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 Ich will...

 

Sitzung des Rates der Stadt Duisburg am 24.9.2012
 Rede von Herrn Oberbürgermeister Sören Link

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

bei der Ratssitzung im Juli konnte nur ein Teil von Ihnen anwesend sein.

Deshalb habe ich mir vorgenommen, in meiner ersten regulären Arbeitssitzung als Vor­sitzender des Rates aufzuzeigen, wofür ich stehe und welche konkreten Perspektiven ich sehe. Und was für mich daraus folgt für die Jahre, die vor uns liegen.

Meine Amtszeit ist nicht einmal 100 Tage alt. Niemand, der das Amt des Duisburger Oberbürgermeisters übernimmt, darf auf 100 Tage Schonfrist hoffen. Schon am Tag meiner Amtseinführung ging es rein ins Geschäft.

Aber am Ende gelangen zum Thema Love Parade-Gedenkstätte und wenig später zum Thema Opernehe zwei ganz entscheidende Weichenstellungen.

Insofern war die erste Woche fast schon exemplarisch: Wer Herausforderungen annimmt, kann Probleme lösen und zu guten Ergebnissen kommen.

Über den Weg dorthin zu debattieren, das ist Demokratie.

Insofern freue ich mich auch auf die Zusammenarbeit mit der (DU-Fraktion und ihrem neuen Vorsitzenden Rainer Enzweiler. Lieber Rainer, auch von dieser Stelle noch einmal eine herzliche Gratulation im Namen des ganzen Rates!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

kürzlich wurde ich gefragt, ob ich nach der Anfangseuphorie nun schon in der Wirklichkeit angekommen sei. Sozusagen auf dem Boden der Tatsachen.

Ich darf Ihnen sagen: Ja, ich stehe auf dem Boden der Tatsachen, und ja, gerade deswegen bin ich mir sicher, dass es sich lohnt, sich für Duisburg stark zu machen. Man braucht eben Geduld und Spucke. Aber eins steht für mich fest: Duisburg kann anders. Und Duisburg kann besser.

Dieses" besser", liebe Kolleginnen und Kollegen, heißt nicht, dass ich so vermessen wäre, alles besser zu wissen, besser zu können und anders zu ma­chen. Ganz im Gegenteil. Vieles in unserer Stadt ist jetzt schon Spitze: Der Sport mit seinen vielen Vereinen und dem Sportpark Duisburg. Der Landschaftspark. "Tiger and Turtle". Oder der Zoo mit über einer Million Besucher im Jahr. Der Innenhafen ! Unsere Innenstadt hat sich toll gemacht. Die Erfolgsstories von duisport und logport.
Dann unser Kulturangebot mit der Oper und den Philharmonikern.
Wir haben drei große Kunstmuseen von nationalem Rang: Lehmbruck-Museum, Küppersmühle und DKM! Wer hat das schon? Gerade solche Beispiele zeigen aber, dass wir unsere Stadt nicht neu erfinden, sondern viel besser vermarkten müssen. Wir reden zu viel von den Schwächen, und viel zu leise von unseren Stärken. Vieles ist gut in Duisburg. Wir müssen uns wirklich nicht verstecken. Aber wir müssen an vielen Stellen besser werden. Und unser Besserwerden besser ver­mitteln.
Ich will mich hier auf drei Themen konzentrieren, die aus meiner Sicht in den kommen­den Jahren an erster Stelle stehen müssen. Daneben stehen viele andere Aufgaben, denen wir uns zuwenden müssen, auf die ich aber angesichts unserer Tagesordnung für die Ratssitzung jetzt nicht einge­hen kann.
Erstes Thema: Ich will, dass Duisburg und Bildung künftig in einem Atemzug genannt werden, auch landes- und bundesweit, ähnlich wie früher" Duisburg" und" Stahl". Die "Stadt Montan" hat uns geprägt und stark gemacht, und ich bin stolz darauf, dass wir der größte Stahlstandort in Europa sind.
Aber: Wir sind mittlerweile mehr als die" Stadt Montan". Ich will, dass Duisburg auch so wahrgenommen wird! Als Stadt, die allen Kindern gute Bildungschancen bietet. Als Stadt, die für Chancengleichheit steht. Deswegen muss Bildungspolitik im Kern unserer Arbeit stehen. Sie ist zugleich Wirt­schafts- und Strukturpolitik, ist Sozial- und Kulturpolitik, sie ist Finanz- und Stadtent­wicklungspolitik.

Denn: Bildung heißt, die Chancen und Potenziale unserer Stadt zu fördern. Ganz besonders die jungen Menschen. Und da ist es völlig egal, ob jemand Paul oder Ali, Birgit oder Fatma heißt, und ob er im Norden oder Süden unserer Stadt wohnt. Egal, wo die Eltern herkommen.
Bildung heißt, die künftigen Soziallasten unserer Stadt zu verringern Bildung heißt, für Unternehmen attraktiv zu sein. Bildung heißt gesellschaftliche Integration und Teilhabe. Bildung heißt immer auch soziale Gerechtigkeit! Wir dürfen keinen zurücklassen I Wir müssen die Potenziale aller Duisburgerinnen und Duisburger erschließen. Wir brauchen endlich ein breites öffentliches Bewusstsein für den Stellenwert von Bil­dung. Wir brauchen den Strukturwandel in den Köpfen.
Was folgt daraus, liebe Kolleginnen und Kollegen? Erstens: Ich will, dass wir mit Hochdruck den U3-Ausbau voran bringen und den gesetzlichen Anspruch erfüllen. Und ich will, dass wir die frühe Förderung ernst nehmen, dass wir sie wörtlich nehmen, und dass wir noch hier besser werden. Das heißt auch, dass wir immer wieder evaluieren, wo wir stehen. Zweitens: Ich will, dass die Duisburger Schullandschaft zukunftsfähig aufgestellt ist.
Deshalb bin ich froh über den Schulkonsens zum Thema Sekundarschule auf Landes­ebene, aber auch hier im Rat. Ich will die Sekundarschule im engen Dialog mit den betroffenen Menschen einführen. Nur so kann die Einführung gelingen.

Drittens: Ich bin dem Rat dafür dankbar, dass die Mittel für die Sprachförderung nicht gekürzt werden. Aber auch hier müssen wir besser werden. Dazu gehört, dass wir - wo es sein muss - die Eltern und das soziale Umfeld stärker in die Pflicht nehmen, ihre Verantwortung für den Spracherwerb wahrzunehmen. Insgesamt muss beim Thema Integration auch die ehrliche Frage erlaubt sein, ob es wirklich richtig ist, dass wir uns immer wieder neu denen zuwenden, die hier geboren und schon in der dritten Generation Duisburger sind.

Viertens: Ich will, dass wir uns solidarisch denen zuwenden, bei denen nicht alles rund gelaufen ist. Denen, die nicht sofort einen Ausbildungsplatz finden, Schulabbrechern, älteren und Langzeitarbeitslosen. Sie haben eine zweite Chance verdient, und wir brauchen sie auf dem Arbeitsmarkt.

Fünftens: Ich will die vielen verschiedenen Bildungs- und Weiterbildungsträger unserer Stadt besser vernetzen. Hier haben wir schon heute ein starkes Angebot mit hoch engagierten Leuten. Insbesondere will ich alles tun, um die Zahl der Analphabeten in unserer Stadt deutlich zu senken.

Sechstens: Ich will, dass wir uns endlich auch als Universitätsstadt verstehen und begrei­fen. Unsere Uni liegt nicht auf der grünen Wiese, sondern fast in der Innenstadt. Ich will, dass wir sie enger an unsere Stadt anbinden. Denn sie muss eine führende, eine prägende Rolle im öffentlichen Leben bekommen, besonders auch als Partner der Wirt­schaft. Und schließlich: Ich will, dass wir kreativ auch mal kleine Schritte wagen, die Signalwir­kung haben. Der Büchereiausweis für Erstklässler ist ein schönes Beispiel. Wenn er Erfolg hat, will ich das Modell weiterverfolgen, damit unsere Kinder, wie da­mals ich und viele von uns, "lesen lieben lernen".
Mein zweites Thema: Ich will, dass Duisburg für eine gute Lebensqualität steht. Dazu gehört, dass Duisburg eine saubere und sichere Stadt ist. Denn Sauberkeit und Sicherheit sind der selbstverständliche Anspruch der Bürger an ihre Kommune. Denn Sauberkeit und Sicherheit sind Voraussetzung dafür, dass Bürger diese Stadt als ihren Lebensmittelpunkt wählen, auch die vielen Leistungsträger unserer Gesellschaft.
Ein sauberes und sicheres Umfeld ist Voraussetzung dafür, dass Bürger ihrerseits Ver­antwortung für das Gemeinwesen übernehmen. Und zwar vom sprichwörtlichen Kehren vor der eigenen Haustür bis hin zu bürgerschaft­lichen Initiativen wie unserer" Offensive für ein sauberes Duisburg".
Was Bürger auf diese Weise selbst in die Hand nehmen, entlastet uns als Kommune spürbar.
Was folgt daraus?
Erstens: Ich will die vielen Qualitäten unserer Stadt viel stärker herausstellen.

Wir haben Problemquartiere wie jede Großstadt. Aber wir haben weitaus mehr intakte Nachbarschaften und Stadtquartiere. Wir müssen dafür sorgen, dass die guten Seiten unserer Stadt das öffentliche Bild bestimmen. Nach innen wir nach außen. Beim Stichwort "Köln" denken die Leute auch an den Dom und nicht an Chorweiler.

Zweitens: Ich will den Schulterschluss zwischen der Stadt und ihren Bürgern stärken. Dazu gehört, dass wir die Bürger ausdrücklich motivieren, hin- statt wegzuschauen. Dass wir ihre Hinweise ernst nehmen und schnell handeln. Das 48-Stunden-Dreckweg-Versprechen ist Beispiel. Es wird schon bald kommen und setzt das Signal: Müll in der Stadt findet Null Toleranz.
Drittens: Ich will, dass die Bürger im Gegenzug sehen, dass ihre Stadt ihrerseits hin­schaut und präsent ist, beim Thema Sauberkeit ebenso wie bei der Verkehrsüberwa­chung. Deshalb will ich unseren städtischen Außendienst personell verstärken. Die Bürger sollen merken, dass wir stärker als bisher hinschauen und sanktionieren, wo beispielsweise Müll weggeworfen, falsch geparkt oder gerast wird.
Viertens: Bei alledem will ich als Oberbürgermeister viel authentischer hören, was den Duisburgern unter den Nägeln brennt. Ich will dialogorientiert an die Dinge herangehen. Meine Bürgergespräche vor Ort in den Bezirken sind mir deshalb ganz besonders wichtig. Im November geht's los.
Fünftens: Ich will, dass wir aus den berechtigten Sorgen der Bürgerinnen und Bürger beim Thema Zuwanderung aus Südosteuropa endlich die richtigen Konsequenzen ziehen. Niemand ist zufrieden mit dem, was in der Vergangenheit gelaufen ist. Jetzt müssen effektive Schritte kommen. Deshalb steht seit einigen Tagen ein Wagen des Ordnungsamtes für mehrere Stunden täglich an bestimmten Brennpunkten.
Deshalb gibt es ab sofort eine .Task Force", in der Ordnungsamt, Bauordnung, Wirt­schaftsbetriebe, Feuerwehr, Sozial-, Jugend- und Gesundheitsamt zusammenarbeiten. Je nach Situation ergänzt durch weitere Behörden wie die Polizei. Dieses Netzwerk muss rund um die Uhr arbeitsfähig sein und zur Not auch In tiefer Nacht vor Ort entscheiden, was zu tun ist. Flexibel, entschlossen und wirksam, mit klarer Rückendeckung durch den Oberbürgermeister.

 
Eine zweite Gruppe wird sich, ebenfalls ab sofort, dem Thema .Problemimrnobilien " zuwenden. Damit sich niemand mit heruntergekommenen Häusern bereichert, damit niemand dort menschenunwürdig leben muss. Und ich sage ausdrücklich: Wir haben nichts gegen die Menschen, die im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung zu uns kommen. Aber sie müssen sich ausnahmslos an unser Recht, unser Gesetz und unsere Gepflogenheiten halten.
Um das zu erreichen, will ich dreierlei tun:  
Die Integration derer unterstützen, die - ob es uns gefällt oder nicht - bei uns bleiben werden,
• eventuelle Regelverstöße konsequent ahnden, · 
und Hilfen von Bund und Land einfordern und den Schulterschluss mit anderen Kommunen suchen.
Und schließlich sechstens: Dazu will ich eine interkommunale Initiative starten. Und das Konnexitätsprinzip an dieser wie an anderen Stellen massiv einfordern, notfalls bis zur gerichtlichen Klärung.
Und damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, komme ich zu meinem dritten Schwerpunktthema:
Ich will, dass Duisburg eine Stadt ist, die zusammenrückt und die ihre Finanzen in den Griff bekommt, die bis zum Ende des Jahrzehnts keine neuen Schulden mehr macht. Denn ich will, dass Duisburg eine Stadt ist, die auch in schwerer Zeit handlungsfähig ist und ihre Zukunft selbst gestaltet. Denn ich bin überzeugt, dass die Entscheidungen, zu denen wir hier im Rat kommen, grundsätzlich besser und lebensnäher sind als die vom Schreibtisch der Kommunalaufsicht. Eine nachhaltig starke Stadt ist nicht die, die sich tatsächlich etwas" leistet", sondern die, die es sich aus eigener Kraft leisten kann.
Was folgt daraus? Erstens: Ich will, dass die historische Chance des Stärkungspaktes genutzt wird, damit Duisburg seine Finanzhoheit wiedergewinnt und dann wieder Luft zum Atmen hat. Es ist eine Riesenchance für unsere Stadt.

 
Dazu müssen wir hier im Rat eng zusammenrücken. Denn es ist auch ein Gebot unserer Ehrlichkeit als Kommunalpolitiker, Klientelinteressen zurückzustellen zugunsten der Ge­samtstadt.
Zweitens: Ich will viel stärker als bisher auf die Einnahmeseite schauen. Dazu will ich die Drittmittelakquise systematisch organisieren und neu aufstellen. Es kann nicht sein, dass gerade wir unterdurchschnittlich an Förderprogrammen partizi­pieren. Auch für Sponsoring oder den Dialog mit Stiftungen sind wir nicht professionell genug aufgestellt. Das werde ich ändern.
Ich will, dass jeder Cent, der in Duisburg gebraucht wird und sinnvoll eingesetzt werden kann, in unserer Stadt landet.
Drittens: Ich will den Demografischen Wandel zur Stärkung der Finanzen nutzen: durch den Verzicht auf überflüssige Infrastruktur, durch die Umnutzung freier Flächen für die Wirtschaft, für ein Mehr an Lebensqualität durch ein Mehr an Grün. Im Stadtumbau, Stichwort "Duisburg 2027 '', liegen viele Chancen, auch unsere Finanzen zu stärken. Sie will ich nutzen.
Viertens: Gerade diese Themen werde ich, werden wir alle im engen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren haben. Letztlich ist es ihr Geld, das wir ausge­ben. Deshalb sage ich hier und heute verbindlich zu, jeden seriösen Vorschlag zu prüfen, zu bewerten und umzusetzen, wenn er hilfreich ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zu meinem Fazit:
Wer immer nur von den Schwächen seiner Stadt redet, muss sich nicht wundern, wenn sie schwach wahrgenommen wird. Ja, wir haben Probleme, und wir reden sie nicht klein. Denn wir haben die Kraft, sie zu lösen. Ich will, dass wir ehrlich und selbstbewusst über unsere Stadt sprechen und uns aktiv neue Ziele setzen. Sonst bleibt unsere Stadt weit unter ihren Möglichkeiten.
Das zu tun, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Kern meiner und unserer Arbeit in den nächsten Jahren, gerade hier im Rat. Und ich bin davon überzeugt, dass wir die Abwärtsspirale, in der viele unsere Stadt in den letzten Jahren gesehen haben, erstaunlich schnell in eine Aufwärtsspirale umdrehen können. 

 

Wenn die Menschen merken, dass Dinge gelingen in Duisburg. Dann werden sie wieder stolz auf ihre Stadt sein und sich ihrerseits Ins Gelingen verlieben. Zugegeben: Das wird kein Honigschlecken. Aber zum Honigschlecker sind wir nicht gewählt. Die Aufgaben der nächsten Jahre stellen neue Anforderungen an unsere Kreativität, an unsere Entschlossenheit und Konsequenz, an unsere Diskussionskultur hier im Rat Sie stellen neue Anforderungen an unsere Bereitschaft, die Bürgerinnen und Bürger bei allen politischen Prozessen mitzunehmen und zu beteiligen.
Dort, wo sie Verantwortung für Duisburg übernehmen. Aber auch dort, wo sie mit ihren Wünschen, ihren Ideen, ihren Sorgen kommen. Den Bürger ernst nehmen heißt aber auch, ihm nichts vorzumachen. Ihm zu sagen, wo etwas nicht geht, und sich da ins Zeug zu legen, wo etwas geht. Manche Wahrheit ist unerfreulich, aber sie bleibt die Wahrheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie heute, diesen Weg an meiner Seite mitzugehen. Denn ich bin überzeugt, dass wir Duisburger uns auf das besinnen müssen, was wir oh­nehin am besten können.
Bergleute und Stahlarbeiter haben es uns vorgemacht:
• Erstens eng zusammenrücken, solidarisch und diszipliniert,
• zweitens entschlossen anpacken, vielleicht auch mal ein wenig unkonventionell,
• drittens die vorhandenen Chancen nutzen, im Wissen um die eigene Kraft.
Für diesen Dreiklang stand Duisburg in vielen Kapiteln seiner Geschichte. Ich freue mich auf das nächste. Glückauf!