Berlin/Duisburg, 25. September 2015 - Der
Bundestag hat gestern (24. September) die Forderung des
Aktionsbündnisses „Für die Würde unserer Städte“ nach einer
aufgabenangemessenen Finanzausstattung unterstützt und die
Bedeutung der kommunalen Daseinsvorsorge als Fundament
unseres Staates gewürdigt. Vor allem die finanzschwachen
Kommunen sollen im Zusammenwirken mit den Ländern mehr Geld
im Sozialbereich erhalten. Außerdem sollen in
Bund-Länder-Gesprächen die Kommunalfinanzen neu geordnet
werden.
So resümieren die Sprecher des Bündnisses, Mülheims
Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) und Wuppertals
Oberbürgermeister Peter Jung (CDU) die Debatte im Bundestag
zum Thema „Gemeindefinanzierung“. Die Oberbürgermeister,
Bürgermeister, Landräte und Kämmerer des Aktionsbündnisses
von 62 Städten, Kreisen und Gemeinden aus sieben
Bundesländern des parteiübergreifenden Bündnisses verfolgten
auf der Gästetribüne des Bundestages die Botschaften der
Redner aller Fraktionen mit großer Aufmerksamkeit. Sie
hatten diese Plenardebatte angesichts der nicht mehr gegeben
Gleichheit der Lebensverhältnisse zwischen reichen und armen
Städten und Gemeinden von den Fraktionen eingefordert.
Dazu hatten die Fraktionen CDU/CSU und SPD eine gemeinsamen
und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen eigenen Antrag
ins Parlament eingebracht. Die von den Oberbürgermeistern
Dagmar Mühlenfeld (SPD) und Peter Jung (CDU) und ihren
Kämmerern Uwe Bonan und Johannes Slawig angeführten
Stadtchefs hatten zuvor in einer Kommunalkonferenz am
Berliner Sitz des Deutschen Städtetages ihre „2.
Berliner Erklärung“ beschlossen, ihren
Wahlkreisabgeordneten vorgestellt und den Fraktionsspitzen
und der Bundeskanzlerin und mehreren Ministern zugeleitet.
Die in Berlin geschlossen und selbstbewusst auftretenden
Kommunalpolitiker wollen sehr genau überprüfen, dass die
Ankündigungen der Bundespolitik auch eingehalten werden. Die
Erfüllung ihrer weiteren Hauptforderung nach einer
Altschuldenhilfe zur Wiedergewinnung eigener
Gestaltungsfähigkeit vermissten sie in den Redebeiträgen der
Großen Koalition. Dagegen wollen sie weiter ankämpfen.
Fazit: Das Aktionsbündnis fuhr einen ersten, jedoch noch
erheblich nachzubessernden politischen Erfolg ein. Dazu
Stadtkämmerer Dr. Peter Langner, der die Stadt Duisburg
aufgrund der Chinareise von Oberbürgermeister Sören Link
dieses Mal alleine vertreten hat:„Wir machen in Bund und
Ländern weiter Druck!“
Berliner Erklärung zur
Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse durch
ein aufgabengerechtes Gemeindefinanzsystem
Eine Neuordnung der Soziallastenfinanzierung, Maßnahmen zur
Stärkung der kommunalen Investitionsfähigkeit und ein
Sondertilgungsprogramm zum Abbau überproportionaler
Verschuldung sind zentrale Forderungen, um
Haushaltsausgleich und Schuldenabbau realisieren zu können!
Gleichwertige Lebensverhältnisse, die den Bürgerinnen und
Bürgern sowie auch den Unternehmen in Deutschland eine
ortsunabhängige Chancengerechtigkeit gewährleisten, waren
und sind ein Grundpfeiler unseres föderalen Bundesstaates
und seines wirtschaftlichen Erfolges. Weil arme und
wohlhabende Kommunen immer weiter auseinanderdriften, gerät
diese Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zunehmend
unter Druck.
Es ist nicht mehr sichergestellt, dass allen Bürgern ein
gleichwertiges Angebot an öffentlichen Leistungen wie z.B.
eine gute Schulinfrastruktur bereitgestellt werden kann oder
sie die kostenpflichtigen Leistungen wie bei
Kindertageseinrichtungen ohne größere Beitragsunterschiede
erhalten können. Schon jetzt gibt es beispielsweise massive
Unterschiede beim Zustand kommunaler Verkehrs- oder
Gebäudeinfrastrukturen. Reduzierte Leistungen und höhere
Beiträge sowie Spitzensätze bei Grund- und Gewerbesteuer
prägen die finanzschwachen Kommunen.
Unter dem Eindruck kontinuierlich steigender Sozialausgaben
stehen unabhängig von der Lage der Wirtschaft vor Ort alle
Kommunen unter finanziellem Druck. Verfestigte soziale
Problemlagen konzentrieren sich in sozialen Brennpunkten und
stellen eine große Herausforderung an die lokale
Lösungskompetenz. Insbesondere Kommunen, die sich im
wirtschaftlichen Strukturwandel befinden und deshalb über
eine unterdurchschnittliche Ertragskraft verfügen, sind
dadurch in finanzielle Schieflage geraten. Sie sind mit
hohen Kassenkrediten belastet und können aufgrund der
notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen öffentliche Leistungen
nur noch eingeschränkt bereitstellen.
Die Leistungsfähigkeit der fiskalischen Ausgleichssysteme
zur Verringerung der Disparitäten zwischen den Kommunen ist
an ihre Grenze gekommen - mit fatalen Folgen. Gerade weil
die sozialen Sicherungssysteme ein bundesweit einheitliches
Leistungsangebot garantieren, führt das wegen der
unterfinanzierten Ausgleichssysteme gerade Kommunen mit
einer nicht aufgabengerechten Finanzausstattung in die
Krise.
Vor diesem Hintergrund bekräftigt das parteiübergreifende
Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“
mit allem Nachdruck seine in seiner ersten Berliner
Erklärung vom 23. Februar 2015 erhobenen und mit allen
Fraktionen des Deutschen Bundestages intensiv erörterten
Forderungen:
Zur Sicherung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in
den um ihre Handlungsfähigkeit ringenden Städten, Gemeinden
und Kreisen ist in der laufenden Legislaturperiode des
Deutschen Bundestages die Initiative zur grundlegenden
Neuordnung des kommunalen Finanzsystems mit dem Ziel der
aufgabengerechten Finanzausstattung zu ergreifen.
Dazu gehört, dass sich der Bund als Verantwortlicher für die
Sozialgesetzgebung stärker an den Sozial- und
Jugendhilfeausgaben beteiligt. Ausdrücklich begrüßen wir die
schon erfolgte Entlastung bei der Grundsicherung im Alter.
Dies war ein Schritt in die richtige Richtung. Die von der
großen Koalition im Koalitionsvertrag jetzt zugesagte
Entlastung um 5,0 Mrd. Euro ist ein weiterer wichtiger
Baustein. Der Bund muss aber eine tatsächliche
Nettoentlastung der Kommunen sicherstellen.
Die Entlastung – auf welchem Wege sie auch kommt – darf
nicht durch eine leistungserweiternde und kostentreibende
Reform der Eingliederungshilfe für Menschen mit
Behinderungen eingeschränkt werden. Schon nach gegenwärtiger
Rechtslage wird der Entlastungsbetrag binnen 5-7 Jahren
alleine durch die Kostensteigerungen in der
Eingliederungshilfe aufgezehrt sein. Daher müssen weitere
Gespräche aufgenommen werden, um eine dynamische
Bundesentlastung zu konzipieren, die sich analog zu den
Kostenaufwüchsen der kommunalen Sozialaufwände entwickelt.
Darüber hinaus sind neue Aufgaben wie die
U3-Betreuung oder die Inklusion aufgabenangemessen
vom Bund zusammen mit den Ländern zu finanzieren.
Die Hinlänglichkeit der Finanzierung ist gerade bei sich
erst entwickelnden Aufgabenbereichen kontinuierlich zu
prüfen. Aktuell ist die Ausgabenexplosion durch die stark
gestiegene Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von
Asylbewerbern durch eine weitaus höhere Kostenübernahme
mitzufinanzieren. Verbindliche Regelungen müssen dafür
sorgen, dass die Bundeshilfen für die Kommunen auch
tatsächlich ungekürzt vor Ort ankommen. Nur so kann der
finanzielle Kollaps in ohnehin schon finanzschwachen
Kommunen vermieden werden.
Zur Stärkung der Standortqualität soll der Bund die
Investitionsförderung an die tatsächliche Bedarfslage in den
Kommunen anpassen. Er hat bei der anstehenden Reform des
Länderfinanzausgleichs die Möglichkeit, beispielsweise die
frei werdenden Solidarpaktmittel für die kommunale
Infrastrukturerneuerung und -instandhaltung in allen
struktur- und finanzschwachen Kommunen einzusetzen.
Angesichts der hohen und in starkem Maße einer
unzureichenden Soziallastenfinanzierung geschuldeten
Kassenkreditbelastung zahlreicher Kommunen, die aus eigener
Kraft nicht zu tilgen sein wird, ist der Bund zusammen mit
den Ländern gefordert.
Die Länder haben hier zum Teil schon durch temporäre
Konsolidierungsprogramme geholfen. Insbesondere die hoch
verschuldeten Kommunen benötigen beim Abbau der Altschulden
aber weitere Unterstützung. Auch ein reformiertes
Gemeindefinanzsystem kann nur wirken, wenn der
Altlastenabbau möglich und die Abwärtsspirale aus Zinslasten
und hoher Steuerbelastung von Bürgern und Wirtschaft
gestoppt werden.
Wir selbst machen unsere Hausaufgaben. Eine fiskalisch
nachhaltige Kommunalpolitik, die Einnahmen und Ausgaben zum
Ausgleich bringt, ist für uns keine Worthülse.
Finanzwirtschaftliche Teilreparaturen lösen hingegen keine
Probleme. Der erneut massiv angestiegene Zustrom von
Flüchtlingen macht aber wieder einmal plakativ deutlich,
dass ohne eine hundertprozentige Erstattung der auf die
Kommunen zusätzlich zukommenden Kosten durch den Bund mühsam
errungene Konsolidierungserfolge – wieder einmal –
aufgezehrt werden. Deshalb noch einmal: Wir brauchen eine
aufgabengerechte Finanzausstattung.
Wir haben seit Jahrzehnten in den Städten und Gemeinden den
Nachweis erbracht, dass wir mit unseren Erfahrungen und
unseren lokalen Kompetenzen in der Lage sind, neben unseren
kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben auch viele
gesamtstaatlich wichtige Aufgaben – von der lokalen
Arbeitsmarktpolitik bis zur Integration von Zuwanderern – zu
erfüllen.
Damit unsere Handlungskompetenz vor Ort erhalten bleibt,
bedarf es der Umsetzung unserer Forderungen. Die Erwartungen
unseres Aktionsbündnisses an die Plenardebatte im Deutschen
Bundestag haben einen sehr ernsten Hintergrund: Nur wenn
sich Politik vor Ort in handlungsfähiger kommunaler
Selbstverwaltung bewähren kann, bleibt unsere
Gesellschaftsordnung stabil, widerstandsfähig und neuen
Herausforderungen gewachsen! Handlungsfähige Kommunen sind
das Fundament unseres Staatsaufbaus.
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