuletzt aber nicht mehr gesunken
ist, hat wesentlich mit der Entwicklung der Kraftstoffpreise
zu tun. Nach einer längeren Phase des Rückgangs sind die
Preise für Benzin und Diesel im August leicht angestiegen.
Kraftstoffe schlagen sich rechnerisch im Ausgabenportfolio
von Familien und von Alleinlebenden mit mittleren oder
höheren Einkommen spürbar nieder. Auch deshalb stiegen die
Inflationsraten bei Familien mit mittleren und hohen
Einkommen, bei Alleinerziehenden mit mittleren Einkommen
sowie bei Singles mit mittleren Einkommen von Juli auf
August geringfügig um 0,1 Prozentpunkte und bei
Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen um 0,2
Prozentpunkte.
•
Arme Alleinstehende besitzen hingegen
selten ein Auto, weshalb ihre Inflationsrate von den
Kraftstoffpreisen weniger beeinflusst wird. Die
Teuerungsraten der übrigen untersuchten Haushaltstypen lagen
im August bei oder leicht unterhalb der allgemeinen
Inflationsrate. So betrug auch die Inflation für
Alleinerziehende und für kinderlose Paare mit jeweils
mittleren Einkommen je 6,1 Prozent. Bei Alleinlebenden mit
höheren Einkommen schlug die Inflation mit 5,9 Prozent zu
Buche.

Die gleiche Rate verzeichneten
Familien mit mittleren sowie mit hohen Einkommen
•
Trotz des nachlassenden Drucks bei den Preisen für
Haushaltsenergie und Lebensmitteln spielen diese
Kostenfaktoren für Haushalte mit niedrigeren Einkommen
weiterhin eine besonders große Rolle, wie der
Detailvergleich zeigt. Bei ärmeren Alleinlebenden trugen sie
im August 3,2 Prozentpunkte zur haushaltsspezifischen
Inflationsrate von 6,1 Prozent bei. Bei Familien mit zwei
Kindern und niedrigeren Einkommen summierten sie sich auf
3,0 Prozentpunkte, bei Familien mit mittleren Einkommen auf
2,2 Prozentpunkte.
•
Bei Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen trugen
Nahrungsmittel und Haushaltsenergie hingegen lediglich 1,3
Prozentpunkte zur Inflationsrate von insgesamt 5,7 Prozent
bei. Das Problem wird vor allem für Haushalte mit niedrigen
Einkommen dadurch verschärft, dass die Alltagsgüter, die sie
vor allem kaufen, kaum zu ersetzen sind und viele nur
geringe finanzielle Rücklagen haben. Für die kommenden
Monate erwarten Tober und Dullien einen stärkeren Rückgang
der Inflationsrate, vor allem im September, wenn
Sondereffekte durch den Tankrabatt oder das 9-Euro-Ticket
wegfallen, die zwischen Juni und August 2022 die Preise
dämpften.
•
Die Fachleute des IMK rechnen auch mit einer sinkenden
Kerninflation, also bei der Teuerung ohne die
besonders schwankungsanfälligen Positionen Lebensmittel und
Energie. Denn der Preisdruck lasse bei vielen Produkten und
Dienstleistungen nach, weil die deutlich gesunkenen Energie-
und Rohstoffpreise mit einigem Zeitverzug über die
Produktionsketten hinweg auch bei den Endkund*innen
ankommen. Die vorübergehend stärkeren Lohnsteigerungen
werden nach Analyse des IMK mehr als kompensiert durch die
Wirkung der geringeren Energiepreise, die Auflösung von
Lieferengpässen und einen Abbau der aktuell noch zu
beobachtenden Übergewinne von Unternehmen.
•
Vor diesem Hintergrund und angesichts der wirtschaftlichen
Schwäche im Euroraum und insbesondere in Deutschland sollte
die Europäische Zentralbank die Wirkung der bisherigen
Leitzinserhöhungen abwarten und eine Zinspause einlegen,
empfehlen die Forschenden. Das sei auch im Interesse von
ärmeren Haushalten. Denn eine weitere Dämpfung der
Konjunktur durch hohe Zinsen könnte zu spürbar mehr
Arbeitslosigkeit führen, was ebenfalls zu Lasten gerade
ärmerer Haushalte gehe. Es sei daher zu hoffen, dass die EZB
bei ihrer Sitzung morgen „die Risken einer geldpolitisch
induzierten Wirtschaftsflaute und ihre Folgen für
Beschäftigung, Produktionspotenzial sowie öffentliche
Haushalte und damit auch für die einkommensschwächeren
Bevölkerungsteile mit in das Kalkül nimmt“, so Tober und
Dullien.
Informationen zum Inflationsmonitor
Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der
Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen
Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen
Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für
zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von
Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu
Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt
und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung
errechnen.
Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus
der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative
Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern
und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro),
höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem
Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit
einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen;
Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem
(1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr
als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte
ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen
3600 und 5000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird
monatlich aktualisiert.
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