Duisburg, 23. März 2015 -
Kielwasserrauschen, dazu ein Diesel der leise tuckert, und
das Donnern der Wellen gegen den stählernen Schiffsrumpf im
Unterdeck: die Klänge des Musikers Pavel Krtecèk, die er
durch Loops und Eigensamples erzeugt, schaffen im Ruhrorter
Binnenschifffahrtsmuseum genau die Atmosphäre, die der
Rheinhauser Autor Cornelius Monte für seine Lesung aus
seinem Buch „Rheinorangen“ benötigt.
Unter Flaggen
sitzend und wie aus einem Rostrum, einem sogenannten
Schiffsschnabel, liest er seine Geschichte dem Publikum vor,
das sich auf dem Ober- und Steuerdeck des nachgebauten
Motorschiffs sitzend verteilt hat: „Es ist wie eine Dejà-vu,
als ich das Blatt entfalte...“. Die 30 Zuhörer ahnen
nun, dass sie sich auf eine spannende Reise von Ruhrort nach
Rotterdam begeben werden.
Die Geschichte des
Ich-Erzählers ist eine moderne Odyssee, im Ruhrorter Hafen
heuert er als Schiffsjunge, sogenannter „Moses“, auf einem
Schubschiff „Hercules“ an, das stromabwärts nach Rotterdam
fährt. Sein Ziel ist es seine verflossene Liebe
wiederzufinden, die dort in der niederländischen Metropole
in einem Szeneclub als erfolgreiche DJane arbeitet.
Besonders sprachlich besticht Monte: viele Fachausdrücke aus
der Binnenschifffahrt lassen die Zuhörer die
spannungsgeladene Atmosphäre auf Deck nachempfinden.
Detailliert beschreibt der Erzähler seine Charaktere,
die gesamte, zuerst missgünstige Boots-Crew. Den
niederländischen Bootsmann van Haan lässt Cornelius Monte
in einem selbst geschaffenen Kauderwelsch aus Niederländisch
und Deutsch durch das Buch sprechen, präzise berichtet
der Autor von historischen Ereignissen, die sich an den
Orten entlang seiner Fahrt ereignet haben. Und emphatisch
wird Monte im Vortrag, wenn er in surrealen
Rückblenden an das Glück mit seiner einstigen Liebe
erinnert, in einer fantastischen Darstellung von „Rhein in
Flammen“.
„Mit der Solidarität unter Vertriebenen“
erzählt Cornelius Monte eine Geschichte, die in den witzigen
Dialogen der Crew untereinander moderne, lausbubenhafte Züge
von „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“ annimmt, genauso wie
sie durch den abenteuerlichen Charme der „Odyssee“ besticht,
als der Ich-Erzähler sein Schicksal in selbst geschriebenen
Liedtexten wie ein Verirrter besingt. Denn im Rotterdamer
Hafen geht die Crew, halbbetrunken, in der Nacht bei
schwerstem Hochwasser von Bord, und muss um ihr Leben
fürchten - somnambul und gespenstisch erscheint der
„Fliegende Holländer“ ...
Ein Roman, bei dessen
Lektüre Binnenschiffer zumindest kurzfristig den Anker
werfen können, der ihnen eine geistige Heimat bietet, denn
über all dem schwebt die „Rheinorange“ als Landmarke oder
wirkliche Heimat? Und auch Museumsleiter Dr. Bernhard Weber
konstatierte: „Ich habe selten ein Buch von solcher
Sprachgewalt gelesen.“ Die Gischt erlischt...
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