Strafzeiten- und Torflut zum Jahresbeginn
Köln, 4. Januar
- Die DEL stimmt die Eishockey-Profis sechs Wochen vor dem Olympischen Spielen
in Turin auf die internationale Linie ein: Haken, Halten, Beinstellen und
Behinderung werden jetzt ganz konsequent gepfiffen, die Folge war zum
Jahresbeginn eine Straftzeitenflut. In sechs Partien am Dienstagabend sprachen
die Schiedsrichter insgesamt 372 Strafminuten (62 im Schnitt) aus. "In den
nächsten zwei, drei Wochen wird auch der letzte Spieler die neue Regelauslegung
kapiert haben. Die Flut der Strafen wird zurückgehen", sagte DEL-Geschäftsführer
Gernot Tripcke. Im Hinblick auf Olympia waren sich die deutschen Klubs einig,
dass man sich dem internationalen Trend nicht verschließen könne, nachdem die
NHL bereits seit Saisonbeginn durch die Unparteiischen gegen die Nickligkeiten
im Spiel vorgeht. Die internationale Regelangleichung soll vor allem dem
Spielfluss dienen. Insbesondere die Kreativköpfe aus dem Eis werden durch die
Verschärfung besser geschützt. Man erhofft sich die Rückkehr zu weniger
physischem und mehr technischem Eishockey. 54 Tore am Dienstag scheinen ein
Indiz für ein gutes Gelingen. 28 Treffer fielen in Überzahl, weil die Klubs
ungewöhnlich viele Chancen zum Powerplay besaßen. "Derart viele Tore werden
sicher nicht die Regel, aber der Trend zu mehr Treffern wird anhalten, auch wenn
die Zahl der Strafen nachlassen wird", meinte Tripcke.
Die Trainer tun sich noch etwas schwer mit der Umstellung. Rich Chernomaz von
Ex-Meister Frankfurt Lions musste beim 3:8 bei den Kölner Haien 55 Strafminuten
- die ersten zwei davon nach neun Sekunden - und fünf Gegentreffer in Unterzahl
beim 3:8 verdauen. Dementsprechend meckerte der einst als "Axt von Manitoba"
gefürchtete Ex-Profi über die seiner Ansicht nach kleinliche Linie des
Schiedsrichters. In Berlin erkannte auch Kassels Trainer Bernhard Englbrecht die
Tücken der Neuerungen. "Wir haben noch etwas Probleme mit der Spielweise. Wir
sind etwas zu langsam", sagte Englbrecht, dessen Team dem Titelverteidiger mit
3:6 dennoch die höchste Heimpleite der Saison beibrachte. Allerdings
profitierten die Huskies vom schwachen Powerplay der statistisch besten
Überzahlmannschaft der Liga. Über fünf Minuten bot sich den Eisbären eine
5:3-Situation. Nur ein Tor gelang in dieser Zeit. Ein zweiter regulärer Berliner
Treffer beim Stande von 1:0 konnte Schiedsrichter Rick Looker aus den USA nicht
anerkennen. Als er den Videobeweis bemühen wollte, fand der Kampfrichter trotz
sechseinhalbminütiger Pause die entsprechende Stelle auf dem Band nicht. Ein
Protest der Eisbären gegen den von ihnen bestellten Kampfrichter wäre
aussichtlos. Bei einer offiziellen Anzeige des Vorgangs bei der DEL würde dem
Klub sogar eine Geldstrafe im dreistelligen Bereich drohen. Manager Peter John
Lee schimpfte: "So etwas darf nicht passieren." Der Klub kündigte an, das
Gespräch mit dem Verantwortlichen zu suchen und über mögliche Konsequenzen zu
beraten. Mit einem 2:0 im Rücken hätte Berlin die Huskies womöglich besiegen
können. So zogen die Kölner Haie und auch die DEG Metro Stars durch ihren
4:3-Erfolg über Tabellenführer ERC Ingolstadt an den Eisbären vorbei. (TL)
Duisburgs
Füchse bei der Regelerklärung von Holger Gerstberger
(Foto Manfred Schneider)
Die deutschen Eishockeyschiedsrichter werden ab dem 01.Januar 2006 ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf die Regelverstöße Haken, Halten und Behinderung lenken. Die Umsetzung erfolgt in der Deutschen Eishockey Liga (DEL), sowie in allen Ligen des Deutschen Eishockey-Bundes e.V. (DEB) inklusive den Nachwuchsligen. Der Schiedsrichterausschuss reagiert somit einerseits auf die nicht zufrieden stellenden Schiedsrichterleistungen in der laufenden Saison, sowie and
ererseits auf die aufkommenden Diskussionen hinsichtlich der durch den internationalen Eishockeyverband (IIHF) getätigten Aussage, dass die Olympischen Winterspiele 2006 nach dem Standard der nordamerikanischen Profiliga NHL geleitet werden. Die NHL hat im Bereich der Regelverstöße Haken, Halten und Behinderung die so genannte „Null Toleranz“ Regel eingeführt. Auch andere europäische Eishockeynationen wie die Schweiz und Schweden haben bereits reagiert. Die Spiele der jeweiligen Ligen werden seit kurzem mit einer verschärften Regelauslegung geleitet. Der Schiedsrichterausschuss des Deutschen Eishockey-Bundes unter Leitung von Obmann Bernd Schnieder hat die deutschen Eishockeyschiedsrichter umfangreich geschult. Anhand von vielen Videobeispielen wurden den Schiedsrichtern Spielsituationen vorgestellt, die nach der verschärften Regelauslegung zukünftig nicht mehr erlaubt sind. Die Trainer und sportlichen Leiter der DEL-Mannschaften wurden im Rahmen eines Symposiums in Köln bereits über die strengere Regelauslegung informiert. Auch hier wurden zahlreiche Videobeispiele vorgestellt und anschließend ausführlich erläutert.
Holger Gerstberger, Schiedsrichterbeauftragter der DEL:
„Die verschärfte Auslegung im Bereich Haken, Halten und Behinderung, die im übrigen Standard des IIHF Regelwerks ist und auch für den Spielbetrieb in allen deutschen Ligen gilt, ist zu Beginn für die Beteiligten ein Lernprozess, der Zeit braucht und nur dann erfolgreich sein kann, wenn alle, also Schiedsrichter, Trainer und Spieler sowie Medien und Fans, dieses wollen und an einem Strang ziehen. Die NHL hat bewiesen, dass trotz Anfangsschwierigkeiten dieser Weg absolut richtig ist. Der Erfolg sind noch attraktivere Spiele. Wir denken, dass wir alle Beteiligten gut vorbereitet haben und hoffen, dass trotz der sicherlich auch bei uns auftretenden Anfangsschwierigkeiten alle gemeinsam das Ziel verfolgen, den neuen Standard erfolgreich umzusetzen und dies nicht nur als Aufgabe der Schiedsrichter sehen“.