Berlin/Duisburg, 24. April 2021 -
Überschreitet ein Landkreis oder eine kreisfreie
Stadt eine Inzidenz von 100, werden dort künftig
bundeseinheitliche Maßnahmen das Infektionsgeschehen
eindämmen. Das geänderte Infektionsschutzgesetz ist
nun in Kraft getreten. Die Neufassung soll helfen,
die dritte Welle der Pandemie zu bremsen.
Der Deutsche Bundestag hat am Mittwoch wichtige
Ergänzungen des Infektionsschutzgesetzes beschlossen.
Am Freitag, 23. April, ist die Neuregelung in
Kraft getreten. Zentraler Inhalt: Überschreitet
ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt an drei
aufeinander folgenden Tagen eine Inzidenz von
100, gelten dort ab dem übernächsten Tag
zusätzliche, im Gesetz nun bundeseinheitlich
festgeschriebene Maßnahmen.
Die Inzidenz
von 100 wird überschritten, wenn innerhalb von
sieben Tagen mehr als 100 Neuinfektionen mit
dem Coronavirus SARS-CoV-2 pro 100.000 Einwohner
festzustellen sind.
„Die Lage ist ernst,
sehr ernst“, betonte Bundesgesundheitsminister Spahn
im Bundestag. Dies zeige ein Blick auf die
Auslastung der Intensivstationen – der „härtesten
Währung in dieser Pandemie“. Impfen und Testen
würden eine Perspektive geben, reichten aber alleine
nicht aus, um die dritte Welle einzudämmen. Vielmehr
gebe es dafür ein bewährtes, erprobtes und wirksames
Mittel: „das Reduzieren von Kontakten und damit von
Infektionen“.
Es geht nicht um einen
Dauerzustand „Was wir jetzt brauchen,
ist Klarheit und Konsequenz“, unterstrich
Bundesfinanzminister Scholz in der
Parlamentsdebatte. Die Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes lege
fest, dass bei einer Inzidenz über 100 etwas getan
werden müsse – und zwar „überall in
Deutschland“. Die Neuregelung solle zu mehr
Verständlichkeit und einer größeren Unterstützung
für nötige Maßnahmen beitragen. Scholz stellte klar,
dass es um die Überwindung der Pandemie gehe – und
„nicht um einen Dauerzustand“.
Vielzahl von Maßnahmen zur Kontaktreduzierung
Die bundesweite Notbremse sieht nun eine Vielzahl
von Maßnahmen vor, um bei einem erhöhten
Infektionsgeschehen Kontakte deutlich zu reduzieren
und die Ausbreitung des Virus zu bremsen. Diese
Maßnahmen sind im neu eingefügten §28b des
Infektionsschutzgesetzes zu finden. Die meisten
Instrumente sind vielen Bürgerinnen und Bürgern
bereits bekannt, da sie auch schon bisher von Bund
und Ländern zur Pandemiebekämpfung vereinbart
wurden.
•
Kontaktbeschränkungen für private Treffen drinnen
und draußen: Die Reduzierung von privaten wie
beruflichen Kontakten ist das wirksamste Mittel, um
die Zahl der Neuinfektionen zu bremsen. Trotzdem
soll keiner einsam bleiben. Daher sind Treffen eines
Haushalts mit einer weiteren Person auch bei einer
Inzidenz über 100 weiterhin möglich - Treffen mit
mehr Menschen dagegen nicht.
• Öffnungen von Geschäften: Auch bei einer
hohen Inzidenz wird die Versorgung der Bevölkerung
mit Lebensmitteln, Verbrauchsgütern des täglichen
Bedarfs und existentiellen Dienstleistungen
verlässlich sichergestellt. Geöffnet bleiben der
Lebensmittelhandel einschließlich der
Direktvermarktung, Getränkemärkte, Reformhäuser,
Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser,
Drogerien, Optiker, Hörakustiker, Tankstellen,
Stellen des Zeitungsverkaufs, Buchhandlungen,
Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte,
Futtermittelmärkte, Gartenmärkte und der Großhandel.
In allen Fällen bleiben natürlich die Beachtung
entsprechender Hygienekonzepte und die Maskenpflicht
Voraussetzung.
Bei einer Inzidenz unter 150 wird es zudem bei allen
weiteren Geschäften möglich sein, mit Termin und mit
einem aktuellen negativen Testergebnis einzukaufen.
Im Dienstleistungsbereich bleibt alles, was nicht
ausdrücklich untersagt wird, offen, also
beispielsweise Fahrrad- und Autowerkstätten, Banken
und Sparkassen, Poststellen und ähnliches.
• Körpernahe Dienstleistungen – nur in
Ausnahmen: Körpernahe Dienstleistungen sollen
nur zu medizinischen, therapeutischen, pflegerischen
oder seelsorgerischen Zwecken in Anspruch genommen
werden. Ausnahme: der Friseurbesuch und Fußpflege,
allerdings nur, wenn die Kundinnen und Kunden einen
tagesaktuellen negativen Corona-Test vorlegen können
– und natürlich nur mit Maske. Andere körpernahe
Dienstleistungen sollen nicht mehr möglich sein.
• Eingeschränkte Freizeit- und
Sportmöglichkeiten: Gastronomie und Hotellerie,
Freizeit- und Kultureinrichtungen sollen bei einer
Inzidenz über 100 schließen. Ausnahmen:
Außenbereiche von zoologischen und botanischen
Gärten. Sie können mit aktuellem negativen Test
besucht werden. Berufssportler
sowie Leistungssportler der Bundes- und Landeskader
können weiterhin trainieren und auch Wettkämpfe
austragen - wie gehabt ohne Zuschauer und unter
Beachtung von Schutz- und Hygienekonzepten. Für alle
anderen gilt: Sport ja, aber alleine, zu zweit oder
nur mit Mitgliedern des eigenen Hausstandes.
Ausnahme: Kinder bis 14 Jahre können draußen in
einer Gruppe mit bis zu fünf anderen Kindern
kontaktfrei Sport machen.
•
Ausgangsbeschränkungen: Im Zeitraum zwischen
22 Uhr und 5 Uhr soll nur derjenige das Haus
verlassen, der einen guten Grund hat – also etwa zur
Arbeit geht, medizinische Hilfe braucht oder den
Hund ausführen muss. Bis 24 Uhr wird es weiterhin
möglich sein, alleine draußen zu joggen oder
spazieren zu gehen. Ausgangsbeschränkungen sind ein
Instrument unter vielen anderen. Sie tragen dazu
bei, das Mobilität begrenzt wird. Und
Einschränkungen der Mobilität helfen, die Zahl der
Neuinfektionen zu senken.
• Kein
Präsenzunterricht bei einer Inzidenz über 165: Das
Infektionsgeschehen macht nicht vor der Schultür
halt. Aufgrund der dynamischen Infektionslage ist es
daher wichtig, auch hier zu bundeseinheitlichen
Regelungen zu kommen, wenn es die epidemiologische
Lage erfordert. Bei einer Inzidenz über 165 soll der
Präsenzunterricht in Schulen und die Regelbetreuung
in Kitas untersagt werden. Mögliche Ausnahmen:
Abschlussklassen und Förderschulen.
• Homeoffice:
Die Verpflichtung, Homeoffice anzubieten,
wenn dies betrieblich möglich ist, ist bereits jetzt
schon Bestandteil der
Corona-Arbeitsschutzverordnung. Mit der Aufnahme in
das Infektionsschutzgesetz wird die Homeoffice-Pflicht
verstärkt. Beschäftigte haben jetzt auch die
Pflicht, Homeoffice-Angebote wahrzunehmen,
wenn es privat möglich ist.
Bundeskanzlerin
Merkel: Kräfte besser bündeln
„Es führt kein Weg vorbei: Wir müssen die dritte
Welle der Pandemie bremsen und den rapiden Anstieg
der Infektionen stoppen“, sagte Bundeskanzlerin
Angela Merkel bereits zu Beginn der
parlamentarischen Beratungen vergangenen Freitag im
Deutschen Bundestag. „Um das endlich zu schaffen,
müssen wir die Kräfte von Bund, Ländern und Kommunen
besser bündeln als zuletzt. Deswegen ziehen wir die
notwendigen Konsequenzen.“
„Ich bin mir ganz bewusst, dass es harte
Einschränkungen sind“, hatte Merkel erklärt. Gerade
im Hinblick auf die vieldiskutierten
Ausgangsbeschränkungen betonte sie, dass diese
natürlich kein Allheilmittel gegen das Virus sein.
Ausgangssperren könnten jedoch ihre Wirkung in der
Kombination mit anderen Maßnahmen wie strengen
Kontaktbeschränkungen entfalten. „Es geht in der
Pandemiebekämpfung um die Reduzierung von Kontakten.
Es geht darum, abendliche Besuchsbewegungen von
einem Ort zum anderen – im Übrigen auch unter
Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs – zu
reduzieren“. Die Vorteile dieser Maßnahme überwögen
die Nachteile.
„Wir haben es doch
schon einmal geschafft. Wir können es auch jetzt
wieder schaffen.“ „Alle Maßnahmen haben
ein einziges Ziel: unser ganzes Land aus dieser
furchtbaren Phase der stetig steigenden
Infektionszahlen, der sich füllenden
Intensivstationen, der bestürzend hohen täglichen
Zahl der Coronatoten herauszuführen, und zwar zum
Wohle aller, und dies eher, als wenn wir uns weiter
durch diese Zeit irgendwie hindurchschleppen“,
erklärte Merkel. „Wir haben es doch schon einmal
geschafft. Wir können es auch jetzt wieder
schaffen.“
Der Entwurf eines Vierten
Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer
epidemischen Lage von nationaler Tragweite hatte
das Kabinett am Dienstag, 13. April,
beschlossen – und zwar als Formulierungshilfe für
die Fraktionen von CDU/CSU und SPD im Deutschen
Bundestag. Das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz
enthält eine Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes.
Der Bundestag hat das Gesetz am Mittwoch, 21.
April, verabschiedet. Am Donnerstag, 22. April,
hat es der Bundesrat gebilligt. Am
Freitag, 23. April, ist es in Kraft getreten.
|